26.08.2013 · IWW-Abrufnummer 132715
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 16.05.2013 – 4 K 2215/11
1. Prozesszinsen, die der Erbe an den Pflichtteilsberechtigten zahlen muss, zählen zu den abzugsfähigen gerichtlichen Nachlassregulierungskosten.
2. Soweit der Erbe mit dem Vermächtnisnehmer einen gerichtlichen Vergleich über das Vermächtnis abschließt und dieser Vergleich einen erbrechtlichen Rechtsgrund hat, ist nur die Vergleichssumme als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.
3. Pflichtteilsansprüche können nur in der Höhe als Nachlassverbindlichkeiten ber ücksichtigt werden, in der sie vom Pflichtteilsberechtigten (vergleichsweise) tatsächlich geltend gemacht wurden.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz v. 16.05.2013
4 K 2215 / 11
Tatbestand
Strittig geblieben ist, in welcher Höhe Prozesszinsen und Verbindlichkeiten aus einer Vermächtnisanordnung als Nachlassverbindlichkeiten anzuerkennen sind.
Die am 24. Mai 2000 verstorbene Erblasserin I. D. wurde laut Erbschein des Amtsgerichts K (Blatt 14 ErbSt-A Bd. I) aufgrund privatschriftlichen Testamentes vom 25. März 2000 (Blatt 16 ErbSt-A Bd. I) vom Kläger allein beerbt.
Zum Nachlass der Erblasserin gehörte auch der Hälfteanteil am Wohnungs- und Teileigentum Nr. 3, D-Straße Hausnummer in M. Die andere Hälfte der ETW stand im Eigentum des am 5. September 1998 vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin, Dr. F. D., welcher von der Erblasserin aufgrund gemeinschaftlichen Testaments vom 22. November 1993 (Blatt 39-50 ErbSt-A Bd. I) als unbeschränkte Vorerbin beerbt wurde. Als Nacherben waren der eheliche Sohn der Erblasserin Prof. Dr. D. sowie die Enkelkinder H. und U. B. (die Kinder des vorverstorbenen und ebenfalls ehelichen Sohnes der Erblasserin Dr. A. D.) bestimmt worden.
In Bezug auf die ETW in M traf die Erblasserin folgende testamentarische Verfügung:
„Meine Nichte U. S. soll meine Wohnung in M erhalten r” (Zitat).
Den Bedarfswert des Hälfteanteils der Erblasserin stellte das Finanzamt M im Bescheid vom 7. Dezember 2005 auf einen Betrag in Höhe von 76.000 € (= 152.000 DM) fest (Blatt 194 ErbSt-A Bd. II).
Die von der Vermächtnisnehmerin vor dem Landgericht F unter dem Aktenzeichen Kammer O .../07 gegen den Kläger geführte Klage auf Vermächtniserfüllung wurde durch schriftliche Vereinbarung vom 20. Juni 2007 dadurch beigelegt, dass sich der Kläger zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 40.000 € und die Vermächtnisnehmerin im Gegenzug zur Rücknahme der Klage verpflichtete (Blatt 503 ErbSt-A Bd. III). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die schriftliche Vereinbarung vom 20. Juni 2007 Bezug genommen.
Mit Teil-Urteil des Oberlandesgerichts vom 16. Juli 2002 wurde der Kläger dazu verurteilt, an Prof. Dr. D. einen Pflichtteilsbetrag in Höhe von 383.468,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 28. November 2000 zu zahlen (Blatt 232 ErbSt-A). Diesem Urteil kam der Kläger nach und überwies an den Pflichtteilsberechtigten am 3. September 2002 einen Gesamtbetrag in Höhe von 440.352,90 € (Blatt 242 ErbSt-A); davon entfiel ein Betrag in Höhe von 56.883,99 € (= 111.255,41 DM) auf die angefallenen Prozesszinsen (Blatt 225 und 310 ErbSt-A). Nach weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen zahlte der Kläger an Prof. Dr. D. auf dessen Pflichtteilsanspruch weitere 464.294 € zuzüglich weiterer Zinsen in Höhe von 384 € (Blatt 653 und 714 ErbSt-A Bd. IV); die Pflichtteilszahlungen summierten sich somit auf insgesamt rund 1.658.080 DM und die Zinszahlungen auf insgesamt rund 112.003 DM.
Gegen die durch Bescheid vom 17. November 2005 festgesetzte Erbschaftsteuer (Blatt 539/540 ErbStG Bd. III) legte der Kläger am 7. Dezember 2005 Einspruch ein (Blatt 564/565 ErbSt-A). Während des Einspruchsverfahrens reichte der Kläger am 16. Februar 2009 eine berichtigte Steuererklärung ein (Blatt 589-615 ErbSt-A Bd. IV). Im nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid vom 6. August 2009 (Blatt 628/629 ErbSt-A Bd. IV) reduzierte der Beklagte die Erbschaftsteuer auf einen Betrag in Höhe von 313.202,07 €. Bei der Festsetzung wich der Beklagte von den Erklärungsangaben in der korrigierten Steuererklärung vom 16. Februar 2009 teilweise ab.
Nachdem der Beklagte am 2. Juni 2010 davon Kenntnis erlangte, dass der Kläger im Schreiben vom 12. Februar 2010 (Blatt 559/560 ErbSt-A Bd. III) unter Erhebung der Einrede der Verjährung es ablehnte, den Herren B. auf ihre Pflichtteilsansprüche über die bisherige Zahlung von insgesamt 750.000 DM (Blatt 559 Rücks. ErbSt-A Bd. III) hinaus weitere Zahlungen in Höhe des Restbetrages zu leisten, den Herr Prof. Dr. D. insgesamt erhielt (= 1.658.080 DM), berücksichtigte er die Pflichtteilsschuld gegenüber den Herren B. im Bescheid vom 24. August 2011 (Blatt 707/708 ErbSt-A Bd. IV) nicht mehr mit einem Betrag in Höhe von 1.658.080 DM, sondern nur noch in Höhe des Zahlbetrages von 750.000 DM. Weiterhin erkannte er die als Nachlassverbindlichkeiten geltend gemachten Prozesszinsen in Höhe von 56.883,99 € (= 111.255,41 DM) überhaupt nicht an. Außerdem setzte er die Vermächtnisschuld mit 78.233 DM, also mit dem in DM umgerechneten Vergleichsbetrag von 40.000 € und den korrespondierenden Grundbesitz mit dem festgestellten Grundbesitzwert in Höhe von 76.000 DM an (Blatt 704 ErbSt-A Bd. IV). Dadurch erhöhte sich die festzusetzende Erbschaftsteuer auf einen Betrag in Höhe von 471.950,53 €. Der Erbschaftsteuerbescheid vom 24. August 2011 erging hinsichtlich der Pflichtteilsansprüche und der Vor- und Nacherbschaft nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig.
Hinsichtlich der vorgenannten Änderungen wies der Beklagte den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 1. September 2011 (Blatt 711-720 ErbSt-A Bd. IV) aus folgenden Gründen zurück: Auch, wenn das verfügte Vermächtnis teilweise als Verschaffungsvermächtnis anzusehen wäre, käme kein höherer Abzugsbetrag als 40.000 € in Betracht. Die Belastung aus einer derartigen Vermächtnisverbindlichkeit sei beim Erben nur in der Höhe abziehbar, in der ihm Aufwendungen zur Erfüllung des Vermächtnisses erwachsen seien (mit Hinweis auf Moench/Weinmann, ErbStG, Rz 64 a zu § 10). Die Vermächtnisschuld des Erben bemesse sich somit nach dem Umfang der Geldmittel, die der Erbe zur Erfüllung des Vermächtnisses einsetzen müsse (mit Hinweis auf Meincke, ErbStG, Rz 42 zu § 3). Im vorliegenden Fall habe der Kläger 40.000 € zur Erfüllung des Vermächtnisses eingesetzt. Die Belastung des Klägers aus dem verfügten Vermächtnis sei daher in dieser Höhe zu bewerten und anzusetzen. Die im Zusammenhang mit der Tilgung der Pflichtteilsverbindlichkeiten gezahlten Prozesszinsen k önnten nicht als Nachlass- oder Erwerbskosten abgezogen werden. Zu den abzugsfähigen Kosten würden zwar auch Prozesskosten gehören, die einem Erben entstünden, um den Erwerb an sich zu ziehen und zu sichern (mit Hinweis auf Meincke, a. a. O., Rz 48 zu § 10). An einen Pflichtteilsberechtigten zu zahlende Zinsen seien demgegenüber aber keine Kosten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG, da sie ein Entgelt für den entgangenen Zinsvorteil des Pflichtteilsberechtigten für die Zeit darstellen würden, bis ihm das erstrittene Vermögen zugänglich gemacht worden sei. Vor der Auszahlung an den Pflichtteilsberechtigten hätte der Erbe diesen Zinsvorteil inne und sei damit in Höhe der Zinsen für den herauszugebenden Betrag ungerechtfertigt bereichert. Die Zahlung an den Pflichtteilsberechtigten gleiche lediglich diese Bereicherung aus. Soweit der Erbe Zinsen an den Pflichtteilsberechtigten leisten müsse, stünden diese Zahlungen nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs, sondern unmittelbar im Zusammenhang mit der Nichterlangung des Erwerbs. Da der Kläger sich gegenüber den Herren B. auf die Einrede der Verjährung berufen habe, seien die weitergehenden Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten nicht wirksam geltend gemacht worden bzw. als geltend gemachte Ansprüche wertlos (mit Hinweis auf Meincke, a. a. O., Rz 33 zu § 9) und könnten deshalb nicht als Pflichtteilslast berücksichtigt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 1. September 2011 verwiesen.
Hiergegen richtet sich die am 30. September 2011 erhobene Klage.
Im Verlauf des Klageverfahrens hat der Beklagte unter dem Datum vom 23. Februar 2012 erneut einen Änderungsbescheid erlassen und darin dem Begehren des Klägers insoweit teilweise entsprochen, als er die Pflichtteilsschuld gegenüber den Herrn B. antragsgemäß mit einem Betrag in Höhe von 1.658.080 DM anerkannte (Blatt 82/83 PA), nachdem der Kläger mit Schreiben vom 9. Dezember 2011 das Anwaltsschreiben vom 11 . September 2000 (Blatt 63/64 PA) vorgelegt hatte, aus dem die Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche der Herren B. hervorgeht; dadurch ermäßigte sich die festzusetzende Erbschaftsteuer auf einen Betrag in Höhe von 309.444,07 €. Mit weiterem Bescheid vom 18. Juni 2012 (Blatt 128-130 PA) erklärte der Beklagte den Erbschaftsteuerbescheid hinsichtlich der Ungewissheit des Umfangs der Vor- und Nacherbschaft nach Herrn Dr. F. D. gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO für vorläufig.
Zur Begr ündung der verbliebenen Streitpunkte hat der Kläger im Kern vorgetragen:
Es könne nicht ernsthaft bestritten werden, dass eine exakte während des Streits um die Höhe eines Pflichtteils entstandene Prozesszinsenbelastung abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten im Sinne der nicht abschließenden Aufzählung des § 10 Abs. 5 ErbStG sei. Prozesszinsen entstünden gemäß § 288 BGB zwangsläufig, wenn in einem Verfahren über die Höhe einer Forderung gestritten werde, ohne dass dem Schuldner der Beweis eines geringeren Schadens offen stünde. Soweit der Beklagte meine, der Zins sei ein Entgelt für überlassenes Kapital, bringe diese Argumentation nichts für die Rechtfertigung der Auffassung des Beklagten. Alle Kosten seien letztlich Aufwendungen für irgend eine (Gegen-)Leistung oder den rechtswidrigen Eingriff in Rechte Dritter, dennoch ließe das Gesetz in § 10 Abs. 5 ErbStG bestimmte Kosten zum Abzug zu. Die Frage, ob und von wem eine Gegenleistung für diese Kosten erbracht worden seien, sei als Abgrenzungsmethode untauglich. Darüber hinaus sei § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG auch nicht zu entnehmen, dass Kosten, denen eine (Gegen-)Leistung zu Grunde liege, nicht als Nachlassverbindlichkeiten vom Erwerb des Erben abgesetzt werden könnten. Auch liege eine ungerechtfertigte Bereicherung nicht vor. Der Kläger sei kraft Testament Erwerber der Erblasserin geworden. Er habe nichts ohne Rechtsgrund erlangt, was eine ungerechtfertigte Bereicherung ausweislich der §§ 812 ff BGB aber voraussetze. Der Kläger sei schlicht und einfach durch gesetzliche Anordnung zur Tragung von Prozesszinsen verurteilt worden. Unstrittig würden nach höchstrichterlicher Rechtsprechung Prozesskosten eines Pflichtteilsverfahrens, also Kosten für Rechtsanwälte, Gerichtskosten und die im Lauf eines Verfahrens weiter entstehenden Aufwendungen für Zeugen und Sachverständige, als unmittelbar mit der Abwicklung bzw. Regelung und Verteilung des Nachlasses anfallende Kosten behandelt. Weshalb Prozesskosten Kosten im Sinne von § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG seien, aber zwangsläufig entstandene Prozesszinsen eines derartigen Verfahrens keine Kosten im Sinne von § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG sein sollen, erschließe sich nicht, zumal die Zinsen unmittelbare gesetzliche Folge eines Streits um die Höhe des Pflichtteils seien. Soweit ersichtlich, sei die Frage der Berücksichtigung von Prozesszinsen als Nachlassverbindlichkeiten nicht entschieden. Sollte das Gericht der Auffassung sein, zwangsläufig entstandene Prozesszinsen im Rahmen von § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG seien nicht abzugsfähig, halte der Kläger dies für einen Verstoß gegen Art. 3 und Art. 14 GG, so dass im Wege verfassungskonformer Auslegung vorzugehen wäre. Art. 3 GG schreibe letztlich vor, Gleichartiges auch gleichartig zu behandeln. Der Ordnung halber sei darauf hinzuweisen, dass die Festsetzung des Beklagten bei den Nachlassverbindlichkeiten auch widersprüchlich erscheine. Ein Teilbetrag der geltend gemachten Zinsen in Höhe von 384 € seien Zinsen aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss, mit dem das Landgericht Kaiserslautern die erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits Prof. D. als Kläger gegen den hiesigen Kläger als Beklagten festgesetzt habe. Der Kläger vermöge nicht nachzuvollziehen, weshalb der Beklagte zu Recht die Prozesskosten als Nachlassverbindlichkeiten abgesetzt habe, die gesetzlich ohne Rücksicht auf irgend einen Verzug angeordneten Zinsen für die Prozesskosten hingegen nicht.
Ebenso trage die Begründung des Beklagten die Festsetzung nicht, nur den Betrag von 40.000 € als Nachlassverbindlichkeit aus dem Vermächtnis abzusetzen. Die testamentarische Bestimmung, dass der Kläger als Erbe verpflichtet gewesen sei, die Sache „Eigentumswohnung M” Frau S. zu verschaffen, sei ein Verschaffungsvermächtnis, da eine Sache, die teils in der Erbmasse und – wegen des Eintritts der Nacherbschaft im Moment des Todes der Erblasserin – teils nicht in der Erbmasse enthalten gewesen sei, einem Dritten habe verschafft werden sollen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - sei der steuerliche Erwerb eines Vermächtnisses gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ErbStG bereits mit dem Anfall des Vermächtnisses und nicht etwa erst mit der Annahme des Vermächtnisses vollendet, da das Vermächtnis gemäß § 2176 BGB mit dem Tod des Erblassers anfalle (mit Hinweis auf Fischer in Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG, Bd. 305 zu § 3). Hieraus folge, dass nach einer Vollendung des steuerlichen Erwerbs auch nachträgliche Vereinbarungen zwischen dem Kläger als Erben und Frau S. als Vermächtnisgläubigerin – erst recht sechs Jahre und gut zwei Monate nach dem Anfall des Vermächtnisses – erbschaftsteuerlich irrelevant seien. Unabhängig davon habe Frau S. das Vermächtnis aber auch angenommen und Erfüllung durch Übergabe der Eigentumswohnung verlangt, wie dem als Anlage K4 beigefügtem Anwaltsschreiben vom 2. November 2006 (Blatt 71 PA) entnommen werden könne. Die Bewertung der Vermächtnisschuld erfolge beim Verschaffungsvermächtnis mit dem gemeinen Wert der Sache (mit Hinweis auf Jüptner in Fischer/Jüptner/Pahlke, a. a. O., Rz 176 zu § 10). Der gemeine Wert der Eigentumswohnung in M nebst Keller und Tiefgaragenplatz habe zum Stichtag des Todes der Erblasserin am 24. Mai 2000 mindestens 140.000 € betragen, nachdem die Wohnung im Januar 2007 für 150.000 € verkauft worden sei, was durch ein Sachverständigengutachten bewiesen werden könnte. Die Bewertung der Vermächtnisschuld erfolge korrespondierend in gleicher Weise wie der gegenüberstehende Vermächtnisanspruch, da ein auf denselben Gegenstand gerichteter Anspruch nicht anders bewertet werden könne als die gegenüberstehende Verpflichtung (mit Hinweis auf BFH-Urteil vom 28. März 2007 II R 25/05, BFH/NV 3007 Seite 1421), so dass gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG auch 140.000 € als Nachlassverbindlichkeiten vom Erwerb des Klägers abzusetzen seien. Soweit der Beklagte meine, es käme wegen der tatsächlichen Abgeltungszahlung an Frau S. in Höhe von 40.000 € keine höheren Nachlassverbindlichkeiten in Betracht und sich insoweit auf Kommentarliteratur berufe, befinde er sich in einem doppelten Rechtsirrtum. Zum einen verkenne der Beklagte, dass der erbschaftsteuerliche Erwerb des Vermächtnisses und damit auch die Höhe des Erwerbs bei der Vermächtnisnehmerin mit dem Tod der Erblasserin steuerlich vollendet gewesen sei, damit auch der Wert der entsprechenden Nachlassverbindlichkeit festgestanden hätte und sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach Vollendung des steuerlichen Erwerbs nachträgliche Ereignisse nicht mehr erbschaftsteuerlich auswirken würden. Zum anderen sei dem Beklagten ein Interpretationsfehler bei den von ihm zitierten Kommentierungen unterlaufen. Beide Kommentierungen würden davon ausgehen, dass ein Verschaffungsvermächtnis mit dem gemeinen Wert zu bewerten sei. Hier habe es sich insgesamt um ein Verschaffungsvermächtnis gehandelt habe. Denn die ideelle Miteigentumshälfte an einer Eigentumswohnung sei nicht das als Vermächtnis Geschuldete. Die vermächtnisweise geschuldete Eigentumswohnung habe vielmehr nur einheitlich übertragen werden können, so dass auch ein einheitliches Verschaffungsvermächtnis vorliege.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 1. September 2011 den zuletzt am 18. Juni 2012 geänderten Erbschaftsteuerbescheid vom 17. November 2005 zu ändern und diejenige Erbschaftsteuer festzusetzen, die sich ergibt, wenn weitere Prozesszinsen in Höhe von 111.255,41 DM (= 56.883 €) und weitere Verbindlichkei ten aus Vermächtnis in Höhe von 195.583,20 DM berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung hat er erg änzend vorgetragen:
Soweit dem Klagebegehren entsprochen worden sei, seien die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen, da das Schreiben der Rechtsanwälte B. & Partner vom 11 . September 2000 erstmals im Klageverfahren vorgelegt worden sei, obwohl dieses Schreiben schon früher hätte vorgelegt werden können.
Hiergegen hat der Kläger in seiner Replik vom 10. Mai 2012 vorgebracht, der Beklagte habe die Kosten des Verfahrens insgesamt zu tragen, da er bereits mit als Anlage K6 beigefügten Schreiben vom 8. September 2005 (Blatt 120-125 PA) auf die Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche durch die Herren H. und U. B. aufmerksam gemacht habe. Ob dies mit dem Schreiben aus dem Jahr 2000 oder aus dem Jahr 2002 erfolgt sei, wäre unerheblich.
Gründe
I.
Die Klage ist im erkannten Umfang begründet.
1. Begründet ist die Klage hinsichtlich der Nichtanerkennung der im Streit befindlichen Prozesszinsen in Höhe von 111.255,41 DM (= 56.883 €) als Nachlassverbindlichkeit.
Soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 ErbStG etwas anderes ergibt, sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG u. a. Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses entstehen, als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.
a) Der Begriff „Kosten der Regelung des Nachlasses” ist weit auszulegen ( BFH-Urteil vom 11 . Januar 1961 II 155/59 U , BStBl 1961 III S. 102). Er umfasst auch die Aufwendungen für die gerichtliche Nachlassregulierung (BFH-Urteil vom 1. Juli 2008 II R 71/06, BStBl 2008 II S. 874: Gutachterkosten; BFH-Urteil vom 9. Dezember 2009 II R 37/08, BStBl 2010 II S. 489: Gerichtskosten; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblattsammlung Stand Januar 2012, Rz 214 zu § 10; Weinmann in Moench/Weinmann, ErbStG, Loseblattsammlung Stand Oktober 2012, Rz 79 zu § 10; Schuck in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, ErbStG, 4. A. 2012, Rz 100 zu § 10; Jüptner in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, Loseblattsammlung Stand April 2012, Rz 210 zu § 10; Meincke, ErbStG, 15. A. 2009, Rz 48 zu § 48).
Hiernach zählen auch die Prozesszinsen, die der Kläger als Erbe an den Pflichtteilsberechtigten zahlen musste, zu den gerichtlichen Nachlassregulierungskosten. Denn diese Kosten sind dem Kläger in unmittelbarem Zusammenhang mit dem vor dem Zivilgericht geführten Prozess über die Höhe des Zahlungsanspruches des Pflichtteilsberechtigten Prof. Dr. D. entstanden. Der Kläger musste nämlich nach dem Teil-Urteil des Oberlandesgerichts vom 16. Juli 2002 den Pflichtteilsbetrag, zu dessen Zahlung er verurteilt wurde, gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB verzinsen. Von daher sind die Prozesszinsen im Rahmen der Nachlassregulierung angefallen, da der Kläger sein Erbe dadurch sichern wollte, indem er den letztlich vom Zivilgericht nicht geteilte Rechtsstandpunkt vertrat, der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch sei überhöht gewesen.
b) Am Charakter als Nachlassregelungskosten vermag die Rechtsnatur der Prozesszinsen nichts zu ändern.
Zwar sind Schulden und Lasten, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Erbschaftsbesteuerung unterliegen, nicht als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig (§ 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG). Die Prozesszinsen können aber dem erbschaftsteuerfreien Bereich in Form des Ausgleichs einer nach dem Erbfall eingetretenen ungerechtfertigten Bereicherung nach den Vorgaben des Zivilrechts nicht zugeordnet werden.
Entgegen der Ansicht des Beklagten geht es bei den Prozesszinsen nicht etwa darum, eine nach dem Erbfall eingetretene Bereicherung beim Kläger abzuschöpfen bzw. dem Schuldner den Anreiz zu nehmen, sich durch Unterlassen der fälligen Zahlung beim Gläubiger einen „Zwangskredit” zu nehmen. Die Prozesszinsen stellen gerade kein Entgelt für die ungerechtfertigte Bereicherung des Zahlungspflichtigen dar. Vielmehr kommt den Prozesszinsen als Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB die Aufgabe zu, einen gesetzlich festgelegten Mindestschaden beim Gläubiger auszugleichen, so dass dem Schuldner der Beweis abgeschnitten wird, dass kein Schaden bzw. ein geringerer Schaden entstanden ist (so ausdrücklich: BGH-Urteil vom 20. Juli 2011 ZR 75/09, NJW 2011 Seite 3648; zustimmend: Palandt/Grüneberg, BGB, 72. A. 2013, Rz 4 zu § 288). In welchem Umfang der Schuldner durch die verspätete Zahlung ungerechtfertigt bereichert ist, ist für die Frage der Höhe der Prozesszinsen demgemäß ohne jedwede Bedeutung.
2. Unbegründet ist die Klage insoweit, als der Kläger im Hinblick auf die Vermächtnisanordnung über den dafür im streitgegenständlichen Bescheid schon berücksichtigten Abzugsbetrag von 78.233 DM (= 40.000 €) hinaus weitere Verbindlichkeiten in Höhe von 195.583,20 € begehrt.
a) Ob die Vermächtnisanordnung der Erblasserin dahin gehend auszulegen ist, dass der Vermächtnisnehmerin lediglich der der Erblasserin gehörende hälftige Eigentumsanteil oder auch der in den Nacherbschaftsnachlass fallende hälftige Eigentumsanteil des vorverstorbenen Dr. F. D. der in M gelegenen Eigentumswohnung vermacht wurde, kann ebenso dahin gestellt bleiben wie die Frage, welchen Verkehrswert die in M gelegenen Eigentumswohnung im Zeitpunkt des Erbanfalles hatte. Hierauf kommt es in Anbetracht dessen, dass der Kläger und die Vermächtnisnehmerin im vor dem Landgericht F unter dem Aktenzeichen Kammer O .../07 geführten Verfahren am 20. Juni 2007 einen Vergleich schlossen, nicht an.
b) Nach einer schon vom Reichsfinanzhof (RFH) begründeten und vom BFH übernommenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist das Ergebnis eines ernsthaft gemeinten Vergleichs, der die gütliche Regelung streitiger Erbverhältnisse zum Ziel hat, der Erbschaftsbesteuerung zugrunde zu legen (allgemeine Meinung; vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 1972 II R 35/70, BStBl 1972 II S. 886; BFH-Urteil vom 22. November 1995 II R 89/93, BStBl 1996 II S. 242; BFH-Beschluss vom 19. September 2000 II B 10/00, BFH/NV 2001 Seite 163; zustimmend: Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblattsammlung Stand Januar 2012, Rz 82 und 203 zu § 3; Wälzholz in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, ErbStG, 4. A. 2012, Rz 124 zu § 3; Meincke, ErbStG, 15. A. 2009, Rz 26 zu § 3; Moench in Moench/Weinmann, ErbStG, Loseblattsammlung Stand 12.05, Rz 50 zu § 3; Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, Loseblattsammlung Stand Mai 2012, Rz 55 ff), sofern der Vergleich seinen Rechtsgrund noch im Erbrecht findet (BFH-Urteil vom 4. Mai 2011 II R 34/09, BStBl 2011 II S. 725). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weshalb der Beklagte zu Recht das Ergebnis des Erbvergleichs der Erbschaftsbesteuerung zugrunde gelegt hat.
aa) Dass die Erbverhältnisse zwischen dem Kläger und der Vermächtnisnehmerin im Streit waren, ergibt sich aus der vor dem Landgericht F unter dem Aktenzeichen Kammer O .../07 geführten Klage auf Vermächtniserfüllung.
bb) Auch hat der Vergleich einen erbrechtlichen Rechtsgrund.
Die Abfindung von 40.000 €, die der Kläger der Vermächtnisnehmerin aufgrund der Vergleichsvereinbarung vom 20. Juni 2007 zahlte, geht auf ein Vermächtnis der Erblasserin zurück. Denn die Erblasserin bestimmte in ihrem privatschriftlichen Testament vom 25. März 2000, dass ihre Nichte U. S. ihre Wohnung in M erhalten sollte.
c) Der Umstand, dass das Vermächtnis gemäß § 2176 BGB mit dem Erbfall zur Entstehung kommt, steht der Zugrundelegung des Erbvergleichs im Besteuerungsverfahren nicht entgegen.
Würde man der Ansicht des Klägers folgen und den Erbvergleich - nicht - zugrunde legen, hätte das zur Folge, dass der Erbe eine Nachlassverbindlichkeit bereicherungsmindernd absetzen könnte, die ihn in diesem Umfang überhaupt nicht belastet, und der Vermächtnisnehmer, der sich in Verkennung der Rechtslage auf einen für ihn ungünstigen Erbvergleich einlässt, eine Bereicherung besteuern müsste, die ihm aufgrund des Erbvergleichs gar nicht zukommt. Dieses widersinnige Ergebnis lässt sich nur vermeiden, indem die Erbschaftsbesteuerung sowohl für den Erben als auch für den Vermächtnisnehmer auf der Basis des Erbvergleiches vorgenommen wird.
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 138 Abs. 2 FGO.
a) Soweit der Beklagte der Klage teilweise abgeholfen hat, waren nicht ihm, sondern dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da die Klage im Zeitpunkt der Teil-Abhilfe unbegründet war. Der Abzug des Pflichtteils als Nachlassverbindlichkeit erfordert, dass der Berechtigte seinen Pflichtteilsanspruch „geltend gemacht” hat (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG), was der Fall ist, wenn er dem Erben gegenüber seinen Entschluss, die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zu verlangen, in geeigneter Weise bekundet hat (BFH-Urteil vom 30. April 2003 II R 6/01, BFH/NV 2004 Seite 341). Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs hat grundsätzlich die Abzugsfähigkeit als Nachlassverbindlichkeit zur Folge, selbst wenn diese Geldschuld (noch) nicht erfüllt worden ist (BFH-Urteil vom 7. Oktober 1998 II R 52/96, BStBl 1999 II S. 23; BFH-Urteil vom 30. April 2003 II R 6/01, BFH/NV 2004 Seite 341). Eine Ausnahme hiervon gilt allerdings dann, wenn sich der Berechtigte nach ernstlichem Streit über die Höhe des Pflichtteils vergleichsweise mit weniger zufrieden gibt, als er beansprucht hat und ihm zusteht; in diesem Fall muss die Besteuerung aus diesem niedrigeren Wert erfolgen (BFH-Urteil vom 19. Juli 2006 II R 1/05, BStBl 2006 II S. 718 mit Hinweis auf das BFH-Urteil vom 18. Juli 1973 II R 34/69, BStBl 1973 II S. 798). So verhält es sich hier.
Wie der Kläger in seiner Stellungnahme vom 9. Dezember 2011 selbst vorgetragen hat, forderten die Pflichtteilsberechtigten H. und U. B. mit Anwaltsschreiben vom 22. Februar 2002 (Blatt 65-67 PA) zunächst einen Gesamtbetrag von 644.848 € und reduzierten ihre Forderung im Schreiben vom 5. März 2003 (Blatt 68-70) auf den ausgezahlten Betrag von 191.734,45 € (= 750.000 DM), um eine prozessuale Auseinandersetzung zu vermeiden (so der Kläger in seinem Schreiben vom 12. Februar 2010; Blatt 559/560 ErbSt-A Bd. III).
b) An diesem Ergebnis ändert auch nichts, dass die Pflichtteilsberechtigten B. im nachhinein (vergeblich) versuchten, vom Kläger Pflichtteilszahlungen in gleicher Höhe zu erhalten, wie sie an den Pflichtteilsberechtigten Prof. Dr. D. ausgekehrt wurden. Da der Kläger sich in seinem Antwortschreiben vom 12. Februar 2010 darauf berief, dass der Pflichtteilsanspruch zwischenzeitlich nach § 2332 BGB verjährt sei, fehlt es insoweit an der für die Abzugsfähigkeit erforderlichen wirtschaftlichen Belastung (Urteil des FG M vom 24. Juli 2002 4 K 1286/00, EFG 2002 Seite 1625; Beschluss des FG M vom 30. November 2006 4 V 4323/06, EFG 2007; Weinmann in Moench/Weinmann, a. a. O., Rz 67 a. E. zu § 10 ErbStG; Meincke, a. a. O., Rz 52 zu § 3).
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
3. Revisionszulassungsgründe (§ 115 Abs. 2 FGO) sind nicht gegeben, obwohl die Frage, ob Prozesszinsen als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind, höchstrichterlich noch nicht entschieden worden ist. Die Beantwortung dieser Frage lässt sich aus dem Gesetz und der vorhandenen BFH-Rechtsprechung ohne Weiteres herleiten.