25.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130267
Finanzgericht Münster: Urteil vom 29.03.2012 – 3 K 3819/10 Erb
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster
3 K 3819/10 Erb
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
Streitig ist, ob und wie ein zinslos gewährtes Darlehen schenkungsteuerlich zu behandeln ist.
Die Klägerin erhielt am 21.05.2002 ein zinsloses Darlehen in Höhe von X Euro von ihrem ehemaligen Lebensgefährten, Herrn E.
Hintergrund für die zur Verfügungstellung des Darlehens war, dass die Zinsbelastung der Klägerin gemindert werden sollte, die aus der Finanzierung des in ihrem Eigentum stehenden Immobilienobjekts R, A-Straße 1 in A/Y resultierte, wofür die Klägerin bei der Bank 1 ein Darlehen in Höhe von X DM durch Darlehensvertrag vom 18.10.1997 aufgenommen hatte. Herr E, vertreten durch die Rechtsanwälte S ( und andere in F) forderte die Klägerin mit Schreiben vom 19.03.2008 auf, den Darlehensbetrag zzgl. gesetzlicher Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 23.05.2002 auf eines der Konten des Büros S zu zahlen, wobei Geldempfangsvollmacht anwaltlich versichert werde. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 19.03.2008 Bezug genommen, Schenkungsteuerakte.
Die Klägerin zahlte das Darlehen am 21.05.2008 – ohne Zinsen – zurück.
Die Finanzverwaltung erhielt Kenntnis von diesem Sachverhalt aufgrund einer bei Herrn E durchgeführten Betriebsprüfung. Das Finanzamt D übersandte am 29.10.2009 eine entsprechende Kontrollmitteilung an den Beklagten.
Der Beklagte forderte daraufhin die Klägerin zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung mit Schreiben vom 05.11.2009 auf. Der sich aus der unentgeltlichen Überlassung des Darlehens ergebende Zinsvorteil unterliege gemäß § 7 Abs. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) der Schenkungsteuer.
Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass eine Verpflichtung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung nicht bestehe. Das Darlehen sei zwar zinslos überlassen worden. Dies führe aber mangels Bereicherung nicht zu einer steuerpflichtigen Schenkung, weil die zinslose Darlehensgewährung mit einer die Schenkung ausschließenden Gegenleistung verbunden gewesen sei. Die Gegenleistung, so lässt die Klägerin mit Schreiben vom 16.03.2010 vortragen, bestehe darin, dass Herr E das Darlehen ausschließlich aus dem Grunde zinslos überlassen habe, damit sie mit ihm eine eheähnliche Lebensgemeinschaft eingehe und diese Lebensgemeinschaft Bestand haben werde.
Sie legte dazu das Protokoll über ein Gespräch in den Kanzleiräumen des Büros S vom 15.03.2006 auszugsweise vor, an dem sie, Herr E und Herr Rechtsanwalt C vom Büro S teilgenommen haben. Dort ist u. a. folgendes ausgeführt: „Herr E legte Wert darauf, dass Frau T ihren Beruf als Maklerin erheblich einschränkt, sich aus ihrer Ehe herauslöst und mit ihm in Italien leben kann.
Frau T hat daraufhin gegenüber ihrem Ehemann auf sämtliche Ansprüche aus einem Ehevertrag verzichtet. Mithin auch auf eine angemessene Altersversorgung.“
Wegen der Einzelheiten wird auf den Vermerk über das Gespräch vom 15.03.2006 Bezug genommen, Blatt 63 der Gerichtsakte.
Der Beklagte ging von einem schenkungsteuerpflichtigen Vorgang aus und berechnete den Zinsvorteil wie folgt: Bei einer Darlehenssumme X Euro, auf die nach § 12 Bewertungsgesetz (BewG) der Zinsfaktor 5,5 % anzuwenden sei, betrage bei einer Laufzeit von 6 Jahren der Kapitalisierungsfaktor 5,133, sodass die Zinsen einen Jahreswert von X Euro hätten. Der Zinsvorteil sei daher mit X Euro anzusetzen. Unter Ber ücksichtigung einer Vorschenkung in Höhe von X Euro vom 15.11.2001 (Villa O) setzte der Beklagte die Schenkungsteuer von einem Wert des Erwerbs von X Euro abzüglich Freibetrag nach § 16 ErbStG von 5.200 Euro von einem steuerpflichtigen Erwerb von X Euro auf X Euro fest, sodass sich unter Anrechnung der Schenkungsteuer für Vorschenkungen in Höhe von X Euro eine festzusetzende Schenkungsteuer von X Euro ergab. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schenkungsteuerbescheid vom 29.03.2010 Bezug genommen.
Die Klägerin legte Einspruch ein, es liege keine Schenkung vor. Es fehle nämlich an der Freigebigkeit, wenn der Zuwendung eine Gegenleistung gegenüber stehe, die zwar nicht in Geld veranschlagt werden könne, von den Beteiligten jedoch als Gegenleistung angesehen werde; die Klägerin bezieht sich dazu auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28.11.1967 (II R 67/63, BStBl II 1968, 239).
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 14.09.2010 als unbegründet zurück. Werde eine Kapitalsumme unverzinslich überlassen, so sei nach der Rechtsprechung des BFH der Gegenstand der Zuwendung in der unentgeltlichen Gewährung des Rechts zu sehen, das als Darlehen überlassene Kapital zu nutzen. Bemessungsgrundlage der Schenkungsteuer seien 5,5 % des Darlehensbetrages pro Jahr nach § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 15 Abs. 1 BewG.
Die Zuwendung der durch das unverzinsliche Darlehen gewährten Nutzungsvorteile sei objektiv unentgeltlich erfolgt. Nach den Maßstäben des allgemeinen Verkehrsüblichen könne davon ausgegangen werden, dass sich Herr E der Unentgeltlichkeit seiner Leistung bewusst gewesen sei. Hierfür spreche schon die Tatsache, dass der Darlehensvertrag über eine Darlehenssumme von über X Euro mündlich geschlossen worden sei. Aus dem Schriftverkehr der Rechtsanwälte anlässlich der Durchsetzung der Darlehensforderung gehe hervor, dass Herr E der Klägerin das Darlehen in entsprechender Höhe zur Verfügung gestellt habe, um die Zinsbelastung für die Klägerin zu mindern. Herr E sei sich also dessen bewusst gewesen, dass er die Klägerin durch die zinslose Darlehensgabe wirtschaftlich entlaste. Eine Gegenleistung sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vereinbart worden. Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft zeichne sich durch innere Bindungen aus und begründe ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander, wie es das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 17.11.1992 1 BvL 8/87 formuliert habe. Das Motiv des Darlehensgebers „Erreichen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft“ könne daher nicht als Gegenleistung angesehen werden. Denn beim Eingehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft handele es sich nicht um die „Bezahlung“ von Leistungen, nämlich um die für den Geschäftsverkehr bestimmte Ebene, auf der Leistung und Gegenleistung rechtlich miteinander verknüpft würden. Die Motive des Zuwendenden seien für den Steuertatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ohne Bedeutung. Sofern Herr E dennoch – infolge fehlerhafter juristischer Wertungen – gemeint haben sollte, für seine Zuwendung eine damit synallagmatisch, konditional oder kausal verknüpfte Gegenleistung zu erhalten, wäre dies ein „nach den Maßstäben des Verkehrsüblichen“ unbeachtlicher Subsumptionsirrtum.
Im Übrigen gälten die Grundsätze der unbenannten Zuwendungen auch für Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. § 7 Abs. 3 ErbStG stehe einer Steuerfestsetzung nicht entgegen. Nach § 7 Abs. 3 ErbStG würden Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliege, nicht berücksichtigt. Da es sich nicht um eine Gegenleistung handele, wie bereits ausgeführt worden sei, sei § 7 Abs. 3 ErbStG nicht anwendbar. Wenn man der Klägerin folge und von einer vorliegenden Gegenleistung ausgehe, so könne diese im Rahmen der Ermittlung der Bereicherung dennoch nicht fest berücksichtigt werden, da die vermeintliche Gegenleistung nicht in Geld veranschlagt werden könne. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 14.09.2010 Bezug genommen.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Es werde daran festgehalten, dass hier eine Gegenleistung in Form der „Erreichung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft“ vorliege.
Unabhängig davon sei sie der Auffassung, dass es sich bei der Gewährung eines zinslosen Darlehens nicht bereits um eine Schenkung handele, denn die Nichterhebung von Zinsen könne keine Zuwendung aus dem Vermögen im Sinne von § 516 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellen; sie verweist dazu auf die Kommentierung bei Palandt (BGB, 70. Auflage, § 516 Rn. 5). Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise seien vermehrt Angebote in der Volkswirtschaft mit einer 0 % Finanzierung angeboten worden, sei es auf dem Automobilmarkt oder in der Unterhaltungselektronikbranche. Auch die staatlichen Finanzierungshilfen für Banken würden zu einem großen Teil mit einem zinslosen Darlehen finanziert. Es sei zu fragen, ob in diesen Vorgängen schenkungsteuerpflichtige Vorgänge zu sehen seien. Die Klägerin weist weiter darauf hin, dass das Darlehen nach § 489 Abs. 2 BGB unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten kündbar gewesen sei und man deswegen nicht von einer langjährigen Anlage ausgehen könne.
Im Übrigen sei der Zinssatz von 5,5 % an die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen. Die Klägerin vertieft ihr Vorbringen mit Schriftsatz vom 01.03.2012, dass für Zwecke der Berechnung der Schenkungsteuer der marktübliche Zinssatz anzusetzen sei. Im Durchschnitt liege der marktübliche Zinssatz im Streitfall bei 2,59 %. Nach Mitteilung der Konditionen der Bank 2 habe der Durchschnittszinssatz mit einer Laufzeit von einem Jahr für Anlagen vom 21.05.2002
bis zum 21.05.2003 3,3 %
bis zum 21.05.2004 1,82 %
bis zum 21.05.2005 1,96 %
bis zum 21.05.2006 1,86 %
bis zum 21.05.2007 2,91 %
bis zum 21.05.2008 3,6 %
insgesamt 15,54 % ./. 6 Jahre = 2,59 %
betragen. Die Klägerin legt dazu eine Aufstellung der Bank 2 vor sowie eine Aufstellung über die Ausstattung der Finanzierungsschätze des Bundes; auf Blatt 97 ff. der Gerichtsakte wird Bezug genommen.
Da das Darlehen jederzeit kündbar gewesen sei, scheide ein Zinssatz für eine mehrjährige festverzinsliche Anlage aus, denn es handele sich nicht um eine mehrjährige Anlage. Die Klägerin legt weiter ein Schreiben der Bank 2 vom 03.02.2012 vor, wonach die Bank 2 mitteilt, dass für eine Geldanlage von 500.000 Euro am 01.05.2002 für ein Festgeld von 30 Tagen ein Zinssatz von 2,6 % und für Sparkassenbriefe 6 Jahre ein Zinssatz von 4,5 % gezahlt worden wäre. Im Übrigen werde Beweis für diesen Vortrag angeboten durch die Vernehmung von Herrn I von der Bank 2.
Mit Schreiben vom 28.03.2012 ergänzt sie ihren Vortrag und legt ein Schreiben der Bank 3 vom 27.03.2012 vor, wonach die Konditionen für eine Geldanlage von 1 Mio. Euro am 01.04.2003 für Festgelder 30 Tage 2,25%, für einen Sparbrief mit der Laufzeit von einem Jahr 2,10%, mit einer Laufzeit von zwei Jahren 2,30% und bei einer Laufzeit von 4 Jahren 2,80% betragen hätten. Außerdem habe die Bank 2 mit Schreiben vom 27.03.2012 mitgeteilt, dass im Mai 2002 für eine Anlagesumme von 1 Mio. Euro bei Erwerb eines Sparkassenbriefs mit einer Laufzeit von 6 Jahren ein Festzinssatz von 4,5% bezahlt worden wäre. Der durchschnittliche Zinssatz bei einer Festgeldanlage von 1 Mio. Euro habe für den Zeitraum Mai 2002 bis Mai 2008 für 30 Tage 1,98% und für 3 Monate 2,12% betragen. Es sei damit der Nachweis erbracht, dass der marktübliche Zinssatz bei 2,12% und nicht bei 5,5% liege. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Schreiben der Klägerin vom 28.03.2012, das Schreiben der Bank 3 vom 27.03.2012 und das Schreiben der Bank 2 vom 27.03.2012 mit Anlage.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über Schenkungsteuer vom 23.03.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.09.2010 aufzuheben,
hilfsweise, die Schenkungsteuer unter Anwendung eines Zinssatzes von 2,12 % pro Jahr zu berechnen,
hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Er bezieht sich zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung und trägt weiter ergänzend vor, es liege keine konkrete Gegenleistung darin, dass der Schenker möglicherweise durch die Schenkung eine Stärkung der Beziehung zu der Beschenkten beabsichtigt habe.
Wenn man mit der Klägerin annehmen würde, dass das „Herauslösen aus der Ehe, um mit dem Schenker in Italien zu leben“ eine Gegenleistung darstelle, so wäre diese nicht in Geld zu veranschlagende Leistung gem äß § 7 Abs. 3 ErbStG bei der Berechnung der Schenkungsteuer nicht zu berücksichtigen.
Hinsichtlich des Zinssatzes sei § 15 Abs. 1 BewG anzuwenden und ein Zinssatz von 5,5 % anzunehmen. Die eingereichten Unterlagen der Banken seien nach Auffassung des Beklagten nicht geeignet, einen marktüblichen Zinssatz von unter 5,5 % nachzuweisen. Maßgebend sei der Schenkungsteuerstichtag also der Tag der Steuerentstehung, im vorliegenden Fall somit der 21.05.2002. Der durchschnittliche Zinssatz für mehrjährige festverzinsliche Anlagen habe laut der Statistik der Bundesbank zwischen 5 und 5,3 % gelegen, wie man der Veröffentlichung unter www.bundebank.de/statistik/zeitreihen entnehmen könne. Angesichts der Tatsache, dass im Streitfall ein sehr hoher Geldbetrag zur Anlage zur Verfügung gestanden habe, sei anzunehmen, dass die seinerzeit zu erzielende Rendite deutlich über diesem Zinssatz gelegen habe.
Die Sach- und Rechtslage ist mit den Beteiligten erörtert worden; wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll über den Erörterungstermin vom 26.07.2011 Bezug genommen.
Der Senat hat am 29.03.2012 mündlich verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid vom 23.03.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Der Beklagte hat zu Recht die unentgeltliche Überlassung einer Kapitalsumme auf Zeit, durch die sich der Darlehensgeber seiner Einnahmemöglichkeiten begibt, der Schenkungsteuer unterworfen.
Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Gegenstand der Zuwendung ist die dem Zuwendungsempfänger (Darlehensnehmer) gewährte Nutzungsmöglichkeit des Kapitals, deren Jahreswert gewöhnlich mit 5,5 v. H. gemäß § 12 ErbStG i. V. m. § 15 Abs. 1 BewG bzw. § 12 Abs. 3 BewG anzusetzen ist. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH. Bereits mit Urteil vom 12.07.1979 (II R 26/78) entschied der BFH, dass in der Zinslosigkeit eines von der Mutter an ihren Sohn gewährten Darlehens eine freigebige Zuwendung liegt.
Der Annahme einer Schenkung steht nicht, wie die Klägerin meint, entgegen, dass nach den Vorschriften des BGB die Verzinsung eines Darlehens nicht vorgesehen ist. Nach der Rechtsprechung des BFH qualifiziert sich das unentgeltliche Nutzungsverhältnis als Schenkung der eingebüßten Nutzungsmöglichkeit, wenn eine Einnahmemöglichkeit, die verkehrsüblicherweise regelmäßig genutzt wird, über längere Zeit eingebüßt wird, weil die Einnahmequelle einem anderen unentgeltlich überlassen wird, sodass das Darlehensverhältnis daher schenkungsrechtlich überlagert wird (vgl. BFH, Urteil vom 12.07.1979, a. a. O.). Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung bereits in früheren Entscheidungen angeschlossen und hält daran auch für den vorliegenden Fall fest.
Der BFH hat auch in seinem Urteil vom 29.06.2005 (II R 52/03, BStBl II 2005, 800) an dieser Rechtsprechung festgehalten; in diesem Fall hatten die Schwiegereltern ihrer Schwiegertochter ein unverzinsliches Darlehen gewährt. Zuletzt hat der BFH mit Beschluss vom 20.09.2010 (II B 7/10, BFH/NV 2010, 2280) entschieden, dass die in der Gewährung eines zinslosen Darlehens liegende Kapitalnutzungsmöglichkeit eine freigebige Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sein könne.
Der Senat folgt auch nicht der Auffassung der Klägerin, es liege eine Gegenleistung vor. Es mag Motiv des Darlehensgebers gewesen sein, eine eheähnliche Lebensgemeinschaft mit der Klägerin zu erreichen. Es handelt sich aber beim Eingehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht um die „Bezahlung“ von Leistungen, nämlich um die für den Geschäftsverkehr bestimmte Ebene, auf der Leistung und Gegenleistung rechtlich miteinander verknüpft werden. Die Motive des Zuwendenden sind für den Steuertatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ohne Bedeutung (BFH, Urteil vom 05.02.2003 II R 84/00, BFH/NV 2004, 340). Der Senat sieht von weiteren Ausführungen hierzu ab, da selbst wenn man der Auffassung der Klägerin folgen und eine Gegenleistung annehmen würde, diese nicht berücksichtigt werden könnte, da nach § 7 Abs. 3 ErbStG Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können, bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht berücksichtigt werden dürfen.
Nach § 13 Abs. 2 2. Alternative sind Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer vorbehaltlich von § 14 BewG mit dem 9,3fachen des Jahreswertes zu bewerten. Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Streitfall auf Grund der Kündigung des Darlehens durch den Darlehensgeber von einer Laufzeit von 6 Jahren auszugehen ist und deswegen im Streitfall § 12 Abs. 3 BewG anzuwenden ist. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG ist der Wert unverzinslicher Forderungen oder Schulden, deren Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig sind, der Betrag, der vom Nennwert nach Abzug von Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen verbleibt. Nach § 12 Abs. 3 Satz 2 BewG ist dabei von einem Zinssatz von 5,5 % auszugehen. Nach den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ist der Senat davon überzeugt, dass ein Zinssatz von 4,5 % erzielt worden wäre, da nach der Mitteilung der Bank 2 vom 27.03.2012 keine Zweifel bestehen, dass für einen Sparkassenbrief eine Anlagesumme von 1 Mio. Euro im Mai 2002 ein Festzinssatz von 4,5 % für 6 Jahre gezahlt worden wäre.
Eine Abweichung von dem gesetzlich festgelegten Zinssatz von 5,5 % sieht § 12 Abs. 3 BewG aber nicht vor. Auch wenn man den Rechtsgedanken des § 13 Abs. 3 Satz 2 BewG zu Grunde legt, kommt ein Ansatz eines anderen Zinssatzes als 5,5 % nicht in Betracht. Denn nach § 13 Abs. 3 Satz 2 BewG kann der Ansatz eines geringeren oder höheren Wertes nicht darauf gestützt werden, dass mit einem anderen Zinssatz als 5,5 % oder mit einer anderen als mittelschüssigen Zahlungsweise zu rechnen ist. Die Auffassung des Gerichts entspricht auch der Rechtsprechung des BFH, wonach der Kapitalwert wiederkehrender Leistungen von bestimmter Dauer nicht unter Zugrundelegung eines anderen als des in § 13 Abs. 1 Satz 2 BewG vorgesehenen Zinssatzes von 5,5 v. H. ermittelt werden kann (BFH, Urteil vom 27.05.1992 II R 33/89, BStBl II 1992, 990). Im Übrigen vertritt die Finanzverwaltung diesen Standpunkt auch in den Ländererlassen vom 10.10.2010 (3 S 3103/08, BStBl I 2010, 810 unter III. 1.), an die allerdings das Gericht nicht gebunden ist und der im Übrigen auch erst für die Bewertung von Kapitalforderungen und Kapitalschulden sowie von Ansprüchen/Lasten bei wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen nach dem 31.12.2009 Anwendung findet. Vgl. dazu auch Hartmann, Schenkungsteuerpflichtige Vorteile bei zinsgünstigen Darlehen, ErbStB 2012, 72 ff.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Denn tatsächlich wird ein Zinssatz von 5,5 % in den Streitjahren 2002 bis 2008 auch für eine Kapitalanlage von 1 Mio. Euro jedenfalls bei seriöser Geldanlage nicht erzielbar gewesen sein.