07.08.2009 | Sozialgesetzbuch
Wohnungsrecht: Sozialleistungsträger konnte Ansprüche aus Vermietung auf sich überleiten
von RA / StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn
Enthält die schuldrechtliche Vereinbarung über die Bestellung eines Wohnungsrechts keine Regelung, wie die Wohnung genutzt werden soll, wenn der Wohnungsberechtigte sein Recht wegen Umzugs in ein Pflegeheim nicht mehr ausüben kann, kommt eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht (BGH 9.1.09, V ZR 168/07, Abruf-Nr. 090873). |
Sachverhalt
Im Jahre 1979 übertrug die Mutter ihrer Tochter ihr Hausgrundstück im Wege der gemischten Schenkung. Die Mutter behielt sich ein unentgeltliches Wohnungsrecht auf Lebenszeit an einer Wohnung vor. Das Wohnungsrecht wurde ins Grundbuch eingetragen. Seit 2001 wird die inzwischen pflegebedürftige Mutter in einem Pflegeheim betreut. Die beklagte Tochter vermietete die von der Mutter genutzte Wohnung nach deren Auszug und erzielte hierbei eine monatliche Nettomiete von 400 EUR. Die durch ihre Einkünfte nicht gedeckten Heimpflegekosten übernahm der Kläger als Träger der Sozialhilfe. Der Sozialleistungsträger leitete den vertraglichen Ausgleichsanspruch für das Wohnrecht der Mutter bis zur Höhe der gewährten Sozialhilfe auf sich über.
Entscheidungsgründe
Zunächst stellt der BGH klar, dass das Wohnungsrecht der Mutter trotz ihres Umzugs in ein Pflegeheim fortbesteht, sodass der Sozialleistungsträger etwaige Zahlungsansprüche der Mutter wegen der Nichtausübung des Wohnungsrechts auf sich überleiten konnte. In dem Grundstücksübertragungsvertrag war keine Regelung für den Fall vorgesehen, dass die Mutter ihr Wohnungsrecht nicht ausüben kann. Der Vertrag enthält mithin eine Regelungslücke, die mittels ergänzender Auslegung zu schließen ist. Handelte es sich bei dem Vertrag aus dem Jahr 1979 um eine bewusst abschließende Regelung, könnten die Räume nach dem Umzug der Mutter in ein Pflegeheim von niemandem genutzt werden: Die Mutter als Berechtigte wäre aus tatsächlichen Gründen gehindert, ihr Recht wahrzunehmen; die Beklagte wäre angesichts des fortbestehenden Wohnungsrechts nicht befugt, die Räume ohne Zustimmung der Mutter selbst zu nutzen oder Dritten zu überlassen.
Bei der Ergänzung des Vertragsinhalts ist darauf abzustellen, was redliche und verständige Parteien in Kenntnis der Regelungslücke nach dem Vertragszweck und bei sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten. Im Hinblick darauf, dass eine Rückkehr der Mutter aus dem Pflegeheim in absehbarer Zeit offenbar nicht zu erwarten und die ihr überlassene Wohnung zur Vermietung an Dritte geeignet ist, spricht viel für eine Berechtigung zur Weitervermietung.
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