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  • · Fachbeitrag · EU-Erbrechtsverordnung

    Die Rechtswahl nach der neuen EU-ErbVO

    von RAin Frederike Borsdorff, LL.M., Hamburg

    | Mit Inkrafttreten der EU-ErbVO zum 1.8.15 wird sich das auf die Erbfolge eines Erblassers anzuwendende Recht grundsätzlich nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes richten, es sei denn, der Erblasser regelt zu Lebzeiten seinen Nachlass durch Rechtswahl mittels Verfügung von Todes wegen. |

    1. Praxisfall

    Der Erblasser E ist deutscher Staatsangehöriger. Bisher lebte er in London. Er ist Eigentümer eines in Hamburg belegenen Zinshauses. Im Juli 2014 wird E seine französische Verlobte F heiraten und seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthaltsort dauerhaft von Deutschland nach Frankreich verlegen. Er kauft in Paris eine Villa. Wo E und F einmal ihren Lebensabend verbringen und wo E im Zeitpunkt seines Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt haben wird, ist noch nicht sicher. Vor der Heirat und dem Umzug nach Frankreich lässt E sich anwaltlich beraten. E möchte ein Testament errichten und für seine Rechtsnachfolge von Todes wegen deutsches Recht wählen.

    2. Was muss E hinsichtlich der Rechtswahl beachten?

    E wird nach seiner Heirat zunächst in Frankreich leben. Wo er im Zeitpunkt seines Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt haben wird, kann er noch nicht voraussehen. Würde E keine Rechtswahl treffen und nach Anwendbarkeit der neuen EU-ErbVO nach dem 16.8.15 versterben, richtet sich das auf seine Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht nach dem Staat, in dem E im Zeitpunkt seines Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hat. Sollte dies Frankreich sein, richtet sich seine Rechtsnachfolge von Todes wegen vermutlich nach französischem Recht, soweit keine engeren Verbindungen zu einem anderen Staat bestehen. Gerade bei Grenzgängern und Menschen, die im Ausland leben, kann die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt zu Rechtsunsicherheit hinsichtlich des anwendbaren Rechts führen. E möchte sich dieser Rechtsunsicherheit nicht aussetzen. Er möchte daher seinen Nachlass frühzeitig regeln und das auf seine Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht durch eine Rechtswahl eindeutig festlegen.

     

    2.1 Frühzeitige Nachlassplanung durch Rechtswahl

    In Art. 22 regelt die EU-ErbVO die Voraussetzungen einer - eingeschränkten - Rechtswahl. Es soll den Bürgern ermöglicht werden ihren Nachlass vorab zu regeln. Die Rechtswahl soll eine frühzeitige Planung des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbaren Rechts unabhängig vom letzten gewöhnlichen Aufenthalt ermöglichen. Der Erblasser kann so eine ihm vertraute Rechtsordnung wählen und in dem ihm bekannten Recht entsprechende letztwillige Verfügungen treffen. Oftmals wird ein Erblasser nicht voraussehen können, in welchem Staat er seinen Lebensabend verbringen wird und wo sein letzter gewöhnlicher Aufenthalt ist. Um diese Rechtsunsicherheit zu vermeiden, ist eine Rechtswahl empfehlenswert.

     

    2.2 Reichweite der Rechtswahl

    Die Wahlmöglichkeit beschränkt sich auf das Heimatrecht, dem der Erblasser entweder im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt seines Todes angehört. Das Erbrecht eines Drittstaates, in dem der Erblasser z.B. früher oder bei Errichtung der Verfügung von Todes wegen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, kann er nicht wählen. In unserem Fall kann E lediglich deutsches Recht als sein Heimatrecht wählen. Die Wahl z.B. des britischen Rechts, wo er bis zur Heirat lebt, ist ihm verwehrt.

     

    Auch kann der Erblasser nur einheitlich das anwendbare Recht auf seinen gesamten Nachlass wählen. Eine Teilrechtswahl, in etwa für das Recht eines Staates, in dem sich eine Immobilie oder sonstiges Vermögen des Erblassers befindet, kann der Erblasser nicht treffen. Dies folgt aus dem Prinzip der Nachlasseinheit aus Art. 23 Abs. 1 EU-ErbVO. Hiernach unterliegt die gesamte Nachfolge einheitlich dem zur Anwendung kommenden Recht. Eine Differenzierung nach beweglichem und unbeweglichem Vermögen wird nicht mehr vorgenommen, um eine Nachlassspaltung zu vermeiden. E kann folglich nur einheitlich für sein gesamtes Vermögen die Anwendbarkeit deutschen Rechts wählen. Er kann nicht für einzelne Vermögensgegenstände oder einen Teil seines Vermögens, etwa sein Zinshaus in Hamburg oder die Villa in Paris, getrennt ein unterschiedliches Recht je nach Belegenheitsort wählen.

     

    2.3 Form und Erklärungsinhalt

    Die Rechtswahl hat in Form einer Verfügung von Todes wegen zu erfolgen, Art. 22 Abs. 2 EU-ErbVO. Da es sich auch beim gemeinschaftlichen Testament und beim Erbvertrag um eine letztwillige Verfügung im Sinne der EU-ErbVO handelt, kann eine Rechtswahl auch dort getroffen werden.

     

    • Musterformulierung

    „Ich wähle für die Zulässigkeit und materielle Wirksamkeit meiner Verfügungen von Todes wegen und die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach meinem Tod das deutsche Recht. Mein gesamter Nachlass soll nach deutschem Recht vererbt werden. Diese Rechtswahl soll auch dann weiterhin Gültigkeit haben, wenn ich meinen Wohnsitz oder letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland habe.“

     

    Die Rechtswahl muss ausdrücklich erklärt werden oder kann sich aus den Umständen ergeben. Sie ist formgültig, wenn sie eine der in Art. 27 EU-ErbVO für die Verfügungen von Todes wegen vorgesehenen Form einhält. Änderungen oder Wiederruf sind in entsprechender Form zu erklären.

     

    PRAXISHINWEIS | Eine Rechtswahl ist immer dann empfehlenswert, wenn die Gefahr besteht, dass der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts nach dem Tod des Erblassers schwer zu bestimmen oder umstritten ist. Zumindest wenn der Erblasser aufgrund seines Lebenswandels einen Umzug ins Ausland nicht ausschließen kann und Rechtssicherheit über das zur Anwendung kommende Recht haben möchte, sollte er eine Rechtswahl treffen. Bei Änderung der Lebensumstände sollte der Erblasser prüfen, ob sein Testament noch seinen tatsächlichen letzten Willen wiedergibt.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 87 | ID 42541406