· Fachbeitrag · Nachlassverbindlichkeiten
Zahlungen eines Beschenkten an (Nach-)Erben zur Sicherung des Geschenkten sind abzugsfähig
von RA Uwe Gottwald, VorsRiLG a.D., Vallendar
| Der BFH (6.5.21, II R 24/19) hat entschieden, dass Zahlungen einesBeschenkten zur Abwendung von Ansprüchen beeinträchtigter Vertrags- bzw. Nacherben bei der Schenkungsteuer steuermindernd zu berücksichtigen sind. Das gelte auch dann, wenn die Zahlungen aufgrund eines Vergleichs erbracht werden, sofern die Ansprüche ernstlich geltend gemacht wurden. § 29 Abs. 1 ErbStG schließe eine Berücksichtigung von Aufwendungen nach § 10 Abs. 5 ErbStG nicht aus. |
Sachverhalt
Eheleute V und E hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Nach dem Tode des Ehemannes V wurde es zunächst so ausgelegt, dass die überlebende Ehefrau Alleinerbin und die drei gemeinsamen Kinder Schlusserben seien. Dementsprechend wurde die Ehefrau als Alleinerbin eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks eingetragen.
Die Ehefrau übertrug einem ihrer Söhne im Jahr 2000 im Wege der Schenkung zunächst ein unbebautes Grundstück. Wegen der Höhe des zu berücksichtigenden Freibetrags fiel keine Schenkungsteuer an. Im Jahr 2003erhielt der Sohn dann den gesamten Grundbesitz. Die Grundstücksübertragungen erfolgten jeweils unter Nießbrauchsvorbehalt. Aufgrund der Schenkungsteuererklärung setzte das Finanzamt im Jahr 2004 unter Berücksichtigung der Vorschenkung im Jahr 2000 einen Betrag von rund 19.000 EUR fest.
Nach dem Tod der Ehefrau im Jahre 2011 stellte das Nachlassgericht fest, dass das Testament fehlerhaft ausgelegt worden sei und die überlebende Ehefrau Vorerbin und die drei Söhne Nacherben geworden seien.
In der Folgezeit führten der beschenkte Sohn und seine Brüder einen Zivilrechtsstreit, in dem es darum ging, ob aus den §§ 2113, 2287 BGB ein Anspruch auf Rückübertragung von Miteigentumsanteilen oder auf Wertersatz in Geld bestehen könnte. Dieser Rechtsstreit wurde durch einen Vergleich beendet, aufgrund dessen der beschenkte Sohn an einen seiner Brüder 150.000 EUR zur Abgeltung aller Ansprüche im Jahr 2015 zahlte.
Der beschenkte Sohn beantragte beim Finanzamt sodann die Änderung der Steuerfestsetzung und die erwerbsmindernde Berücksichtigung der Vergleichszahlung. Nachdem das Finanzamt den Antrag ablehnte und den Einspruch zurückwies, erhob der beschenkte Sohn Klage vor dem zuständigen Finanzgericht. Dieses gab der Klage statt und erkannte, dass der Betrag von 150.000 EUR als weitere Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen sei. Die durch das Finanzamt hiergegen eingelegte Revision hat der BFH zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG zählten zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten u. a. die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Der Begriff der Nachlassregelungskosten sei grundsätzlich weit auszulegen. Er umfasse u. a. die Kosten dertatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses, sowie alleKosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen.
Ein Abzug setze einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs voraus. Ein solcher liege vor, wenn die Kosten ‒ im Sinne einer synallagmatischen Verknüpfung ‒ dafür aufgewendet würden, dass der Erwerber seine Rechtsstellung erlangt. Ausreichend sei dabei ein Entstehen der Kosten nach dem Erbfall, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Erlangung oder Sicherung der Erbenstellung vorliege.
Zu den unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbsstehenden Kosten gehörten auch Abfindungszahlungen des Erben an den weichenden Erbprätendenten, die der Erbe entrichtet, damit seine (Allein-)Erbenstellung in einem anhängigen Verfahren nicht mehr bestritten werde, denn sie diene dem Zahlenden unmittelbar dazu, die Erbenstellung endgültig und damit zugleich den Erwerb als Erbe zu erlangen. Ebenso gehörten Zahlungen des Beschenkten an einen Dritten, damit die Schenkung nach Grund und/oder Umfang nicht mehr bestritten werde, zu den unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs stehenden Kosten und minderten so die Bereicherung. Auch bei der Schenkung könne so nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG abziehbarer Erwerbsaufwand entstehen.
Sowohl der Nacherbe als auch der Vertragserbe, diesem gleichgestellt der durch ein Ehegattentestament begünstigte Erbe, könnten Ansprüche gegen den Beschenkten aus einer beeinträchtigenden Schenkung haben. Zahlungen zur Abwendung solcher Ansprüche könnten Erwerbserlangungskosten sein.
In beiden Fällen dienten Zahlungen, die diese Ansprüche abwehren, dazu, dem Beschenkten das Geschenkte zu sichern. Sie könnten deshalb nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig sein. Das gelte auch dann, wenn Zahlungen aufgrund eines Vergleichs erbracht werden, sofern die Ansprüche ernstlich geltendgemacht wurden. Eine derartige Zahlung des Beschenkten stelle für seine Schenkungsteuer ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO dar.