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  • · Fachbeitrag · Pflichtteil

    Besteuerung der Abfindung für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch

    von RA und Notar a.D. Jürgen Gemmer, FA Steuerrecht, Magdeburg

    Die Abfindung, die ein künftiger gesetzlicher Erbe an einen anderen Erben für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch zahlt, ist eine freigebige Zuwendung des künftigen gesetzlichen Erben an den anderen und kann nicht als fiktive freigebige Zuwendung des künftigen Erblassers an diesen besteuert werden (BFH 16.5.13, II R 21/11, ZEV 13, 523 = BStBl II 13, 922 = DStR 13, 1783, Abruf-Nr. 132680).

     

    Sachverhalt

    Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) verzichtete durch notariell beurkundeten Erbschaftsvertrag gegenüber seinen drei Brüdern für den Fall, dass er durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge seiner Mutter (M) ausgeschlossen sein sollte, auf die Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs einschließlich etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen eine von den Brüdern zu zahlende Abfindung. Die Vertragsparteien waren sich darüber einig, dass der Vertrag auch Bestand haben soll und die gezahlten Abfindungen nicht zurückzugewähren sind, wenn der Kläger nach dem Tod der M nicht Erbe wird und er keinen Pflichtteilsanspruch erwirbt. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) war der Ansicht, die Zahlung der Abfindungen an den Kläger sei als Schenkung der M an diesen zu besteuern, und setzte dementsprechend gegen den Kläger Schenkungsteuer fest. Das FG hob den Schenkungsteuerbescheid mit der Begründung auf, die von den Brüdern an den Kläger gezahlten Abfindungen könnten nicht als Schenkung der M an den Kläger besteuert werden. Die Revision des FA blieb erfolglos.

     

    Entscheidungsgründe

    Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine freigebige Zuwendung setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich ist (BFH BStBl II 12, 473; BFH/NV 13, 846 = ZEV 13, 220) und in subjektiver Hinsicht den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit (BFH BStBl II 11, 363).

     

    Schließen künftige gesetzliche Erben einen Vertrag gemäß § 311b Abs. 5 BGB, wonach der eine auf seine künftigen Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche gegen Zahlung eines Geldbetrags verzichtet, stellt die Zahlung eine freigebige Zuwendung des Zahlenden i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Die Steuerklasse richtet sich indes nicht nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers (Verzichtenden) zum Zahlenden, sondern zum künftigen Erblasser (BFH BStBl II 01, 456 = ZEV 01, 163). Da die Abfindung in einem solchen Fall aus dem Vermögen des künftigen gesetzlichen Erben geleistet wird, liegt eine freigebige Zuwendung von diesem an den Empfänger der Abfindung vor. Es ist nicht möglich, stattdessen eine fiktive freigebige Zuwendung des künftigen Erblassers an den Empfänger der Abfindungszahlung zu besteuern. Für die Beurteilung dieser Abfindungsleistung als freigebige Zuwendung des künftigen Erblassers, gibt es keine gesetzliche Grundlage. Dies würde auch dazu führen, dass der künftige Erblasser gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG neben dem Zuwendungsempfänger Schuldner der Schenkungsteuer ist. Der Sondertatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG ist nicht anwendbar, wenn ein künftiger gesetzlicher Erbe gegenüber einem anderen gegen Zahlung eines Geldbetrags auf seine künftigen Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche verzichtet (BFH BFHE 194, 440 = BStBl II 01, 456 = ZEV 01, 163).

     

    § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG ist ebenfalls nicht einschlägig. Die Vorschrift betrifft lediglich bestimmte Abfindungen nach Eintritt des Erbfalls. Ein künftiger gesetzlicher Erbe kann die Abfindung, die er an einen anderen für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteils(ergänzungs)anspruch zahlt, beim Eintritt des Erbfalls gemäß § 10 Abs. 1 S. 2 i.V. mit Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit vom Erwerb abziehen (BFH BFHE 194, 440 = BStBl II 01, 456, unter II.2.d). Dies beruht jedoch darauf, dass die Abfindung aus seinem Vermögen geleistet wurde. Hieraus lässt sich aber nicht der Schluss ziehen, dass sie als fiktive freigebige Zuwendung des Erblassers an deren Empfänger zu besteuern ist.

     

    Das FA hat demnach zu Unrecht die Abfindungszahlungen der Brüder als Schenkung der M an den Kläger besteuert. Die von den Brüdern gezahlten Abfindungen stellen vielmehr drei getrennt zu besteuernde freigebige Zuwendungen der Brüder an den Kläger dar. Wie diese Besteuerung im Einzelnen zu erfolgen hat, kann im Streitfall auf sich beruhen.

     

    Praxishinweis

    Verzichtet ein künftiger gesetzlicher Erbe in einem Erbschaftsvertrag (§ 311b Abs. 5 BGB) gegen Zahlung eines Geldbetrags auf künftige Pflichtteilsansprüche, ist die Zahlung schenkungsteuerlich als freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu behandeln. Denn dem auf sein Pflichtteilsrecht Verzichtenden steht bei Abschluss des Erbschaftsvertrags (noch) gar kein entsprechender Pflichtteilsanspruch zu. Es handelt sich um eine schenkungsteuerrechtlich irrelevante Erwerbschance (so bereits BFH BStBl II 01, 456 = s.o.).

     

    Für die Praxis begrüßenswert ist die Klarstellung des BFH, dass die Abfindungszahlung nicht als fiktive freigebige Zuwendung des künftigen Erblassers behandelt werden kann. Hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Weiterhin hat der BFH klargestellt, dass sich die Steuerklasse nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers - d.h. des auf das Pflichtteil Verzichtenden - zum künftigen Erblasser bestimmt. Der künftige gesetzliche Erbe kann die von ihm gezahlte Abfindung beim Eintritt des Erbfalls als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 1. S. 2, Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG vom Erwerb abziehen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • EFG 11, 1267, Vorinstanz zu dieser Entscheidung
    Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 28 | ID 42346146