· Fachbeitrag · Erbschaftsteuer
Steuerbefreiung für ein Familienheim im Fall der Renovierung
von RA und Notar a.D. Jürgen Gemmer, FA Steuerrecht, Magdeburg
| Ein Familienheim ist von der Erbschaftsteuer befreit, sofern es beim Erwerber unverzüglich nach dem Erbfall zur Selbstnutzung bestimmt ist, § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG. Der BFH hat aktuell klargestellt, wie das Tatbestandsmerkmal „unverzüglich“ zu verstehen ist. |
Sachverhalt
Der Kläger (S) ist neben seinem unter Betreuung stehenden Bruder (B) Miterbe seines am 5. 1.14 verstorbenen Vaters (V). Zum Nachlass gehörte ein von V bis zu seinem Tod vollständig selbst genutztes Zweifamilienhaus mit einer Wohnfläche von ca. 120 qm. S sollte aufgrund testamentarischer Anordnung Alleineigentümer des Hauses werden. Mit notariell beurkundetem Vermächtniserfüllungsvertrag vom 20.2.15 hoben S und B die Erbengemeinschaft an dem Grundbesitz in der Weise auf, dass der S Alleineigentum daran erhielt. Die Ergänzungsbetreuerin und das Betreuungsgericht mussten den Vertrag genehmigen. S wurde am 2.9.15 als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen. Angebote von Handwerkern für eine Renovierung des Hauses holte der S ab April 16 ein. Die Bauarbeiten begannen im Juni 16. Der Beklagte (FA) lehnte die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG mit der Begründung ab, S habe das Haus nicht unverzüglich zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmt. Die Revision des S blieb erfolglos.
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Entscheidungsgründe
Steuerfrei ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG u. a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i. S. d. § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG in der ab 2009 geltenden Fassung durch Kinder i. S. d. Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt.
Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u. a. der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB) oder durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB).
Die Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken ist gegeben, wenn der Erwerber die Absicht hat, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, diese Absicht auch tatsächlich umsetzt und die Umsetzung unverzüglich erfolgt. Die Absicht des Erwerbers, die Wohnung selbst zu nutzen, ist eine innere Tatsache, die sich nur anhand äußerer Umstände feststellen lässt. Der Erwerber muss in die Wohnung einziehen und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutzen. Die bloße Widmung zur Selbstnutzung ‒ z. B. durch Angabe in der Erbschaftsteuererklärung ‒ reicht nicht aus (BFH BStBl II 17, 130). Der Begriff des Familienheims setzt zudem voraus, dass der Erwerber dort den Mittelpunkt seines Lebensinteresses hat (vgl. BFH, a.a.O.).
MERKE | Nicht begünstigt sind Zweit- oder Ferienwohnungen (BFH BStBl II 13, 1051). Aber unschädlich ist es, wenn das Kind, z. B. als Berufspendler, mehrere Wohnsitze hat, solange das Familienheim seinen Lebensmittelpunkt bildet (vgl. BTDrucks 16/11107, S. 8 f.). |
Der Erwerber muss die Wohnung unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB), dazu bestimmen, diese für eigene Wohnzwecke selbst zu nutzen. Um die Steuerbefreiung zu erlangen, muss der Erwerber innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht fassen, das Haus selbst zu nutzen und diese tatsächlich umsetzen (BFH BStBl II 16, 225). Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall. Denn dem Erwerber ist eine gewisse Zeit einzuräumen, damit er prüfen kann, ob er in die Wohnung einzieht. Hat er sich nach der ihm zuzubilligenden Bedenkzeit entschlossen dort einzuziehen, benötigt er weitere Zeit für eine eventuelle Renovierung bzw. Gestaltung der Wohnung für eigene Wohnzwecke sowie für die notwendige Durchführung des Umzugs. Unter Berücksichtigung dieser gesamten Umstände erscheint ein Zeitraum von bis zu sechs Monaten nach dem Erbfall als erforderlich (BFH BStBl II 16, 225).
Nutzt der Erwerber die Wohnung erst nach Ablauf von sechs Monaten selbst, kann dennoch eine unverzügliche Bestimmung dazu vorliegen. Allerdings muss der Erwerber in diesem Fall darlegen und glaubhaft machen,
- zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat,
- aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und
- warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat.
Solche Gründe können z. B. vorliegen, wenn sich der Einzug wegen einer Erbauseinandersetzung zwischen Miterben oder wegen der Klärung von Fragen zum Erbanfall und zu den Erwerbern über den Sechsmonatszeitraum hinaus um einige weitere Monate verzögert. Umstände im Einflussbereich des begünstigten Erwerbers, die nach Ablauf des Sechsmonatszeitraums den Einzug länger verzögern, wie z. B. eine Renovierung der Wohnung, sind ihm regelmäßig anzulasten und damit steuerschädlich. Nur unter besonderen Voraussetzungen kann dies anders beurteilt werden (z. B. die Renovierung zieht sich länger hin, weil nach Beginn der Arbeiten ein gravierender Mangel der Wohnung entdeckt wird, der vor dem Einzug beseitigt werden muss).
MERKE | Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Erbfall und dem tatsächlichen Einzug in die Wohnung ist, umso höhere Anforderungen sind an die Darlegung des Erwerbers und seine Gründe für die verzögerte Nutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke zu stellen (BFH BStBl II 16, 225). |
Im Streitfall ist die Würdigung des FG, S habe das Zweifamilienhaus nicht unverzüglich dazu bestimmt, selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. V ist im Januar 14 verstorben. Nach der Eintragung im Grundbuch als Eigentümer hat S das Haus des V nicht unverzüglich zu eigenen Wohnzwecken bestimmt. Erst im April 16, also mehr als zwei Jahre nach dem Todesfall und mehr als sechs Monate nach der Eintragung im Grundbuch, hat S Angebote von Handwerkern eingeholt und damit überhaupt erst mit der Renovierung begonnen. Die Arbeiten am Haus haben erst im Juni 16 begonnen. S hat nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er diese Verzögerung nicht zu vertreten hat. Letztlich war S am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem FG, mithin zwei Jahre und acht Monate nach dem Erbfall, noch immer nicht in das geerbte Haus eingezogen.
Relevanz für die Praxis
Der BFH hat es (leider) offengelassen, inwieweit das Zuwarten auf das Wirksamwerden des der Eigentumsübertragung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts ‒ hier Vermächtniserfüllungsvertrags ‒ oder auch auf die Eintragung des Erwerbers im Grundbuch einer unverzüglichen Bestimmung des Hauses zur Selbstnutzung als Familienheim als steuerschädlich zu bewerten ist. Denn der im Streitfall weitere zeitliche Ablauf reichte bereits aus, dem S die Steuerprivilegierung zu versagen. Die Vorinstanz, das FG Münster, hat zu dieser Frage die Ansicht vertreten, dass Maßnahmen, die Entscheidung zur Selbstnutzung umzusetzen, erst verlangt werden können, nachdem die Eigentümerposition als gesichert angesehen werden kann. Dem ist zuzustimmen.
Weiterführende Hinweise
- Billig, UVR 18, 313 zur Steuergestaltung bei Übertragung von Familienheim unter Beachtung der aktuellen Rechtsprechung
- Halaczinsky, UVR 16, 216 zum Familienheim im Erbfall: Steuerbefreiung bei Erwerb durch Kinder