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  • 01.07.2005 | Ergänzungspflegschaft

    Der Ergänzungspfleger

    von RAin / StBin Dr. Carmen Griesel, Düsseldorf

    Wenn Vermögen an minderjährige Kinder übertragen wird, ist ggf. ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Anders als ein Vormund, dem die umfassende Sorge für eine Person übertragen wird, erfolgt die Pflegerbestellung nur zur Besorgung einzelner Angelegenheiten. Auf die Auswahl der Person des Pflegers haben die Eltern grundsätzlich keinen Einfluss. Lediglich im Testament kann eine konkrete Person als Pfleger benannt werden. 

     

    Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen werden steuerlich nur anerkannt, wenn diese  

    • zivilrechtlich wirksam zu Stande gekommen sind,
    • tatsächlich vollzogen werden und
    • dem Fremdvergleich standhalten.

     

    Wird der Ergänzungspfleger trotz gesetzlicher Notwendigkeit nicht bestellt, kommt das Rechtsgeschäft zivilrechtlich und damit auch steuerlich nicht wirksam zu Stande. Hintergrund ist, dass Minderjährige im Rechtsverkehr grundsätzlich keine auf den Abschluss von Rechtsgeschäften gerichtete Willenserklärung abgeben können. Sie müssen sich regelmäßig von mindestens einem Elternteil gesetzlich vertreten lassen. Bei Verträgen zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern können die Eltern nur dann für ihre Kinder handeln (Insichgeschäft), wenn Letztere aus dem Rechtsgeschäft lediglich einen rechtlichen Vorteil (§ 107 BGB) erhalten. Anderenfalls sind die Eltern an einer Vertretung des Kindes gehindert (§ 1629 Abs. 2 S. 1, § 1795 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 181 BGB). Es muss ein Ergänzungspfleger eingeschaltet (§ 1909 BGB) und ggf. eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eingeholt werden.  

     

    Praxishinweis: Der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfen nach § 1643 Abs. 1 BGB insbesondere  

     

    • Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit der Eigentumsübertragung oder Belastung von Grundstücken (§ 1821 BGB),
    • der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages gerichtet auf den Betrieb eines Erwerbsgeschäfts (§ 1822 Nr. 3 BGB) oder
    • die Ausschlagung einer Erbschaft bzw. eines Vermächtnisses sowie ein Pflichtteilsverzicht durch den Minderjährigen (§ 1643 Abs. 2 BGB).

     

    Der Bestellung eines Ergänzungspflegers bedarf es nicht, wenn das Rechts­geschäft für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft i.S. des § 107 BGB ist. Es dürfen dem Minderjährigen durch das Rechtsgeschäft unmittelbar keine rechtlichen Nachteile entstehen, sei es durch Gesetz oder vertragliche Vereinbarung. Es erfolgt keine wirtschaftliche Betrachtung. Eine Genehmigung ist auch dann erforderlich, wenn es sich aus wirtschaftlicher Sicht um ein besonders günstiges Geschäft handelt. 

     

    Mit Ausnahme eines Schenkungsvertrages sind alle schuld­rechtlichen Verträge, wie z.B. Grundstückskaufverträge und der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages, über den die Beteiligung des Minder­jährigen an einer Familiengesellschaft erreicht werden soll, rechtlich nachteilig. Auch der Schenkungsvertrag kann eine Pflegerbestellung erforderlich machen, wenn er eine rechtliche Verpflichtung des Minderjährigen enthält. Auf der dinglichen (Erfüllungs-)Ebene kommt es darauf an, ob der Minderjährige lediglich Rechte erwirbt (Fall des § 107 BGB) oder auch Verpflichtungen eingeht, für die er nicht nur dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem privaten Vermögen haftet. 

     

    Beispiel 1

    Der Vater V überträgt sein Grundstück, das mit einer sofort vollstreckbaren Grundschuld belastet ist, unentgeltlich auf seinen minderjährigen Sohn S.  

     

    Sowohl der zu Grunde liegende Schenkungsvertrag als auch die Auflas­sung des Grundstücks bedürfen auf Grund ihrer lediglich rechtlichen Vorteilhaftigkeit für S keiner Einschaltung eines Ergänzungspflegers. S erhält ein von vornherein um den Wert der Grundschuld gemindertes Grundstück geschenkt. Da die Grundschuld den S als neuen Eigentümer lediglich verpflichtet, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden, entsteht für S kein Haftungsrisiko. Es liegt daher kein rechtlicher Nachteil vor.  

     

    Um ein zumindest teilentgeltliches Rechtsgeschäft handelt es sich dagegen, wenn S auch die der Grundschuld zu Grunde liegenden schuldrechtlichen Zahlungsverpflichtungen persönlich übernimmt. Auf Grund seiner persönlichen Haftungsübernahme liegt dann ein (teil-)entgeltliches Rechtsgeschäft vor, das die Bestellung eines Ergänzungspflegers erfordert. Würde sich V zusätzlich ein Rücktrittsrecht für den Fall der Weiterveräußerung durch S oder dessen Vorversterben einräumen, ist der Schenkungs­vertrag – auf Grund gesetzlicher Schadensersatzverpflichtungen von S im Falle der Ausübung des Rücktrittsrechtes – als rechtlich nachteilig anzusehen. Gleiches gilt, wenn das Grundstück vermietet ist, da S in diesem Fall in die Rechte und Pflichten aus den Mietverhältnissen (Gebrauchsüberlassung, Erhaltung der Mietsache im vertragsgemäßen Zustand) eintritt. 

     

    Beispiel 2

    V schenkt S sein Grundstück, behält sich jedoch ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor. Es wird vereinbart, dass V auch die außerordentlichen Grundstückslasten und die Kosten für außergewöhnliche Ausbesserungen und Erneuerungen zu tragen hat. 

     

    Sowohl bei dem Schenkungsvertrag als auch der Auflassung handelt es sich für S um ein ausschließlich rechtlich vorteilhaftes Rechtsgeschäft (§ 107 BGB). Ein Ergänzungspfleger ist nicht zu bestellen. Die mit dem Nießbrauchsrecht belastete Grundstücksübertragung ist für S im vorliegenden Fall rechtlich vorteilhaft, da V über die gesetzliche Regelung des § 1042 S. 2und § 1047 BGB hinaus auch die außergewöhnlichen Grundstückskosten zu tragen hat. Dementsprechend entsteht für S ggü.dem Nießbraucher V keine persönliche Verpflichtung, Aufwendungs- oder Verwendungsersatz nach den §§ 1049, 677 ff. BGB zu leisten.  

     

    Behält sich der Schenker dagegen einen Nießbrauch mit dem gesetzlichen Inhalt vor, handelt es sich bei der Einräumung um ein für den Minderjährigen rechtlich nachteiliges Rechtsgeschäft, das die Einschaltung eines Ergänzungspflegers erfordert (ebenso BGH 25.11.04, NJW 05, 415 ff.; weiter dagegen BFH 8.8.78, BStBl II, 663). Gleiches gilt, wenn dem Minderjährigen anstelle des Eigentums lediglich der Nießbrauch an einem Grundstück eingeräumt wird. Bei Vereinbarung des Nießbrauchs entsprechend den gesetzlichen Regelungen, die insbesondere mit persönlichen Verpflichtungen des Nießbrauchers verbunden sind (§§ 1041, 1045, 1047 BGB), muss ein Ergänzungspfleger mitwirken. Die Bestellung eines Pflegers für die gesamte Dauer des Nießbrauchs ist jedoch – ebenso wie bei einer Beteiligung des Minderjährigen an einer Familienpersonengesellschaft für die Dauer der Beteiligung – nicht erforderlich (BFH 13.5.80, BStBl II 81, 295). 

     

    Wird zu einem späteren Zeitpunkt die Bestellung des Pflegers nachgeholt, kann dieser den Vertrag genehmigen mit der Konsequenz, dass er zivilrechtlich als von Anfang an wirksam gilt. Eine steuerliche Rückwirkung wird dagegen nur akzeptiert, wenn die Genehmigung durch den Ergänzungspfleger unverzüglich nach Abschluss des Rechtsgeschäftes beantragt und in angemessener Frist erteilt wird (BFH 23.4.92, BStBl II 92, 1024). Gleiches gilt für das Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung (BFH 1.2.73, BStBl II, 307). Als ausreichend wurde es bspw.angesehen, wenn die Pflegerbestellung bzw. Genehmigung unmittelbar nach Vertragsschluss beantragt und binnen zwei Monaten erteilt wurde (BFH 8.11.72, BStBl II 73, 287). 

     

    Erfolgt die Genehmigung durch den Ergänzungspfleger oder genehmigt der mittlerweile Volljährige das Rechtsgeschäft (§ 108 Abs. 3 BGB) Jahre später selbst, entfaltet der Vertrag erst zum Zeitpunkt der Genehmigung steuerliche Wirkung. Er wird für die Vergangenheit nicht berücksichtigt. Hintergrund ist nach der Rechtsprechung, dass erst vom Zeitpunkt der Genehmigung tatsächlich und rechtlich alle Folgerungen aus dem bisher schwebend unwirksamen Vertrag gezogen werden können. Dies birgt neben der Konsequenz, dass bis zu diesem Zeitpunkt steuerliche Gestaltungen (z.B. Mietverträge o.ä.) nicht anerkannt werden, zusätzlich das Risiko, dass bei veränderten steuerrechtlichen Bedingungen Folgen eintreten, die bei der ursprünglichen Planung nicht berücksichtigt wurden.  

     

    Praxishinweis: Die Beteiligten können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie gutgläubig davon ausgingen, eine Pflegschaft sei nicht notwendig gewesen (BFH 31.10.89, BStBl II, 506). Sogar die unrichtige Mitteilung des zuständigen Vormundschaftsgerichtes, es bedürfe keiner Pflegerbestellung, führt nicht dazu, dass der geschlossene Vertrag wirksam oder die Pflegerbestellung entbehrlich ist. Hinsichtlich etwaiger Regress­ansprüche ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der beurkundende Notar verpflichtet ist (§18 BeurkG), die Parteien über eventuelle Genehmigungserfordernisse zu belehren, so dass zumindest die Notarhaftung (§ 19 BNotO) in Erwägung gezogen werden könnte. 

    Quelle: Ausgabe 07 / 2005 | Seite 178 | ID 86681