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  • 05.03.2009 | Pflichtteilsergänzungsanspruch

    Abfindung für Erbverzicht grundsätzlich ein entgeltliches Geschäft

    von RA / StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, Paderborn

    1. Wegen der Abfindung, die der Erblasser für den Verzicht eines Abkömmlings auf das gesetzliche Erbrecht leistet, steht einem weiteren Abkömmling ein Pflichtteilsergänzungsanspruch im Hinblick auf die Erhöhung seiner Pflichtteilsquote nach § 2310 S. 2 BGB grundsätzlich nicht zu.  
    2. Das setzt voraus, dass sich die Abfindung in dem Zeitpunkt, in dem sie erbracht wird, der Höhe nach im Rahmen der Erberwartung des Verzichtenden hält. Auf den Wert eines vom Verzichtenden zu beanspruchenden Pflichtteils kommt es insoweit nicht an.  
    3. Für die Frage, ob die vom Erblasser gewährte Leistung über ein Entgelt oder eine angemessene Abfindung für den Erbverzicht hinausgeht, kann sich der Pflichtteilsberechtigte auf die in der Rechtsprechung bei gemischten Schenkungen anerkannte Beweiserleichterung berufen. Danach ist eine Schenkung zu vermuten, soweit zwischen Leistung und Gegenleistung ein objektives, über ein geringes Maß deutlich hinausgehendes Missverhältnis besteht.  
    (BGH 29.10.08, IV ZR 58/07, Abruf-Nr. 090393)

     

    Sachverhalt

    Die spätere Erblasserin schloss mit einer ihrer Töchter einen Erb- und Pflicht­teilsverzichtsvertrag gegen Abfindung und setzte testamentarisch deren Tochter, ihre Enkelin B - die Beklagte - als Alleinerbin ein. Nach dem Tod der Erblasserin verlangte die andere Tochter K - die Klägerin - Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche. Den Pflichtteilsergänzungsanspruch stützte die Klägerin auf die Abfindung für den Erb- und Pflichtteilsverzicht.  

     

    Entscheidungsgründe

    Nach wohl herrschender Meinung in der Literatur ist die Abfindung für einen Erbverzicht, soweit sie sich am Wert des Erbteils orientiert und nicht deutlich über ihn hinausgeht, keine Schenkung, sondern ein entgeltliches Geschäft (Lange/Kuchinke, Erbrecht, 2001, § 7 V 3 und § 37 X 2 f.). Soweit ein entgeltliches Geschäft vorliegt, ist der Anwendungsbereich von § 2325 BGB (Pflichtteilsergänzungsanspruch) von vornherein nicht eröffnet.  

     

    In der Rechtsprechung ist die Abfindung für einen Erbverzicht dagegen als unentgeltliche Zuwendung eingeordnet worden (BGH 8.7.85, II ZR 150/84, DB 85, 2295, Abruf-Nr. 090742). Dabei wird § 2325 BGB aber - mit Rücksicht auf eine infolge des Verzichts auf das gesetzliche Erbrecht eintretende Erhöhung des Pflichtteils nach § 2310 S. 2 BGB - einschränkend ausgelegt: Hält sich die Abfindung in dem Zeitpunkt, in dem sie erbracht wird, der Höhe nach im Rahmen der Erberwartung des Verzichtenden, wird davon ausgegangen, dass sie grundsätzlich zugunsten des Pflichtteils­berechtigten durch § 2310 S. 2 BGB kompensiert wird. Der Pflichtteilsberechtigte soll wegen derselben, für den Erbverzicht eines gesetzlichen Erben geleisteten Abfindung nicht neben dem erhöhten Pflichtteil auch noch einen Ergänzungsanspruch erhalten. Eine Pflichtteilsergänzung kommt danach nur in Betracht, soweit die Leistung des Erblassers an den Verzichtenden über eine angemessene Abfindung hinausgeht (Staudinger/Olshausen, BGB, 2006, § 2325 Rn. 7, 9). Demnach unterliegt im Streitfall allein nur der Teil einer Pflichtteilsergänzung nach § 2325 Abs. 1 BGB, der über ein Entgelt bzw. über eine angemessene Abfindung hinausgeht. Dabei ist auf den Wert des Erbteils abzustellen, auf den verzichtet wird, nicht etwa auf den Wert des dem Verzichtenden zustehenden Pflichtteils. Soweit dem Urteil des BGH vom 8.7.85 (a.a.O.) eine andere Auffassung zu entnehmen ist, wird sie von dem für das Erbrecht zuständigen, erkennenden Senat aufgegeben.