02.07.2009 | Erbschaftsteuerreform
Welche Bedeutung hat die Differenzierung nach dem Verkehrswert und Steuerwert noch?
von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster
Ein klassisches Problem des „alten Erbschaftsteuerrechts“ bei der Ermittlung der Bereicherung war die bewertungsrechtlich vorgegebene Differenzierung zwischen dem Steuerwert und dem Verkehrswert eines Vermögensgegenstands auftreten konnte - insbesondere bei der Bewertung von Grundstücken, land- und forstwirtschaftlichem Betriebsvermögen und Betriebsvermögen von Personenunternehmen (Einzelunternehmen und Personengesellschaften) sowie bei der Bewertung von Kapitalgesellschaftsanteilen.
1. Differenzierung aufgrund der Rechtslage in 2008
Um die Bereicherung systemgerecht zu ermitteln, sahen sowohl der Gesetzgeber als auch die Finanzverwaltung und die Rechtsprechung für bestimmte Fallkonstellationen besondere Regeln vor.
Beispiel | ||||||||||||||||||||||||
Der nach § 146 BewG ermittelte Wert eines Grundstücks beträgt 490.000 EUR. Der Verkehrswert des Grundstücks beträgt 700.000 EUR. Die Verbindlichkeiten aus der Finanzierung des Objekts belaufen sich im Besteuerungszeitpunkt auf 300.000 EUR.
Variante 1 Das Grundstück und die Verbindlichkeit gehen durch Erbanfall auf den Erben X über. Die Bereicherung (§ 10 Abs. 1 S. 1 und 2 ErbStG) ermittelte sich nach Rechtslage 2008 wie folgt:
Variante 2 Das Grundstück und die Verbindlichkeiten gehen durch Schenkung auf den Beschenkten X über. Die Bereicherung für die Schenkung unter Lebenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ist nach den für gemischte Schenkungen/Schenkungen unter Leistungsauflagen geltenden Grundsätzen (grundlegend BFH 21.10.81, II R 176/78, BStBl II 82, 83; auch BFH 12.4.89, BStBl II 89, 524 m.w.N.; R/H 17 Abs. 2 ErbStR/ErbStH 2003) wie folgt zu ermitteln:
Aufgrund der Differenz zwischen Steuerwert und Verkehrswert des Grundstücks fällt die Bereicherung bei der SchenkSt mit 280.000 EUR deutlich höher aus als beim Erwerb von Todes wegen mit 190.000 EUR. |
Wenn auch grundsätzlich die Vorschriften über die Erwerbe von Todes wegen auch für Schenkungen gelten, verbietet sich nach Ansicht des BFH eine unmittelbare Übertragung der Regelung des § 10 Abs. 1 S. 2 ErbStG auf freigebige Zuwendungen insoweit, als es sich um gemischte Schenkungen bzw. Schenkungen unter Leistungsauflagen handelt, weil § 7 Abs. 1 S. 1 ErbStG nur die auf Kosten des Zuwendenden eintretende Bereicherung selbst der Besteuerung unterwirft. Dies führt im Ergebnis dazu, dass nur der die Gegenleistung übersteigende Wert der Zuwendung, der in dem anteiligen Steuerwert zum Ausdruck kommt, schenkungsteuerrechtlich relevant ist. Im Beispiel sind dies 4/7 des Steuerwerts des Grundstücks.
2. Auswirkungen der Reform auf die bisherige Beurteilung
Aufgrund der mit der Erbschaftsteuerreform geänderten Bewertungsvorschriften stellt sich die Frage, ob an eine Differenzierung zwischen Verkehrs- und Steuerwert noch festgehalten werden muss bzw. aufgrund der Entscheidung des BVerfG überhaupt noch festgehalten werden kann.
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