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  • · Fachbeitrag · Realteilung

    Anteil an einer Freiberuflerpraxis fällt in den Nachlass

    von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster

    | Der BFH (17.9.15, III R 49/13, Abruf-Nr. 183980 ) hatte folgenden Fall entschieden: Partnerin A war aus einer Freiberuflersozietät ausgeschieden. Sie erhielt dafür die in einer anderen Stadt gelegene Niederlassung, die sie bereits zuvor geleitet hatte, während die Hauptniederlassung MU von den übrigen Partnern unter der bisherigen Bezeichnung weitergeführt wurde. Außerdem erhielt sie eine auf begrenzte Zeit zu zahlende Rente. Das Urteil wirft die Frage auf, ob sich aus der Entscheidung auch Auswirkungen auf die Erbauseinandersetzung ergeben, wenn Gegenstand des Erbfalls eine Freiberuflerpraxis oder ein Anteil daran ist. |

    1. Realteilung trotz Fortbestand der Mitunternehmerschaft

    Der BFH ist der Ansicht, dass eine Realteilung bei einer Personengesellschaft auch dann vorliegen kann, wenn ein Mitunternehmer unter Übernahme eines Teilbetriebs aus der Mitunternehmerschaft MU ausscheidet und die MU von den verbliebenen Mitunternehmern fortgesetzt wird. Die Realteilung bezwecke, wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungsvorgänge steuerlich nicht zu belasten, wenn die Besteuerung stiller Reserven sichergestellt ist. Dies treffe nicht nur auf die Auflösung einer Gesellschaft, sondern auch auf das Ausscheiden eines Gesellschafters („Mitunternehmers“) zu. Im Streitfall steht dieser Wertung auch nicht entgegen, dass der auswärtigen Niederlassung zuvor erhebliche liquide Mittel zugeordnet wurden.

     

    Wird dem ausscheidenden Mitunternehmer daneben aber eine Rente - oder ein anderes Entgelt - zugesagt, die aus künftigen Erträgen der fortbestehenden Sozietät oder dem Vermögen der Gesellschafter zu leisten ist und sich nicht als betriebliche Versorgungsrente darstellt, so erfüllt der ausscheidende Gesellschafter einen Veräußerungstatbestand (§ 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Die MU, die ihren Gewinn zuvor durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt hat, muss zwecks Ermittlung des Veräußerungsgewinns oder -verlusts zwingend zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich übergehen. Der Veräußerungsgewinn errechnet sich aus dem Kapitalwert der Rente zuzüglich der Buchwerte des übernommenen Teilbetriebs (Veräußerungspreis) abzüglich etwaiger Veräußerungskosten und des Werts des Kapitalkontos. Der Ansatz der Veräußerungsrente im Rahmen dieser Gewinnermittlung hängt nicht davon ab, ob für A ein Wahlrecht auf Sofort- oder Zuflussbesteuerung besteht und wie dieses ausgeübt wurde.

    2. Erbengemeinschaft in der Regel nicht betroffen

    Ein Anteil an einer Freiberuflersozietät fällt nur in den Nachlass, wenn dies nicht durch Gesetz oder Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen wird. Für Freiberufler gilt aber § 727 BGB, wonach eine Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst wird, soweit nicht aus dem Gesellschaftsvertrag sich ein anderes ergibt. Da aus diesem Grund in den Gesellschaftsverträgen regelmäßig eine Fortsetzungsklausel oder eine - qualifizierte - Nachfolgeklausel aufgenommen wird, kommt es mit dem Tod in aller Regel nicht zur Auflösung der Gesellschaft. Aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Nachfolgeregelung fällt der Sozietätsanteil dann aber auch nicht in den Nachlass, sodass der Sozietätsanteil auch nicht Gegenstand einer Realteilung unter den Erben wird.

     

    Ist im Gesellschaftsvertrag eine Auflösungsklausel enthalten, nach der sich die Gesellschaft bei Tod eines Gesellschafters auflöst, liegt insgesamt eine nach §§ 16, 34 EStG begünstigte Betriebsaufgabe vor, soweit weder nach Realteilungsgrundsätzen (BMF 28.2.06, IV B 2-S 2242-6/06, BStBl I 06, 228) noch nach § 6 Abs. 5 EStG eine Buchwertfortführung möglich ist. Für diesen eher unwahrscheinlichen Fall wäre dann für die in der Sozietät verbliebenen Gesellschafter eine Realteilung gemäß den vom BFH entschiedenen Grundsätzen denkbar. Davon bliebe aber die Erbengemeinschaft unberührt.

     

    Soweit im Falle der Fortsetzungsklausel die fortsetzenden Gesellschafter eine Abfindung für den Anteil zahlen müssen, realisiert der Erblasser durch Aufgabe seines Mitunternehmeranteils unter Anwachsung bei den verbleibenden Gesellschaftern einen begünstigten Veräußerungsgewinn (§§ 16, 34 EStG) in Höhe des Unterschieds zwischen dem Abfindungsanspruch und dem Buchwert seines Kapitalkontos im Todeszeitpunkt (BFH 15.4.93, IV R 66/92, BStBl II 94, 227; Erbauseinandersetzungserlass 14.3.06, BStBl I 06, 253,Tz. 69). Dies würde dann auch im Falle der Zahlung einer Hinterbliebenenrente gelten. Auch in diesem Fall bliebe die Erbengemeinschaft von einer Realteilung der in der Sozietät verbliebenen Gesellschafter gemäß den vom BFH entschiedenen Grundsätzen unberührt.

     

    In den Fällen der qualifizierten Nachfolgeklausel folgen nicht alle Miterben (also kein Durchgangserwerb), sondern nur einer oder einzelne von mehreren Miterben dem Erblasser in seiner Gesellschafterstellung nach. Dies hat zur Folge, dass nur die qualifizierten Miterben, nicht dagegen die nicht qualifizierten Miterben als Mitunternehmer anzusehen sind (BFH 29.10.91, BStBl II 92, 512). Werden von den qualifizierten Erben an die nicht qualifizierten Miterben Abfindungen geleistet, entstehen deshalb weder Veräußerungsgewinne noch Anschaffungskosten (Erbauseinandersetzungserlass 14.3.06, a.a.O., Tz. 71). Auch in diesem Fall wäre eine von der Erbengemeinschaft unabhängige Realteilung der Sozietät denkbar.

     

    PRAXISHINWEIS | Für die Erbengemeinschaft selbst ist die Entscheidung des BFH vor allem dann von praktischer Bedeutung, wenn eine Einzelpraxis in den Nachlass einer Erbengemeinschaft fällt und Gegenstand der Erbauseinandersetzung wird. Nach allgemeiner Auffassung können auch Miterben im Falle einer Erbauseinandersetzung nach Maßgabe des § 16 Abs. 3 S. 2 bis 4 EStG die Buchwerte fortführen, wenn die bei der Aufteilung erworbenen Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen übertragen werden. Dabei sind die Grundsätze des BMF-Schreibens zur Realteilung vom 28.2.06 (IV B 2-S 2242-6/06, BStBl I 06, 228) für die Erbauseinandersetzung sinngemäß anzuwenden (Erbauseinandersetzungserlass 14.3.06, a.a.O., Tz. 12).

     
    • Beispiel

    S, T und U sind Miterben zu je 1/3. Zum Nachlass gehört eine Freiberuflersozietät, die in zwei gleichwertige Teilbetriebe aufgeteilt wird. S erhält nach entsprechender Aufteilung Teilbetrieb 1 und T und U erhalten Teilbetrieb 2.

     

    Lösung: Es liegt ein Fall der Realteilung vor. S und ebenso T und U haben nach § 16 Abs. 3 S. 2 bis 4 EStG die Buchwerte fortzuführen. Der BFH hält an der engen Definition der Realteilung nicht mehr fest. Der Begriff der „Realteilung“ i. S. des § 16 Abs. 3 S. 2 EStG in der Fassung des UntStFG schließt jedenfalls das Ausscheiden eines Mitunternehmers aus einer unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehenden Gesellschaft unter Mitnahme eines Teilbetriebs ein.

     

    Auch diese Form der Realteilung führt zu einer Aufgabe des Mitunternehmeranteils (§ 16 Abs. 3 S. 1 i. V. mit Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG) und nach § 16 Abs. 3 S. 2 EStG nicht zur Aufdeckung stiller Reserven, wenn und soweit der übernommene Teilbetrieb weiterhin Betriebsvermögen des Ausgeschiedenen bleibt. Ein Veräußerungserlös wird auch nicht erzielt, wenn S oder T und U anlässlich ihres Ausscheidens erhebliche liquide Mittel zugeordnet werden, um eine unentgeltliche Realteilung zu ermöglichen. Der BFH bestätigt insoweit die herrschende Meinung, wonach Geld und Forderungen als Teil des (ungeteilten) Betriebsvermögens wie andere (im-)materielle Wirtschaftsgüter im Zuge der Realteilung den Gesellschaftern frei zugeordnet werden können.

     

    PRAXISHINWEIS | Ob dies auch bei Mitnahme von Einzelwirtschaftsgütern in das Betriebsvermögen des ausgeschiedenen Gesellschafters gilt oder in einem solchen Fall § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG eingreift, konnte der BFH (17.9.15, a.a.O.) offenlassen, denn die Klägerin hatte einen Teilbetrieb erhalten. Offen ist auch, wie die Finanzverwaltung auf die Entscheidung reagiert.

     

    3. Wertausgleich unter den Miterben

    Eine Gewinnrealisierung ist jedoch gegeben, soweit dem Ausscheidenden eine aus künftigen Erlösen der Sozietät oder aus dem Vermögen der Gesellschafter zu leistende Rente zugesagt wird. Die Rente ist mit ihrem Kapitalwert zu berücksichtigen. Diese Auffassung entspricht dem BMF-Schreiben zur Realteilung (28.2.06, a.a.O.) und zur Erbauseinandersetzung (14.3.06, a.a.O., Tz. 17). Wird danach im Rahmen einer Erbauseinandersetzung ein Nachlass real geteilt und erhält ein Miterbe wertmäßig mehr, als ihm nach seiner Erbquote zusteht, und zahlt er für dieses „Mehr” an seine Miterben einen Spitzen- oder Wertausgleich (Abfindung), liegt insoweit ein Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäft vor. Werden die bei der Aufteilung erworbenen Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen der Miterben übertragen, ist der sich aus dem Veräußerungsgeschäft ergebende Veräußerungsgewinn nicht nach §§ 16 und 34 EStG begünstigt, sondern als laufender Gewinn zu besteuern.

     

    Die Abfindungszahlung ist bei der Übertragung von Betrieben oder Teilbetrieben dem Teil des Kapitalkontos gegenüberzustellen, der dem Verhältnis von Abfindungszahlung zum Wert des übernommenen Betriebsvermögens entspricht (Erbauseinandersetzungserlass, 14.3.06, a.a.O., Tz. 17).

    Quelle: Ausgabe 03 / 2016 | Seite 76 | ID 43885274