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  • 05.07.2011 | Testament

    Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung - was wollte der Erblasser?

    von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster

    Nach der Rechtsprechung des BGH und des BFH ist bei der Auslegung eines jeden Testaments der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB). Diese Auslegungsgrundsätze gelten auch hinsichtlich der Frage, ob der Erblasser in einem Testament ein Vorausvermächtnis, eine Teilungsanordnung oder sowohl das eine als auch das andere gewollt hat. Auslegungsfragen können hier schnell zu Streitigkeiten unter den Erben führen, wirkt sich das Ergebnis der Auslegung doch unmittelbar auf Höhe und Wert des Erwerbs der Erben oder Vermächtnisnehmer aus.  

    1. Der Erblasserwille

    Der Erblasserwille geht, wenn er feststeht und formgerecht erklärt ist, jeder anderen Interpretation vor. Kann trotz Auswertung aller Umstände der tatsächlich vorhandene wirkliche Wille des Erblassers nicht gefunden werden, muss der dem Erblasserwille mutmaßlich am ehesten entsprechende Wille ermittelt werden (BGH 7.10.92, IV ZR 160/91, NJW 93, 256, m.w.N; BFH 6.10.10, II R 29/09 (NV), ErbBstg 11, 124).  

     

    Sachverhalt der BFH-Entscheidung vom 6.10.10 (a.a.O.)

    Die Schwestern S1, S2 und S3 beerbten aufgrund eines notariell beurkundeten Testaments ihren verstorbenen Vater V, der sie zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt hatte. V traf dazu im Abschnitt „Erbeinsetzung“ des Testaments folgende Verfügung: „Diese Erbeinsetzung gilt für diejenigen Nachlassgegenstände, über die ich nicht durch Teilungsanordnung und Vermächtnisse verfügt habe, auch für meine im Ausland befindlichen Vermögenswerte, sofern ich für diese keine Einzelanordnungen getroffen habe.”  

     

    Unter der Überschrift „Teilungsanordnungen“ verfügte V, dass S3 seinen im Zeitpunkt seines Ablebens noch vorhandenen Grundbesitz in der Bundesrepublik Deutschland sowie die Beteiligungen an inländischen gewerblichen Vermögensanlagegesellschaften mit den im Zeitpunkt seines Ablebens darauf noch ruhenden Lasten und Belastungen erhalte. Um den übertragenen Grundbesitz und die Beteiligungen ordnungsgemäß verwalten zu können, sollte S3 zusätzlich 10 %, maximal 250.000 EUR seines in der Bundesrepublik befindlichen, aus Barvermögen, Wertpapieren und sonstigen nicht grundstücksbezogenen Anlagen bestehenden Kapitalvermögens erhalten. Von dem danach verbleibenden Kapitalvermögen sollten S1 55 % und S2 45 % erhalten. (Die unterschiedliche Aufteilung des Barvermögens resultiert daraus, dass S2 zusätzlich aus dem Vermögen der Ehefrau des V bedacht werden sollte.)  

     

    Im Vorwort des Testaments führte V aus, er habe keines der Kinder benachteiligen wollen, hoffe jedoch andererseits, dass seine Kinder die Teilungsanordnung akzeptieren, wobei er klarstellte, dass es neben der Teilungsanordnung zu keiner weiteren Erbauseinandersetzung kommen dürfe. Sollten seine Kinder dieses Testament und die getroffenen Teilungsanordnungen ohne weitere Ausgleichsverpflichtungen nicht akzeptieren, so hätten sie nur die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen. Bei dem Kind, das die Erbschaft ausschlage, seien bei der dann vorzunehmenden Pflichtteilsberechnung auch die Vermögenswerte hinzuzurechnen, die es zu Lebzeiten von ihm geschenkt erhalten habe.  

     

    2. Auslegungsmöglichkeiten

    Nach § 2087 Abs. 1 BGB liegt eine Erbeinsetzung auch dann vor, wenn der Erblasser sein Vermögen oder einen Bruchteil davon einem Bedachten zuwendet. Der Bedachte muss dabei nicht ausdrücklich als Erbe bezeichnet werden. Eine Erbeinsetzung ist demnach durch Zuweisung von Vermögensgruppen auf mehrere Personen als Erben entsprechend dem Verkehrswert der zugewiesenen Vermögensgegenstände möglich. Sie wird regelmäßig angenommen, wenn der Erblasser den Bedachten diejenigen Gegenstände zugewiesen hat, die nach seiner Vorstellung bei Testamentserrichtung nahezu das gesamte Vermögen ausmachen. Für die Abgrenzung zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis ist entscheidend, ob die zu beurteilende Regelung zu einer Wertverschiebung bei der Erbquote führt. Hat ein Erblasser einem Miterben Gegenstände zugewiesen, deren Wert objektiv höher ist, als diesem seiner Quote nach bei der Auseinandersetzung zukäme, so kommt es darauf an, ob  

     

    • der Erblasser subjektiv dem durch die Anordnung begünstigten Miterben zusätzlich zu seinem Erbteil auch noch den Mehrwert zuwenden wollte (Vorausvermächtnis) oder