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  • 12.05.2011 | Testament

    Die unglückliche Testamentsanordnung - Gestaltungsmöglichkeiten nach dem Erbfall

    von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster

    Hat der Erblasser seinen letzten Willen in einem Testament formuliert, bedeutet dies nicht, dass die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erbfalls denen entsprechen, die sich der Verfasser bei Abfassung des Testaments vorgestellt hat. So können sich beispielsweise die persönlichen und familiären Rahmenbedingungen in der Zeit zwischen Testamentsabfassung und Erbfall verändert haben. Hat der Erblasser nicht reagiert und das Testament an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst, kann dies auch mit steuerlichen Nachteilen verbunden sein. Es ist zu überlegen, ob und wie diese Nachteile nach dem Erbfall noch vermieden werden können.  

     

    Beispiel

    Der vermögende Erblasser V wohnte bis zu seinem Tode in einem Einfamilienhaus in Düsseldorf, dessen Alleineigentümer er war. In seinem Testament hat er seine Tochter T, die wie ihr Vater V zur Zeit der Abfassung des Testaments in Düsseldorf wohnte, zur Alleinerbin eingesetzt. Seinen zu dieser Zeit in Frankfurt wohnenden Sohn S, der schon vor Jahren im Wege vorweggenommener Erbfolge verschiedene Unternehmensbeteiligungen bekommen hatte, hat er - zur Vermeidung einer Erbengemeinschaft - als Vermächtnisnehmer eingesetzt und neben persönlichen Gegenständen mit einem Geldvermächtnis von 1.500.000 EUR bedacht.  

     

    Haus spätestens nach seinem Tod zu eigenen Wohnzwecken nutzen würde. Etwa ein Jahr vor dem Tod des V zieht T jedoch aus persönlichen Gründen nach Hamburg. Ebenfalls vor dem Tod des V ist S aus persönlichen und geschäftlichen Gründen wieder nach Düsseldorf gezogen und würde nach dem Tod seines Vaters gern in das elterliche Haus einziehen, zumal er in Düsseldorf auf keinen vergleichbar schönen Wohnsitz Zugriff hat.  

     

    Anlässlich des Todes des V hat das Lagefinanzamt den Wert des Einfamilienhauses mit 1.200.000 EUR festgestellt. Die persönlichen Gegenstände sind unter Berücksichtigung von Steuerbefreiungen mit einem noch verbleibenden gemeinen Wert von 70.000 EUR anzusetzen. Die Geschwister kommen überein, dass S das Einfamilienhaus unter Anrechnung auf sein Geldvermächtnis erhalten soll und wollen wissen, ob S dafür die Steuerbefreiung für das Familienheim bekommen kann. Dabei gehen sie übereinstimmend davon aus, dass der festgestellte Grundbesitzwert dem Verkehrswert entspricht.  

     

    Der Erwerb aufgrund eines Vermächtnisses (§ 1939 BGB i.V. mit § 2147 ff. BGB) ist ein Erwerb von Todes wegen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Die Steuer entsteht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Erbfall. Dies gilt, obwohl der Vermächtnisnehmer zivilrechtlich lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben auf Erfüllung des Vermächtnisses hat (§ 2174 BGB). Beim Erben als Beschwerten ist der gesamte Vermögensanfall einschließlich der Vermächtnisse anzusetzen. Der Steuerwert des Vermächtnisses ist als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abzuziehen, wenn das Vermächtnis nicht ausgeschlagen wird.  

     

    Berechnung der ErbSt für S

    S hat neben den persönlichen Gegenständen einen Geldanspruch erworben.  

    Geldanspruch mit dem Nennwert (§ 13 Abs. 1 BewG)  

    1.500.000 EUR  

    private Vermögensgegenstände (§ 9 BewG)  

    70.000 EUR  

    Bereicherung  

    1.570.000 EUR  

    ./. Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG)  

    ./. 400.000 EUR  

    steuerpflichtiger Erwerb  

    1.170.000 EUR  

    Erbschaftsteuer (Steuerklasse I, 19 %)  

    222.300 EUR