26.09.2012 · IWW-Abrufnummer 122929
Oberlandesgericht München: Beschluss vom 26.07.2012 – 34 Wx 248/12
Wirksamkeit einer postmortalen Vollmacht zur Löschung einer zugunsten des Erblassers eingetragenen Rückauflassungsvormerkung trotz angeordneter Testamentsvollstreckung.
34 Wx 248/12
Tenor:
Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts München - Grundbuchamt - vom 18. Mai 2012 wird aufgehoben.
Gründe
I. Mit notarieller Urkunde vom 23.12.2002 überließ Herbert M. seinem Sohn, dem Beteiligten, Wohnungs- und Teileigentum. Für den Veräußerer wurde für einen aufschiebend bedingten Rückerwerbsanspruch eine Rückauflassungsvormerkung bewilligt und am 29.1.2003 zusammen mit dem Eigentumsübergang im Grundbuch eingetragen. Der Veräußerer verstarb am 4.3.2010. Im notariellen Testament vom selben Tag hatte er den Beteiligten zum Erben eingesetzt und ihn mit Vermächtnissen belastet. Im Hinblick auf deren Erfüllung und die Erfüllung der Grundbesitzauseinandersetzung wurde Testamentsvollstreckung angeordnet. Die Sterbeurkunde befindet sich in beglaubigter Abschrift beim Grundbuchamt. In der notariellen Urkunde vom 23.12.2002 bevollmächtigte der Übergeber für seinen Todesfall den Erwerber - den Beteiligten -, die Löschung der zu ihren (gemeint: seinen) Gunsten im Grundbuch eingetragenen Vormerkung unter Vorlage einer Sterbeurkunde zu bewilligen.
Unter dem 12.5.2012 hat der Notar gemäß § 15 GBO die Löschung unter Vorlage einer Bewilligung des Beteiligten beantragt. Mit Zwischenverfügung vom 18.5.2012 hat das Grundbuchamt Frist zur Behebung folgenden Eintragungshindernisses gesetzt: Der Erblasser habe Testamentsvollstreckung angeordnet, diese sei mit seinem Tod eingetreten. Die dem Erben (Beteiligten) im Überlassungsvertrag erteilte Vollmacht zur Löschung der Vormerkung sei mit Eintritt des Todes und Wirksamwerden der Testamentsvollstreckung erloschen. Zur Löschung der Vormerkung sei die Vorlage einer Bewilligung der Testamentsvollstrecker nebst Testamentsvollstreckerzeugnis in grundbuchtauglicher Form erforderlich.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten, die damit begründet wird, dass die Vollmacht nicht durch den Todesfall erloschen, sondern als postmortale Vollmacht gerade dafür erteilt sei. Die Vollmacht sei dem Beteiligten auch nicht als Erben, sondern als dem Erwerber des Grundbesitzes erteilt und daher von der Erbenstellung unabhängig. Daher sei es unerheblich, ob er durch eine Testamentsvollstreckung beschwert sei. Bei der dem Erwerber erteilten postmortalen Löschungsvollmacht handle es sich um ein übliches Verfahren, diesem die Löschung der Vormerkung nach Versterben des Veräußerers zu ermöglichen, ohne Erbe zu sein und ohne eine Erklärung der Erben zu benötigen.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die zulässige Beschwerde gegen die Zwischenverfügung (§ 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1, § 71 Abs. 1 und § 73 GBO) hat zumindest vorläufig Erfolg.
1. Die Zwischenverfügung (§ 18 Abs. 1 GBO) ist aufzuheben, unabhängig davon, ob man die Rechtsansicht des Grundbuchamts teilt. Folgt man dieser, so liegt nämlich ein nicht behebbares Eintragungshindernis vor, so dass der Löschungsantrag sofort zurückzuweisen wäre (BayObLG Rpfleger 1986, 176; vgl. Demharter GBO 28. Aufl. § 18 Rn. 12 und Rn. 32). Denn die nach Meinung des Grundbuchamts zur Löschung erforderliche Bewilligung der Testamentsvollstrecker (§ 19 GBO, § 2205 BGB) liegt nicht vor. Die Zwischenverfügung mit ihrer rangwahrenden Wirkung dient aber nicht dazu, erst die Schaffung der Eintragungs- bzw. der Löschungsgrundlagen zu ermöglichen (vgl. auch OLG Frankfurt ZEV 2012, 377).
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
a) Mit der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist davon auszugehen, dass bereits eine transmortale, also vor und über den Tod hinaus geltende Vollmacht selbständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Vollmachtnehmer eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse verleihen kann (vgl. auch wegen weiterer Nachweise Senat vom 15.11.2011 - 34 Wx 388/11 = FGPrax 2012, 14; OLG Frankfurt ZEV 2012, 377 jeweils zur Generalvollmacht; Palandt/Weidlich BGB 71. Aufl. vor § 2197 Rn. 12). Dabei mag es Fälle geben, in denen die Wirkung durch die Rechte des Testamentsvollstreckers eingeschränkt wird, sobald dieser das Amt angenommen hat (vgl. Staudinger/Reimann BGB Neubearb. 2012 § 2197 Rn. 68). Das Verhältnis ist jedoch anders zu beurteilen, wenn anzunehmen ist, dass nach dem Willen des Erblassers die Rechte des Testamentsvollstreckers durch die des Bevollmächtigten eingeschränkt sein sollen (vgl. Senat aaO.; Staudinger/Reimann aaO.; MüKo/Zimmermann BGB 5. Aufl. vor § 2197 Rn. 15). Da beide, Testamentsvollstrecker wie Bevollmächtigter, ihre Befugnisse vom Erblasser herleiten, ist dessen Erklärung auszulegen (vgl. MüKo/Zimmermann vor § 2197 Rn. 15 a. E.). Die Auslegung nach den Maßstäben des § 133 BGB kann und muss das Grundbuchamt unabhängig von der Schwierigkeit auftauchender Rechtsfragen (vgl. Demharter GBO § 35 Rn. 42 m.w.N.) vornehmen.
b) Diese Grundsätze müssen umso mehr für die postmortale Vollmacht gelten, die erst ab dem Tod des Vollmachtgebers Wirkung entfaltet (§ 168 BGB). Die Auslegung der gegenständlichen Vollmacht dürfte zu dem Schluss führen, dass der Beteiligte die Verfügungsmacht besitzt, die Löschung der Vormerkung zu bewilligen, und zwar unabhängig von seiner erbrechtlichen Stellung.
(1) Allein daraus, dass die (spezielle) Vollmacht erst ab dem Tod des Vollmachtgebers Geltung beansprucht, lässt sich schließen, dass sie neben den Befugnissen der Testamentsvollstrecker weiter bestehen soll. Die Vollmacht ist im Übrigen im Eigeninteresse des Bevollmächtigten (= Beteiligten) eingeräumt und soll der Erfüllung des Überlassungsvertrags vom 23.12.2002 dienen. Sie bezweckt ersichtlich, die vereinbarte Löschung zu erleichtern (vgl. etwa MüKo/Schramm BGB 6. Aufl. § 168 Rn. 6 und 17). Diese Absicht der Vertragsparteien wäre durchkreuzt, wenn die Löschung vom Willen der Testamentsvollstrecker abhängig wäre. Dabei muss in Kauf genommen werden, dass dann, wenn das Rücktrittsrecht ausgeübt wurde und damit nach § 12 Ziffer 2 des Vertrags vom 23.12.2002 vererblich und übertragbar ist, der Erwerber die Rechtsmacht hat, die Sicherung des Rückerwerbsanspruchs zu beseitigen. Diese Möglichkeit haben die Vertragsparteien aber in Kauf genommen, wie die zeitgleich und in derselben vertraglichen Bestimmung aufgenommene Bevollmächtigung hinreichend zum Ausdruck bringt.
(2) Das Grundbuchamt geht aufgrund anderer Vorgänge davon aus, dass der Beteiligte durch die Testamentsvollstreckung beschwerter (Allein-) Erbe ist. Dann könnte freilich die Vollmacht durch Konfusion erloschen sein (vgl. Palandt/Weidlich vor § 2197 Rn. 12).
Für diesen Fall dürfte aber die Vollmacht gegenüber Dritten und auch gegenüber dem Grundbuchamt ihre Legitimationswirkung behalten (vgl. MüKo/Schramm § 168 Rn. 17 bei Fn. 3 m.w.N.). Wenn der Beteiligte zwar Alleinerbe, aber durch die Testamentsvollstreckung beschränkt ist, lässt sich die Klausel ggf. auch so auszulegen, dass er unabhängig von der Testamentsvollstreckerbestellung insoweit über den Nachlass verfügen kann. Dieses Recht ist ihm vertraglich eingeräumt (vgl. zum Ganzen auch LG Bremen Rpfleger 1993, 235 m. Anm. Meyer-Stolte). Der Beteiligte soll als Erbe nicht schlechter gestellt werden als ein Dritter. Zudem kann (vgl. Meyer-Stolte aaO.) die Position als Erbe unklar sein, zumindest für den Rechtsverkehr nicht erkennbar, oder kann sonstige Mängel aufweisen. Für diesen Fall - und neben der Testamentsvollstreckung - behält die Vollmacht ihre Wirkung.