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  • 10.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130105

    Sozialgericht Karlsruhe: Urteil vom 15.11.2012 – S 1 SO 2641/12

    Aufwendungen für eine Todesanzeige, eine Kondolenzmappe und eine Schmuckurne anstelle einer einfach gestalteten Urne gehören nicht zu den "erforderlichen Kosten" einer Bestattung iS des Sozialhilferechts. (Rn.17)


    S 1 SO 2641/12

    SG Karlsruhe

    Tenor
    Die Klage wird abgewiesen.
    Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
    Die Berufung wird nicht zugelassen.
    Tatbestand
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    Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Bestattungskosten aus Mitteln der Sozialhilfe nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII) in Höhe von weiteren 300,44 € umstritten.
    2
    Der ... geborene Kläger ist der Witwer und Alleinerbe auf Ableben seiner am ... geborenen und am ... verstorbenen Ehefrau I. F.. Er bezieht von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel SGB XII.
    3
    Am 04.04.2012 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag, die ihm aus Anlass der Bestattung seiner Ehefrau entstanden Aufwendungen aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen. Hierzu legte er den Gebührenbescheid des Friedhofs- und Bestattungsamts der Beklagten über 1.221,00 € sowie die Rechnung der Fa. S. über 2.126,57 € vor. Durch Bescheid vom 08.06.2012 übernahm die Beklagte insgesamt 3.037,27 € als erforderliche Bestattungskosten. Die Übernahme auch der Aufwendungen für die Todesanzeige (209,44 €), die Taxifahrt des Pfarrers (43,00 €), Mehrkosten Urne (79,00 €) und die Kondolenzmappe (12,00 €) lehnte sie ab.
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    Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor, er habe dem Bestattungsunternehmen bereits in einem ersten Gespräch mitgeteilt, er erhalte Leistungen der Grundsicherung, weshalb die Beerdigungskosten durch das Sozialamt der Beklagten zu begleichen seien. Er habe deshalb bei der Auftragsvergabe nur solche Leistungen vereinbart, deren Übernahme aus Sozialhilfemitteln ihm das Bestattungsunternehmen versichert habe. Er sei finanziell nicht in der Lage, die von der Beklagten abgelehnten Aufwendungen zu bezahlen. Die Beklagte gab dem Widerspruch insoweit statt, als sie auch die Kosten für die Taxifahrt des Pfarrers in Höhe von 43,00 € übernahm. Im Übrigen wies sie den Widerspruch mit der Begründung zurück, die weiteren Mehraufwendungen seien keine notwendigen Bestattungskosten (Widerspruchsbescheid vom 04.07.2012).
    5
    Deswegen hat der Kläger am 23.07.2012 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der er unter Wiederholung seines Widerspruchsvorbringens sein Begehren weiter verfolgt.
    6
    Zu den Kosten einer einfachen Urne ohne Motiv hat das Gericht zu Beweiszwecken schriftliche und telefonische Auskünfte bei in Karlsruhe ansässigen Bestattungsunternehmen eingeholt.
    7
    Der Kläger beantragt,
    8
    den Bescheid vom 08. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Juli 2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, weitere Bestattungskosten in Höhe von 300,44 € aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen.
    9
    Die Beklagte beantragt,
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    die Klage abzuweisen.
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    Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
    12
    Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
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    Entscheidungsgründe
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    Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes ) zulässig. Eine Verpflichtungsklage war nicht erforderlich, weil § 74 SGB XII (nur) einen Anspruch auf Zahlung an den Bestattungspflichtigen selbst normiert (vgl. BSG SozR 4-3500 § 74 Nr. 1 und BSGE 109, 61 ff.), und zwar unabhängig davon, ob der Kläger die einzelnen die Bestattungskosten betreffenden Rechnungen bereits beglichen hat. Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Übernahme weiterer Aufwendungen für die Bestattung seiner verstorbenen Ehefrau.
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    1. Rechtsgrundlage für das vom Kläger erhobene Begehren ist § 74 SGB XII. Danach werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung (aus Sozialhilfemitteln) übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Die Bestimmung nimmt im Recht der Sozialhilfe eine Sonderstellung ein. Zielsetzung ist zwar die Sicherstellung einer der Würde des Toten entsprechenden Bestattung (vgl. BVerwGE 120, 111, 113 sowie LSG Baden-Württemberg, FEVS 62, 214 ff). Den sozialhilferechtlichen Bedarf stellt nicht die Bestattung als solche oder deren Durchführung dar; vielmehr dient die Regelung der Vermeidung einer unzumutbaren Belastung des Verpflichteten durch die Kosten der Beerdigung (vgl. BSG, FEVS 61, 337 ff sowie - noch zur Vorgängerregelung in § 15 des Bundessozialhilfegesetzes - BVerwGE 105, 51, 52 ff). Der Anspruch auf Kostenübernahme gemäß § 74 SGB XII steht damit nicht dem Verstorbenen, sondern demjenigen zu, der verpflichtet ist, die Bestattungskosten zu tragen (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O.).
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    Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII ist derjenige, den die Kostentragungspflicht rechtlich notwendig im Verhältnis zu Dritten endgültig und damit vorrangig trifft (vgl. BVerwGE 116, 287ff.; 120, 111, 113 f. und BVerwG, Buchholz 436.0 § 15 BSHG Nr. 5; ferner LSG Baden-Württemberg, FEVS 62, 214 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, FEVS 60, 524 ff. und vom 29.07.2009 - L 12 SO 10/08 - m.w.N.; LSG Berlin-Brandenburg vom 25.03.2010 - L 15 SO 305/08 - und LSG Sachsen-Anhalt vom 22.02.2012 - L 8 SO 24/11 B - ; im Ergebnis ähnlich BSG, FEVS 63, 445, das insoweit einen „besonderen zivil- oder öffentlich-rechtlichen Status“ in Bezug auf die Bestattungspflicht formuliert). Hier ist zwischen den Beteiligten - zu Recht - nicht streitig und unzweifelhaft, dass der Kläger als überlebender Ehegatte (§ 1360a Abs. 3 i.V.m. § 1615 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches ) und Alleinerbe (§ 1968 i.V.m. § 1931 Abs. 2. BGB) verpflichtet war, die Kosten der Beerdigung seiner verstorbenen Ehefrau zu tragen Ebenfalls unstreitig und unzweifelhaft ist der Kläger aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage, diese Aufwendungen zu übernehmen. Er hat damit grundsätzlich Anspruch auf Übernahme der Kosten der Bestattung aus Sozialhilfemitteln gem. § 74 SGB XII.
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    2. Übernahmefähig sind jedoch nicht die für die Beerdigung tatsächlich entstandenen Kosten, sondern nach dem Gesetzeswortlaut nur die Kosten, die für die Bestattung „erforderlich“ waren. „Erforderlich“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und damit gerichtlicher Auslegung uneingeschränkt zugänglich. Der Begriff der „erforderlichen Kosten“ impliziert dabei geringere Kosten als sie für eine „standesgemäße“ Beerdigung anfallen, auf die § 1968 BGB abstellt (vgl. Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage 2012, § 74, Rand-Nr. 31 sowie Berlit in LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 74, Rand-Nr. 12, jeweils m.w.N.). Was erforderlich ist, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen (vgl. Grube, a.a.O., Rand-Nr. 32). Die Erforderlichkeit der Kosten ist im Einzelnen zu ermitteln und zu beurteilen. Es ist mithin eine den Individualitätsgrundsatz berücksichtigende Entscheidung zu treffen (§ 9 Abs. 1 SGB XII); grundsätzlich ist dabei auch angemessenen Wünschen des Bestattungspflichtigen (§ 9 Abs. 2 SGB XII) und gegebenenfalls des Verstorbenen (§ 9 Abs. 1 SGB XII) sowie religiösen Bekenntnissen (Art. 4 des Grundgesetzes) mit Rücksicht auf die auch nach dem Tod zu beachtenden Menschenwürde (vgl. dazu u.a. BVerwG, Buchholz 436.0 § 88 BSHG Nr. 41 und BSG SozR 4-3500 § 90 Nr. 3) Rechnung zu tragen (vgl. BSGE 109, 61 ff.). Der Eindruck eines Armenbegräbnisses bzw. Armengrabes ist zu vermeiden (vgl. Hess. LSG , FEVS 59, 567 ff. und Berlit, a.a.O., Rand-Nr. 12 m.w.N.). Erforderliche Kosten sind danach diejenigen, die üblicherweise für eine würdige, den örtlichen Gepflogenheiten entsprechende einfache Bestattung anfallen (vgl. BSGE 109, 61 ff.; Grube, a.a.O., Rand-Nr. 32 m.w.N. sowie Berlit, a.a.O., Rand-Nr. 12), weil der Steuerzahler sozialhilferechtlich nur für eine solche Bestattung aufkommen soll (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.). Was ortsüblich und angemessen ist, bestimmt sich in erster Linie nach den einschlägigen landesrechtlichen bestattungs- und friedhofsrechtlichen Bestimmungen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, FEVS 60, 524, 526), insbesondere nach der jeweils maßgebenden Friedhofssatzung (vgl. VGH Baden-Württemberg, FEVS 41, 318 und LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.). Zu den übernahmefähigen Kosten gehören alle diejenigen Kosten, die unmittelbar der Bestattung unter Einschluss der ersten Grabherrichtung dienen bzw. mit der Durchführung der Bestattung untrennbar verbunden sind, nicht jedoch solche für Maßnahmen, die nur anlässlich des Todes entstehen, also nicht final auf die Bestattung selbst ausgerichtet sind (vgl. BSGE 109, 61 ff.). Übernahmefähig sind damit alle öffentlich-rechtlichen Gebühren, das Waschen, Kleiden und Einsargen des Leichnams, der Sarg, die Kosten für Sargträger und das erstmalige Herrichten des Grabes sowie einfacher Grabschmuck, ferner die Gebühren für die Grabstätte sowie für ein Holzkreuz; bei einer - wie hier - Feuerbestattung sind neben den Kosten der Einäscherung und für den Urnenträger auch die Aufwendungen für die Urne selbst zu berücksichtigen (vgl. Grube, a.a.O., Rand-Nr. 32 sowie Berlit, a.a.O., Rand-Nr. 13, jeweils m.w.N.).
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    3. Zu den nicht erforderlichen Kosten im Sinne des § 74 SGB XII gehören danach die Aufwendungen für die üblichen kirchlichen und bürgerlichen Feierlichkeiten. Dazu zählen unter anderem die Kosten für Todesanzeigen (vgl. BSGE 109, 61 ff.; Hess. VGH in ZfSH/SGB 2004, 290; VG München vom 17.09.1998 - M 10 K 97.6060 - und VG Düsseldorf vom 17.10.1986 - 19 K 913.84 - ) wie auch die Aufwendungen für eine Kondolenzmappe (VGH Baden-Württemberg, NVwZ 1992, 83, 84). Denn derartige Aufwendungen sind mit der Durchführung einer Bestattung nicht - wie erforderlich - untrennbar verbunden (vgl. BSGE 109, 61 ff. für Todesanzeigen, Danksagungen, Leichenschmaus, Anreisekosten und Bekleidung). Die Deckung bzw. Übernahme derartiger zusätzlicher Kosten kann deshalb nicht Aufgabe der steuerfinanzierten Sozialhilfe sein. Die Beklagte hat daher durch die angefochtenen Bescheide zu Recht die Übernahme der insoweit in der Rechnung der Fa. S. aufgeführten Rechnungsposten von 209,44 € und weiteren 12,00 € abgelehnt.
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    4. Gleiches gilt, soweit die Beklagte darüber hinaus als „erforderliche“ Kosten der Bestattung für den Erwerb der Urne von den in Rechnung gestellten Aufwendungen (177,00 €) nur 98,00 € übernommen hat. Denn der Begriff der „Erforderlichkeit“ der Kosten der Bestattung in § 74 SGB XII bezieht sich sowohl auf die Art der Kosten als auch auf die Höhe (vgl. LSG Rheinland-Pfalz vom 08.06.2009 - L 2 SO 31/07 -, VG Gelsenkirchen vom 09.07.2004 - 19 K 978/03 - und VG München vom 04.02.2005 - M 6a K 04.1237 - ). Der Begriff lässt deshalb Raum für eine Überprüfung von Einzelpositionen. Daran orientiert hat die Beklagte als „erforderliche Kosten“ für die Urne zu Recht nur solche für eine einfache Ausgestaltung ohne Motiv in Höhe von 98,00 € übernommen. Denn nach den vom Gericht eingeholten und glaubhaften Auskünften mehrerer in Karlsruhe ansässiger Bestattungsunternehmen ist eine solche Urne bereits ab einem Preis von (brutto) 50,00 € (so Fa. G.-Bestattungen GmbH und Bestattungsinstitut K.) bzw. von 90,00 € (so Trauerhilfe E. und Fa. D. Bestattungen), jedenfalls aber zu einem Preis von 98,00 € (so Fa. S.) erhältlich. Deshalb handelt es sich in Bezug auf die Urne bei den 98,00 € übersteigenden Aufwendungen (79,00 €) um keine für die Bestattung der verstorbenen Ehefrau des Klägers erforderlichen Kosten im Sinne des § 74 SGB XII. Vielmehr hat der Kläger - was menschlich durchaus verständlich und nachvollziehbar ist - aus freien Stücken die teurere Lösung gewählt.
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    5. Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und musste das Begehren des Klägers erfolglos bleiben.
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    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.
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    Anlass, die Berufung zuzulassen (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) bestand nicht, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen (§ 144 Abs. 2 SGG) nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht vorliegen.

    Vorschriften§ 74 SGB 12, § 9 Abs 1 SGB 12, § 9 Abs 2 SGB 12