Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 26.09.2013 · IWW-Abrufnummer 133012

    Oberlandesgericht Naumburg: Beschluss vom 26.07.2013 – 2 Wx 41/12

    Zum Nachweis des Erbrechts nach § 2356 Abs. 1 S. 2 BGB durch Vorlage einer Kopie des Testaments und Zeugenbeweis.


    OLG Naumburg

    26.07.2013

    2 Wx 41/12

    In der Nachlasssache

    ...

    ...

    hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel, den Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und die Richterin am Oberlandesgericht Joost am 24. Juli 2013 beschlossen:
    Tenor:

    Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 2), zu 3) und zu 4) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Dessau-Roßlau vom 13. Juni 2012 aufgehoben und der Antrag der Beteiligten zu 1) vom 3. März 2011 auf Erteilung eines Erbscheins zurückgewiesen.

    Die Beteiligte zu 1) hat die gerichtlichen Kosten des Antragsverfahrens sowie die zur Durchführung des Verfahrens in beiden Instanzen notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen der Beteiligten zu 2) bis zu 4) zu tragen. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden niedergeschlagen.
    Gründe

    A.

    Der Erblasser war mit der am 19.05.1999 vorverstorbenen E. T. geb. R. verheiratet; die Eheleute hatten fünf gemeinsame Kinder, und zwar die Beteiligten zu 1) bis zu 4) sowie die am 25.07.1949 vorverstorbene Tochter A. T..

    Es existiert ein Schriftstück vom 16.01.1996, das mit "Mein letzter Wille" überschrieben und mit dem Namenszug des Erblassers unterschrieben ist (künftig: Testament 1996). Nach dem Inhalt dieses handschriftlich in Druckschrift verfassten Dokuments setzte der Erblasser die Beteiligte zu 1) "zu meinen alleinigen Erben für mein Sparbuch" ein; sie solle auch "alle meine Guthaben" erhalten.

    Es liegt ferner die Kopie eines gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute T. vom 07.07. 1997 vor (künftig: Testament 1997), wonach sich die Eheleute wechselseitig zu Alleinerben einsetzten und bestimmten, dass nach dem Tode des Letztversterbenden "der verbliebene Besitz zu gleichen Teilen unter den vier Kindern vererbt" werde. Wenn eines der Kinder die Grundstücke erwerben wolle, solle es die anderen drei Miterben auszahlen. Das Original dieses Testaments ist nicht auffindbar. Die Kopie hat die Beteiligte zu 4) mit Schreiben vom 22.09.2010 beim Nachlassgericht eingereicht.

    Am 14.03.2007 eröffnete das Amtsgericht - Nachlassgericht - Dessau ein handschriftlich gefertigtes Testament ohne Datumsangabe (künftig: Testament 2007), das wortgleich zum gemeinsamen Testament 1997 ist und augenscheinlich sowohl hinsichtlich des Textes als auch hinsichtlich beider Unterschriften vom selben Verfasser stammt. Dieses Schriftstück hatte der Erblasser am 23.01.2007 höchstpersönlich beim Nachlassgericht eingereicht.

    Eine Nachbarin des Erblassers, C. F., hat mit Schreiben vom 06.01.2011 gegenüber dem Nachlassgericht angegeben, dass sie im Jahre 2006 mit dem Erblasser über die Notwendigkeit der Regelung der eigenen Angelegenheiten gesprochen und er erklärt habe, dass von einem gemeinsamen Testament mit seiner verstorbenen Ehefrau nur noch eine Kopie vorhanden sei. Daher habe er eine handschriftliche Abschrift dieses gemeinsamen Testaments gefertigt.

    Am 08.03.2011 ist beim Nachlassgericht der Antrag des Beteiligten zu 2) auf Erteilung eines Erbscheins eingegangen, der die Beteiligten zu 1) bis zu 4) jeweils zu einem Anteil von einem Viertel als (gesetzliche) Erben ausweisen solle (vgl. UR Nr. 28/2011 des Notars H. G. in G. vom 03.03.2011). Der Beteiligte zu 2) hat sich darauf berufen, dass ein wirksames Testament der Eheleute T. bzw. des Erblassers nicht vorliege und daher die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei.

    Am 09.03.2011 ist der Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Erbscheins eingegangen, der sie als Alleinerbin ausweisen solle (vgl. UR Nr. 540/2011 des Notars P. K. in D. vom 03.03.2011). Sie hat ihr Erbrecht auf das Testament 1996 gestützt, welches sie für wirksam hält.

    Die Beteiligten zu 3) und zu 4) haben im Rahmen ihrer Anhörung erklärt, dass sie der Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheines, wie vom Beteiligten zu 2) beantragt, zustimmen, nicht aber der Erteilung eines Erbscheines, wie von der Beteiligten zu 1) beantragt.

    Das Nachlassgericht hat die Akte 8 IV 14/07, betreffend die Eröffnung der o.g. Testamente, beigezogen und hieraus insbesondere auch das Gutachten der Dipl.-Psychologin S. S. vom 26.08.2011 über die Echtheit des Testaments 1996 verwertet. Es hat eine ergänzende Stellungnahme dieser Sachverständigen vom 31.10.2011 zu den Einwendungen des Beteiligten zu 2) gegen ihr Gutachten eingeholt.

    In ihrer Anhörung vom 16.03.2012 hat die Sachverständige ihre schriftlichen Expertisen bekräftigt. Danach sei mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 90 % davon auszugehen, dass der Erblasser sowohl den Textteil geschrieben als auch die Unterschrift unter dem Testament 1996 geleistet habe. Die Beteiligte zu 4) hat behauptet, dass das Testament 1997 eigenhändig von E. T. geschrieben und von beiden Eheleuten unterschrieben worden sei und auf das Zeugnis von H. B. verwiesen (vgl. GA Bl. 129). Das Nachlassgericht hat insoweit darauf hingewiesen, dass bezüglich des Testaments 1997 zunächst ein neues Erbscheinserteilungsverfahren zum Nachlass der E. T. einzuleiten sei. Die Beteiligte zu 1) und der Beteiligte zu 2) haben jeweils im April 2012 weitere Schriftproben des Erblassers zur Gerichtsakte gereicht.

    Das Nachlassgericht hat in dem Nachlassverfahren 8 VI 183/07, betreffend den Nachlass der E. T. geb. R., einen ursprünglich den hiesigen Erblasser als alleinigen Erben ausweisenden Erbschein eingezogen und unter Hinweis auf die Unwirksamkeit der Testamente 1997 und 2007 am 11.05.2012 einen Erbschein erteilt, der die Beteiligten zu 1) bis zu 4) neben dem hiesigen Erblasser als Erben ausweist.

    Mit seinem Beschluss vom 13.06.2012 hat das Nachlassgericht die aufgrund des Antrages der Beteiligten zu 1) vom 03.03.2011 zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Zugleich hat es die Beschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen.

    Diese Entscheidung ist dem Beteiligten zu 3) am 16.06. und den Beteiligten zu 2) und zu 4) jeweils am 18.06.2012 zugestellt worden. Die Beteiligten zu 2) bis zu 4) haben jeweils Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt, und zwar die Beteiligte zu 4) am 22.06., der Beteiligte zu 3) am 11.07. und der Beteiligte zu 2) am 18.07.2012. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

    Die Beteiligten zu 2) bis zu 4) haben Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen des Nachlassgerichts zur Echtheit des Testaments 1996 geäußert. Der Beteiligte zu 2) hat darüber hinaus auch eingewendet, dass das Nachlassgericht sich nicht mit den Testamenten 1997 und 2007 auseinandergesetzt habe.

    Die Beteiligten zu 2) bis zu 4) beantragen übereinstimmend,

    unter Aufhebung des Beschlusses des Nachlassgerichts vom 13.06.2012 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) vom 03.03.2011 zurückzuweisen.

    Die Beteiligte zu 1) beantragt,

    die Beschwerden der Beteiligten zu 2) bis zu 4) zurückzuweisen.

    Der Senat hat am 24.07.2013 eine mündliche Verhandlung durchgeführt und im Rahmen dieses Termins die Beteiligte zu 4) und die Zeugin B. zur behaupteten Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments 1997 sowie die Zeugin F. zu den Äußerungen des Erblassers im Jahre 2006 zur Regelung der Erbangelegenheiten angehört bzw. vernommen. Wegen der Ergebnisse der Sachaufklärung durch den Senat wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls Bezug genommen.

    B.

    Die gleichgerichteten Rechtsmittel der Beteiligten zu 2), zu 3) und zu 4) sind zulässig und begründet.

    I. Die Beschwerden sind jeweils nach § 58 Abs. 1 FamFG zulässig, insbesondere ist die nach § 61 Abs. 1 FamFG notwendige Mindestbeschwer überschritten. Die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG ist jeweils gewahrt worden.

    II. Die Rechtsmittel haben auch in der Sache Erfolg. Im Ergebnis der Sachaufklärung durch den Senat können die Tatsachen zur Erteilung des von der Beteiligten zu 1) beantragten Erbscheins nicht festgestellt werden. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) ist daher zurückzuweisen.

    1. Das Nachlassgericht ist unzutreffend davon ausgegangen, dass in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht allein auf das am 16.01.1996 verfasste Testament abzustellen wäre.

    Bevor das - zeitlich ältere - Schriftstück vom 16.01.1996, welches nach Meinung der Beteiligten zu 1) ein eigenhändig vom Erblasser verfasstes Testament sein soll, überhaupt eine erbrechtliche Wirkung entfalten könnte, war zu prüfen, ob (und auszuschließen, dass) die Eheleute T. nach dem 16.01.1996 ein gemeinschaftliches Testament mit wechselbezüglichen Verfügungen von Todes wegen errichtet haben, das zugleich Bestimmungen für die Erbfolge nach dem Tode des Letztversterbenden der beiden Ehegatten enthält, oder ob der Erblasser selbst nach 1996 noch ein weiteres, inhaltlich abweichendes Schriftstück mit Verfügungen von Todes wegen errichtet hat. In der Mitwirkung des Erblassers an einer gemeinschaftlichen testamentarischen Verfügung bzw. in der Errichtung eines neuen eigenen Testaments läge jeweils zugleich ein Widerruf des zuvor am 16.01.1996 errichteten eigenen Testaments (vgl. § 2254 BGB). Diese Prüfung war auch nicht etwa im Hinblick darauf entbehrlich, dass ein gemeinschaftliches Testament der Eheleute nach 1996 daneben auch für die Nachlassangelegenheit nach E. T. Bedeutung erlangen kann.

    Das Nachlassgericht hat die Prüfung dieser Fragen versäumt; der Senat hat anstelle des Nachlassgerichts eine entsprechende Sachaufklärung vorgenommen.

    2. Dem Nachlassgericht ist allerdings darin zu folgen, dass das Testament 2007 nicht als ein wirksames gemeinschaftliches Testament der Eheleute T. zu bewerten ist, denn zum Zeitpunkt seiner handschriftlichen Errichtung durch den Erblasser im Jahre 2006 bzw. Anfang 2007 war E. T., seine Ehefrau, bereits verstorben, so dass eine Mitwirkung nicht mehr in Betracht kam. Das Testament ist damit nicht in der Form der §§ 2265, 2267 i.V.m. 2247 Abs. 1 BGB errichtet worden, was eine eigenhändige Unterschrift der Ehefrau des Erblassers erfordert hätte.

    3. Zu Unrecht hat das Nachlassgericht das Testament 1997 als unwirksames Testament angesehen. Im Ergebnis der Beweisaufnahme durch den Senat ist festzustellen, dass die Eheleute T. am 07.07.1997 ein mit der vorliegenden Kopie identisches Testament, das Original dieser Kopie, wirksam errichtet haben. Anhaltspunkte für einen Widerruf dieses gemeinschaftlichen Testaments bestehen hingegen nicht.

    a) Allerdings ist das Nachlassgericht im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass das Erbrecht nach gewillkürter Erbfolge nach § 2356 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich durch Vorlage der Originalurkunde, auf der es beruhen soll, gegenüber dem Nachlassgericht nachzuweisen ist. Gleiches muss gelten, wenn, wie hier, der Widerspruch gegen das Erbrecht eines Dritten, hier der Beteiligten zu 1), neben anderem auch darauf gestützt wird, dass sich die gewillkürte Erbfolge, hier aller vier Beteiligten zu gleichen Anteilen, aus einer anderen Urkunde ergebe. Nach § 2356 Abs. 1 S. 2 BGB kommt jedoch für den Fall, dass die Originalurkunde nicht mehr beschafft werden kann, auch der Nachweis durch andere Beweismittel in Betracht (vgl. Beschlüsse des erkennenden Senats v. 05.01.2012, 2 Wx 5/10, und v. 29.03.2012, 2 Wx 60/11, FamRZ 2013, 246). Diesen Nachweis haben die Beteiligten zu 2) bis zu 4) geführt.

    b) Dem Senat liegt die Kopie eines handschriftlichen Testaments der Eheleute T. vom 07.07.1997 vor, aus der nicht nur ersichtlich ist, welchen Inhalt die letztwillige Verfügung der Eheleute T. hatte, sondern auch, dass die Formanforderungen des § 2267 BGB im Original erfüllt waren. Der Text ist handschriftlich verfasst und nach dem äußeren Anschein von beiden Eheleuten jeweils eigenhändig unterschrieben worden.

    c) Im Ergebnis der Anhörung der Beteiligten zu 4) und der Vernehmung der Zeugin H. B. ist festzustellen, dass sich die Eheleute T. mit Unterstützung insbesondere des Ehemanns der Zeugin B. über den Inhalt ihrer letztwilligen Verfügung verständigt hatten, dass E. T. den Testamentstext eigenhändig geschrieben und sodann beide Eheleute das fertige Testament unterschrieben hatten. Die von der Beteiligten zu 4) dem Nachlassgericht vorgelegte Kopie entspricht diesem Original des gemeinschaftlichen Testaments.

    aa) Die Beteiligte zu 4) und die Zeugin B. haben die Vorgeschichte und den Ablauf der Testamentserrichtung sowie den Inhalt des Testaments der Eheleute T. jeweils in sich schlüssig und nachvollziehbar geschildert. Beide Darstellungen stimmen nahezu vollständig miteinander überein, ohne dass Anzeichen für eine vorherige Absprache erkennbar gewesen wären. Die Zeugin B. hat insbesondere sehr plausibel erläutert, dass ihr Ehemann wegen seiner Erfahrungen anlässlich der Errichtung eines sog. "Berliner Testaments" für die Eheleute B. und eines deswegen geführten Beratungsgesprächs mit einer Notarin sehr genau auf die Einhaltung der Formerfordernisse für eine eigenhändige Testamentserrichtung bei der Errichtung des Testaments 1997 der Eheleute T. geachtet habe.

    bb) Soweit die Beteiligte zu 4), abweichend von den Angaben der Zeugin B., ihren eigenen Anteil an der Idee einer Testamentserrichtung durch ihre Eltern ggf. bagatellisiert haben könnte (angeblich während eines Gesprächs ihrer Mutter mit der Zeugin auf einem Spaziergang statt während eines Gesprächs zwischen ihr und der Zeugin anlässlich eines Spaziergangs) und die Umstände der Anfertigung einer Kopie ggf. zeitlich vorverlegt haben könnte (angeblich unmittelbar nach der Testamentserrichtung noch in der Wohnung B. statt danach), handelte es sich, selbst wenn man diese Abweichungen unterstellte, um unwesentliche Details, welche nicht geeignet sind, Zweifel an der Richtigkeit der übereinstimmenden Bekundungen zum Kerngeschehen zu wecken.

    cc) Die Übereinstimmung der dem Nachlassgericht und dem Senat vorliegenden Kopie mit dem - nicht mehr auffindbaren - Original des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute T. vom 07.07.1997 ergibt sich einerseits aus den Angaben der Beteiligten zu 4) und der Zeugin B. zum Inhalt des Testaments sowie andererseits aus der Schilderung der Beteiligten zu 4) zu den Umständen der Anfertigung der von ihr aufbewahrten und dem Nachlassgericht übersandten Kopie, nämlich unmittelbar nach Testamentserrichtung und vor der Verbringung des Originals in die Wohnung der Eheleute T..

    d) Ein zusätzliches, wenn auch weniger aussagekräftiges Indiz für die wirksame Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute T. im Jahre 1997 mit dem Inhalt, wie er aus der Kopie Bl. 25 f. der Akte 8 IV 14/07 Amtsgericht Dessau ersichtlich ist, ist der Umstand, dass die Zeugin F., wie sie vor dem Senat bekundet hat, in den ungeordneten Unterlagen des W. T. im Jahre 2006 eine weitere Kopie desselben Testaments gefunden hat, und dass W. T. - von ihr darauf angesprochen - u.a. auch zum Ausdruck gebracht hat, dass diese Regelungen bis zum Ableben der E. T. dem gemeinsamen Willen beider Eheleute entsprochen hätten.

    aa) Die Zeugin F. hat glaubhaft den - aus ihrer Sicht zufälligen - Fund einer Kopie eines augenscheinlich gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute T. in den Unterlagen des W. T. im Jahre 2006 geschildert. Bei dieser Kopie konnte es sich, ausgehend von den Angaben der Beteiligten zu 4) über die Aufbewahrung der von ihr im Jahre 1997 gefertigten und im Jahre 2011 dem Nachlassgericht vorgelegten Kopie, nicht um dieselbe Kopie, sondern nur um eine weitere Kopie des Testaments handeln, weshalb dem Umstand, dass sich auf dieser (zweiten) Kopie die handschriftliche Aufschrift "KOPIE" befunden haben soll, keine erhebliche Bedeutung zukommt.

    bb) Die Zeugin F. hat weiter bekundet, dass die von ihr aufgefundene Kopie inhaltlich sowohl hinsichtlich des Kerns der getroffenen Regelungen als auch hinsichtlich einzelner - von ihr teilweise als auffällig empfundener - Formulierungen (z. Bsp. Wortwiederholungen, Aufführung der Kindesnamen mit Geburtsnamen) mit der von der Beteiligten zu 4) eingereichten und von ihr eingesehenen Testamentsablichtung übereingestimmt habe. Auch äußerlich seien Ähnlichkeiten vorhanden, z. Bsp. die Gliederung des Textes in Unterpunkte. Das der von ihr gefundenen Ablichtung zugrunde liegende Original sei ausweislich der Handschrift nicht von W. T. und jedenfalls nicht im Zeitraum um das Jahr 2006 geschrieben worden, denn es habe nicht die für das Schriftbild des Erblassers zu dieser Zeit typisch gewordene Verwendung von altdeutschen Buchstaben aufgewiesen und sei geordneter gewesen als die Handschrift des Erblassers im Jahr 2006.

    cc) Schließlich ist den Angaben der Zeugin F. eindeutig zu entnehmen, dass W. T. ihr gegenüber bestätigt hat, dass es sich bei der aufgefundenen Kopie um die Ablichtung eines zu Lebzeiten der E. T. errichteten gemeinschaftlichen Testaments gehandelt habe, und dass der darin zum Ausdruck kommende übereinstimmende Wille, in der Erbfolge trotz diverser Unstimmigkeiten in der Familie kein gemeinsames Kind zu bevorzugen und kein gemeinsames Kind zu benachteiligen, zu keiner Zeit aufgegeben worden sei.

    4. Der Umstand, dass das Original des Testaments 1997 z. Zt. des Eintritts des Erbfalls im Jahre 2010 und danach zum Zwecke der Vorlage im Nachlassverfahren nicht mehr auffindbar war, lässt nicht mit hinreichender Sicherheit auf einen Widerruf dieser gemeinschaftlichen testamentarischen Verfügung schließen. Vielmehr existieren sogar Anhaltspunkte dafür, dass ein Widerruf des Testaments 1997 nach dessen wirksamer Errichtung bis zum Ableben der E. T. nicht vorgenommen worden ist.

    a) Allerdings kann der Widerruf eines Testaments nach § 2255 BGB auch durch die Vernichtung der Originalurkunde erfolgen, wenn hierbei der Wille, das Testament aufzuheben, eindeutig in Erscheinung tritt. Im - hier vorliegenden - Fall eines gemeinschaftlich errichteten Testaments mit wechselbezüglichen Regelungen ist auch ein gemeinschaftlicher Wille zur Testamentsaufhebung durch Vernichtung erforderlich (vgl. Weidlich in: Palandt, Komm. z. BGB, 72. Aufl. 2013, § 2255 Rn. 13 m.w.N.). Zu berücksichtigen ist weiter, dass das Recht zum Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments jedenfalls mit dem Tode der E. T. im Jahre 1999 erlosch (§ 2271 Abs. 2 BGB).

    b) Anhaltspunkte für eine bewusste Vernichtung der Originalurkunde - in Abgrenzung zu einem unfreiwilligen Urkundsverlust - liegen nicht vor. Über den Verbleib der Urkunde nach ihrer Errichtung, die Umstände ihrer Aufbewahrung oder darüber, ob zwischen den Eheleuten T. nach dem 07.07.1997 die Frage einer Änderung der letztwilligen Verfügung nochmals erörtert worden ist, können Feststellungen nicht getroffen werden.

    c) Dem gegenüber gibt es, ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, Anhaltspunkte für ein ungewolltes Abhandenkommen der Originalurkunde. Der Umstand, dass die Eheleute T. von der Originalurkunde eine (weitere) Kopie für sich selbst fertigten und zu Hause aufbewahrten, könnte darauf hindeuten, dass das Original an einem anderen, den Beteiligten zu 1) bis zu 4) unbekannten Ort verwahrt worden ist. Zudem hat die Zeugin F. angegeben, dass sich die Unterlagen des W. T. im Jahre 2006, also ca. sieben Jahre nach dem Ableben seiner Ehefrau, in einem sehr ungeordneten Zustand befunden hätten und dass W. T. insoweit auf eine Unterstützung durch Dritte angewiesen gewesen sei. Hieraus könnte geschlossen werden, dass auch die Möglichkeit des ungewollten Urkundsverlusts bestanden hat. Schließlich hat die Zeugin F. glaubhaft bekundet, dass W. T. ihr gegenüber im Jahre 2006 angegeben habe, dass sich der gemeinsame Wille der Eheleute T., nach dem Tode des Letztversterbenden alle vier Kinder zu gleichen Anteilen als Erben einzusetzen, zu keiner Zeit geändert habe. Dem Senat ist bewusst, dass die Zeugin insoweit nur Zeugin vom Hören-Sagen ist und keine eigenen Wahrnehmungen gemacht hat.

    d) Jedenfalls ist hier ein wirksamer Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute T. vom 07.07.1997 auszuschließen, weil die Beteiligte zu 1) den Nachweis eines Widerrufs nicht erbracht hat. Denn im Nachlassverfahren hat derjenige Beteiligte die Feststellungslast, d.h. die nachteiligen Folgen eines Scheiterns der positiven Feststellung, zu tragen, der sich auf die Unwirksamkeit des Testaments wegen Vernichtung ausdrücklich oder konkludent beruft (vgl. Beschlüsse des Senats v. 05.01.2012, 2 Wx 5/10, und v. 29.03.2012, 2 Wx 60/11, aaO.).

    III. Da im Ergebnis der Sachaufklärung durch den Senat feststeht, dass die Eheleute E. und W. T. am 07.07.1997 wirksam ein gemeinschaftliches Testament mit dem Inhalt der mit Schreiben der Beteiligten zu 4) vom 22.09.2010 eingereichten Kopie errichtet haben und dieses Testament zu keiner Zeit wirksam widerrufen worden ist, gelten auch unter Berücksichtigung eines - hier unterstellt wirksam errichteten - vorherigen Testaments des Erblassers vom 16.01.1996 diejenigen Bestimmungen zur Erbfolge nach W. T., die im Testament vom 07.07.1997 getroffen worden sind.

    Die Auslegung des Testaments 1997 ergibt, dass nach dem Tode des Letztversterbenden, hier des W. T., die Beteiligten zu 1) bis zu 4) jeweils zu einem Anteil von einem Viertel Miterben werden sollten.

    Diese wirksame testamentarische Verfügung steht der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für ein alleiniges Erbrecht der Beteiligten zu 1) und damit der Erteilung eines Erbscheins, wie von der Beteiligten zu 1) mit Antrag vom 03.03.2011 begehrt, entgegen.

    C.

    Die Kostenentscheidungen im Antragsverfahren und im Beschwerdeverfahren beruhen jeweils auf §§ 80, 81 Abs. 1 FamFG. Die Beteiligte zu 1) hat die gesamten - gerichtlichen und notwendigen außergerichtlichen - Kosten des Antragsverfahrens zu tragen, weil ihr Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin nach dem Erblasser ausweist, letztlich erfolglos geblieben ist. Von einer Erhebung gerichtlicher Kosten (Gebühren und Auslagen) für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen, weil das Verfahren vor dem Nachlassgericht an wesentlichen Mängeln leidet und bei ordnungsgemäßer Verfahrensführung die Einleitung des Beschwerdeverfahrens nicht erforderlich gewesen wäre. Es entspricht der Billigkeit, der Beteiligten zu 1) auch die notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen der Beteiligten zu 2) und zu 4) im Beschwerdeverfahren aufzuerlegen, weil sie im Beschwerdeverfahren unterlegen ist.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 2356 Abs. 1 S. 2 BGB