26.08.2013 · IWW-Abrufnummer 132717
Oberlandesgericht Nürnberg: Beschluss vom 06.06.2013 – 15 W 764/13
Der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament kann auch gegenüber einem testierunfähigen Ehegatten erklärt werden. Es genügt der Zugang der notariell beurkundeten Widerrufserklärung an einen für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellten Ersatzbetreuer, auch wenn dieser ein Abkömmling des Erblassers ist.
OLG Nürnberg
06.06.2013
15 W 764/13
In Sachen
G...
zuletzt wohnhaft: ...
verstorben am ...
- Erblasser -
Beteiligte:
1) A
- Beschwerdeführerin -
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...
2) B
- sonstiger Beteiligter -
3) C
- sonstige Beteiligte -
4) D
- sonstiger Beteiligter -
wegen Nachlassbeschwerde
erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg - 15. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Wankel, den Richter am Oberlandesgericht Kellendorfer und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Wißmann am 06.06.2013 folgenden
Beschluss
Tenor:
I.
Auf die Beschwerde der Beteiligten G... wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgerichts -Schwabach vom 19.02.2012 aufgehoben.
II.
Das Amtsgericht - Nachlassgericht -Schwabach wird angewiesen, einen Erbschein zu erteilen, der die Beteiligten A, B, C und D als Erben gemäß der gesetzlichen Erbfolge ausweist.
III.
Von der Erhebung von Kosten des Beschwerdeverfahrens wird abgesehen.
Gründe
I.
Mit gemeinschaftlichem handschriftlichem Testament vom 24.10.1999 setzten sich der Erblasser und seine Ehefrau, die Beteiligte A, gegenseitig zu Erben ein und bestimmten unter anderem, dass die Sicherung des Lebensunterhaltes des/der Über-/Längerlebenden bei der weiteren Beteiligung der gemeinsamen Kinder am Erbe Vorrang habe. Die zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch lebenden drei gemeinsamen Kinder sollten nach dem Tod des Erstversterbenden der Höhe nach bestimmte Geldbeträge erhalten, der gemeinsame Sohn zusätzlich eine Immobilienfondsbeteiligung sowie einen Miteigentumsanteil zu ein Halb an einem im jeweils hälftigen Miteigentum der beiden Ehegatten stehenden Wohngrundstück. Dem Längerlebenden der beiden Ehegatten wurde an dieser Immobilie ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt. Letzterer sollte auch entscheiden, ob er anlässlich seiner Situation beim Erbfall die Beteiligungen der Kinder gleichmäßig für alle erhöhen wolle, wenn die Vermögenslage es zulasse.
Weiter enthält das gemeinschaftliche Testament unter anderem eine Verpflichtung des längerlebendenden Ehegatten, mindestens zwei Drittel des bei seinem Tode noch vorhandenen Vermögens an die drei Kinder oder deren Nachkömmlinge zu vererben.
Mit Beschluss vom 27.06.2012 ordnete das Amtsgericht Schwabach durch einstweilige Anordnung, befristet bis 27.12.2012, die vorläufige Betreuung für den Erblasser mit sofortiger Wirksamkeit dieser Entscheidung an, die gemäß § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG mit Übergabe an die Geschäftsstelle des Amtsgerichts Schwabach am 28.06.2012 um 07.20 Uhr eintrat. Die vorläufige Betreuung umfasste unter anderem den Aufgabenkreis der Vermögenssorge. Zur vorläufigen Betreuerin wurde die Ehefrau des Erblassers, A, und zur Ersatzbetreuerin deren gemeinsame Tochter, C, bestellt.
Mit notarieller Urkunde vom 02.08.2012 widerrief die Beteiligte A gegenüber dem Erblasser, vertreten durch dessen Ersatzbetreuerin C, die von ihr im gemeinschaftlichen Testament vom 24.10.1999 "getroffenen Verfügungen in vollem Umfang". Frau C nahm diesen Widerruf in genannter notarieller Urkunde als Ersatzbetreuerin für den Erblasser an.
Am 16.09.2012 verstarb der Erblasser. Er hinterließ seine mit ihm im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebende Ehefrau A sowie die gemeinsamen Kinder B und C. Weitere gemeinsame Kinder des Erblassers sind ein am 29.10.1958 im Alter von 10 Tagen vorverstorbener Sohn des Erblassers sowie die am 23.02.2011 vorverstorbene Tochter E, welche ihrerseits einen Sohn, den am 26.11.1994 geborenen Beteiligten D, hinterließ.
Die Beteiligten A, B, C und D haben am 27.11.2012 zur Niederschrift des Amtsgerichts Schwabach - Nachlassgericht - die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Erben gemäß der gesetzlichen Erbfolge ausweist, und zwar A zu ein Halb, B, C und D zu jeweils einem Sechstel. Zur Begründung führen sie aus, dass das gemeinschaftliche Testament vom 24.10.1999 wirksam widerrufen worden und eine weitere Verfügung von Todes wegen nicht vorhanden sei.
Mit Verfügung vom 18.12.2012 teilte der Nachlassrichter des Amtsgerichts Schwabach mit, es sei beabsichtigt, den Erbscheinsantrag zurückzuweisen, da das gemeinschaftliche Testament vom 24.10.1999 nicht wirksam widerrufen worden und daher für die Erbfolge maßgeblich sei.
Mit Schriftsatz vom 15.01.2013 wiederholte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten A den bereits zur Niederschrift erklärten Erbscheinsantrag. Die weiteren Beteiligten äußerten sich nicht.
Mit Beschluss vom 19.02.2012 hat das Amtsgericht - Nachlassgericht - Schwabach den Antrag der vier Beteiligten auf Erteilung eines Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beteiligte C habe eine Erklärung, die von ihrer Mutter gegenüber ihrem Vater abzugeben war, für ihren Vater entgegengenommen und sei daher gemäß § 1795 BGB an der Vertretung ihres Vaters rechtlich gehindert gewesen. Dies gelte auch im Hinblick auf § 181 BGB, da sie sich selbst durch die Entgegennahme der Erklärung zur Miterbin mache, die sie nach der angefochtenen letztwilligen Verfügung nicht gewesen wäre. Zuletzt sei noch fraglich, ob ihr Handeln überhaupt von der einstweiligen Anordnung über die Betreuerbestellung erfasst gewesen sei, weil sie darin zur Ersatzbetreuerin bestellt worden ist. Nach dem hier geläufigen Sprachgebrauch sei unter Ersatzbetreuer ein Betreuer für den Fall tatsächlicher Verhinderung zu verstehen. Für den Fall der rechtlichen Verhinderung werde üblicherweise der Ausdruck "Ergänzungsbetreuer" gebraucht. Zu einem solchen wäre aber die Tochter des Erblassers für den Aufgabenkreis der Entgegennahme eines ihrem Vater gegenüber durch die Mutter erklärten Widerrufs des gemeinschaftlichen Testaments wegen der bestehenden Interessenlage nicht bestellt worden.
Gegen diesen sämtlichen Beteiligten jeweils am 26.02.2013 und dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten A am 27.02.2013 zugestellten Beschluss hat letztere durch Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 20.03.2013 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung lässt sie zusammengefasst ausführen, dass der Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments wirksam gewesen sei, da die Beteiligte C hinsichtlich der Widerrufserklärung als Ersatzbetreuerin für den Erblasser empfangsberechtigt gewesen sei. Die Vorschriften der §§ 181, 1795 BGB stünden nicht entgegen, da es ausschließlich um die Entgegennahme einer Willenserklärung gehe. Auch das Amtsgericht Schwabach - Betreuungsabteilung - habe noch zu Lebzeiten des Erblassers auf Anfrage mit Verfügung vom 24.08.2012 die Auffassung vertreten, die Ersatzbetreuerin sei zur Entgegennahme der Widerrufserklärung befugt und der Widerruf sei ihr mit Wirkung für den Erblasser wirksam zugegangen.
Das Amtsgericht - Nachlassgericht - Schwabach hat der Beschwerde mit Verfügung vom 10.04.2013 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Nürnberg vorgelegt.
Die übrigen Beteiligten haben Abschriften der Nichtabhilfeentscheidung und der Beschwerdebegründung erhalten.
II.
Die Beschwerde der Beteiligten A ist zulässig (§§ 58, 61 FamFG) und hat auch in der Sache Erfolg, da sich die Erbfolge nach dem Erblasser nicht nach dem gemeinschaftlichen Testament vom 24.10.1999 richtet. Die hierin bestimmte Einsetzung der Beteiligten A zur Erbin des Erblassers sowie die durch den Erblasser zugunsten der gemeinsamen Kinder getroffenen letztwilligen Verfügungen sind gemäß § 2270 Abs. 1 BGB unwirksam, da die Beteiligte A die von ihr in dem gemeinschaftlichen Testament zugunsten des Erblassers und der gemeinsamen Kinder getroffenen Verfügungen, die wechselbezüglich zu den oben genannten Verfügungen des Erblassers sind, gemäß § 2271 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam widerrufen hat.
1. Die von der Beteiligten A in dem gemeinschaftlichen Testament vom 24.10.1999 getroffenen letztwilligen Verfügungen, also die Einsetzung ihres Ehegatten zum Erben und die zugunsten der gemeinsamen Kinder getroffenen Verfügungen (gleichgültig ob es sich hierbei um Erbeinsetzungen oder Vermächtnisse handelt, § 2270 Abs. 3 BGB) für den Fall, dass die Beteiligte A zuerst verstirbt, sind wechselbezüglich zu ihrer Einsetzung als Erbin und der zugunsten der gemeinsamen Kinder getroffenen Verfügungen durch ihren Ehegatten, für den Fall, dass dieser zuerst verstirbt.
Letztwillige Verfügungen, die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament getroffen haben, sind gemäß § 2270 Abs. 1 BGB wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen Verfügung stehen oder fallen soll (BayObLG FamRZ 1994, 191 Rn. 22 nach [...] m.w.N.; 2001, 1734, Rn. 45 nach [...]). Enthält ein gemeinschaftliches Testament - wie hier - keine klare und eindeutige Anordnung zur Wechselbezüglichkeit, muss diese nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und für jede einzelne Verfügung des gemeinschaftlichen Testaments gesondert geprüft werden. Das in § 2270 Abs. 1 BGB beschriebene Verhältnis bezieht sich nämlich nicht auf das Testament als solches, sondern immer nur auf darin enthaltene einzelne Verfügungen (vgl. BGH NJW-RR 1987, 1410 Rn. 11 [BGH 16.06.1987 - IVa ZR 74/86] nach [...]). Dabei muss der Inhalt der Erklärungen als Ganzes gewürdigt werden einschließlich der Nebenumstände, und zwar auch solcher, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen; auch die allgemeine Lebenserfahrung ist zu berücksichtigen (BayObLG FamRZ 1994, 191 Rn. 22 nach [...] m.w.N.).
Es besteht zwar kein allgemeiner Lebenserfahrungssatz, dass Eheleute ihre in einem gemeinschaftlichen Testament erklärten letztwilligen Verfügungen in der Regel als insgesamt wechselseitig bindend ansehen. Wäre dies der Fall, bedürfte es der Zweifelsregelung des § 2270 Abs. 2 BGB nicht. Vielmehr gibt es bei der Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments zur Frage der Wechselbezüglichkeit der einzelnen Verfügungen grundsätzlich keine Regel, die Schlüsse auf eine bestimmte Willensrichtung und Interessenlage der Testierenden zuließe. Dies gilt insbesondere für das Verhältnis der Einsetzung des überlebenden Ehegatten zum Alleinerben gegenüber der Regelung der weiteren Erbfolge nach dem Tod des Überlebenden. Selbst bei gegenseitiger Erbeinsetzung der Ehegatten und Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Kinder ist regelmäßig anzunehmen, dass jeder Ehegatte die Kinder wegen des Verwandtschaftsverhältnisses bedenkt und nicht weil der andere dies auch tut (BayObLG FamRZ 2001, 1734, Rn. 49 nach [...]).
Für die Wechselbezüglichkeit der gegenseitigen Erbeinsetzung beider Ehegatten zueinander und der Erbeinsetzung des jeweils anderen Ehegatten im Verhältnis zu den von diesem getroffenen Verfügungen zugunsten der Kinder beim ersten Todesfall, die im Übrigen von den Beteiligten auch nicht in Zweifel gezogen wird, spricht aber einerseits der Umstand, dass das Testament ausdrücklich die Bestimmung enthält, dass der Lebensunterhalt des überlebenden Ehegatten gegenüber der Beteiligung der Kinder am Nachlas vorrangig gesichert werden soll, was auch im lebenslangen Wohnrecht des Längerlebenden zum Ausdruck kommt, andererseits die Regelung, dass die gemeinsamen Kinder mindestens zwei Drittel des beim Tod des Letztversterbenden noch vorhandenen Vermögens erben sollen. Die vorrangige Sicherung der Lebensgrundlage des überlebenden Ehegatten ist somit verknüpft mit der Beschränkung seiner Möglichkeit, über das bei seinem Tod noch vorhandene Vermögen frei zu verfügen.
Umstände, die gegen eine Wechselbezüglichkeit sprechen, sind hingegen weder vorgebracht noch sonst ersichtlich, so dass von einer Wechselbezüglichkeit der von der Beteiligten A für den Fall des Todes des Erstversterbenden der beiden Ehegatten getroffenen letztwilligen Verfügungen auszugehen ist, ohne dass es eines Rückgriffs auf die Zweifelsregelung des § 2270 Abs. 2 BGB bedarf.
2. Die Beteiligte A hat ihre im gemeinschaftlichen Testament vom 24.10.1999 getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen wirksam widerrufen.
Gemäß § 2271 Abs. 1 BGB hat der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament zu Lebzeiten der Ehegatten nach der für den Rücktritt vom Erbvertrag geltenden Vorschrift des § 2296 BGB erfolgen. Dies setzt eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten, die der notariellen Beurkundung bedarf und dem anderen Ehegatten zugehen muss (§ 2296 Abs. 2, § 2271 Abs. 1 BGB), voraus. Eine derartige am 02.08.2012 notariell beurkundete und dem Erblasser zu Lebzeiten zugegangene Widerrufserklärung der Beteiligten A liegt vor.
a. Für die Wirksamkeit des Widerrufs kann es dahinstehen, ob der Erblasser, für den zu diesem Zeitpunkt bereits im Wege der einstweiligen Anordnung eine (vorläufige) Betreuung angeordnet worden war, damals noch geschäfts- bzw. testierfähig war. Grundsätzlich können nämlich ein gemeinschaftliches Testament und die in diesem enthaltenen Verfügungen auch gegenüber einer geschäfts- bzw. testierunfähigen Person widerrufen werden (vgl. Palandt/Weidlich BGB, 72. Aufl., § 2271 Rn. 6; Staudinger/Kanzleiter, BGB, Neubearb. 2006, § 2271 Rn. 14; MünchKommBGB/ Musielak, 5. Aufl., § 2271 Rn. 9 mit Fußnote 14, Litzenburger, in Beck'scher Online- Komm. BGB, Stand 01.02.2013, § 2271 Rn. 14a; Jauernig/Stürner, BGB 14. Aufl., § 2271 Rn. 2; Zimmer NJW 2007, 1713, 1715; so inzidenter auch BayObLG FamRZ 1993, 736, 737; LG Hamburg DNotI-Report 2000, 86; LG Leipzig FamRZ 2010, 403; AG München NJW 2011, 618, 619; and. Ansicht Damrau/Bittler ZErb 2004, 77, 79 f.). Der Zulassung des Widerrufs des gemeinschaftlichen Testaments gegenüber einem testierunfähigen Ehepartner steht nicht entgegen, dass dieser hierauf nicht mit einer neuen letztwilligen Verfügung reagieren kann (so aber Damrau/Bittler ZErb 2004, 77, 79). Ansonsten würden das zu Lebzeiten beider Ehegatten nach dem Gesetz bestehende Widerrufsrecht und damit die Testierfähigkeit des widerrufswilligen Ehegatten praktisch aufgehoben und ihm die Möglichkeit genommen, sich aus der erbrechtlichen Bindung zu lösen (Litzenburger, aaO., § 2271 Rn. 14a; Müßig, in Nomos-Komm. BGB, 3. Aufl., § 2271 Rn. 1 m.w.N.; Helms DNotZ 2003, 104, 105 f.; Zimmer NJW 2007, 1713, 1715; ders. ZEV 2007, 159, 160; Keim ZEV 2010, 358; differenzierend AG München NJW 2011, 618 Rn. 8 nach [...]). Auch wenn es eigentlich Sinn und Zweck des § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB ist, den die Widerrufserklärung empfangenden Ehegatte in die Lage zu versetzen, auf die durch den Widerruf bedingte Unwirksamkeit auch seiner testamentarischen Verfügungen zu reagieren und der veränderten Sachlage entsprechende Verfügungen zu treffen (BGHZ 9, 233, 236 = NJW 1953, 938; BGHZ 48, 374, 383 f. = NJW 1968, 496, 497; 498 f.; OLG Hamm NJW-RR 1991, 1480 [OLG Hamm 16.07.1991 - 15 W 133/91]), spricht gegen die Anwendung dieser Vorschrift auf einen testierunfähigen Erblasser auch, dass sie das Erlöschen des Widerrufsrechts ausschließlich an den Tod eines der Ehegatten knüpft, so dass wegen des eindeutigen Wortlauts für eine Vorverlegung auf den Zeitpunkt der Eintritts der Testierunfähigkeit im Wege der Auslegung kein Raum bleibt (Zimmer NJW 2007, 1713, 1715; ders. ZEV 2007, 2007, 159, 160; Keim ZEV 2010, 358 f.; Lange, jurisPR-FamR 12/2010, Anm. 2 zu LG Leipzig FamRZ 2010, 403). Im Übrigen ist bei ähnlicher Interessenlage mit § 2282 Abs. 2 BGB die Möglichkeit der Lösung vom Erbvertrag auch bei Geschäftsunfähigen eines Vertragsschließenden ausdrücklich zugelassen (Zimmer ZEV 2007, 2007, 159, 161; Keim ZEV 2010, 358, 359).
c. Der Widerruf gegenüber einem testierunfähigen Ehegatten erfordert den Zugang der Erklärung beim Betreuer als dessen gesetzlichen Vertreter (§ 131 BGB). Dieser muss für den erforderlichen Aufgabenkreis bestellt sein, wobei nach zutreffender Ansicht eine Bestellung wenigstens für die Vermögenssorge genügt (LG Hamburg DNotI-Report 2000, 86; Palandt/Weidlich aaO., § 2271 Rn. 6; Helms DNotZ 2003, 104, 108; Zimmer NJW 2007, 1713, 1715; ders. ZEV 2007, 159, 161; zweifelnd Damrau/Bittler ZErb 2004, 77, 78). Der Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments stellt eine Verfügung von Todes wegen dar (vgl. Kanzleiter, aaO., § 2271 Rn. 9). Eine solche ist vom Aufgabenkreis der Vermögenssorge umfasst, da mit ihr der Übergang des aktiven und passiven Vermögens für den Todesfall geregelt wird (LG Hamburg DNotI-Report 2000, 86; Helms DNotZ 2003, 104, 108). Der Schwerpunkt des Widerrufs liegt somit im vermögensrechtlichen Bereich (LG Hamburg aaO.; Zimmer ZEV 2007, 159, 161), zumal im Fall des gemeinschaftlichen Testaments bereits zu Lebzeiten Bindungen in der erbrechtlichen Verfügungsmacht eingetreten sind (§ 2271 Abs. 1 Satz 2 BGB).
d. Die Beteiligte C konnte aufgrund ihrer Bestellung zur Ersatzbetreuerin als gesetzliche Vertreterin des Erblassers (§ 1902 BGB) die Widerrufserklärung der Beteiligten A entgegennehmen. Gemäß § 1899 Abs. 4 BGB kann das Gericht mehrere Betreuer auch in der Weise bestellen, dass der eine die Angelegenheiten des Betreuten nur zu besorgen hat, wenn der andere verhindert ist. Dieser Fall liegt vor, da die den Widerruf erklärende Hauptbetreuerin gemäß § 1908 i Abs. 1, § 1795 Abs. 1 Nr. 1, § 181 BGB an der Vertretung ihres Ehemannes zum Empfang der Widerrufserklärung gehindert war (BayObLGZ 1997, 288 = FamRZ 1998, 512 Rn. 6 nach [...]; BayObLGZ 2003, 248 = FamRZ 2004, 906 Rn. 9 nach [...]; s.a. Zimmer ZEV 2007, 159, 161). Das Tatbestandsmerkmal der Verhinderung im Sinne des § 1899 Abs. 4 BGB umfasst nicht nur die tatsächliche, sondern auch die rechtliche Verhinderung (vgl. nur BayObLG aaO.; Palandt/Götz, aaO., § 1899 Rn. 8 m.w.N.). Es kommt nicht darauf an, dass die Beteiligte C im Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 27.06.2012 nicht als Ergänzungsbetreuerin bezeichnet war. Die gewählte Bezeichnung "Ersatzbetreuerin" beinhaltet den Fall der Verhinderung der Hauptbetreuerin.
e. Der Entgegennahme der Widerrufserklärung stehen weder § 1795 BGB noch § 181 BGB entgegen. Die Erklärung des Widerrufs des gemeinschaftlichen Testaments vom 24.10.1999 konnte grundsätzlich rechtswirksam gegenüber der Tochter des Erblassers als dessen Ersatzbetreuerin erklärt werden, weil die Entgegennahme einer Widerrufserklärung (ebenso wie eine Rücktrittserklärung) keine rechtsgeschäftliche Handlung ist, von deren Vornahme die Ersatzbetreuerin als Abkömmling des Erklärungsempfängers nach § 181, § 1795 Abs. 1 Nr. 1, § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeschlossen gewesen wäre (BayObLG FamRZ 1977, 141 Rn. 38 nach [...]; LG Hamburg DNotI-Report 2000, 86; MünchKommBGB/Wagenitz, 6. Aufl., § 1795 Rn. 23; Bettin, in Beck'scher Online-Komm. BGB, Stand 01.05.2013, § 1795 Rn. 2; and. Ansicht Litzenburger, aaO., § 2271 Rn. 14; Helms DNotZ 2003, 104, 108 f.; Keim ZEV 2010, 358). Denn nach § 130 Abs. 1, § 131 Abs. 2 BGB ist nur der Zugang der Willenserklärung maßgebend (BayObLG FamRZ 1977, 141 Rn. 38 nach [...]).
3. Der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung eines Ehegatten bewirkt nach § 2270 Abs. 1 BGB, dass auch die entsprechenden Verfügungen des anderen Ehegatten unwirksam werden (Kanzleiter, aaO., § 2271 Rn. 25). Mangels Vorhandenseins einer wirksamen letztwilligen Verfügung gemäß § 1937 BGB ist gesetzliche Erbfolge eingetreten, so dass die Beteiligte A zu ein Halb und die Beteiligten B, C und D als Erben zu jeweils einem Sechstel berufen sind (§ 1924 Abs. 1, 3 und 4, § 1931 Abs. 1 Satz 1, § 1371 Abs. 1 BGB).
III.
Über die Verfahrenskosten ist gemäß §§ 81, 84 FamFG zu entscheiden. Es entspricht billigem Ermessen, von einer Erhebung von Kosten abzusehen, da sämtliche Beteiligte übereinstimmend den nach Sach- und Rechtslage zutreffenden Erbscheinsantrag gestellt haben. Keines der Regelbeispiele gemäß § 81 Abs. 2 FamFG ist einschlägig. Eine weitergehende Kostenentscheidung zugunsten der Beteiligten und zu Lasten der Staatskasse ermöglicht das Gesetz nicht.
Eine auf § 131 Abs. 4, § 30 Abs. 1 KostO beruhende Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren ist nicht veranlasst, da Kosten nicht erhoben werden.
Die Voraussetzung für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.
Dr. Wankel Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
Dr. Wißmann Richter am Oberlandesgericht
Kellendorfer Richter am Oberlandesgericht
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):Übergabe an die Geschäftsstelle am 06.06.2013.