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  • · Fachbeitrag · Postmortale Vollmacht

    BGH zum Verhältnis von postmortaler Vollmacht zu einer angeordneten Testamentsvollstreckung

    von RA Uwe Gottwald, VorsRiLG a. D., Vallendar

    | Im Rahmen einer Rechtsbeschwerde hat sich der BGH jetzt mit dem Verhältnis von postmortaler Vollmacht zu einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung befasst. |

     

    Sachverhalt

    Die Erblasserin hatte ihrer Enkelin am 31.1.20 eine über den Tod hinaus geltende Vorsorgevollmacht mit dem Inhalt der Vertretung in allen persönlichen Angelegenheiten und in allen Vermögensangelegenheiten erteilt.

     

    Mit privatschriftlichem Testament vom 11.2.20 setzte die Erblasserin ihre Enkeltochter zur Alleinerbin ein ‒ unter Anordnung der Testamentsvollstreckung bis zur Vollendung ihres 25. Lebensjahres. Die Erblasserin bestellte zudem die Beschwerdeführerin zur Testamentsvollstreckerin. Am selben Tag erteilte sie der Beschwerdeführerin eine Vollmacht auf den Todesfall, um sie nach ihrem Tod „in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten gegenüber jedermann und in jeder Weise zu vertreten“. Außerdem existiert eine Kopie einer handschriftlichen „Letztwillige(n) Verfügung“ vom 22.2.20, in der die Erblasserin anordnete:

     

    • Letztwillige Verfügung (Auszug)

    „Meine Enkelin soll Alleinerbin sein. Wegen der Geltendmachung und Durchsetzung meiner Ansprüche gegen … (den Antragsgegner), die derzeit beim Amtsgericht … rechtshängig sind, ordne ich Testamentsvollstreckung an. … Ich weise den Testamentsvollstrecker an, den Rechtsstreit durch die von mir beauftragte Kanzlei … nach deren pflichtgemäßem Ermessen fortführen zu lassen. … Zum Testamentsvollstrecker für die vorgenannten Aufgaben ernenne ich Rechtsanwalt … (den Antragsteller), der das Recht hat, einen Nachfolger zu bestimmen. … Für die von der vorstehenden Testamentsvollstreckung nicht betroffenen Aufgabenkreise und Vermögenswerte bleibt es im Übrigen bei der von mir angeordneten Testamentsvollstreckung durch die … (die Beschwerdeführerin).“

     

    Nach dem Tod der Erblasserin hat ihre Enkelin als Alleinerbin durch von ihr beauftragte Rechtsanwälte schriftsätzlich die Antragsrücknahme erklärt. Der Antragsgegner hat der Rücknahme zugestimmt und Kostenantrag gestellt. Das Amtsgericht hat der „Antragstellerin“, insoweit noch die Erblasserin im Rubrum genannt ist, die Kosten des Verfahrens auferlegt und zur Begründung ausgeführt, dass die Antragsrücknahme mit Blick auf die der Enkelin erteilten transmortalen Vollmacht wirksam sei.

     

    Gegen diesen Beschluss wandte sich die Beschwerdeführerin, die die Entscheidung vom früheren Verfahrensbevollmächtigten der Erblasserin erhalten hatte, erfolglos mit der sofortigen Beschwerde. Dagegen wendete sich die Beschwerdeführerin sodann mit der vom OLG zugelassenen Rechtsbeschwerde.

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH hat die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen und zur Begründung der Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt (14.9.22, IV ZB 34/21, Abruf-Nr. 231665):

     

    Bei der ‒ notwendigen ‒ Auslegung der letztwilligen Verfügung vom 22.2.20 seien dem Beschwerdegericht keine Rechtsfehler unterlaufen. Es habe zu Recht angenommen, dass die Erblasserin für die im Ausgangsverfahren streitigen Rechte allein den Antragsteller zum Testamentsvollstrecker ernannt und diese einer Verwaltung durch die Beschwerdeführerin entzogen habe, indem sie das Testament vom 11.2.20 teilweise gem. § 2258 Abs. 1 BGB widerrufen habe. Die Option einer Gesamtvollstreckung habe das Beschwerdegericht in Betracht gezogen und zu Recht im Einzelfall ausgeschlossen. Die Beschwerdeführerin sei auch nicht kraft der ihr erteilten postmortalen Generalvollmacht zur Einlegung der sofortigen Beschwerde befugt gewesen.

     

    Eine postmortale Vollmacht, die unwiderruflich oder nicht widerrufen worden sei, könne grundsätzlich auch im Außenverhältnis selbstständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Vollmachtnehmer eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleiteteBefugnisse verleihen. Dabei könne das Verhältnis der postmortalen Vollmacht zur Testamentsvollstreckung nicht losgelöst vom jeweiligen Einzelfall bestimmt werden. Im Konfliktfall sei zu beurteilen, in welchem Verhältnis zueinander Vollmacht und Testamentsvollstreckung stünden. Dabei sei der wirkliche Wille des Vollmachtgebers und Erblassers ausgehend vom jeweiligen Wortlaut der Vollmachtsurkunde und der Anordnung der Testamentsvollstreckung durch Auslegung beider Urkunden ‒ unabhängig von ihrer zeitlichen Reihenfolge ‒ nach den Maßstäben des § 133 BGB zu erforschen.

     

    Auf diese Weise sei zu ermitteln, ob und inwieweit der Erblasser voneinander unabhängige Machtbefugnisse des Bevollmächtigten und des Testamentsvollstreckers begründen wollte. Bei der Auslegung könnten auch Begleitumstände sowie der verfolgte Zweck und die bestehende Interessenlage berücksichtigt werden. Der Wille der Erblasserin zur Fortführung des Verfahrens gerade durch die bevollmächtigte Beschwerdeführerin könne der allgemein formulierten Vollmacht nicht entnommen werden.

     

    Relevanz für die Praxis

    Derartige Auslegungen sind am besten von vornherein zu vermeiden. Der Erblasser, der Testamentsvollstreckung anordnet und einen Testamentsvollstrecker ernennt, sollte grundsätzlich Dritten keine oder nur ganz spezielle Vollmachten ausstellen. Ratsam ist es dagegen, dem Testamentsvollstrecker zugleich mit der Ernennung eine postmortale Vollmacht zu erteilen. Das erlaubt ihm bereits vor Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses (z. B. gegenüber Banken) zu agieren und im Außenverhältnis für den Nachlass zu handeln. Wünscht der Erblasser, dass der Testamentsvollstrecker Schenkungen vornehmen können soll, die über die Pflicht- und Anstandsschenkungen hinausgehen, bedarf er bereits wegen der restriktiven Regelung des § 2205 S. 2 BGB einer entsprechenden postmortalen Vollmacht.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2022 | Seite 183 | ID 48670526