Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 26.02.2013 · IWW-Abrufnummer 130621

    Oberlandesgericht München: Beschluss vom 11.12.2012 – 34 Wx 433/12

    Haben sich die Ehegatten in einem notariellen Erbvertrag zu Alleinerben und die gemeinsamen Abkömmlinge zu Schlusserben eingesetzt und bestimmt, dass ein Abkömmling bei Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden auch nach dem Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten soll (Pflichtteilsstrafklausel), so ist einem Einzelkind bei der Grundbuchberichtigung nach dem letztverstorbenen Elternteil regelmäßig die Möglichkeit einzuräumen, durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung den Nachweis des Nichteintritts der auflösenden Bedingung und des Nichtvorhandenseins weiterer Abkömmlinge zu führen.


    OLG München

    11.12.2012

    34 Wx 433/12

    Tenor:

    Auf die Beschwerde der Beteiligten wird - unter Zurückweisung im übrigen - die Zwischenverfügung des Amtsgerichts München - Grundbuchamt - vom 24. September 2012 wie folgt ergänzt:

    Der Beteiligten wird gestattet, den Nachweis der Nichtgeltendmachung des Pflichtteilsanspruchs nach dem vorverstorbenen Vater auch durch Vorlage entsprechender notariell beglaubigter eidesstattlicher Versicherungen aller Kinder der Erblasserin aus der Ehe mit xxx zu führen. Der Nachweis, Abkömmling aus der Ehe der Erblasserin mit xxx zu sein, kann auch durch Vorlage von Personenstandsurkunden geführt werden. Zudem kann der Nachweis, einziges Kind aus dieser Ehe zu sein, durch eidesstattliche Versicherung erbracht werden.

    Zur Behebung des Hindernisses wird eine Frist bis 31. Januar 2013 gesetzt.
    Gründe

    I.

    Im Grundbuch ist als Eigentümerin von Grundbesitz die am 14.4.2012 verstorbene Frau Mathilde S. eingetragen. Die Beteiligte trägt vor, die einzige Tochter der eingetragenen Erblasserin zu sein. Diese hatte im Jahr 1964 mit dem vorverstorbenen Ehegatten einen Erbvertrag errichtet, wonach Erben des Zuletztversterbenden die Abkömmlinge aus der Ehe sein sollten. Wenn ein Abkömmling beim Tod des Zuerstversterbenden seinen Pflichtteil verlange, so solle er auch beim Tod des Zuletztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten.

    Die Beteiligte erklärte unter dem 29.8.2012 gegenüber dem Nachlassgericht, die Erbschaft anzunehmen und einen Antrag auf Grundbuchberichtigung zu stellen. Zudem gab sie an, dass ein Pflichtteil nach dem Tod des Vaters nicht geltend gemacht worden sei. Das Nachlassgericht leitete die Nachlassakte dem Grundbuchamt zur Grundbuchberichtigung zu. Dieses hat am 24.9.2012 eine Zwischenverfügung erlassen und unter Fristsetzung die Vorlage eines Erbscheins verlangt, da die Nichtgeltendmachung des Pflichtteils nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden könne.

    Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 24.10.2012, mit der geltend gemacht wird, dass die Vorlage eines Erbscheins unverhältnismäßig erscheine und die Beteiligte statt dessen bereit sei, den Sachverhalt im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung zu bestätigen. Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

    II.

    Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes ist statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG mit § 71 Abs. 1 GBO) und in zulässiger Weise eingelegt. Die Einlegung durch einen nicht vertretungsberechtigten Bevollmächtigten (vgl. Beschluss vom selben Tag) führt nicht dazu, dass das Rechtsmittel selbst unzulässig wäre. Auch bei Zurückweisung des Vertreters bleiben die bis dahin vorgenommenen Verfahrenshandlungen wirksam, § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FamFG.

    Nach dem Beschwerdevorbringen, in dem ausdrücklich die Beibringung einer eidesstattlichen Versicherung angeboten wird, wendet sich die Beteiligte gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts nur insoweit, als mit ihr allein ein Erbschein zur Beseitigung des aufgezeigten Hindernisses zugelassen ist.

    Die Beschwerde hat in der Sache im wesentlichen Erfolg.

    1. Die Beteiligte beantragte die Berichtigung des Grundbuchs nach Erbfolge, §§ 13, 22 GBO. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ist der Nachweis der Erbfolge dem Grundbuchamt gegenüber durch einen Erbschein zu führen (vgl. auch BGH NJW 1982, 2499 [BGH 26.05.1982 - V ZB 8/81]). Allerdings kann nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO auch die Vorlage einer in einer öffentlichen Urkunde enthaltenen Verfügung von Todes wegen _ wie etwa des notariellen Erbvertrags - mit der Niederschrift über deren Eröffnung (Demharter GBO 28. Aufl. § 35 Rn. 31 ff.) oder ersatzweise die Verweisung auf die die entsprechenden Urschriften enthaltenen Nachlassakten desselben Amtsgerichts genügen (OLG Köln ZEV 2010, 97 [OLG Köln 14.12.2009 - 2 Wx 59/09]).

    Aufgrund der in dem Erbvertrag enthaltenen Anordnung, dass jedes Kind auch aus dem Nachlass des zuletzt Versterbenden nur den Pflichtteil erhalten solle, wenn es aus dem Nachlass des zuerst Versterbenden seinen Pflichtteil verlangt, steht die Erbeinsetzung unter der (auflösenden) Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB), dass die Beteiligte nach dem Tod ihres Vaters keine Pflichtteilsansprüche gegen ihre Mutter geltend gemacht hat. Denn die getroffene Anordnung ist als "Strafklausel" dahin auszulegen, dass das sanktionierte Verhalten beim Tod des Erstversterbenden den Verlust des Erbrechts beim Tod des Überlebenden bewirkt. Der Abkömmling ist Schlusserbe nur unter der Bedingung, dass er das sanktionierte Verhalten unterlassen hat, wobei die Strafklausel in der Regel unter § 2075 BGB fällt (Palandt/Weidlich BGB 71. Aufl. § 2269 Rn. 13, § 2075 Rn. 6). Damit ist die Tatsache des Nichtverlangens des Pflichtteils nach dem Erstverstorbenen Wirksamkeitsvoraussetzung für die Erbeinsetzung und damit für die Grundbuchberichtigung.

    2. Dies ist dem Grundbuchamt gegenüber nachzuweisen. Das Landgericht Stuttgart (BWNotZ 1988, 163) sowie Meyer-Stolte (Rpfleger 1992, 195/196) sind zwar der Ansicht, die Vorlage der letztwilligen Verfügung mit Verwirkungsklausel selbst reiche schon zum Nachweis aus, wenn der Nichteintritt der Bedingung, nämlich die Geltendmachung des Pflichtteils, offenkundig im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO sei. Dem folgt der Senat mit der herrschende Meinung jedoch nicht, da das Fehlen einer Handlung als Wirksamkeitsvoraussetzung nicht offenkundig sein kann. Es gibt schließlich keinen Erfahrungssatz, wonach Kinder in Fällen der vorliegenden Art den Pflichtteil nach dem erstverstorbenen Elternteil nicht verlangen (OLG Hamm ZEV 2011, 592/593 [OLG Hamm 08.02.2011 - 15 W 27/11] m.w.N.).

    a) In Literatur und Rechtsprechung ist jedoch umstritten, ob auch eine in öffentlicher Urkunde abgegebene eidesstattliche Versicherung als Beweismittel für die unterbliebene Geltendmachung des Pflichtteils im Grundbuchverfahren Verwendung finden kann (so OLG Köln ZEV 2010, 97 [OLG Köln 14.12.2009 - 2 Wx 59/09]; OLG Hamm ZEV 2011, 592; Völzmann RNotZ 2012, 380/384; DNotI-Report 2002, 129/130; Schöner/Stöber GBO 15. Aufl. Rn. 790; Meikel/Hertel GBO 10. Aufl. § 29 Rn. 449; Hügel/Wilsch GBO 2. Aufl. § 35 Rn. 119; Bestelmeyer Rpfleger 2012, 666/677 bei Rn. 179) oder immer ein Erbschein zu verlangen ist (so Böhringer ZEV 2001, 387/388; Schaub in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 35 Rn. 135; Meikel/Roth § 35 Rn. 119; Demharter § 35 Rn. 39: "grundsätzlich"). Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte zunächst die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung nicht zwingend ausgeschlossen (NJW-RR 1994, 203 [OLG Frankfurt am Main 18.11.1993 - 20 W 158/93]), hält dies aber in seiner Entscheidung vom 20.10.2011 aufgrund der unzweifelhaft bestehenden Interessenlage der Beteiligten und dem damit verbundenen verminderten Beweiswert nicht für ausreichend, sondern verlangt durchwegs einen Erbschein (OLG Frankfurt FamRZ 2012, 1591).

    b) Der Senat schließt sich der ersten Auffassung an, die eine Nachweisführung aufgrund einer eidesstattlichen Versicherung nicht ausschließt.

    (1) Hinsichtlich des Umstands, dass ein Recht nicht ausgeübt wurde - einer sogenannten Negativtatsache -, besteht in Grundbuchverfahren zwangsläufig eine Nachweislücke. Nach herrschender Meinung kann in Fällen, in denen das Nachlassgericht ohne weitere Ermittlungen eine eidesstattliche Versicherung gemäß § 2356 Abs. 2 BGB der Erbscheinserteilung zugrunde legen würde (BayObLG NJW-RR 2003, 736 [BayObLG 24.02.2003 - 2 Z BR 137/02]; Böhringer Rpfleger 2003, 157/167), auch das Grundbuchamt eine vor dem Notar abgegebene eidesstattliche Versicherung verlangen und verwerten. Das gilt namentlich für den Nachweis des Nichtvorliegens bestimmter Tatsachen. So hat der Senat beispielsweise eine eidestattliche Versicherung für ausreichend erachtet, wenn es um die Frage geht, ob ein Rücktritt nicht erklärt worden ist (Senat vom 3.11.2011, 34 Wx 272/11 = FamRZ 2012, 1007; vgl. auch Bestelmeyer Rpfleger 2012, 666/677 bei Rn. 180).

    (2) Auch im Fall einer Pflichtteilsstrafklausel scheidet die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung als Nachweis nicht schon von vorneherein aus. Es trifft zwar zu, dass einer eidesstattlichen Versicherung nach der Interessenlage der Beteiligten - zumal bei der Versicherung des einzigen Erbprätendenten (siehe DNotI-Report 2002, 129/130) -ein verminderter Beweiswert zukommen kann. Dies lässt sich in dieser Allgemeinheit aber nicht schon vorab, also vor deren Abgabe und Vorlage, beurteilen. Vielmehr kommt es - wie immer bei einer Beweiswürdigung - auf die Umstände des Einzelfalles an, die nicht vorweggenommen gewürdigt werden können; denn bloß abstrakte Möglichkeiten, die das Erbrecht in Frage stellen könnten, vermögen das Verlangen nach Vorlage eines Erbscheins nicht zu rechtfertigen (OLG Frankfurt FamRZ 2012, 1591/1594; Demharter § 35 Rn. 39).

    (3) Es kann daher zum Nachweis der Erbfolge genügen, wenn alle Erbprätendenten, hier also sämtliche Kinder aus der Ehe der Erblasserin, eidesstattliche Versicherungen dahin abgeben, aus denen der Schluss zu ziehen ist, dass die Beteiligte zu 1 Alleinerbin der Erblasserin ist.

    3. Aufgrund des Unterschiedes zwischen dem Geburtsnamen der Beteiligten und dem Familiennamen der Erblasserin ist zudem der Nachweis erforderlich, dass die Erklärende aus der Ehe der Erblasserin mit Karl S. stammt. Ein zu den Grundakten gebrachter Vermerk der Rechtspflegerin, sich an eine Umbenennung in Folge Adoption des Vaters der Beteiligten zu erinnern, genügt als Nachweis nicht. Dieser Nachweis kann aber außer durch Erbschein auch durch Vorlage von Abstammungsurkunden (etwa von beglaubigten Abschriften aus dem Familienstammbuch bzw. Personenstandsregister) erbacht werden (Schöner/Stöber Rn. 790).

    4. Dass die Beteiligte das einzige eheliche Kind und damit Alleinerbin ist, bedarf - wenn kein Erbschein vorgelegt wird - ebenfalls des Nachweises gegenüber dem Grundbuchamt (BayObLGZ 2000, 167/170). Ein solcher Nachweis kann allerdings nicht durch Abschriften aus Familienbüchern oder Personenstandsregistern erbracht werden (OLG Frankfurt OLGZ 1981, 30/31; ebenso OLG Hamm FGPrax 1997, 48/49). Der Nachweis der (negativen) Tatsache des Nichtvorhandenseins weiterer Kinder kann jedoch ebenfalls nicht nur durch Vorlage eines Erbscheins, sondern gegebenenfalls auch durch eidesstattliche Versicherung geführt werden (OLG Hamm a.a.O..).

    5. Die Beweisführung durch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung und durch Abstammungsnachweise muss nicht zwingend erfolgreich sein. Sollte sich nämlich herausstellen, dass die Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung insgesamt oder teilweise fraglich erscheint, gelten die allgemeinen Grundsätze, nach denen das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins stets verlangen kann, sofern Zweifel hinsichtlich der Erbfolge verbleiben, die sich nur durch weitere Ermittlungen tatsächlicher Art klären lassen (OLG Hamm ZEV 2011, 592/594 [OLG Hamm 08.02.2011 - 15 W 27/11]).

    6. Der Senat hat die Frist zur Vorlage der Unterlagen bis 31.1.2013 bestimmt. Dem Grundbuchamt bleibt es überlassen, erforderlichenfalls die Frist in eigener Zuständigkeit zu verlängern.

    III.

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Da die Zwischenverfügung über den Antrag der Beschwerde hinaus nur um die Vorlage von Abstammungsurkunden erweitert wurde, ist die Beschwerde zum weit überwiegenden Teil begründet. Es kann daher bei dem Grundsatz des § 131 Abs. 3 KostO verbleiben, wonach das erfolgreiche Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist.

    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.

    RechtsgebieteBGB, GBOVorschriften§ 2075 BGB § 35 Abs. 1 GBO