14.05.2009 | Testament
Anrechnung auf den „Erbanteil“ oder Pflichtteil?
Die privatschriftliche Formulierung „Anrechnung auf den Erbanteil“ anlässlich einer lebzeitigen Zuwendung lässt, sofern keine weiteren Anhaltspunkte vorhanden sind, nicht den Schluss zu, der Schenker und spätere Erblasser habe eine Anrechnung auf den Pflichtteil gewollt (OLG Schleswig 13.11.07, 3 U 54/07, Abruf-Nr. 083384). |
Sachverhalt
Die Klägerin ist das einzige Kind des Erblassers. Testamentarische Alleinerbin ist dessen Ehefrau. Die Klägerin macht Pflichtteilsansprüche geltend. Streitig ist, ob sich die Klägerin eine lebzeitige Zuwendung des Erblassers auf ihren Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen muss. Die Schenkung wurde mit einem Schreiben verbunden, in dem es heißt: „Für den geplanten Bau eines Einfamilienhauses schenke ich Dir, unter Anrechnung auf Deinen späteren Erbanteil, einen Betrag i.H. von 100.000 DM.“
Entscheidungsgründe
Die Klägerin braucht sich die Zahlung nicht auf ihren Pflichtteil anrechnen lassen. Eine Anrechnungsbestimmung des § 2315 Abs. 1 BGB erfolgt durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung vor oder bei der Zuwendung. Sie kann ausdrücklich oder stillschweigend geschehen. Die Erklärung muss dem Empfänger in ihrer Tragweite bewusst sein, d.h., er muss abwägen können, ob ihm die Zuwendung eine Verminderung seines Pflichtteils wert ist. In Rechtsprechung und Literatur wird eine Formulierung wie „Anrechnung auf den Erbanteil“ regelmäßig nicht als Anrechnungsbestimmung i.S. des § 2315 BGB ausgelegt. Vielmehr begründet die Bestimmung einer bloßen Anrechnung auf den Erbteil nur eine Ausgleichungspflicht nach dem § 2050 ff. BGB (Staudinger/Haas, BGB, § 2315 Rn. 23). Unklarheiten gehen zulasten des darlegungs- und beweisbelasteten Erben.
Praxishinweis
Die Entscheidung zeigt, wie wichtig die Unterscheidung zwischen „Anrechnung auf den Pflichtteil“ und „Ausgleichung unter Miterben“ bei einer lebzeitigen Zuwendung an Kinder ist.
- Die Auslegung der Wendung „Anrechnung auf den Erbanteil“ als Ausgleichbestimmung nach dem § 2050 ff. BGB ist naheliegend, wenn mehrere Abkömmlinge vorhanden sind.
- Ist wie im Streitfall hingegen nur ein Abkömmling vorhanden, geht die Auslegung des Gerichts m.E. fehl. Der Vater dürfte mit der „Anrechnung“ den Willen verbunden haben, dass seine Tochter sich dieses Geschenk auf das, was sie erbrechtlich zu erhalten hat - Erbteil oder Pflichtteil -, anrechnen lassen muss.
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