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  • 15.12.2011 · IWW-Abrufnummer 120633

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 29.09.2011 – 11 K 2506/09 E

    Aufwendungen des durch eine 10 Jahre zuvor erfolgte unentgeltliche Grundstücksübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt begünstigten Neffen für die Unterbringung der Tante in einem Pflegeheim sind als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wenn die Unterstützungsbedürftigkeit seiner Tante durch die Annahme der Grundstücksübertragung deshalb nicht adäquat kausal mit verursacht wurde, weil sie auf den nicht voraussehbaren Rückgang der vorbehaltenen Mieterträge sowie die Entwicklung der Pflegekosten zurückzuführen ist und es sich bei dem Mietwohngrundstück um schwer verwertbares Vermögen handelt (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 12. November 1996 (III R 38/95, BFHE 182, 64, BStBl II 1997, 387).


    Maßgebend für die Ermittlung des Jahreswerts des vorbehaltenen Nießbrauchsrechts als verwertbares Vermögen der Tante sind die tatsächlich erzielten Nettoerträge.


    Tatbestand
    Streitig ist die Berücksichtigung von Heimunterbringungskosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -.
    Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2005 und 2006 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter.
    Durch Vertrag vom 30. Dezember 1994 hat die damals 77 Jahre alte Tante des Klägers diesem im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Mietwohngrundstück in A-Stadt übertragen. Zugleich behielt sie sich an dem übertragenen Grundbesitz den lebenslänglichen, unentgeltlichen Nießbrauch vor. Nach dem Übertragungsvertrag betrugen der Jahreswert des Nießbrauchsrechts 33.970 DM und der Verkehrswert des Grundbesitzes 475.000 DM. Bis zum Umzug in ein Pflegeheim nutzte die Tante des Klägers eine in dem Objekt belegene Wohnung zu eigenen Wohnzwecken. Die übrigen fünf Wohnungen wurden vermietet. Die Mieteinnahmen der Tante des Klägers betrugen im Jahr 2005 11.466,84 EUR (11.160 EUR Miete zuzüglich 306,84 EUR Einnahmen aus Plakatwerbung) und im Jahr 2006 14.680,62 EUR (14.578,34 EUR Miete zuzüglich 102,28 EUR Einnahmen aus Plakatwerbung), die Werbungskosten 7.947,95 EUR (1.814,07 EUR Handwerkerrechnungen zuzüglich 6.133,88 EUR Umlagen) bzw. 9.368,68 EUR (3.234,80 EUR Handwerkerrechnungen zuzüglich 6.133,88 EUR Umlagen).
    Mit Bescheiden vom 4. Dezember 2007 veranlagte der Beklagte den Kläger zur Einkommensteuer 2005 und 2006. Dagegen legte der Kläger rechtzeitig Einspruch ein und machte u.a. Kosten für die Heimunterbringung seiner im Jahr 2007 verstorbenen Tante i. H. v. 14.590,77 EUR (2005) bzw. 13.829,03 EUR (2006) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Aus entsprechenden Bescheinigungen der als Betreiberin des Pflegeheims ging hervor, dass in den Streitjahren neben der Kostenübernahme durch die Pflegekasse (Pflegestufe II) und den Rentenbeträgen insgesamt Zahlungen i. H. v. 22.492,15 EUR (2005) bzw. 13.263,01 EUR (2006) für die Heimunterbringung geleistet worden waren, von denen 19.864,55 EUR (2005) bzw. 7.318,27 EUR (2006) auf Banküberweisungen oder Barzahlungen des Klägers entfielen. Die Differenzbeträge i. H. v. 2.627,60 EUR (2005) bzw. 5.944,74 EUR (2006) waren vom Mietkonto der Tante des Klägers bezahlt worden.
    Mit Bescheiden vom 12. Juni 2008 half der Beklagte den Einsprüchen - unter hier nicht streitigen Gesichtspunkten - teilweise ab.
    Durch Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2009 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, der Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung stehe - neben dem Wert des zurückbehaltenen Vermögens der Tante des Klägers - entgegen, dass der Kläger die Unterstützungsbedürftigkeit seiner Tante dadurch adäquat mitverursacht habe, dass er sich deren Vermögen zuvor habe übertragen lassen. Dies stehe der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen entgegen. Die Tante des Klägers habe neben ihrem Altersruhegeld nicht über ausreichende Mittel verfügt, um die notwendigen Kosten für ihre Unterbringung und Pflege im Pflegeheim selbst zu tragen. Dieser Gesichtspunkt sei vom Kläger selbst nicht aus einer Zwangslage heraus und nicht unfreiwillig, sondern eigenverantwortlich und entscheidend dadurch mitverursacht worden, dass er das Mietwohnhaus unentgeltlich übernommen habe. Er habe daher dazu beigetragen, dass der Tante des Klägers im Streitzeitraum keine ausreichenden Mittel zur Verfügung standen, um ihren infolge der Pflegebedürftigkeit erhöhten Bedarf zu decken. Der übernommene Wert, d.h. das mit einem Nießbrauchsrecht belastete Grundstück, sei in den Jahren 2005 und 2006 auch noch nicht aufgezehrt gewesen. Die Tante des Klägers sei bei Übergabe des Mietwohngrundstücks bereits 77 Jahre alt gewesen. In diesem Alter müsse selbst ohne sichtbare Anzeichen mit dem Eintritt der Pflegebedürftigkeit gerechnet werden. Bei vorbehaltloser Übertragung der wesentlichen Vermögenswerte auf einen nahen Angehörigen sei es deshalb keine ungewöhnliche, außerhalb der Lebenserfahrung liegende und mithin nicht adäquate Folge, dass der von der Übertragung Begünstigte bei späterer Bedürftigkeit des Betreffenden für diesen eintreten müsse. Das gelte jedenfalls dann, wenn der Betreffende bei der Übertragung bereits das Rentenalter erreicht habe und folglich mit dem Aufbau einer ausreichenden Alterssicherung nicht mehr habe gerechnet werden können und die Renten- oder sonstigen Versorgungsansprüche zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit offensichtlich unzureichend gewesen seien (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. November 1996 III R 38/95, BFHE 182, 64, BStBl II 1997, 387).
    Der Kläger hat am 10. Juli 2009 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, seine Tante habe krankheitsbedingt im Pflegeheim untergebracht werden müssen. Auf die zur Gerichtsakte gereichten Gutachten (Blatt 114 ff.) wird Bezug genommen. Zudem scheitere die Berücksichtigung der Aufwendungen für die Heimunterbringung als außergewöhnliche Belastung - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht an der fehlenden Zwangsläufigkeit. Im Unterschied zum Urteil des BFH vom 12. November 1996 (III R 38/95, BFHE 182, 64, BStBl II 1997, 387) sei die Grundstücksübertragung im Streitfall unter Nießbrauchsvorbehalt erfolgt und der Nießbrauch hätte im Hinblick auf die Höhe der Mieteinnahmen grundsätzlich auch ausgereicht, um die Unterstützungsleistungen vermeiden zu können. Die Einkünfte seiner Tante aus Vermietung und Verpachtung aus dem Vorbehaltsnießbrauch hätten ihren Lebensunterhalt gedeckt. Das Objekt habe sich jedoch im Hinblick auf das Alter der Aufbauten (Baujahr 1896 bzw. 1907) in einem sehr schlechten Zustand befunden und sei stark renovierungsbedürftig gewesen. Auf die zur Gerichtsakte gereichten Lichtbilder (Blatt 74 ff.) wird Bezug genommen. Vor diesem Hintergrund die Mietüberschüsse jedenfalls in den Jahren 2005 und 2006 nicht mehr ausgereicht hätten, um den Lebensbedarf zu decken. Den Mieteinnahmen i. H. v. 11.160 EUR (2005) bzw. 14.578,34 EUR (2006) hätten Handwerkerkosten und Nebenkosten i. H. v. 1.814,07 EUR (2005) bzw. 3.234,80 EUR (2006) gegenübergestanden. Nur noch zwei Wohnungen seien überhaupt vermietet gewesen, ein Mieter habe erhebliche Mietrückstände auflaufen lassen. Die Kosten für die Renovierung des Objekts hätte seine Tante indes nicht mehr tragen können. Auch ohne Übertragung des Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt im Jahr 1994 wäre die Tante nicht in der Lage gewesen, die streitgegenständlichen Kosten zu tragen. Eine Darlehensgewährung wäre an ihrem Alter und dem maroden Zustand des Objekts gescheitert. Damit handele es sich bei dem Objekt letztlich um schwer verwertbares Vermögen, das der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen ohnehin nicht entgegenstehe (Korn, EStG, § 33 Rn. 44, m. w. N.).
    Vor diesem Hintergrund hätte seine Tante als unterstützte Person die Kosten nicht vermeiden können. Sie hätte sie nicht mehr aus eigenen Mitteln bestreiten können, weil sie ja gerade über den Nießbrauchsvorbehalt ihre Einnahmesituation eigentlich abgedeckt hatte. Sie habe sich auch nicht vorsätzlich in die Zwangslage gebracht, weil diese Situation im Jahr 1994 nicht absehbar gewesen sei. Zudem wäre die Situation selbst bei einer unterbliebenen Übertragung des Grundstücks die gleiche gewesen. Der Kläger hätte die Differenz zu den Beträgen, die die laufenden Einkünfte der Tante nicht abdeckten, tragen müssen. Das Nießbrauchsrecht als solches habe nicht eingesetzt werden können, um die Aufwendungen aufzubringen. Es sei nicht veräußerbar gewesen, da es wegen der gesunkenen Mieteinnahmen keinen Wert gehabt habe.
    Der Kläger beantragt,
    die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005 und 2006 vom 4. Dezember 2007 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 12. Juni 2008 sowie der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2009 dahingehend abzuändern, dass vor Ansatz der zumutbaren Belastung Heimaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG i. H. v. 19.865 EUR (2005) und 7.319 EUR (2006) berücksichtigt werden.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Er macht geltend, nach ständiger Rechtsprechung des BFH komme eine sittliche Verpflichtung, Aufwendungen für eine dritte Person zu tragen, nur dann in Betracht, wenn die unterstützte Person nicht selbst in der Lage ist, die Aufwendungen aus eigenen Mitteln zu bestreiten (BFH-Urteil vom 11. Juli 1990 III R 111/86, BFHE 162, 231, BStBl II 1991, 62). Verfüge der Empfänger über eigenes, nicht nur geringfügiges Vermögen, seien die Aufwendungen nicht zwangsläufig, denn die Gesellschaft erachte es als zumutbar, wenn nicht gar selbstverständlich, dass zunächst eigenes Vermögen ggf. bis zum Substanzverbrauch eingesetzt und erst danach die Unterstützung naher Angehöriger beansprucht werde (BFH-Urteile vom 14. August 1997 III R 68/96, BFHE 184, 315, BStBl II 1998, 241; vom 12. Dezember 2002 III R 25/01, BFHE 201, 188, BStBl II 2003, 299). Bei Vermögenswerten über 15.500 EUR scheide eine Berücksichtigung der Unterstützungsleistungen gemäß § 33 Abs. 1 EStG aus (BFH-Urteil vom 29. Mai 2008 III R 48/05, BFHE 221, 221, BStBl II 2009, 361).
    Im Streitfall habe das Nießbrauchsrecht der Tante des Klägers als deren Vermögen der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen entgegengestanden. Das Nießbrauchsrecht habe in den Streitjahren einen Wert von mehr als 15.500 EUR gehabt. Die Mieteinnahmen für Dezember 2006 hätten bei 1.455 EUR gelegen, so dass sich eine Jahresmiete i. H. v. 17.460 EUR ergebe. Unter Berücksichtigung der Einnahmen aus Plakatwerbung (102 EUR) ergebe sich ein Jahresmietertrag i. H. v. 17.562 EUR. Hiervon seien die Kosten abzuziehen, die die Nießbraucherin zu tragen habe (laufender Grundstücksunterhalt, Grundstücksversicherung, Grundbesitzabgaben, auf die Mieter umgelegte Kosten), insgesamt 5.688,31 EUR. Auf den sich daraus ergebenden Überschuss von 11.873 EUR sei der maßgebliche Vervielfältiger gemäß Anlage 9 zu § 14 des Bewertungsgesetzes - BewG - anzuwenden. Eine niedrigere Bewertung sei im Hinblick auf § 9 Abs. 2 Satz 3 des Bewertungsgesetzes - BewG - nicht möglich. Der Auffassung des Klägers, nach der die Bewertung auf der Grundlage der erzielten - und nicht der erzielbaren - Mieten zu erfolgen habe, könne nicht gefolgt werden. Zudem sei zu bedenken, dass sich die Mieteinnahmen zwischen 2005 und 2006 sogar noch erhöht hätten. Der Einwand der schweren Verwertbarkeit könne nicht nachvollzogen werden, zumal das Nießbrauchsrecht insbesondere für den Kläger als Eigentümer des nießbrauchsbelasteten Grundstücks unabhängig von der beabsichtigten weiteren Grundstücksnutzung von wirtschaftlichem Interesse gewesen sein dürfte.
    Schließlich sei die Angabe des Klägers, seine Tante hätte der Unterstützungsbedürftigkeit auch ohne Grundstücksübertragung im Jahr 1994 nicht entgehen können, nicht überprüfbar. Sie sei jedoch im Hinblick auf das Vorhandenseins verwertbaren Vermögens auch nicht streitentscheidend.
    Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Sitzungsniederschrift vom 29. September 2011, sowie der Steuerakten des Beklagten Bezug genommen.
    Gründe
    Die Klage ist begründet.
    Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005 und 2006 vom 4. Dezember 2007 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 12. Juni 2008 sowie der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2009 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, soweit der Beklagte die streitgegenständlichen Heimkosten i. H. v. 19.865 EUR im Jahr 2005 bzw. 7.319 EUR im Jahr 2006 (vor Abzug der zumutbaren Belastung) nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigt hat (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
    I. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur der Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen (vgl. z.B. Urteile vom 10. August 1990 III R 2/86, BFH/NV 1991, 231, m. w. N.; vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418; vom 11. Juli 1990 III R 111/86, BFHE 162, 231, BStBl II 1991, 62).
    Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen durch seine altersbedingte Unterbringung in einem Altenheim erwachsen, werden nicht als außergewöhnlich beurteilt, sondern als typische Kosten der Lebensführung (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 10. August 1990 III R 2/86, BFH/NV 1991, 231; vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418). Dementsprechend sind die Kosten der Unterbringung eines bedürftigen Familienangehörigen in einem Altenheim typische Unterhaltsaufwendungen im Sinne des § 33a Abs.1 EStG (BFH-Urteil vom 12. Januar 1973 VI R 207/71, BFHE 108, 500, BStBl II 1973, 442). Dagegen begründen die Kosten wegen ständiger Pflegebedürftigkeit auch bei älteren Menschen eine außergewöhnliche Belastung (BFH-Urteil vom 7. März 1975 VI R 248/71, BFHE 115, 346, BStBl II 1975, 483). Ohne Bedeutung ist, ob die Mehraufwendungen wegen altersbedingter ständiger Pflegebedürftigkeit im eigenen Haushalt oder bei einer Heimunterbringung anfallen. Eine Steuervergünstigung nach § 33 EStG ist deshalb auch zu gewähren, wenn der ältere Mensch durch Krankheit oder Pflegebedürftigkeit bedingt in der Pflegestation eines Altenheimes, in einem Altenpflegeheim oder Pflegeheim untergebracht ist (BFH-Urteile vom 22. August 1980 VI R 138/77, BFHE 131, 381, BStBl II 1981, 23, und VI R 196/77, BFHE 131, 378, BStBl II 1981, 25), sofern die tatsächlich angefallenen Pflegekosten von den zu den Aufwendungen der üblichen Lebensführung zählenden reinen Unterbringungskosten abgrenzbar sind (BFH-Urteile vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418; vom 10. August 1990 III R 2/86, BFH/NV 1991, 231). Unerheblich ist, ob der Kranke oder Pflegebedürftige die außergewöhnlichen Aufwendungen selbst trägt, oder ob diese ein unterhaltsverpflichteter Dritter übernimmt. Im ersten Fall geht es um eine außergewöhnliche Belastung des Kranken oder Pflegebedürftigen, im zweiten Fall um eine außergewöhnliche Belastung des Dritten (BFH-Urteil vom 11. Juli 1990 III R 111/86, BFHE 162, 231, BStBl II 1991, 62).
    Nach ständiger Rechtsprechung kommt eine sittliche Verpflichtung im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG, Aufwendungen für dritte Personen zu tragen, indes nicht in Betracht, wenn die unterstützte Person selbst in der Lage ist, die Aufwendungen aus eigenen Mitteln zu tragen (BFH-Urteil vom 11. Juli 1990 III R 111/86, BFHE 162, 231, BStBl II 1991, 62). Verfügt der Empfänger über eigenes, nicht nur geringfügiges Vermögen, sind die Aufwendungen nicht zwangsläufig (BFH-Urteil vom 14. August 1997 III R 68/96, BFHE 184, 315, BStBl II 1998, 241). Denn die Gesellschaft erachtet es als zumutbar, wenn nicht gar als selbstverständlich, dass zunächst eigenes Vermögen eingesetzt und erst danach die Unterstützung naher Angehöriger beansprucht wird. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob der Bedarf nicht durch ein langfristiges Darlehen gedeckt werden kann (BFH-Urteile vom 11. November 1988 III R 262/83, BFHE 154, 548, BStBl II 1989, 280; vom 12. Dezember 2002 III R 25/01, BFHE 201, 188, BStBl II 2003, 299).
    Ferner ist eine Zwangsläufigkeit nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige die Möglichkeit hatte, den Aufwendungen auszuweichen (BFH-Urteil vom 18. November 1977 VI R 142/75, BFHE 124, 39, BStBl II 1978, 147). Entscheidend ist daher, ob die Ereignisse, deren Folge die Aufwendungen oder die Verpflichtung zur Bestreitung der Aufwendungen sind, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig waren. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Steuerpflichtige eine der wesentlichen Ursachen aus für ihn nicht zwangsläufigen Gründen selbst gesetzt hat (BFH-Urteil vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774). Dementsprechend kann die Berücksichtigung von Aufwendungen für die Unterbringung und Pflege eines Angehörigen als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen sein, wenn die pflegebedürftige Person im Hinblick auf ihr Alter und eine etwaige Bedürftigkeit dem Steuerpflichtigen Vermögenswerte zugewandt hat, soweit die Aufwendungen den Wert des übertragenen Vermögens nicht übersteigen. Jedenfalls dann, wenn die Unterstützungsbedürftigkeit eines Angehörigen vom Steuerpflichtigen dadurch adäquat kausal mitverursacht worden ist, dass er sich von diesem Angehörigen zuvor hat Vermögen übertragen lassen, ist eine Berücksichtigung der Unterstützungsleistungen als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Dabei wird es nicht als ungewöhnliche, außerhalb der Lebenserfahrung liegende und mithin nicht adäquate Folge einer bürgerlich-rechtlich vorbehaltlosen Übertragung aller sicheren Vermögenswerte an einen nahen Angehörigen angesehen, dass dieser bei späterer Bedürftigkeit des Betreffenden für ihn eintreten muss; das gilt jedenfalls dann, wenn der Betreffende bei der Übertragung bereits das Rentenalter erreicht hatte und seine Renten- oder sonstigen Versorgungsansprüche zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit offensichtlich unzureichend waren (BFH-Urteil vom 12. November 1996 III R 38/95, BFHE 182, 64, BStBl II 1997, 387; BFH-Beschluss vom 1. Dezember 2009 VI B 146/08, BFH/NV 2010, 637; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 29. Aufl. 2010, § 33 Rz. 22).
    II. In Anwendung dieser Grundsätze stellen die streitgegenständlichen Aufwendungen außergewöhnliche Belastungen dar. Sie können nach § 33 EStG abgezogen werden, soweit sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) übersteigen.
    1. Die Zahlungen des Klägers i. H. v. 19.864,55 EUR (2005) bzw. 7.318,27 EUR (2006), mit denen er sich an den Heimunterbringungskosten seiner pflegebedürftigen Tante beteiligt hat, sind dem Grunde nach als außergewöhnliche Aufwendungen im zuvor dargestellten Sinne anzusehen. Von einer krankheitsbedingten Pflegeheimunterbringung der Tante des Klägers, die zuletzt unter die Pflegestufe II fiel, ist aufgrund der seitens des Klägers eingereichten Gutachten auszugehen. Dementsprechend können die Unterbringungskosten als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden; ein Abzug für Haushaltsersparnis (vgl. Loschelder, EStG, 29. Aufl. 2010, § 33 Rz. 35 „Altersheim”) kommt nicht in Betracht, da der Kläger gegenüber seiner Tante nicht gesetzlich unterhaltsverpflichtet war und die entsprechenden Aufwendungen daher nicht nach § 33a Abs. 1 EStG abgezogen werden können. Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Tante des Klägers um eine - nicht gesetzlich unterhaltsberechtigte - Familienangehörige gehandelt hat, konnte sich der Kläger diesen Aufwendungen aus sittlichen Gründen nicht entziehen (vgl. Loschelder, EStG, 29. Aufl. 2010, § 33 Rz. 26).
    2. Die Aufwendungen sind dem Kläger - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch zwangsläufig erwachsen.
    a) Die Tante des Klägers war nicht in der Lage, die Aufwendungen aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Renteneinnahmen reichten nicht aus, um die gesamten Heimunterbringungskosten abzudecken. Dies war gerade der Grund dafür, warum der Kläger ergänzend herangezogen worden ist.
    b) Der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen stand - mit Blick auf die Streitjahre 2005 und 2006 - nicht das Vermögen der Tante des Klägers entgegen. Als wesentliche vermögenswerte Rechtsposition kam allein das Nießbrauchsrecht in Betracht. Der Kapitalwert (§ 14 Abs. 1 BewG) einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung im Jahresbetrag von einem Euro beträgt nach Anlage 9 zum Bewertungsgesetz bei einer 88- bzw. 89-jährigen Frau 3,511 bzw. 3,304. Demnach ergibt sich unter Zugrundelegung des im Notarvertrag angegebenen Jahreswerts i. H. v. 17.368,56 EUR (33.970 DM) ein Kapitalwert von 60.981,01 EUR bzw. 57.385,72 EUR und in Anwendung des vonseiten des Beklagten ermittelten Jahreswerts i. H. v. 11.873 EUR ein solcher von 41.686,10 EUR bzw. 39.228,39 EUR. Nach Auffassung des Senats sind als Jahreswerte der Nutzung (§ 15 BewG) allerdings die tatsächlich erzielten Vermietungsüberschüsse anzusetzen. Maßgebend für die Ermittlung des Jahreswerts sind die Nettoerträge, d.h. die laufenden Aufwendungen, die dem Berechtigten im Zusammenhang mit den Nutzungen erwachsen, sind abzusetzen (vgl. Eisele, in: Rössler/Troll, BewG, § 15 Rz. 7 und 9). Demnach ist von Jahreswerten i. H. v. 3.518,89 EUR (2005) bzw. 5.311,94 EUR (2006) auszugehen, so dass sich ein Kapitalwert von 12.354,82 bzw. 17.550,65 ergibt. Diese Werte liegen unterhalb bzw. leicht oberhalb der Schädlichkeitsgrenze von 15.500 EUR. Der Senat geht indes aufgrund der insgesamt rückläufigen Erträge aus dem Mietwohngrundstück davon aus, dass jedenfalls der gemeine Wert des Nießbrauchsrechts (§ 14 Abs. 4 BewG) diese Grenze nicht überstiegen hat. Somit hatte das vorbehaltene Nießbrauchsrecht in den Streitjahren keinen - nicht nur geringfügigen - Vermögenswert.
    Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Vorhandensein schwer verwertbaren Vermögens der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen nicht entgegensteht (Loschelder, in: Schmidt, EStG, 29. Aufl. 2010, § 33 Rn. 22, m. w. N.; Fuhrmann, in: Korn, EStG, § 33 Rn. 44). Der erkennende Senat geht in Übereinstimmung mit dem Kläger davon aus, dass es sich bei dem Mietwohngrundstück trotz der Angabe im Übertragungsvertrag aus dem Jahr 1994, der Grundbesitz weise einen Verkehrswert von 475.000 DM aus, um schwer verwertbares Vermögen in diesem Sinne gehandelt hat. Dafür spricht neben dem Alter der Aufbauten vor allem der schlechte Zustand des Objekts, der letztlich auch in erheblichen Leerständen und rückläufigen Mieterträgen zum Ausdruck gekommen ist. Sofern der Grundbesitz selbst bereits als schwer verwertbar zu qualifizieren ist, muss dies erst Recht für ein Nießbrauchsrecht an dem betreffenden Grundbesitz gelten. Der Senat ist davon überzeugt, dass dem Nießbrauchsrecht kein substanzieller Marktwert zugesprochen werden kann.
    c) Vor diesem Hintergrund kam auch die Aufnahme eines Darlehens durch die Tante des Klägers nicht in Betracht. Das Nießbrauchsrecht hatte keinen substanziellen Wert, der zur Besicherung der Kreditaufnahme hätte eingesetzt werden können. Zudem ist zu beachten, dass die Tante des Klägers in den Streitjahren bereits 88 bzw. 89 Jahre alt war und daher wohl keine langfristige Finanzierung mehr erlangen konnte.
    d) Weiterhin steht das BFH-Urteil vom 12. November 1996 (III R 38/95, BFHE 182, 64, BStBl II 1997, 387) der Berücksichtigung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen nicht entgegen. Zwar hat die Tante des Klägers diesem das Mietwohngrundstück im Jahr 1994 im Wege der vorweggenommen Erbfolge übertragen und sich damit eines Teils ihres Vermögens entäußert. Zudem hatte die Tante des Klägers bei der Übertragung bereits das Rentenalter erreicht und ihre Renten- oder sonstigen Versorgungsansprüche waren zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit offensichtlich unzureichend. Der Kläger hat die Unterstützungsbedürftigkeit seiner Tante durch die Annahme der Grundstücksübertragung jedoch nicht adäquat kausal mitverursacht. Der erkennende Senat geht vielmehr davon aus, dass die angefallenen Heimunterbringungskosten in erster Linie auf die eingetretene Pflegebedürftigkeit der Tante des Klägers sowie den Rückgang der Mieterträge zurückzuführen sind.
    Im Hinblick auf die Erträge aus dem übertragenen Grundbesitz ist darauf hinzuweisen, dass dieser im Streitfall - anders als in dem der BFH-Entscheidung vom 12. November 1996 (aaO.) zugrundeliegenden Sachverhalt - mit einem Vorbehaltsnießbrauch zugunsten der Tante des Klägers belastet war, der in der Folgezeit nicht wieder aufgehoben wurde. Dadurch hat sich die Tante des Klägers die Erträge aus dem Grundbesitz gesichert, so dass auch die Bestreitung ihrer Lebenshaltungskosten an sich nicht gefährdet erschien. Dass die Erträge aus dem Mietwohngrundstück letztlich doch nicht zur Begleichung sämtlicher Aufwendungen gereicht haben, ist zum einen auf die hohen Kosten aufgrund der Pflegebedürftigkeit der Tante des Klägers zurückzuführen, zum anderen auf den entsprechenden Rückgang der Mieterträge. Vor dem Hintergrund der von Seiten des Klägers dargelegten Entwicklung der Mieteinnahmen sowie der Nachweise über den Zustand des Objekts hat der Senat keine Zweifel daran, dass die in den Streitjahren auf Seiten der Tante des Klägers eingetretene Unterdeckung letztlich wesentlich auf die negative Entwicklung der Einkunftsquelle zurückzuführen ist. Dementsprechend wäre die Tante des Klägers auch ohne die Grundstücksübertragung nicht in der Lage gewesen, die Aufwendungen aus ihren Einkünften zu bestreiten. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass die Grundstücksübertragung die Unterstützungsbedürftigkeit der Tante des Klägers verursacht hat.
    Ferner steht die Übertragung des Vermögens selbst der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen des Klägers nicht entgegen. Zwar hätte die Tante des Klägers das Mietwohngrundstück in den Streitjahren 2005 und 2006 veräußern und damit „zu Geld machen” können, wenn sie es nicht im Jahr 1994 auf den Kläger übertragen hätte. Dementsprechend spricht einiges dafür, dass der Kläger die Unterstützungsbedürftigkeit seiner Tante durch die Annahme der Grundstücksübertragung zumindest mitverursacht hat. Hierin kann aber keine adäquat kausale Mitverursachung der Unterstützungsbedürftigkeit der Tante des Klägers im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung gesehen werden. Wenngleich der Rückgang der Mieterträge nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung gelegen haben dürfte, mussten die Beteiligten nach der Einschätzung des Senats im Jahr 1994 nicht damit rechnen, dass die Mieterträge rückläufig sein und den Bedarf der Tante des Klägers in den Jahren 2005 und 2006 nicht mehr abdecken würden. Ebenso wenig konnten sie die Entwicklung der Pflegekosten im Jahr 1994 voraussehen. Zudem geht der Senat - wie bereits dargestellt - in Übereinstimmung mit dem Kläger davon aus, dass es sich bei dem Mietwohngrundstück um schwer verwertbares Vermögen handelt.
    3. Bedenken gegen die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen (§ 33 Abs. 2 Satz 2 EStG) bestehen nicht.
    4. Der Teil der Aufwendungen, der die dem Kläger zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) übersteigt, kann vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Es ergeben sich demnach die folgenden zusätzlichen außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG:

      2005 2006
    Aufwendungen für Heimunterbringung 19.865 EUR 7.319 EUR
    Sonstige außergewöhnliche Belastung (Scheidungs- und Krankheitskosten) 6.014 EUR 4.856 EUR
    Summe 25.879 EUR 12.175 EUR
    Abzgl. zumutbare Belastung 2.667 EUR (4 % v. 66.691 EUR) 5.057 EUR (4 % v. 126.442 EUR)
    Abziehbare außergewöhnliche Belastung 23.212 EUR 7.118 EUR
    Bisher abgezogen 3.347 EUR 0 EUR
    Zusätzlich abzuziehen 19.865 EUR 7.118 EUR
    Die Übertragung der Steuerberechnung auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
    Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Revisionsgründe des § 115 Abs. 2 FGO einschlägig ist. Der Senat sieht in seiner Entscheidung insbesondere keine Abweichung vom BFH-Urteil vom 12. November 1996 (aaO.), da das Nießbrauchsrecht an dem übertragenen Grundbesitz vorliegend eben nicht wieder aufgehoben wurde und daher die Frage der adäquat kausalen Verursachung der Unterstützungsbedürftigkeit durch die Vermögensübertragung nach Auffassung des Senats anders zu beurteilen ist.

    VorschriftenEStG § 33 Abs. 1, EStG § 33 Abs. 2 Satz 1, BewG § 14 Abs. 1, BewG § 14 Abs. 4, BewG § 15