19.07.2013 · IWW-Abrufnummer 132285
Finanzgericht Münster: Beschluss vom 25.04.2013 – 3 Wx 219/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, über den Antrag der Beteiligten unter Berücksichtigung der Gründe dieses Beschlusses neu zu entscheiden.
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G r ü n d e :
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I.
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Die Beteiligte ist die Witwe des – am 26.02.2012 verstorbenen - eingetragenen Eigentümers.
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Die Eheleute hatten am 02.08.2011- knapp ein halbes Jahr vor dem Tod des Erblassers - einen notariellen Erbvertrag - Urk.Nr. 727/2011 Notar Dr. R. - geschlossen, durch den sie sich gegenseitig zu Erben einsetzten, wobei sie sich das Recht eines jederzeitigen Rücktritts vorbehielten.
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Am 09.05.2012 hat die Beteiligte unter Bezugnahme auf den vorgenannten Erbvertrag die Grundbuchberichtigung beantragt.
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Durch Zwischenverfügung vom 11.09.2012 hat das Grundbuchamt unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG München vom 03.11.2011 – 34 Wx 272/11 = RNotZ 2012, 128 f. – das Fehlen einer eidesstattlichen Versicherung, dass kein Rücktritt vom Erbvertrag erfolgt sei, beanstandet.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten vom 17.09.2012. Sie macht geltend, die vom OLG München vertretene Ansicht sei falsch. Die vermeintliche Nachweislücke sei keine Besonderheit des Erbvertrages mit einem unbeschränkten Rücktrittsrecht. Dies führe lediglich dazu, dass der Erbvertrag dieselben Bindungswirkungen habe wie ein gemeinschaftliches Testament. Dieses k önne ebenso wie jede letztwillige Verfügung widerrufen werden. Unter Anwendung der vom OLG München vertretenen Ansicht bliebe für § 35 GBO kein Anwendungsbereich mehr übrig. Hinzu komme, dass der Widerruf eines Erbvertrages der notariellen Beurkundung bedürfe und gemäß § 34 a BeurkG dem Zentralen Testamentsregister mitzuteilen sei.
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Das Amtsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 26.09.2012 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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II.
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Die gemäß §§ 71 Abs. 1, 72, 73 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
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1.
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Das Amtsgericht hat die Grundbuchberichtigung zu Unrecht von der Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Inhalts, dass ein Rücktritt vom Erbvertrag nicht erfolgt sei, abhängig gemacht.
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Nach § 35 Abs. 1 GBO kann der Nachweis der Erbfolge nur durch einen Erbschein geführt werden. Beruht aber die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, wie hier in einem Erbvertrag (vgl. § 2276 Abs. 1 Satz 1 BGB), so genügt es, wenn an Stelle des Erbscheins die Verfügung von Todes wegen und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GBO). Das Grundbuchamt kann jedoch die Vorlegung des Erbscheins verlangen, wenn die Erbfolge durch diese Urkunden nicht als nachgewiesen erachtet wird (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GBO).
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Dem Grundbuchamt obliegt es, die in der öffentlichen Urkunde enthaltene Verfügung von Todes wegen sowohl nach ihrer äußeren Form als auch nach ihrem Inhalt zu prüfen (herrschende Meinung, siehe Senat, I – 3 Wx 113/12, FamRZ 13, 75 f., vgl. auch OLG München, 34 Wx 501/11 = NotBZ 2012, 179 und 34 Wx 316/11 bei juris). Es steht auch nicht in dessen Belieben, ob es einen Erbschein verlangen will oder ihm die in § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO genannten Beweismittel genügen. Vielmehr hat das Grundbuchamt selbstständig zur Frage der Erbfolge Stellung zu nehmen, gegebenenfalls auch den Willen des Erblassers durch Auslegung zu ermitteln und Zweifel durch Anwendung des Gesetzes auf die letztwillige Verfügung zu lösen (Senat, a.a.O.).
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Die inhaltliche Überprüfung der letztwilligen Verfügung muss zu einem eindeutigen Ergebnis führen. Nicht nachgewiesen ist die Erbfolge, wenn tatsächliche Ermittlungen über Umstände, die sich außerhalb dieser oder anderer öffentlicher Urkunden befinden, angestellt werden müssen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GBO; vgl. Demharter GBO § 35 Rn. 39 und 40; Hügel/Wilsch GBO 2. Aufl. § 35 Rn. 104). Das Grundbuchamt darf die Eintragung nur versagen, wenn sich nach erschöpfender rechtlicher Würdigung konkrete Zweifel ergeben. Abstrakte Zweifel oder bloße Vermutungen genügen nicht (Meikel/Roth GBO 10. Aufl. § 35 Rn. 125).
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Die vom Grundbuchamt geäußerten Zweifel an der nachgewiesenen Erbfolge bestehen nicht.
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Soweit das OLG München in der vom Grundbuchamt angeführten Entscheidung (vgl. OLG München 34 Wx 272/11; so auch Wilsch im Beck’schen Online Kommentar, GBO, § 35, Rdnr. 112; Völzmann, RNotZ 2012, 380, 385 und wohl auch Litzenburger, Beck’scher Online-Kommentar, BGB, § 2232, Rdnr. 21 und in FD – ErbR 2012, 334607; a.A. OLG München, 34 Wx 15/12, DNotZ 2013, 211 f. für das Vorliegen eines etwaigen gesetzlichen Rücktrittsrechts wegen Nichterfüllung von Leistungsverpflichtungen des Bedachten, allerdings ohne klare Abgrenzung zu seiner Entscheidung 34 Wx 272/11) die Auffassung vertreten hat, ein Rücktrittsvorbehalt in einem Erbvertrag führe zu einer Lücke im Nachweis der Erbfolge, nämlich bezogen auf die Negativtatsache, dass das Recht nicht ausgeübt worden sei, folgt der Senat dem nicht (kritisch auch Braun, MittBayNot 2012, S. 294 m.w.N. und 2013, S. 48; Tönnies, RNotZ 2012, 326; Lehmann/Schulz, ZEV 2011, 538, 539).
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§ 35 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 GBO erlaubt es, eine Erbfolge, die in einer öffentlichen Urkunde angeordnet ist, regelmäßig durch Vorlage der entsprechenden Verfügung und der Niederschrift über deren Eröffnung nachzuweisen. Weitere Nachweise sieht diese Vorschrift nicht vor, obwohl bei der letztwilligen Verfügung die Möglichkeit besteht, dass diese nicht – mehr – gültig ist, sei es wegen der Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments, eines Erbvertrages oder wegen späterer Änderung oder Aufhebung (vgl. Braun, MittBayNot 2012, S. 294 m.w.N. und 2013, S. 48; Tönnies, RNotZ 2012, 326; insbesondere auch Lehmann/Schulz, ZEV 2011, 538, 539). Folgerichtig hat das Grundbuchamt im Regelfall die Wirksamkeit und damit auch die Negativtatsache der Nichtaufhebung zu unterstellen. Nichts anderes kann im Ergebnis für einen Erbvertrag mit Rücktrittsvorbehalt gelten. Denn auch ein solcher Vertrag kann anders als durch Rücktritt – z.B. durch einvernehmliche Aufhebung – seine Gültigkeit verlieren.
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Der Regelung des § 35 GBO liegt offenbar die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass bei Fehlen berechtigter Zweifel zunächst einmal davon auszugehen ist, dass alle diejenigen Verfügungen und sonstigen Urkunden, die für die Erbfolge von Bedeutung sind, auch tatsächlich vom zuständigen Gericht eröffnet worden sind, unabhängig davon, ob es sich um öffentlich beglaubigte oder sonstige Verfügungen von Todes wegen, R ücktrittserklärungen etc. handelt (Tönnies, a.a.O.).
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Will man den vom Gesetzgeber in § 35 GBO unternommenen Versuch einer Nachweiserleichterung nicht leerlaufen lassen, muss man folgerichtig beim Fehlen besonderer Anhaltspunkte von dem Funktionieren des gesetzlich vorgesehenen Eröffnungssystem ausgehen (Tönnies, a.a.O. unter Hinweis auf die vom OLG München ausdrücklich abgelehnte Entscheidung des LG Kleve vom 04.09.1989, MittRhNotK 1989, 273 f.).
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Dies gilt auch im Falle der Negativtatsache der Nichtausübung eines im Erbvertrag vorgesehenen Rücktrittsrechts, zumal der Rücktritt einer notariellen Beurkundung bedarf und dieser auf Grund der in § 34 a BeurkG normierten Mitteilungspflicht dem Zentralen Testamentsregister mitzuteilen wäre.
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Die Zwischenverfügung war daher aufzuheben.
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2.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
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3.
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Es besteht auch kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.