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  • 28.09.2011 · IWW-Abrufnummer 114108

    Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 19.05.2011 – 4 K 632/10

    Das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Ablauf der Festsetzungsfrist hat in Fällen des § 171 Abs. 14 AO hinter dem Interesse an einer materiell richtigen Steuerfestsetzung zurückzutreten.


    Tatbestand
    Streitig ist, ob die Festsetzung von Erbschaftsteuer verjährt war.
    I.
    Der Erblasser Z verstarb am 18.07.1984, testamentarische Erben waren seine vier Kinder. Seine Ehefrau Y hatte er mit mehreren Vermächtnissen bedacht.
    Der Miterbe X reichte am 18.11.1985 die Erbschaftsteuererklärung über den Erwerb von Todes wegen nach dem Erblasser Z beim Finanzamt 2 ein. Die Erklärung wies ein Vermächtnis zugunsten der Ehefrau Y in Form des Hauses in A-Stadt sowie eines Autos in Höhe von zusammen 213.075 DM aus und legte dar, dass für die Ehefrau Y ein steuerpflichtiger Erwerb aufgrund des Freibetrages von 250.000 DM nicht angefallen sei. In der Folgezeit wurden dem Finanzamt 2 Rentenansprüche der Witwe bekannt. Mit Schreiben vom 21.10.1988 kündigte es an, die Erbschaftsteuerveranlagung in vollem Umfang gemäß § 165 Abs. 1 AO vorläufig vorzunehmen, da entsprechende Angaben bisher nicht gemacht wurden, und forderte den steuerlichen Berater zur Beantwortung verschiedener Fragen auf. Im Erbschaftsteuerbescheid vom 23.11.1988 berechnete das Finanzamt - wie angekündigt - aus dem erklärten Vermächtnis des Hauses und des Autos, einer Versorgungsrente aus einer Zusage der Firma 1 mit einem Kapitalwert von 1.475.844 DM, einer Witwenrente aus der Zusage der Firma 2 mit 87.385 DM und einer privaten Veräußerungsrente lt. Schenkungsvertrag vom 25.06.1970 mit einem Kapitalwert von 3.220.136 DM einen steuerpflichtigen Erwerb von 4.996.440 DM und setzte gegenüber Y unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach §§ 16, 17 ErbStG in Höhe von jeweils 250.000 DM Erbschaftsteuer von 629.496 DM fest. Die Erläuterungen zum diesem Bescheid führen aus, dass die Steuerfestsetzung in vollem Umfang vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 AO ergeht; die Steuererklärung sei bisher nur für einen Teil des Erwerbs erfolgt, eine Antwort auf das Schreiben des Finanzamts vom 21.10.1988 an den steuerlichen Vertreter liege bis zum damaligen Zeitpunkt nicht vor.
    Der steuerliche Vertreter legte für Y gegen den Bescheid Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung in vollem Umfang, welche das Finanzamt 2 am 23.12.1988 gewährte. Das seit 01.01.1993 zuständige beklagte Finanzamt O reduzierte den Aussetzungsbetrag mit Bescheid vom 16.05.1997 um 277.512 DM auf 351.984 DM mit der Begründung, dass der steuerliche Vertreter mit Schreiben vom 26.02.1997 den Rechtsbehelfsantrag eingeschränkt habe. Der steuerliche Vertreter führte in seinem Schreiben vom 26.02.1997 u.a. aus, dass die private Versorgungsrente nicht der Erbschaftsteuer unterliege, sondern der entsprechende Betrag von 3.220.136 DM als Abfindung für einen Verzicht auf den Pflichtteil zu berücksichtigen sei, und reduzierte unter Hinweis hierauf lt. Schreiben vom 22.12.1998 an das Finanzamt sein Einspruchsbegehren entsprechend. In seinem Schreiben vom 23.03.1999 sprach das Finanzamt dieser Erklärung die Wirkung ab, wegen der festgesetzten Steuer zu einer teilweisen Festsetzungsverjährung zu führen. Y entrichtete die nun fällige Zahlung von 277.512 DM im Juni 1997. Nach mehrfachem Schriftwechsel erließ das Finanzamt O am 09.12.1999 einen geänderten Erbschaftsteuerbescheid, erhöhte den steuerpflichtigen Erwerb auf 11.339.600 DM und die festgesetzte Erbschaftsteuer auf 2.073.746 DM; der Bescheid erging endgültig gemäß § 165 Abs. 2 AO. Y bezahlte hierauf im Januar 2000 einen weiteren Betrag in Höhe von 129.674 DM, das beklagte Finanzamt setzte mit Bescheid vom 08.02.2000 die Vollziehung des Änderungsbescheides - wie vom steuerlichen Vertreter beantragt - neben dem bisher von der Vollziehung ausgesetzten Betrag von 351.984 DM in Höhe von weiteren 1.314.576 DM (also insgesamt 1.666.560 DM) aus. Am 28.02.2000 beantragte der steuerliche Vertreter die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheides in Höhe von nochmals 55.202 DM sowie die Rückerstattung dieses bereits entrichteten Steueranteils; dies erfolgte im Juli 2001.
    Am 25.04.2002 verstarb Y, sie wurde von den Klägern in Erbengemeinschaft beerbt. Das Finanzamt setzte mit Einspruchsentscheidung gegenüber den Klägern vom 15.11.2002 die Erbschaftsteuer auf 1.849.919 DM (= 945.848,57 €) herab und hob die bislang gewährte Aussetzung der Vollziehung auf; die Kläger hatten eine Nachzahlung in Höhe von 765.882,01 € zu entrichten.
    Durch die gegen die Einspruchsentscheidung eingelegte Klage reduzierte sich die Erbschaftsteuer mit Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 17.08.2006 IV 323/2002 auf 523.528,11 € (= 1.023.932 DM). Die Kläger entrichteten im Oktober 2006 den Restbetrag in Höhe von 343.561,55 €. Sie wandten sich gegen das Urteil, der Bundesfinanzhof erließ in dem Revisionsverfahren II R 39/07 am 19.08.2009 zunächst einen stattgebenden Gerichtsbescheid. Unter Punkt II.1. ist dort ausgeführt:
    „Der Änderungsbescheid vom 09.12.1999 ist rechtswidrig, da er erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen ist. Die gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vierjährige Festsetzungsfrist begann gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres 1985 und endete mit Ablauf des Jahres 1989. Da keiner der Tatbestände einer Ablaufhemmung gemäß § 171 AO erfüllt war, gab es keine Rechtsgrundlage dafür, noch 1999 eine geänderte und verbösernde Steuerfestsetzung vorzunehmen.”
    Hinsichtlich des Erbschaftsteuerbescheides vom 23.11.1988 legte der Gerichtsbescheid vom 19.08.2009 unter Ziff. 2. dar, dass die Rechtswidrigkeit des Vorläufigkeitsvermerks den gesamten Bescheid erfasst und entsprechend dem Revisionsantrag zur Aufhebung des Steuerbescheids insgesamt führt.
    Das Finanzamt beantragte mündliche Verhandlung und erließ am 10.11.2009 einen auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO gestützten endgültigen Änderungsbescheid, mit dem es die Steuer auf den ursprünglich im Jahr 1988 festgesetzten Betrag von 321.846 € (= 629.496 DM) minderte; die zuviel entrichtete Erbschaftsteuer in Höhe von 201.682,11 € erstattete es an die Kläger. Mit Urteil vom 09.12.2009 gab der Bundesfinanzhof der Revision der Kläger in vollem Umfang statt und hob das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 17.08.2006 IV 323/2002 sowie den Änderungsbescheid vom 10.11.2009, die Einspruchsentscheidung vom 15.11.2002, den Änderungsbescheid vom 09.12.1999 und den ursprünglichen Erbschaftsteuerbescheid vom 23.11.1988 auf. Die Aufhebung des Änderungsbescheides vom 10.11.2009 begründet er damit, dass die Voraussetzungen einer Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO nicht vorliegen, da die Kläger der Änderung nicht zugestimmt und diese auch nicht beantragt haben; bis zum Erlass des Änderungsbescheides hätten die Kläger einen Anspruch auf vollständige Aufhebung der vorausgegangenen Steuerbescheide gehabt. Hinsichtlich der vorher ergangenen Steuerfestsetzungen entspricht die Begründung im Wesentlichen der des Gerichtsbescheides vom 19.08.2009.
    Dem Gericht liegen hierzu die Akte des Finanzamts (1 Band, St.Nr. 841/30432, neu 841/30009) sowie zwei Bände Akten des Finanzgerichts (Az.: IV 323/2002) vor.
    II.
    Das Finanzamt erließ gegenüber den Klägern am 08.04.2010 einen Erbschaftsteuerbescheid über den Erwerb der Witwe Y aufgrund des Ablebens des Erblassers Z am 18.07.1984 und setzte aus einem Wert des Erwerbs von 4.909.055,01 DM Erbschaftsteuer in Höhe von 629.476,06 DM (= 321.846 €) fest. Im Erläuterungsteil führte es aus, dass sich aufgrund des Urteils des BFH vom 09.12.2009 II R 39/07 für die Gesamtrechtsnachfolger ein Erstattungsanspruch in Höhe von 321.846 € ergebe und gemäß § 171 Abs. 14 i.V.m. § 231 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3AO Erbschaftsteuer in dieser Höhe neu festgesetzt werden könne. Dabei ergebe sich aufgrund der Umrechnung von DM in € eine Rundungsdifferenz in Höhe von 19,94 DM. Das Finanzamt buchte intern den Erstattungsanspruch nach dem Urteil des BFH vom 09.12.2009 II R 39/07 auf die rückständige Erbschaftsteuerschuld aus dem Bescheid vom 08.04.2010 um.
    Die Kläger haben Sprungklage erhoben und beantragen,
    den Erbschaftsteuerbescheid vom 08.04.2010 aufzuheben und
    im Fall des Unterliegens die Zulassung der Revision.
    Sie begründen dies im Wesentlichen wie folgt:
    Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid vom 08.04.2010 sei rechtswidrig und deshalb aufzuheben, weil § 171 Abs. 14 AO keine Rechtsgrundlage dafür bilde, die Erbschaftsteuerfestsetzung nachzuholen. Die allgemeine Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO sei bereits mit Ablauf des Jahres 1989 abgelaufen, die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 14 AO komme im streitgegenständlichen Sachverhalt nicht zur Anwendung. Das den Tatbestand der Vorschrift erfüllende Ereignis trete erst nach dem Ende der Festsetzungsfrist und nicht im Zeitpunkt einer noch laufenden, offenen Festsetzungsfrist ein. Aus dem Urteil des BFH vom 09.12.2009 im Revisionsverfahren II R 39/07 ergebe sich, dass jedenfalls im Zeitpunkt des Urteils kein anderer Tatbestand einer Ablaufhemmung als der des § 171 Abs. 3a AO erfüllt gewesen sei.
    Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a AO gehe jedoch nicht „nahtlos” in die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 14 AO über. Die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 3a AO ende mit Rechtskraft des Urteils des BFH vom 09.12.2009; Ausnahmetatbestände nach Satz 3 der Vorschrift seien nicht erfüllt. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 14 AO sei an das Bestehen eines noch nicht verjährten Erstattungsanspruchs im Sinne des § 37 Abs. 2 AO geknüpft. Der Tatbestand des § 171 Abs. 14 AO sei zeitlich gesehen frühestens dann erfüllt, wenn ein Erstattungsanspruch im Sinne des § 37 Abs. 2 AO entstanden sei. Dieser entstehe jedoch erst nach Rechtskraft des Revisionsurteils vom 09.12.2009 und damit nach Ende der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a AO. Mit Rechtskraft des Revisionsurteils vom 09.12.2009 sei der rechtliche Grund für die gezahlte Erbschaftsteuer weggefallen; dies sei Voraussetzung für die Entstehung des Erstattungsanspruchs gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 AO, welcher zeitlich nicht mit dem Wegfall des rechtlichen Grundes, sondern erst eine logische juristische Sekunde danach entstehe. Die „Ursache” gehe der „Wirkung” zeitlich zwingend voraus.
    Bei einem „nahtlosen Übergang” der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a AO in eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 14 AO könnte die Finanzbehörde ohne Weiteres bei einem umfassenden Kassationsurteil im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO einen neuen Bescheid als Rechtsgrundlage für die bereits gezahlte Steuer erlassen. Dies wäre nicht ohne Weiteres - d.h. ohne regelmäßig nicht mehr gegebene Rechtsgrundlage - möglich, wenn ein bestandskräftiger Bescheid verbliebe. Anders als im Falle eines nichtigen Bescheides habe der angefochtene Bescheid bis zu seiner Aufhebung durch das Gericht Rechtswirkung im Hinblick auf die gezahlte Steuer. Hinzu komme, dass im Gerichtsverfahren eine reformatio in peius nicht mehr zulässig sei, die auch darin liegen könne, dass sich - wie vom BFH ausgeführt - die verfahrensrechtliche Lage des Steuerpflichtigen verschlechtern könne.
    Der BFH habe im Revisionsurteil vom 09.12.2009 nicht auf die spätere Anwendung des § 171 Abs. 14 AO nach Aufhebung der Vorentscheidung und sämtlicher Bescheide nebst dem Bescheid vom 10.11.2009 hingewiesen. Andernfalls hätte der BFH im Hinblick auf den Bescheid vom 10.11.2009 schon die Beschwer des Revisionsbegehrens der Kläger in Frage stellen müssen. Es könne sicherlich nicht im Finanzgerichtsprozess die Aufhebung eines Bescheides zulässig begehrt werden, wenn dieser verfahrensrechtlich unzweifelhaft sofort von der Finanzbehörde wieder neu erlassen werden könnte.
    Die Regelung in § 171 Abs. 14 AO erfasse nach ihrem Gesetzeszweck lediglich den Erstattungsanspruch für eine ohne rechtlichen Grund gezahlte Steuer nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO, im streitgegenständlichen Sachverhalt handle es sich jedoch um einen Erstattungsanspruch im Sinne des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO - einen Erstattungsanspruch bei späterem Wegfall des rechtlichen Grundes für die Zahlung. § 171 Abs. 14 AO sei teleologisch zu reduzieren. § 171 Abs. 14 AO könne nur die Durchsetzung des Erstattungsanspruchs verhindern, aber nicht einen Zahlungsanspruch neu begründen. Die Vorschrift begünstige den Steuerpflichtigen, der noch nicht gezahlt habe und dieser Belastung endgültig entgehen könne, während derjenige benachteiligt werde, der sich besonders korrekt und konform verhalte.
    Der Gesetzgeber habe bei Schaffung der Vorschrift an die Fälle gedacht, in denen ein Steuerpflichtiger aufgrund eines unwirksamen Steuerbescheides gezahlt habe und die Festsetzung wegen Verjährung nicht mehr nachgeholt werden könne. Damit sollten insbesondere Gestaltungen, die sich die unterschiedlichen Laufzeiten der Festsetzungsfrist und der Zahlungsfrist zunutze machen, verhindert werden. Die Rechtsprechung habe bislang - soweit erkennbar - lediglich den Fall entschieden, dass die Zahlung des Steuerbetrages wegen Unwirksamkeit des Bescheides rechtsgrundlos gewesen sei, so dass es um einen Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 AO gegangen sei (vgl. BFH-Urteil vom 13.03.2001 VIII R 37/00, BStBl. II 2001, 430,432; BFH-Urteil vom 07.07.2004 VII B 344/03, BStBl. II 2004, 896, 897). Auch in dem Urteil des BFH vom 13.03.2001 VIII R 37/00 (BStBl. II 2001, 430, 432 Punkt 2c) sei dies unmittelbar bestätigt worden, da der BFH die Erfassung jeder Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Steuern durch § 171 Abs. 14 AO in Zusammenhang damit gesehen habe, dass die gesetzgeberische Absicht, eine Ablaufhemmung nur in Fällen der unwirksamen Steuerfestsetzung zu bewirken, keinen unmittelbaren Ausdruck im Wortlaut des § 171 Abs. 14 AO gefunden habe. Unwirksame Steuerfestsetzungen seien die nichtige Steuerfestsetzung und die nicht wirksam bekanntgegebene Steuerfestsetzung (§ 124 AO). Die Ausführungen im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) seien ebenfalls ein deutlicher Hinweis darauf, dass auch der BMF die Anwendung des § 171 Abs. 14 AO lediglich im Kontext von wegen Bekanntgabefehlern unwirksamen Steuerbescheiden sehe und deshalb den Anwendungsbereich der Regelung auf den Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO beschränke (vgl. AEAO zu § 171 Nr. 7).
    Ein nicht richtig bekanntgegebener Verwaltungsakt sei im Sinne des § 124 Abs. 1 AO schon deshalb nicht wirksam, weil er erst mit zutreffender Bekanntgabe wirksam werden könne. Die Aufhebung eines nicht richtig bekanntgegebenen Bescheides wie auch eines gemäß § 125 AO nichtigen Bescheides habe einen anderen Rechtsgrund und eine andere Rechtswirkung als die Aufhebung eines zwar wirksamen, aber rechtswidrigen Verwaltungsaktes. Ein unwirksamer Verwaltungsakt zeige selbst keine originäre Rechtswirkung, seine Aufhebung beseitige lediglich den Rechtsschein eines Verwaltungsaktes und sei damit nur deklaratorischer Natur. Eine Aufrechterhaltung eines nicht wirksamen Verwaltungsaktes sei nicht möglich. Ein rechtswidriger Steuerbescheid jedoch sei vor seiner Aufhebung trotz Rechtswidrigkeit gemäß § 124 Abs. 1 und 2 AO wirksam, zeige also Rechtswirkung. Hier sei die Aufhebung konstitutiv und beseitige die Rechtswirksamkeit des aufgehobenen Verwaltungsaktes.
    Der vom BFH mit Beschluss vom 07.07.2004 VII B 344/03 (BStBl. II 2004, 896, 898) entschiedene Sachverhalt sei nicht auf den streitgegenständlichen Sachverhalt zu übertragen. Der dort streitgegenständliche Erstattungsanspruch begründe sich auf § 37 Abs. 2 Satz 1 AO. Darüber hinaus habe der BFH dort sogar die Beschwerde zurückgewiesen, obwohl sie in einem ersten Schritt zu einer erfolgreichen Revision habe führen müssen; dies lasse den Schluss zu, dass der BFH im Streitfall die spätere Anwendung des § 171 Abs. 14 AO verneint habe und deshalb davon ausgehe, dass endgültig keine Erbschaftsteuer mehr zu bezahlen sei.
    In der mündlichen Verhandlung haben die Klägervertreter erklärt, dass sie materiell gegen die Höhe des dem Bescheid zugrunde liegenden Steueranspruchs keine Einwendungen vorzutragen haben.
    Das Finanzamt stimmte der Sprungklage gemäß § 45 Abs. 1 FGO zu und beantragt,
    die Klage abzuweisen und
    für den Fall des Unterliegens die Zulassung der Revision.
    Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus:
    Der Wortlaut des § 171 Abs. 14 AO sei eindeutig. Er nehme Bezug auf § 37 Abs. 2 AO und nicht nur auf Satz 1 der Vorschrift. Nach dem Urteil des BFH vom 13.03.2001 VIII R 37/00 erfasse § 171 Abs. 14 AO jede Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Steuern. Der BFH gebe einer Auslegung des § 171 Abs. 14 AO anhand des Gesetzeswortlauts, welcher unter den Erstattungsfällen des § 37 Abs. 2 AO zwischen Satz 1 und Satz 2 keinen Unterschied macht, eindeutig den Vorzug gegenüber einer Auslegung anhand der gesetzgeberischen Motive.
    Das Argument, dass der BFH - sofern er der zu § 171 Abs. 14 AO vertretenen Meinung des Finanzamts zustimme - aus Vereinfachungsgründen gleich das Urteil in Höhe des entsprechenden Teilbetrags aufrechterhalten hätte, sei untauglich. Ein Gericht könne lediglich die Steuer herabsetzen oder einen Bescheid gänzlich aufheben, dies bewirke zwangsläufig, dass das Finanzamt unter Beachtung der Vorschriften erneut festsetzen könne.
    Auch im Fall der Herabsetzung sei § 171 Abs. 14 AO nicht schlechthin ausgeschlossen; es bedürfe lediglich einer Korrekturvorschrift, die jedoch z.B. durch § 174 AO häufig gegeben sein werde. Nur sofern trotz materiell vorhandenen Steueranspruchs eine Korrekturvorschrift nicht greife, stehe derjenige mit dem nichtigen Bescheid in der Tat schlechter da als der, dessen Steuerschuld lediglich herabgesetzt werde. Dies sei jedoch systembedingt.
    Dem Gericht liegt hierzu ein weiterer Band Akten des Finanzamts zur Erbschaftsteuerveranlagung nach dem Erblasser Z (St.Nr. = Bescheid vom 08.04.2010) vor.
    Gründe
    Die Klage ist unbegründet.
    Das Finanzamt konnte den Erbschaftsteuerbescheid vom 08.04.2010 erlassen, da insoweit durch das rechtskräftige Urteil des BFH vom 09.12.2009 II R 39/07 noch nicht über den Streitgegenstand entschieden worden und auch die Festsetzungsfrist insoweit noch nicht abgelaufen war.
    1. Das Finanzamt hat zu Recht gegenüber den Klägern als Rechtsnachfolgern für deren Erwerb nach Z mit Bescheid vom 08.04.2010 Erbschaftsteuer in Höhe von 629.476,06 DM (= 321.846 €) festgesetzt.
    Ein erbschaftsteuerpflichtiger Erwerb der Y in der dem Bescheid vom 08.04.2010 zugrunde gelegten Höhe ist gegeben. Dieser ergibt sich aus dem Vermächtnis des Hauses in A-Stadt und des Autos, der Versorgungsrente der Firma 1 mit einem Kapitalwert von 1.475.844 DM, der Witwenrente aus der Zusage der Firma 2 sowie der privaten Veräußerungsrente mit dem Kapitalwert von 3.220.136 DM. Wegen der Erbschaftsteuerpflicht dieser Erwerbe wird auf die Ausführungen unter II.1.a) - d) der Entscheidungsgründe im Urteil des Senats IV 323/2002 vom 17.08.2006 (Seite 18-21) verwiesen. Auch die Kläger haben gegen das Bestehen und die Höhe des dem Bescheid vom 08.04.2010 zugrunde liegenden Erbschaftsteueranspruchs keine Einwände erhoben.
    2. Das Finanzamt war nicht aufgrund des rechtskräftigen Urteils des BFH vom 09.12.2009 II R 39/07 gehindert, den Erbschaftsteuerbescheid vom 08.04.2010 zu erlassen.
    a) Gemäß §§ 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 121 Satz 1 FGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Zweck der Regelung ist die Beantwortung der Frage, in welchem Umfang die Entscheidung, mit der ein Gerichtsverfahren typischerweise abschließt, letztendlich Rechtsfrieden bewirken kann (Gräber/von Groll, FGO, § 110 Rn. 1 mit Hinweis auf BVerfGE 47, 146, 165). Das Finanzamt ist durch ein Urteil in rechtlicher Hinsicht an die den Urteilsspruch tragenden Erwägungen und in tatsächlicher Hinsicht nur an die dem Gericht zum Zeitpunkt des Erlasses des Urteils bekannten Umstände gebunden (Gräber/von Groll, FGO, § 110 Rn. 13 ff.). Wieweit die Bindungswirkung im Einzelfall reicht, ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln, bei Sachentscheidungen wird die Bindungswirkung insbesondere auch durch den tatsächlich zu Grunde gelegten Sachverhalt und die tatsächlich hierzu angestellten rechtlichen Erwägungen auf den Entscheidungsgegenstand begrenzt.
    b) Dem BFH-Urteil vom 09.12.2009 II R 39/07 liegt die rechtliche und tatsächliche Feststellung zugrunde, dass eine Festsetzung von Erbschaftsteuer über einen Betrag von 629.496 DM hinaus mit Ablauf des Jahres 1989 wegen Festsetzungsverjährung nicht mehr möglich ist sowie dass der ursprüngliche Steuerbescheid vom 23.11.1988 infolge des Klage- und Revisionsantrags auf Aufhebung dieses Bescheids wegen Rechtswidrigkeit des Vorläufigkeitsvermerks aufgehoben worden ist. Darüber hinaus ergeben sich aus der Urteilsbegründung nach Auffassung des Senats keine Anhaltspunkte einer rechtlichen Feststellung materieller Art betreffend den Steueranspruch lt. Bescheid vom 23.11.1988 an sich, so dass dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 08.04.2010 für den Bereich einer Erbschaftsteuerfestsetzung bis zu einem Betrag in Höhe von 629.496 DM keine Bindungswirkung eines vorangegangenen Urteils aus der Vorschrift des § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGO entgegensteht.
    Auch der Änderungsbescheid vom 10.11.2009, mit dem das Finanzamt die Steuer in Höhe von 321.846 € und damit des ursprünglichen Bescheids festsetzte, ist vom Bundesfinanzhof nur aus formellen Gründen - wegen Fehlens der Änderungsvoraussetzungen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO - aufgehoben worden; zum Bestehen des Steueranspruchs in Höhe von 629.496 DM enthält das BFH-Urteil vom 09.12.2009 II R 39/07 keine Feststellungen; auch insoweit besteht keine Bindung für die Beteiligten.
    3. Bei Erlass des Bescheides am 08.04.2010 war die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch in Höhe von 629.476,06 DM (321.846 €) aufgrund § 171 Abs. 14 AO noch nicht abgelaufen.
    a) Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Der Ablauf dieser Frist war hinsichtlich der Erbschaftsteuer lt. dem angefochtenen Bescheid nach § 171 Abs. 14 AO gehemmt.
    Nach § 171 Abs. 14 AO endet die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO noch nicht verjährt ist. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hat derjenige, auf dessen Rechnung eine Zahlung bewirkt worden ist, einen Anspruch auf Erstattung des entrichteten Steuerbetrags, wenn dieser ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist; dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO).
    Mit der Vorschrift des § 171 Abs. 14 AO wird verhindert, dass eine Steuer deshalb zu erstatten ist, weil die Steuerfestsetzung wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr erfolgen kann, der Erstattungsanspruch selbst aber noch nicht verjährt ist. Ein Bedürfnis für diese Regelung kann sich dann ergeben, wenn erst nach längerer Zeit aufgrund eines Rechtsbehelfsverfahrens feststeht, dass eine Steuerfestsetzung wegen fehlender oder fehlerhafter Bekanntgabe unwirksam ist. Da ein solcher unwirksamer Bescheid die Festsetzungsfrist nicht wahren konnte und daher auch keine Ablaufhemmung (§ 171 Abs 3a AO n.F.) eingetreten ist, kann in solchen Fällen die Festsetzungsfrist abgelaufen sein, so dass eine erneute und wirksame Bekanntgabe des Steuerbescheids ohne die Vorschrift des § 171 Abs. 14 AO nicht mehr erfolgen könnte.
    Entsprechend führt die Gesetzesbegründung zu § 171 Abs. 14 AO (BT-Drs. 10/1636, S. 44) aus, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist bis zum Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist hinausgeschoben wird, um zu vermeiden, dass Steuerpflichtige mit der Begründung, der Steuerbescheid sei unwirksam bekanntgegeben worden, Erstattung des rechtsgrundlos gezahlten Betrags verlangen können, ohne dass das Finanzamt die Steuerfestsetzung durch wirksame Bekanntgabe des Steuerbescheids nachholen kann. Der Erstattungsanspruch erlischt nach §§ 228, 232 AO durch Zahlungsverjährung erst fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch durch die rechtsgrundlose Zahlung entstanden ist, während die Finanzbehörde die Bekanntgabe der Steuerfestsetzung nur innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist nachholen kann (§§ 169 ff. AO). Macht der Steuerpflichtige die unwirksame Bekanntgabe geltend, wären die aufgrund des - unwirksamen - Steuerbescheids geleisteten Zahlungen ohne die Regelung des § 171 Abs. 14 AO innerhalb der Zahlungsverjährungsfrist zu erstatten. § 171 Abs. 14 AO gibt der Finanzbehörde die Möglichkeit, einem bestehenden Erstattungsanspruch durch wirksame Steuerfestsetzung zu begegnen (Hartmann in Beermann/Gosch, AO, FGO, § 171 AO Rn. 91). Die Vorschrift bewirkt, dass das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Ablauf der Festsetzungsfrist nur in dem Umfang hinter das Interesse an einer materiell richtigen Steuerfestsetzung zurücktreten muss, zu dem dieser bereits eine Zahlung geleistet hat.
    Die Vorschrift des § 171 Abs. 14 AO ist nach Auffassung des Senats allerdings nicht auf die Fälle des Ablaufs der Festsetzungsfrist vor Verjährung des Erstattungsanspruchs wegen Zahlung auf einen wegen fehlender oder fehlerhafter Bekanntgabe unwirksamen Steuerbescheid beschränkt. § 171 Abs. 14 AO umfasst nach seinem Wortlaut jede Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Steuern (vgl. BFH-Urteil vom 13.03.2001 VIII R 37/00, BStBl. II 2001, 430,432), er bezieht neben Erstattungsansprüchen nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO wegen Steuerzahlungen ohne rechtlichen Grund- etwa wegen unwirksamen Steuerbescheids - auch die Erstattungsansprüche nach § 37 Abs. 2 Satz 2 AO wegen späteren Wegfalls des rechtlichen Grundes für die Steuerzahlung - z. B. wegen Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids infolge eines formellen Fehlers - ein. Entsprechend hat der BFH mit Urteil vom 17.03.2004 II R 47/98 (BFH/NV 2004, 1066) entschieden, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Grundsteuer nach § 171 Abs. 14 AO gehemmt ist, wenn die auf einen aufgehobenen Einheitswertbescheid zurückzuführende Grundsteuer bereits gezahlt ist, weil eine ersatzlose Aufhebung des Einheitswertbescheides die Aufhebung der auf ihm beruhenden Grundsteuermessbetragsbescheide und Grundsteuerbescheide zur Folge hat und gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 AO zu Grundsteuererstattungsansprüchen führt.
    b) Im Streitfall war der Erbschaftsteuerbescheid vom 23.11.1988 wirksam und wegen des rechtsfehlerhaften Vorläufigkeitsvermerks angefochten. Da der Klage- und Revisionsantrag nicht auf die Aufhebung des Vorläufigkeitsvermerks beschränkt war, hat die mit Revisionsurteil II R 39/07 vom 09.12.2009 festgestellte Unbestimmtheit des Vorläufigkeitsvermerks zur Aufhebung des Bescheids vom 23.11.1988 insgesamt geführt. Mit Eintritt der Rechtskraft des Revisionsurteils vom 09.12.2009, das die Aufhebung der Erbschaftsteuer- bzw. Änderungsbescheide vom 23.11.1988, 09.12.1999 und 10.11.2009 ausgesprochen hat, ist infolge Wegfalls der Erbschaftsteuerfestsetzung ein Erbschaftsteuererstattungsanspruch der Kläger in Höhe von 321.846 € entstanden. Dieser Erstattungsanspruch hängt dadurch auch im Sinn von § 171 Abs. 14 AO mit dem Erbschaftsteueranspruch gegenüber Y und damit dem streitigen Steueranspruch zusammen; er betrifft die Steuerzahlungen auf die aufgehobene Erbschaftsteuerfestsetzung.
    Durch den Erstattungsanspruch wegen Erbschaftsteuer in Höhe von 321.846 € ist der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt worden. Im Zeitpunkt der Entstehung des Erstattungsanspruchs ist die Festsetzungsfrist für den streitigen Erbschaftsteueranspruch noch nicht abgelaufen gewesen. Sie ist nach § 171 Abs. 3 Satz 2 AO a. F. bzw. § 171 Abs. 3a AO i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes vom 22.12.1999 (BGBl. I S. 2601) - AO n.F. - jedenfalls bis zum Eintritt der Rechtskraft des Revisionsurteils vom 09.12.2009 gehemmt gewesen. Mit dem Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils ist auch der Erstattungsanspruch entstanden, der damit den Fristablauf nach § 171 Abs. 14 AO noch hemmen konnte.
    4. Der Ablauf der Festsetzungsfrist für den streitigen Erbschaftsteueranspruch in Höhe von 629.476,06 DM war weiterhin auch nach § 171 Abs. 3a AO n.F. gehemmt.
    Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft nach § 171 Abs. 3a Satz 1 AO n.F. die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 FGO ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist (§ 171 Abs. 3a Satz 3 AO n.F.). Dieselbe Regelung galt nach § 171 Abs. 3 AO a.F., allerdings mit dem Unterschied, dass sich die Ablaufhemmung wegen des Wortes „insoweit” in Satz 1 der Vorschrift betragsmäßig nach dem Umfang der Anfechtung bestimmte.
    Anzuwenden ist § 171 Abs. 3a AO n.F. für alle bei Inkrafttreten der Vorschrift (30.12.1999) noch nicht abgelaufenen Festsetzungsfristen (Art. 97 § 10 Abs. 9 EGAO). Ihre Anwendung ist dabei beschränkt auf den zu diesem Zeitpunkt nicht festsetzungsverjährten Teil des Steueranspruchs (BFH-Urteil vom 20.04.2004 IX R 36/03, BFH/NV 2004, 1361).
    Im Streitfall beschränkt sich die Anwendung des § 171 Abs. 3a AO auf den Teil des Erbschaftsteueranspruchs, wie er bei Ablauf der regulären Festsetzungsfrist Ende des Jahres 1989 festgesetzt war, also auf einen Betrag in Höhe von 629.496 DM. Soweit der materielle Steueranspruch diesen Betrag übersteigt, ist mit Ablauf des Jahres 1989 Festsetzungsverjährung eingetreten (vgl. Urteil des BFH vom 09.12.2009 II R 39/07, dort Punkt II. 3.).
    Da der steuerliche Vertreter von Y seinen gegen den Bescheid vom 23.11.1988 in vollem Umfang eingelegten Einspruch später trotz seiner Schreiben vom 22.12.1998 und 26.02.1997 nicht wirksam eingeschränkt hat, beschränkt sich die Anwendung von § 171 Abs. 3a AO n.F. nicht weiter. Der steuerliche Vertreter hat in diesen Schreiben einerseits zwar von einer Beschränkung des Einspruchs gesprochen, andererseits aber weiterhin dem Ansatz einer privaten Veräußerungsrente im angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid widersprochen. Diese Widersprüchlichkeit in den genannten Schreiben bewirkt, dass - wie auch in der Regel bei Anfechtung eines Steuerbescheids nur wegen eines bestimmten Betrags oder Sachverhalts unter Geltung des § 171 Abs. 3 AO a.F. (vgl. BFH-Entscheidungen vom 23.10.1989 GrS 2/87, BStBl. II 1990,327; und vom 23.04.2003 IX R 28/00, BFH/NV 2003, 114) - die Anfechtung mit dem Einspruch weiterhin den gesamten Bescheid vom 23.11.1988 umfasst hat und die Ablaufhemmung hinsichtlich des ganzen Bescheids eingetreten ist. Entsprechend hat auch der Bundesfinanzhof mit Revisionsurteil II R 39/07 vom 09.12.2009 den Bescheid vom 23.11.1988 in vollem Umfang und nicht nur zum Teil aufgehoben.
    Mit der Aufhebung des Bescheids vom 23.11.1988 sowie der nachfolgenden Änderungsbescheide einschließlich des Bescheids vom 10.11.2009 nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO hat der Bundesfinanzhof die Sache in den ungeregelten Zustand vor Erlass der Hoheitsmaßnahme „zurückversetzt” und dem Finanzamt die Möglichkeit gegeben, den Fall in Übereinstimmung mit dem Gesetz neu zu regeln sowie alle weiteren Folgerungen aus dem Urteil zu ziehen. Die Ablaufhemmung ist nach Ergehen des Revisionsurteils gemäß § 171 Abs. 3a Satz 3 AO n.F. bestehen geblieben. Das Finanzamt konnte im Umfang der Ablaufhemmung in Höhe von 629.496 DM mit dem Bescheid vom 08.04.2010 die Erbschaftsteuer festsetzen. Dieser Bescheid ist infolge der Aufhebung des mit Einspruch und Klage angefochtenen Bescheids vom 23.11.1988 und damit im Sinn von § 171 Abs. 3a Satz 3 AO n.F. auf Grund der Vorschrift des § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO ergangen.
    5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 135 Abs. 1 FGO, 143 Abs. 1 FGO.
    6. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung insbesondere der Frage des Anwendungsbereichs des § 171 Abs. 14 AO zugelassen.

    VorschriftenAO § 171 Abs. 14, AO § 171 Abs. 3a