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  • 29.03.2012 · IWW-Abrufnummer 120949

    Oberlandesgericht München: Beschluss vom 25.01.2012 – 34 Wx 316/11

    1.Zur Pflicht des Grundbuchamts, ein öffentliches Testament selbständig und umfassend auszulegen.



    2. Die Pflicht zur umfassenden Auslegung bezieht sich auch auf eine etwa einzutragende Nach- und Ersatznacherbfolge sowie Befreiungen des Vorerben.


    34 Wx 316/11
    Tenor:
    Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts München - Grundbuchamt - vom 31. März 2011 aufgehoben.
    Gründe
    I. Im Wohnungs- und Teileigentumsgrundbuch ist noch der am 19.12.2010 verstorbene Erblasser Friedrich M. als Eigentümer eingetragen. Unter dem 2.3.2011 hat die Beteiligte, seine Witwe, als Erbin Grundbuchberichtigung beantragt. Sie hat dazu unter anderem vorgelegt die beglaubigte Abschrift des nachlassgerichtlichen Protokolls vom 26.1.2011 über die Eröffnung der letztwilligen Verfügung, die beglaubigte Ablichtung der Sterbeurkunde und die beglaubigte Abschrift des notariellen gemeinschaftlichen Testaments vom 17.1.2005.
    Im Testament ist unter II.1. (Erbeinsetzung) vom Erblasser verfügt:
    "Ich setze meine Ehefrau ... zu meiner Alleinerbin ein.
    Mein Sohn Thomas M.... soll zunächst nur den Pflichtteil erhalten, da ich schon seit Jahren keine Verbindung mehr mit ihm habe und Kontaktversuche meinerseits von meinem Sohn nicht beachtet wurden.
    Nacherbe und zugleich Ersatzerbe ist der Sohn meiner Ehefrau, Georg B....
    Sollte dieser vorverstorben sein, sind Ersatzerben dessen Kinder:
    ... jeweils zu gleichen Teilen."
    Ferner:
    "2. ...(Verfügungen der Beteiligten)
    3. Die Erschienenen erklären gemeinsam:
    a. Die Nacherbenanwartschaft ist nicht übertragbar und entgegen § 2108 II BGB ausdrücklich nicht vererblich.
    b) Der Überlebende von uns ist berechtigt, frei über unser Vermögen zu verfügen und dieses Testament abzuändern.
    ..."
    Am 31.3.2011 hat das Grundbuchamt unter Fristsetzung die Behebung folgenden Hindernisses durch Erbscheinsvorlage verlangt: Die von Amts wegen einzutragende Nacherbfolge ergebe sich nicht zweifelsfrei aus dem vorgelegten gemeinschaftlichen Testament. So stehe nicht fest, ob die Kinder des Herrn B. auch Ersatznacherben im Falle des Todes des Erblassers seien.
    Ferner stehe nicht fest, ob die Vorerbin von den Beschränkungen eines Vorerben, soweit gesetzlich zulässig, befreit sei.
    Solle der Vorerbe allerdings mit den umfassenden Beschränkungen der angeordneten Nacherbfolge im Grundbuch eingetragen werden, so wäre ein Erbschein nicht erforderlich, indessen aber ein entsprechender Eintragungsantrag. Dann seien aber noch alle eröffneten Verfügungen von Todes wegen vorzulegen, auch solche, die widerrufen wurden.
    Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, die in Auslegung des öffentlichen Testaments davon ausgeht, ihr Sohn Georg B. solle als Nacherbe in das Grundbuch eingetragen werden. Es sei bewusst darauf verzichtet worden, die Ersatzerben ebenfalls als Ersatznacherben zu bestimmen. Etwas anderes sei nur gewollt, sofern die Beteiligte vorverstorben wäre. Der Beteiligten sei es jederzeit möglich, das Testament zu ändern, sodass auch von einer befreiten Vorerbschaft auszugehen sei.
    II. Die Beschwerde, der nicht abgeholfen wurde, ist nach § 71 Abs. 1 GBO zulässig (vgl. Demharter GBO 28. Aufl. § 71 Rn. 1) und hat in der Sache auch Erfolg.
    Für die im Weg der Grundbuchberichtigung vorzunehmende Eintragung der Beteiligten als (befreiter) Vorerbin und deren Sohnes Georg B. als Nacherben bedarf es nicht der Vorlage eines Erbscheins.
    1. Nach § 35 Abs. 1 GBO kann der Nachweis der Erbfolge - auch der Nacherbfolge und der Ersatznacherbfolge - nur durch einen Erbschein geführt werden. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, wie hier in dem notariellen Testament (§ 2332 BGB), so genügt es, wenn an Stelle des Erbscheins die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GBO). Das Grundbuchamt kann jedoch die Vorlegung des Erbscheins verlangen, wenn die Erbfolge - oder die Nacherbfolge - durch diese Urkunden nicht als nachgewiesen erachtet wird (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GBO).
    Dem Grundbuchamt obliegt es, die in der öffentlichen Urkunde enthaltene Verfügung von Todes wegen sowohl nach ihrer äußeren Form als auch nach ihrem Inhalt zu prüfen (herrschende Meinung, siehe zuletzt Senat vom 12.1.2012, 34 Wx 501/11). Es steht auch nicht in dessen Belieben, ob es einen Erbschein verlangen will oder ihm die in § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO genannten Beweismittel genügen. Vielmehr hat das Grundbuchamt selbstständig zur Frage der Erb- wie der Nacherbfolge Stellung zu nehmen, gegebenenfalls auch den Willen des Erblassers durch Auslegung zu ermitteln und Zweifel durch Anwendung des Gesetzes auf die Verfügung zu lösen (Senat aaO.). Es hat in diesem Rahmen auch gesetzliche Auslegungsregeln zu berücksichtigen, wenn das Nachlassgericht vorausssichtlich darauf zurückgreifen müsste (OLG Schleswig FGPrax 2006, 248). Seine Pflicht zur Auslegung entfällt nur dann, wenn für die Auslegung tatsächliche Umstände wesentlich sind, die erst aufgeklärt werden müssten. Dazu ist nämlich im Grundbucheintragungsverfahren kein Raum (OLG Schleswig aaO.).
    Die inhaltliche Überprüfung der letztwilligen Verfügung muss zu einem eindeutigen Ergebnis führen, und zwar auch bei angeordneter Nacherbfolge sowie Ersatznacherbfolge, die jeweils mit einzutragen sind (OLG Frankfurt DNotZ 1970, 691/692; Demharter GBO 28. Aufl. § 51 Rn. 17 m.w.N.). Anzugeben sind überdies etwaige Befreiungen des Vorerben (Demharter § 51 Rn. 18).
    Dabei ist das Recht des Nacherben gleichzeitig mit der Eintragung des Vorerben einzutragen, ohne dass dies beantragt werden müsste. Demgemäß ist es nicht zu beanstanden, dass das Grundbuchamt hinsichtlich der (Ersatz-)Nacherben die selben Anforderungen an den Nachweis stellt wie an die Erbeneigenschaft der Beteiligten selbst.
    2. Indessen bestehen die vom Grundbuchamt geäußerten Zweifel bei sachgerechter Auslegung der notariellen letztwilligen Verfügung nach den Grundsätzen des § 133 BGB nicht.
    Unter II.1. wird die Beteiligte zur Alleinerbin ihres Ehemannes eingesetzt. Dass es sich nur um eine Vorerbschaft handelt, folgt aus der Regelung, dass Nacherbe und zugleich Ersatzerbe der Sohn der Beteiligten, Georg B., werden solle. Die Bestellung der Kinder von Georg B. als Ersatz erben betrifft nach der gewählten Formulierung nicht zugleich eine Bestellung zu Ersatznacherben. Abgesehen davon, dass die Testamentserrichtung vor einem Notar stattfand, also davon ausgegangen werden kann, dass die verwendeten juristischen Fachbegriffe entsprechend ihrer Bedeutung verwendet wurden, um den Erblasserwillen auszudrücken, ergibt sich dies auch daraus, dass die unmittelbar nachfolgende letztwillige Verfügung der Beteiligten zu 2 (unter II.2.) insoweit ausdrücklich eine andere Regelung trifft, als für das Vorversterben des Nacherben und Ersatzerben Georg B. Nach- und Ersatzerbschaft ausdrücklich angeordnet ist.
    Ohne dass es darauf noch entscheidend ankäme, erklärt sich dies zwanglos schon damit, dass der als Nacherbe bestimmte Georg B. nicht gemeinsames Kind der Eheleute M., sondern Kind der Ehefrau ist und beim Vorversterben der beteiligten Ehefrau deshalb weitergehende Sicherungen nahelagen, um die Erbschaft "in der Familie" zu halten.
    Die Regelung in II.3.b. bestimmt ausdrücklich, dass der Überlebende berechtigt ist, frei über das Vermögen zu verfügen und das Testament abzuändern. Die freie Abänderbarkeit spricht für die Befreiung des Vorerben nach § 2136 BGB. Denn die Anordnung der Befreiung muss zwar in der letztwilligen Verfügung enthalten sein; jedoch ist eine bestimmte Ausdrucksweise dafür nicht vorgeschrieben (OLG Hamm NJW-RR 1997, 453). Insoweit ist die Auslegungsregel des § 2137 Abs. 2 BGB heranziehbar. Hiernach ist im Zweifel anzunehmen, dass der Nacherbe befreit ist, wenn der Erblasser bestimmt hat, dass der Vorerbe zur freien Verfügung über die Erbschaft berechtigt sein soll. In diesem Sinne lässt sich die Klausel, in Zusammenhang mit der unter II.1. und II.2. ausdrücklich geregelten Nacherbschaft widerspruchsfrei und zwanglos auslegen.

    RechtsgebieteGBO, BGBVorschriften§§ 35, 51 GBO; §§ 2069, 2136, 2137 BGB