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  • · Fachbeitrag · EU-Erbrechtsverordnung

    Zugewinnausgleich: Abgrenzung Erbrecht/Güterrecht

    von RAin Frederike Borsdorff, LL.M., Hamburg

    | Bei Auseinanderfallen von Erb- und Güterrechtsstatut kann es zu Widersprüchen bei der ausgewiesenen Erbquote des überlebenden Ehegatten im Europäischen Nachlasszeugnis (ENZ) und im Erbschein kommen. |

    1. Praxisfall

    Der schwedische Erblasser E ist in zweiter Ehe mit der deutschen F verheiratet. Aus erster Ehe hat E zwei Kinder, K1 und K2. E und F haben in Deutschland geheiratet und haben hier ihren ersten gemeinsamen ehelichen Wohnsitz. Sie leben im Güterstand der deutschen Zugewinngemeinschaft. E verstirbt im November 2014 in Deutschland ohne ein Testament zu hinterlassen. Alternativ wird geprüft, was geschieht, wenn E im November 2015 in Deutschland versterben würde. Die F hat einen gegenständlich auf das Inlandsvermögen beschränkten Erbschein beantragt, der sie zur Hälfte und K1 und K2 jeweils zu einem Viertel als Erben ausweist (OLG Frankfurt/Main 20.10.09, 20 W 80/07, ZEV 10, 253). Wird dieser Erbscheinsantrag so erteilt werden?

    2. Erblasser verstirbt im November 2014 in Deutschland

    Der Erblasser M hat die schwedische Staatsangehörigkeit. Aus deutscher Sicht richtet sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB nach dem Staatsangehörigkeitsprinzip, also nach schwedischem Erbrecht. Auch nach schwedischem internationalen Privatrecht richtet sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers im Zeitpunkt des Todes (Süß, Johansson, Erbrecht in Europa, 2. Aufl., S. 1278, Rn. 2). Hinterlässt der Erblasser einen Ehegatten und Kinder, die nicht aus der Ehe mit dem überlebenden Ehegatten hervorgegangen sind, erben alle Beteiligten zu 1/3. (Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Schweden, F Rn. 29; Süß, Johansson, a.a.O., S. 1290, Rn. 54).

    Anwendbares Güterrechtsstatut ist aus deutscher Sicht nach Art. 15 EGBGB, Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB das deutsche Recht. Das deutsche Recht sieht im Falle des gesetzlichen Güterstands einen pauschalen Zugewinnausgleich bei der Beendigung der Ehe durch Tod vor, wodurch die Beteiligungsquote des überlebenden Ehegatten um 1/4 erhöht wird. Fraglich ist nun, ob der der F nach schwedischem Erbrecht zustehende Erbteil von 1/3 noch um 1/4 nach § 1371 Abs. 1 BGB aufzustocken ist. Diese Frage hängt von der IPR Qualifizierung des § 1371 BGB ab, welche seit langem umstritten ist:

     

    • Nach der in der Literatur favorisierten „güterrechtlichen Lösung“ erhält die F neben ihrem gesetzlichen Erbteil von 1/3 nach schwedischem Erbrecht noch ein weiteres 1/4 als pauschalen Zugewinn nach deutschem Güterrecht, insgesamt also rechnerisch 7/12. Diese „Überbeteiligung“ wird auf 1/2 reduziert, da F ansonsten sogar mehr als nach deutschem Erbrecht bekäme.

     

    • Nach der - heute kaum noch vertretenen - rein „erbrechtlichen Qualifikation“ wird auf die Anwendbarkeit des schwedischen Rechts abgestellt, sodass der § 1371 BGB nicht zur Anwendung kommt und es bei der Erbquote nach schwedischem Recht von 1/4 bleibt.

     

    • In der Rechtsprechung überwiegt die Theorie der „Doppelqualifikation“ (Wachter, ZNotP 14, 20 m.w.N). So erfolgt ein Zugewinnausgleich nur, wenn sowohl deutsches Ehegüterrechtstatut als auch deutsches Erbstatut anzuwenden ist. In unserem Fall verbleibt F ein Erbteil von 1/3 nach schwedischem Recht, ohne einen Zugewinnausgleich nach deutschem Recht zu erhalten. Die Erbquote erhöht sich nicht nach § 1371 Abs. 1 BGB, da das ausländische Recht hier eine pauschale güterrechtliche Quotenerhöhung nicht kennt (OLG Frankfurt/M. 20.10.09, 20 W 80/07, ZEV 10, 253).

    3. Erblasser verstirbt im November 2015 in Deutschland

    Da der Erblasser testamentarisch keine Rechtswahl getroffen hat, wird er nach Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO nach dem Recht des Staates beerbt, in dem er seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, also nach deutschem Recht. In diesem Fall käme es nun zu einem Gleichlauf von Erbrecht und Güterrecht, sodass F Erbin zu 1/2 nach § 1931 Abs. 1, § 1371 Abs. 1 BGB neben K1 und K2 wird. Anders wäre es, wenn der Erblasser mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Schweden verstirbt und schwedisches Erbrecht anwendbar wäre. Dann bliebe der Streit wie oben dargestellt bestehen.

    4. Praxishinweis

    Bei einem Auseinanderfallen von Erbrecht und Güterrecht kommt es auch nach Einführung der EU-ErbVO weiterhin zu Problemen. Da das Güterrecht vom Anwendungsbereich der EU-ErbVO ausgenommen ist (Art. 1 Abs. 2 lit. d EU-ErbVO und EG Nr. 12) wird auch das Güterstatut nicht in dem ENZ angegeben sein (Art. 68 lit. h EU-ErbVO). Zu inhaltlichen Widersprüchen kann es kommen, wenn neben dem ENZ ein deutscher Erbschein ausgestellt wird, der nun aber neben der erbrechtlichen Quote das güterrechtliche Viertel des pauschalen Zugewinnausgleichs im Todesfall nach § 1931 Abs. 3 BGB, § 1371 Abs. 1 BGB ausweist, das ENZ hingegen lediglich die erbrechtliche Quote. Es sollte daher aufgrund von testamentarischer Rechtswahl gegebenenfalls in Abstimmung mit einer güterrechtlichen Rechtswahl durch Ehevertrag auf einen Gleichlauf von Erbrecht und Ehegüterrecht geachtet werden. Relevant wird dies insbesondere auch bei rein deutschen Ehen, für die deutsches Ehegüterrecht gilt, da die Ehegatten bei Eheschließung ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten, später aber gemeinsam ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort ins Ausland verlegt haben und mit Inkrafttreten der EU-ErbVO nach dem ausländischen Erbrecht beerbt werden.

     

    WICHTIG | ENZ und Erbschein werden kostenrechtlich gleich behandelt. Nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG-E i.V. mit KV-E 12210 entsteht eine volle Gebühr. Wenn zunächst Erbschein und dann ein - inhaltsgleiches - ENZ beantragt wird, wird die schon gezahlte Gebühr für den Erbschein zu 75 % angerechnet.

    Quelle: Ausgabe 11-12 / 2014 | Seite 311 | ID 43033947