29.09.2011 · IWW-Abrufnummer 113194
Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 20.04.2011 – 4 U 78/10
Der befreite Vorerbe kann analog § 2120 BGB von den Nacherben die Zustimmung zur Veräußerung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks verlangen, wenn der Vertragsgegner der Vorerben dies fordert.
4 U 78/10
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 26. Zivilkammer - vom 02.03.2010 wird, soweit die Hauptsache nicht teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, zurückgewiesen.
Die Kosten der 1. Instanz hat der Beklagte zu tragen.
Die in der 2. Instanz bis zur mündlichen Verhandlung vom 13.10.2010 angefallenen Kosten und Gebühren hat der Beklagte zu tragen. Von den mit der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 13.10.2010 und danach angefallenen Gebühren und Kosten haben die Klägerin 76 % und der Beklagte 14 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 105 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 105 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, befreite Vorerbin nach ihrem verstorbenen Ehemann, nimmt den Beklagten, Nacherbe des Erblassers, auf Zustimmung zur Veräußerung einer zum Nachlass gehörenden Eigentumswohnung sowie Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch in Anspruch.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 2.3.2010 Bezug genommen. Dieser ist dahingehend zu ergänzen, dass die im notariellen Kaufvertragsangebot vom ... 2008 zu Urkundenrolle Nr. .../2008 des Notars Dr. N1 festgeschriebene Bindungsfrist der Kaufinteressentin A bis ....2009 mit notarieller Urkunde vom ....2009 (Urkundenrolle Nr. .../2009 des Notars Dr. N1) bis ... 2010 verlängert wurde.
Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass der Klägerin als befreiter Vorerbin gegen den Beklagten kein Zustimmungsanspruch zustehe, weil Zweifel an der Vollentgeltlichkeit der hier beabsichtigten Wohnungsveräußerung nicht ersichtlich seien. Der Beklagte habe die Vollentgeltlichkeit des Kaufvertragsangebots vom ....2008 mehrfach ausdrücklich unstreitig gestellt.
Das bloße Verlangen der Zustimmung des Nacherben durch den potentiellen Erwerber der Eigentumswohnung genüge nicht, um eine Einwilligungspflicht des Nacherben zu begründen. Nur unter hier von der Klägerin nicht vorgetragenen besonderen Umständen könne der Nacherbe nach Treu und Glauben in Abwägung der gegenseitigen Interessen zur Erteilung der Genehmigung verpflichtet werden.
Gegen diese ihr am 5.3.2010 zugestellte Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der am 6.4.2010 (Osterdienstag) eingelegten und am 5.5.2010 begr ündeten Berufung, mit der sie zunächst ihren ursprünglichen Klageantrag in vollem Umfang weiter verfolgt hat. Nach Veräußerung des Wohnungseigentums gemäß notarieller Urkunde vom ....2010 zum Preis von 125.000,-- ? an die Erwerberin BA unter Verzicht auf die vorherige Löschung des Nacherbenvermerks haben die Parteien - nach entsprechendem Hinweis im Senatstermin vom 13.10.2010 - die Hauptsache insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Klägerin beantragt nunmehr darüber hinaus,
in Abänderung der angegriffenen Entscheidung des Landgerichts festzustellen, dass auf der Grundlage des Kaufvertrages vom ....2010 zu Urkundenrolle Nr. .../2010 des Notars Prof. Dr. N2, in dem das Angebot der BA1 auf Abschluss eines Kaufvertrages vom ....2008 (Urkundenrolle Nr. .../2008 des Notars Dr. A) und des Nachtrags vom ....2009 (Urkundenrolle Nr. .../2009 des Notars Dr. A) aufgegangen ist, das Eigentum an dem im Grundbuch von O1, Bl. ..., eingetragen 10,009/1000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück O1, Flur ..., Flurstück ..., ...-Straße ..., verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung und Keller Nr. 5.4 des Aufteilungsplanes und dem Sondernutzungsrecht an dem PKW-Abstellplatz in der Tiefgarage Nr. 10 voll entgeltlich, d.h. nicht teilweise unentgeltlich im Sinne von § 2130 Abs. 2 S. 1 BGB, übergegangen ist und dem Beklagten deshalb gegen die Klägerin und die Erwerberin Frau A keinerlei Ansprüche auf Geltendmachung der Unwirksamkeit der vorbenannten Verfügung zustehen.
Die Klägerin meint, dass hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen seien. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hätten durchaus Zweifel an der Vollentgeltlichkeit des Kaufangebots vom ....2008 bestanden. Der von der Interessentin A angebotene Kaufpreis von 125.000,-- ? habe deutlich unter dem vom Erblasser 1998 aufgewendeten Kaufpreis in Höhe von 186.323,-- ? gelegen. Auch wenn der Beklagte die Entgeltlichkeit der Verfügung unstreitig gestellt habe, seien die Zweifel nicht ausgeräumt worden, verweigere der Beklagte doch nach wie vor, ihr eine Verzichtserklärung hinsichtlich der Geltendmachung von etwaigen Ansprüchen wegen (Teil-) Unentgeltlichkeit der beabsichtigten Grundstücksverfügung zukommen zu lassen. Zudem habe der Beklagte in der von ihr erstmals mit der Berufungsbegründung vorgelegten E-Mail vom 31.7.2007 (Bl. 294 d.A.) die Auffassung vertreten, dass die Eigentumswohnung doch erheblich unter dem ursprünglichen Kaufpreis veräußert worden sei, während sich die Baupreise in nicht unerheblichem Maße verteuert hätten.
Der Nacherbe sei entgegen der Auffassung des Landgerichts dem befreiten Vorerben gegenüber bereits dann zur Zustimmung verpflichtet, wenn ein Dritter in einem Vertrag mit dem Vorerben die Zustimmung des Nacherben zur Geltungsbedingung erhoben habe. Immerhin sei der Vertragspartner des Vorerben ebenso wie der Vorerbe selbst dem Risiko einer Unwirksamkeit der beabsichtigten Verfügung wegen etwaiger (Teil-) Unentgeltlichkeit ausgesetzt.
Die Zustimmungspflicht des Beklagten sei des Weiteren aus der Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 13.11.1992 (Az.: 14 U 139/91) abzuleiten. Danach sei ein Nacherbe dann zur Zustimmung entsprechend § 2120 BGB verpflichtet, wenn der befreite Vorerbe ein Nachlassgrundstück veräußern möchte, um den Erlös für seinen Unterhalt zu verwenden und sein eigenes Vermögen, welches nicht der Nacherbenfolge unterliege, zu schonen. Im vorliegenden Fall habe sie - die Klägerin - keineswegs eine Schonung ihres eigenen Vermögens beabsichtigt. Mit dem zu erzielenden Veräußerungserlös hätten die bestehenden Nachlassverbindlichkeiten des Erblassers getilgt werden sollen.
Der im Verhandlungstermin neu formulierte Feststellungsantrag sei zulässig und begründet. Es handelte sich bei dem Feststellungsantrag um eine nicht den besonderen Voraussetzungen des § 533 ZPO unterliegende Klageerweiterung im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO. Jedenfalls aber sei die Klageänderung sachdienlich im Sinne von § 533 Nr. 1 2. Alternative ZPO.
Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse folge daraus, dass der Beklagte sowohl vorprozessual als auch nach Klageerhebung ihre - der Kl ägerin - Rechtsunsicherheit ebenso wie die der Verkäuferin A geschürt habe, wonach er die Veräußerung der Eigentumswohnung keinesfalls gegen sich gelten lassen werde. Die Klägerin beruft sich dabei auf die bereits erwähnte E-Mail vom 31.7.2010 an Rechtsanwalt RA1. Außerdem habe der Beklagte in der Klageerwiderung vom 10.7.2009 und den nachfolgenden Schriftsätzen die Ansicht vertreten, es handele sich bei der Veräußerung der Eigentumswohnung nicht um eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne von § 2120 BGB. Da der Beklagte die zur Ausräumung der bestehenden Rechtsunsicherheit erforderliche Zustimmung zu dem Kaufvertrag und der Übertragung des Wohnungseigentums nicht erklärt hat, genüge dessen Erklärung, er stelle die Vollentgeltlichkeit der Verfügung nicht in Zweifel, nicht aus, um ein Feststellungsinteresse zu verneinen. Die Begründetheit des Feststellungsantrags folge aus den vorstehenden Ausführungen zur Kostentragungspflicht des Beklagten nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung.
Der Beklagte hat - wie bereits erwähnt - der Teilerledigungserklärung zugestimmt und beantragt darüber hinaus, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen die landgerichtliche Entscheidung. Die von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegte E-Mail vom 31.7.2007 sei aus prozessualen Gründen gem. § 531 II ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des OLG Karlsruhe sei nicht einschlägig.
Der von der Klägerin neu gestellte Feststellungsantrag sei wegen fehlenden Feststellungsinteresses gemäß § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig. Er berühme sich keiner Ansprüche gegen die Klägerin und/oder die Erwerberin des streitgegenständlichen Wohnungseigentums. Zweifel an der Vollentgeltlichkeit der Veräußerung der Eigentumswohnung seien nicht ersichtlich. Das Grundbuchamt Königstein habe - unstreitig - zwischenzeitlich die Erwerberin A als neue Eigentümerin eingetragen und den Nacherbenvermerk gelöscht.
Der Senat hat mit Zustimmung der Parteien mit Beschluss vom 24.2.2011 gemäß § 128 Abs. 2 ZPO das schriftliche Verfahren angeordnet.
II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat die Berufung aber keinen Erfolg. Bei dem im Senatstermin am 13.10.2010 neu formulierten Feststellungsantrag der Klägerin handelt es sich um eine zulässige Klageänderung (nachfolgend 1); die Feststellungsklage ist aber als bereits unzulässig zurückzuweisen (nachfolgend unter 2).
1. Die Zulässigkeit der Klageänderung folgt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht bereits aus § 264 Nr. 2 ZPO. Der Übergang von der Feststellungsklage auf die Leistungsklage oder umgekehrt ist nach dieser Vorschrift zwar eine Klageerweiterung- bzw. -beschränkung und nicht eine Klageänderung (BGH NJW 1992, 2296 [BGH 12.05.1992 - VI ZR 118/91]; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 256 Rdnr. 15 c). Dies gilt aber nur bei Identität des Streitgegenstandes, die im vorliegenden Fall nicht gegeben ist. Der von der Klägerin zunächst verfolgte Leistungsantrag auf Verurteilung des Beklagten zur Zustimmung zur Übertragung des Wohneigentums gemäß des Angebots auf Abschluss eines Kaufvertrages vom ....2008 unterscheidet sich nicht nur formal in der Antragstellung von dem nunmehr verfolgten Feststellungsantrag, sondern auch hinsichtlich des zugrunde liegenden Lebenssachverhaltes. Anknüpfungspunkt für das Zustimmungsbegehren im Rahmen des ursprünglichen Leistungsantrages war ein notariell beurkundetes Kaufvertragsangebot. Anknüpfungspunkt für das nunmehr von der Klägerin verfolgte Feststellungsbegehren ist demgegenüber der notarielle Kaufvertrag vom ....2010. Dass in dem letztgenannten Kaufvertrag das ursprüngliche Angebot der Erwerberin A aufgegangen ist, schafft zwischen beiden Erklärungen zwar eine inhaltliche Verknüpfung, ändert aber nichts daran, dass es sich insoweit um unterschiedliche Lebenssachverhalte handelt.
Die Zulässigkeit der Klageänderung folgt jedoch aus § 533 ZPO. Auch wenn der Beklagte entgegen des Verständnisses der Klägerin mit Schriftsatz vom 30.1.2011 in die Klageänderung keineswegs eingewilligt hat, so ist diese als sachdienlich im Sinne der genannten Vorschrift zu behandeln. Zur Entscheidung der Streitfrage, ob es sich bei dem Kaufvertrag vom ....2010 um eine voll entgeltliche Verfügung der Klägerin über die im Nachlass des Erblassers befindliche Eigentumswohnung handelt, können die Ergebnisse der bisherigen Prozessführung verwertet werden. Die Bejahung der Sachdienlichkeit nötigt keinesfalls zur Beurteilung eines völlig neuen Streitstoffes. Die Zulassung des neuen Feststellungsbegehrens ist ohne weiteres geeignet, den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits auszuräumen und weiteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen. Wie bereits erwähnt, wird das neue Feststellungsbegehren der Klägerin auf Tatsachen gestützt, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zu Grunde zu legen hat. Bei dem Kaufvertrag vom ....2010 handelt es sich zwar um neuen Tatsachenstoff. Dieser ist aber - weil unstreitig - vom Senat bei seiner Entscheidung gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigen.
2. Der Antrag der Klägerin festzustellen, dass mit dem Kaufvertrag vom ....2010 das Wohnungseigentum voll entgeltlich übergegangen ist und dem Beklagten deshalb gegen die Klägerin und die Erwerberin A keine Ansprüche auf Geltendmachung der Unwirksamkeit der vorbenannten Verfügung zustehen, ist wegen eines fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig. Es ist nicht erkennbar, dass dem subjektiven Recht der Klägerin eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte ernstlich bestreitet oder er sich eines Rechtes gegen die Klägerin berühmt. Der Wirksamkeit der Verfügung der Klägerin über das Wohneigentum mit notariellem Vertrag vom ....2010 droht keine Gefahr wegen eventueller Zweifel an der Vollentgeltlichkeit der Verfügung.
Die im vorliegenden Fall fehlende Zustimmung des Beklagten als Nacherben ist für die Klägerin als befreite Vorerbin nicht nötig, weil sie auch über Nachlassgrundstücke ohne Zustimmung der Nacherben wirksam entgeltlich verfügen kann. Im Rahmen einer befreiten Vorerbschaft bedürfen nur unentgeltliche Verfügungen (§ 2136, 2113 Abs. 2 BGB) der Zustimmung des Nacherben. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem notariellen Vertrag vom ....2010 um eine vom Beklagten unstreitig gestellte entgeltliche Verfügung. Bereits erstinstanzlich hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 2.9.2009 sowie vom 13.10.2009 die Entgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts außer Streit gestellt.
Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass das Feststellungsinteresse nicht bereits dann entfällt, wenn der Prozessgegner das Bestreiten der Vollentgeltlichkeit der genannten Verfügung gegen sie aufgibt. Von dem jetzigen Prozessverhalten - dem Unstreitigstellen - kann der Beklagte tatsächlich jederzeit wieder abrücken. Maßgeblich sind bei der anzustellenden Würdigung des Verhaltens des Beklagten aber immer die Umstände des konkreten Einzelfalls. Danach ist hier davon auszugehen, dass der Beklagte auch zu einem späteren Zeitpunkt sich nicht auf eine (Teil-) Unentgeltlichkeit des Geschäfts wird berufen können. Die Zweifel an der Vollentgeltlichkeit des Kaufvertrages vom ....2010 sind nicht bereits damit begründbar, dass der von der Erwerberin A gezahlte Kaufpreis von 125.000,-- ? deutlich unter dem vom Erblasser 1998 aufgewendeten Kaufpreis in Höhe von 186.323,-- ? liegt. Derartige Schwankungen sind mit dem dynamischen Geschehen auf den Immobilienmärkten im Laufe von über 10 Jahren ohne weiteres erklärbar. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich und von dem Beklagten auch nicht angedeutet worden, dass die Eigentumswohnung deutlich "unter Wert" von der Klägerin veräußert worden ist.
Eine Gefahr der Unsicherheit hinsichtlich der Bewertung des Kaufvertrages als voll entgeltliches Geschäft ist auch nicht mit der E-Mail des Beklagten an Rechtsanwalt RA1 vom 31.7.2007 (Bl. 294 d.A.) begründbar. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob dieses Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO prozessrechtlich überhaupt berücksichtigt werden darf. Denn jedenfalls äußert der Beklagte in dieser Nachricht keine wesentlichen Zweifel dahingehend, dass das Wohneigentum unter dem Marktpreis veräußert wurde. Er fragt lediglich seinen Rechtsanwalt, "... wieso das Wohneigentum in O1 doch relativ stark unter dem ursprünglichen Kaufpreis verkauft wird, wonach doch die Wirtschaft und somit auch die Baupreise sich in nicht unerheblichem Maß nach oben bewegen". Diese durchaus nachvollziehbare und berechtigte Frage nach dem Marktgeschehen auf dem Immobilienmarkt begründet aber aus den dargestellten Gründen keine Gefahr der Unsicherheit für die Klägerin.
Fehlt es damit an ernstzunehmenden Zweifeln an der Vollentgeltlichkeit der Verfügung mit Kaufvertrag vom ....2010, so besteht auch keine damit begründbare Gefahr von möglichen Ansprüchen des Beklagten gegen die Klägerin und/oder die Erwerberin A wegen eventueller Unwirksamkeit der vorgenannten Verfügung. Dabei spielt keine Rolle, dass der Beklagte erstinstanzlich in Zweifel gezogen hat, dass es sich bei der Veräußerung der Eigentumswohnung um eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne von § 2120 BGB gehandelt hat. Der Veräußerung des Wohnungseigentums seitens der Klägerin kann der Beklagte nämlich nicht mit dem Argument einer ordnungswidrigen Verwaltung des Nachlasses (§ 2130 BGB) entgegentreten. Da die Klägerin von allen gesetzlichen Beschränkungen und Verpflichtungen, die sie als Vorerbin treffen, befreit ist, hat der Beklagte lediglich Anspruch auf den Überrest des Nachlasses (§ 2137 Abs. 1, 2 BGB). Dies schließt aber gerade deren Verpflichtung als Vorerbin gegenüber dem Beklagten als Nacherben, den Nachlass ordnungsgemäß zu verwalten, und damit eine Haftung nach § 2130 BGB aus. Nach der letztgenannten Bestimmung hat der Nacherbe einen Anspruch, den Nachlass in dem Zustand ausgehändigt zu erhalten, in dem er sich bei ordnungsgemäßer Verwaltung durch den Vorerben befinden muss. Von dieser Verpflichtung ist der umfassend befreite Vorerbe gemäß § 2136 BGB befreit und damit für nicht mehr vorhandene Gegenstände auch nicht schadensersatzpflichtig, soweit nicht § 2138 Abs. 2 BGB eingreift (Palandt/Edenhofer, BGB, 70. Aufl., § 2130 Rdnr. 4). Ansprüche des Beklagten nach § 2130 BGB wären daher nur bei einer unentgeltlichen Verfügung oder bei einer Verfügung des Vorerben mit Benachteiligungsabsicht (§ 2138 Abs. 2 BGB) denkbar. Beide Fallvarianten werden ersichtlich von dem Beklagten hier nicht geltend gemacht.
Die Kosten der 1. Instanz sowie die zweitinstanzlich bis zur mündlichen Verhandlung am 13.10.2010 angefallenen Kosten und Gebühren hat nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung gemäß § 91 a ZPO der Beklagte zu tragen. Die Parteien haben mit der protokollierten Erklärung vom 13.10.2010 nicht das Rechtsmittel der Berufung selbst, sondern lediglich den ursprünglichen Klageantrag auf Verurteilung des Beklagten, die Zustimmung zur Übertragung des Eigentums an der Eigentumswohnung und die Löschungsbewilligung zu erteilen, für erledigt erklärt. Diese Erledigungserklärung in der Rechtsmittelinstanz ist ohne weiteres zulässig (Zöller/Vollkommer, aaO., § 91 a Rdnr. 18). Nach der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung hat der Beklagte die Kosten der 1. Instanz sowie die bis zur Erledigungserklärung am 13.10.2010 angefallenen Kosten zu tragen, weil er ohne das erledigende Ereignis den Prozess verloren hätte. Der Beklagte wäre ohne die Veräußerung der Eigentumswohnung am ....2010 unter Verzicht auf seine Zustimmung verurteilt worden, in Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung die von der Klägerin beantragte Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums zu erteilen.
Der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zustimmungserteilung folgt aus § 2120 BGB analog.
Eine direkte Anwendung des § 2120 BGB kommt nicht in Betracht, wendet sich die Bestimmung doch in erster Linie an den nicht befreiten Vorerben. Der Zweck der Vorschrift besteht nämlich darin, dem Vorerben eine ordnungsgemäße Nachlassverwaltung zu ermöglichen. Der Vorerbe hat gegenüber dem Nacherben einen Anspruch auf Einwilligung zu solchen Verfügungen, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich sind, die er aber ohne Einwilligung des Nacherben nicht vornehmen kann. § 2120 BGB gibt dem Vorerben vor diesem Hintergrund die Möglichkeit, die durch die §§ 2113 bis 2115 BGB eingeschränkte Verfügungsbefugnis zu erweitern und sich gegenüber Dritten entsprechend zu legitimieren. Für den befreiten Vorerben ist die Zustimmung dagegen regelmäßig nicht nötig, weil der befreite Vorerbe auch über Nachlassgrundstücke ohne Zustimmung des Nacherben wirksam entgeltlich verfügen kann (Juris PK-BGB/Hamdan, § 2120 Rdnr. 1).
Einen Sonderfall stellt jedoch die Verfügung eines befreiten Vorerben über ein Nachlassgrundstück dar. Hier bedarf es zur Löschung des Nacherbenvermerks (§ 51 GBO) an sich zwar nicht der Zustimmung des Nacherben (§§ 2136, 2113 Abs. 1 BGB). Dennoch können in diesem Zusammenhang in der Praxis Schwierigkeiten auftauchen, so z.B. wenn der befreite Vorerbe gegenüber dem Grundbuchamt den Nachweis der vollen Entgeltlichkeit der Veräußerung oder der Zustimmung des Nacherben durch Vorlage öffentlicher Urkunden erbringen muss (§ 29 Abs. 1 S. 2 GBO) oder wenn der Vertragsgegner des Vorerben die Zustimmung des Nacherben zur Verfügung des befreiten Vorerben über ein Nachlassgrundstück fordert. In diesen Fällen kann der befreite Vorerbe in analoger Anwendung des § 2120 BGB den Nacherben auf Erteilung der Zustimmung in Anspruch nehmen (Hamdan, aaO., Rdnr. 4; RGZ 148, 385, 390).
Im vorliegenden Fall hat die Kaufinteressentin A in dem notariell beurkundeten Verkaufsangebot vom ....2008 unter Ziffer 4 die Annahme des Angebots durch die Klägerin davon abhängig gemacht, dass "der Notar den Eingang der Löschungsdokumente der beiden Nacherben gemäß Anlage 1, Position 1.2 dieser Niederschrift bestätigt hat und damit die Löschung des Nacherbenvermerks sichergestellt ist". Es handelt sich hierbei um eine echte Geltungsbedingung und nicht um ein "bloßes Verlangen des Antragsgegners", welches regelmäßig zur Begründung einer Einwilligungspflicht des Nacherben nicht ausreichen dürfte (Avenarius in Staudinger, BGB, Bearbeitung 2003, § 2120 Rdnr. 12).
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Zustimmungsanspruch des befreiten Vorerben bei ausdrücklicher Forderung des Vertragsgegners des Vorerben als echter Rechtsbedingung nicht an weitere Voraussetzungen geknüpft. Insbesondere erfordert der Zustimmungsanspruch nicht die Darlegung besonderer Umstände und die Abwägung der gegenseitigen Interessen von Vor- und Nacherben. Diese Auffassung wird zwar teilweise in der Literatur vertreten (Avenarius, aaO., § 2120 Rdnr. 12). Danach kann nur unter besonderen Umständen, wenn die (materiell-rechtlich) überflüssige Genehmigung des Nacherben in einem Vertrag des Vorerben mit einem Dritten zur Geltungsbedingung erhoben worden ist, der Nacherbe nach Treu und Glauben, d.h. wenn es ihm bei Abwägung der gegenseitigen Interessen zuzumuten ist, zur Erteilung der Genehmigung verpflichtet sein. Dieses Verständnis wird jedoch den eindeutigen Ausführungen des Reichsgerichts in der Entscheidung RGZ 148, 385, 390 f nicht gerecht. Dort ist die Voraussetzung, dass "andere berechtigte Gründe diese Zustimmung erreichen" nicht kumulativ, sondern als ein eigener Sonderfall, bei dem auch der befreite Vorerbe vom Nacherben die Zustimmung verlangen kann, benannt worden.
Der Zustimmungsanspruch der Klägerin erfordert des Weiteren nicht, dass sich der Verkauf des Grundstücks als "Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung" darstellt. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen (S. 10) in vollem Umfang Bezug genommen werden.
Die im landgerichtlichen Hinweisbeschluss vom 22.10.2009 vertretene, hiervon abweichende und vom Beklagten geteilte Auffassung, wonach eine Zustimmung des Nacherben vom Vorliegen einer Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung abhängig sein kann, wird nicht geteilt. Das Landgericht hat seine Auffassung mit den Ausführungen in der bereits genannten Entscheidung des Reichsgerichts begründet. Das Reichsgericht hat dort zwar formuliert: "Deshalb steht dem Nacherben das Recht zu, seine Zustimmung auch zu einer entgeltlichen Verfügung des Vorerben zu verweigern, wenn sie nicht den Erfordernissen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht" (RGZ 148, 385, 391). Bei der rechtlichen Bewertung des Aussagegehaltes dieser Formulierung ist allerdings der Kontext der Entscheidung zu würdigen. Die wiedergegebene Formulierung des Reichsgerichts erklärt sich vor dem Hintergrund, dass in dem dort zur Entscheidung vorliegenden Fall die Entgeltlichkeit der getroffenen Verfügung gerade nicht feststand. Das Reichsgericht hat ausdrücklich festgehalten (RGZ 148, 385, 392), dass nicht feststehe, ob sich bei Eintritt des Nacherbfalles im Nachlass, etwa in Gestalt eines den Nacherben zufallenden Geschäfts, ein angemessener Gegenwert vorfinden würde. Würde sich daher bei Eintritt des Nacherbenfalles die Verfügung als unentgeltlich entpuppen, hätte sie zur Wirksamkeit der Zustimmung des Nacherben bedurft, die aber nach § 2120 BGB nur zu erteilen gewesen wäre, wenn die Verfügung zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich gewesen wäre.
Die mit der mündlichen Verhandlung am 13.10.2010 anfallenden Gebühren und Kosten waren entsprechend des Obsiegens und Unterliegens gemäß den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO bezogen auf den Streitwert von 72.500 (62.500 ? Feststellungsantrag, 10.000 ? Kosten aus übereinstimmender Teilerledigung) zu quoteln.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).