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  • 06.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133369

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 26.09.2013 – 3 K 525/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Az.: 3 K 525/12
    Revision eingelegt

    BFH-Az.: II R 39/13

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die erbschaftsteuerliche Begünstigung eines teilweise selbstgenutzen, teilweise vermieteten Grundbesitzes, soweit er von dem Kläger im Wege einer Erbauseinandersetzung erworben wurde.
    Der Kläger beerbte seinen am 24. Dezember 2010 verstorbenen Vater zusammen mit seiner Schwester zur Hälfte. Zum Erbe gehörte – neben weiterem Grundbesitz und Kapitalvermögen - das bebaute Grundstück „R.straße“ mit einer Gesamtfläche von 320 qm und einem Bedarfswert i.H.v. 326.996 €.
    Das Objekt „R.straße“ wurde (auf einer Fläche von 236 qm) bis zu dem Tod des Vaters des Klägers zunächst gemeinsam von diesem und der Schwester des Klägers bewohnt, danach von der Schwester des Klägers alleine. Die übrigen 84 qm wurden fremdvermietet. Ende 2011 zog der Kläger zusammen mit seiner Frau anstelle der Schwester in das Gebäude ein.

    Nachdem bis dahin keine Steuererklärung abgegeben worden war, setzte der Beklagte mit Bescheid vom 12. März 2012 Erbschaftsteuer im Wege der Schätzung i.H.v. 22.528 € fest.

    Mit notariellem „Erbauseinandersetzungs- und Grundstücksübertragungsvertrag“ vom 23. März 2012 setzten sich der Kläger und seine Schwester über das Erbe auseinander. Der Kläger erhielt dabei u.a. den Grundbesitz „R.straße“ zum Alleineigentum. Seine Schwester erhielt u.a. anderen Grundbesitz mit Bedarfswerten i.H.v. insg. 336.128 € zum Alleineigentum.

    Am 3. April 2012 legte der Kläger gegen den Erbschaftsteuerbescheid Einspruch ein und reichte seine Steuererklärung ein. Für den selbstbewohnten Anteil dieses Gebäudes – einschließlich der von der Schwester übertragenen Hälfte – beantragte er – auf eine Fläche von 200 qm begrenzt – eine Steuerbefreiung für ein Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (im Folgenden: ErbStG). Für die vermietete Fläche von 84 qm wurde die Begünstigung nach § 13c ErbStG beantragt.

    Der Beklagte reduzierte die Erbschaftsteuer daraufhin durch Bescheid vom 15. Juni 2012 auf 20.119 €. Dabei wurde der für das Objekt „R.straße“ festgestellte Grundbesitzwert von insg. 326.996 € angesetzt, die Steuerbefreiung für das Familienheim aber nur hälftig gewährt. Somit kamen (326.996 € x ½ x 200 qm / 320 qm =) 102.186 € zum Abzug. Für die vermietete Fläche wurde ebenfalls nur die hälftige Befreiung in Höhe von (326.996 € x ½ x 84 qm / 320 qm x 10% =) 4.291,82 € abgezogen.

    Im Übrigen wurde der Einspruch des Klägers durch Einspruchsbescheid vom 5. November 2012 als unbegründet zurückgewiesen.

    Am 10. Dezember 2012 hat der Kläger Klage erhoben.

    Er ist der Auffassung bei der Berücksichtigung der Steuerbefreiung des Familienheims sei – ebenso wie bei der Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücke – auch die im Rahmen der Erbauseinandersetzung erworbene Hälfte des Grundbesitzes zu berücksichtigen. Soweit die Finanzverwaltung eine Erbauseinandersetzung für Zwecke der Erbschaftsbesteuerung nur dann auf den Todeszeitpunkt zurückwirken lasse, wenn sie zeitnah – und damit innerhalb von sechs Monaten nach dem Tag des Erbfalls - erfolge, lasse sich diese Voraussetzung dem Gesetz nicht entnehmen.

    Außerdem werde dabei verkannt, dass im Streitfall eine Vorerbschaft vorgelegen habe und die entsprechende Erbschaftsteuerfestsetzung gegenüber seinem Vater erst am 14. November 2011 bestandskräftig worden sei und erst damit im Rahmen der Erbauseinandersetzung Berücksichtigung hätte finden können.

    Der Kläger beantragt,
    die Erbschaftsteuer unter Änderung des Bescheides vom 12. Februar 2012 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 5. November 2012 auf 11.803 € herabzusetzen.

    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Er ist der Auffassung, die Erbauseinandersetzung sei grds. für die Erbschaftsbesteuerung unbeachtlich. Soweit von diesem Grundsatz eine Ausnahme im Falle einer zeitnahen Erbauseinandersetzung zugelassen werde, seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt, denn nach H E 13c Abs. 4 Satz 10 ErbStR läge eine zeitnahe Auseinandersetzung nur vor, wenn sie innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgt sei. An diese Richtlinie sei die Finanzverwaltung gebunden. Auf die Bestandskraft des Erbschaftsteuerbescheids in dem Vorerbfall komme es für die Bestimmung des Merkmals „zeitnah“ nicht an.

    Darüber hinaus sei fraglich, ob die Selbstnutzung des Familienheims durch den Kläger unverzüglich erfolgt sei.

    Entscheidungsgründe

    I. Die zulässige Klage ist begründet. Dem Kläger sind die Steuerbefreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG und § 13c ErbStG auch für die im Rahmen der Erbauseinandersetzung erworbenen Eigentumsanteile an dem Grundstück „R.straße“ zu gewähren.
    1. Der Erbschaftsteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des ErbStG der Erwerb von Todes wegen. Als solcher gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Erbanfall i.S.d. § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (im Folgenden: BGB). Als steuerpflichtiger Erwerb gilt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist.

    2. a) Steuerfrei bleibt nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG insbesondere der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenem bebauten Grundstück i.S.d. § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes (im Folgenden: BewG) durch Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2 , soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt.

    Ein Erwerber kann die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 2 ErbStG nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder auf Grund einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. Gleiches gilt nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 3 ErbStG, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen auf einen Miterben überträgt.

    Überträgt ein Erbe erworbenes begünstigtes Vermögen im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Dritten und gibt der Dritte dabei diesem Erwerber nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 4 ErbStG insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Dritten um den Wert des übertragenen Vermögens.

    b) Im Streitfall hat der Kläger den Grundbesitz „R.straße“ als Kind des Erblassers (i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) gemeinsam mit seiner Schwester anteilig von Todes wegen erworben. Der Grundbesitz wurde bis zu dem Erbfall durch den Erblasser, den Vater des Klägers, als Familienheim zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Die Mitbenutzung der Wohnung durch die Schwester als Familienangehöriger ist unschädlich (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 2009 – II R 69/06, BStBl. II 2009, 480, zu § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG).

    c) Der Kläger hat den hälftigen Miteigentumsanteil an dem Familienheim als begünstigtes Vermögen von seiner Schwester im Rahmen einer Teilung des Nachlasses übertragen bekommen und dafür nicht begünstigtes Vermögen hingegeben. Es ist dabei nach Auffassung des Senats nicht erforderlich, dass die Teilung des Nachlasses zeitnah, also innerhalb eines halben Jahres nach dem Erbfall zu erfolgen hat.

    (1) Nach Meinung der Finanzverwaltung (in R E 13.4 Abs. 5 Satz 4, Abs. 7 Satz 6 ErbStR 2012) sollen die Bestimmungen von § 13 Abs. 1 Nr. 4c Sätze 2 bis 4 ErbStG im Falle einer freien Erbauseinandersetzung unter den Erben nur dann zur Anwendung kommen, wenn diese zeitnah erfolgt. Als „zeitnah“ wird dabei – unter Verweis auf Tz. 8 des BMF-Schreibens zur ertragsteuerlichen Behandlung der Erbengemeinschaft und ihrer Auseinandersetzung v. 14. März 2006 (BStBl. I 2006, 253) – ein Zeitraum von sechs Monaten angesehen (H E 13.4. „Freie Erbauseinandersetzung“ ErbStH).
    Dieser Ansicht folgen – jeweils ohne nähere Begründung – Geck (in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13 ErbStG Rz. 40.11) und – allerdings ausdrücklich nur für den gleichlautenden § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG - H.-U. Viskorf (in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, ErbStG, BewG. Kommentar, 4. Auflage 2012, § 13 ErbStG Rz. 55).
    (2) Der Senat folgt dieser einschränkenden Auffassung der Finanzverwaltung und Teilen der Kommentarliteratur nicht. Sie findet weder im Wortlaut noch in Systematik oder Zweck der Vorschrift eine Grundlage.

    (a) Der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 4 ErbStG enthält keine zeitliche Beschränkung für die Übertragung des erworbenen begünstigten Vermögens im Rahmen der Teilung des Nachlasses durch den Erben auf einen Dritten. Die Vorschrift verlangt lediglich, dass für die Übertragung von dem Erwerber nicht vom Erblasser erworbenes, nicht begünstigtes Vermögen hingegeben wird (kritisch daher auch St. Viskorf/Haag, DStR 2012, 219, 223).
    (b) Auch aus der Systematik ergibt sich insoweit keine Einschränkung. Grds. werden Miterben die im Nachlass zusammengefassten Wirtschaftsgüter (nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, 39 Abs. 2 Nr. 2 AO) anteilig als Erwerb von Todes wegen zugerechnet. Die Verteilung der Nachlassposten bei der Erbauseinandersetzung unter den Miterben ist für die Besteuerung regelmäßig unbeachtlich (z.B. BFH-Urteile vom 30. Juni 1960 – II 254/75, BStBl. III 1960, 348; vom 10. November 1982, II R 85-86/78, BStBl. II 1983, 329; Meincke, ErbStG. Kommentar, 16. Auflage 2012, § 3 ErbStG Rz. 20). Nach dem von der Finanzverwaltung (H E 13.4. „Freie Erbauseinandersetzung“ ErbStH) zitierten BMF-Schreiben zur ertragsteuerlichen Behandlung der Erbengemeinschaft und ihrer Auseinandersetzung v. 14. März 2006 (BStBl. I 2006, 253) wird bei einer Erbauseinandersetzung eine rückwirkende Zurechnung laufender Einkünfte „in engen Grenzen“ und zwar für sechs Monate anerkannt. Diese Wertung soll auf den erbschaftsteuerlichen Befreiungstatbestand des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG übertragen werden. Auf die Zurechnung des Familienheims im Zeitpunkt des Erwerbs von Todes wegen kommt es für die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG aber nicht an. Nach zutreffender, ebenfalls von der Finanzverwaltung (in R E 3.1 (1) Satz 5 und R E 13.4. Abs. 5 Satz 9 ErbStR 2012) vertretener Auffassung führt die Regelung nicht zu einer Veränderung der Zurechnung der Erwerbsgegenstände, durch sie wird lediglich die Bemessungsgrundlage für die Steuerbefreiung verändert. Der Wert des begünstigten Vermögens erhöht sich ausdrücklich um den Wert des hingegebenen nicht begünstigten Vermögens.

    (c) Schließlich lässt sich die einengende Auslegung der Befreiungsvorschrift auch nicht mit der gesetzgeberischen Zielsetzung begründen. Die Regelung zur Freistellung des Familienheims soll neben dem Schutz des gemeinsamen familiären Lebensraums auch dem Ziel der Lenkung in Grundvermögen schon zu Lebzeiten des Erblassers dienen. Insbesondere vor dem Hintergrund der Finanzmarktentwicklung des Jahres 2008 solle die Regelung dazu dienen, das Familiengebrauchsvermögen krisenfest zu erhalten. Ein in diesem Sinne besonders geschütztes Familiengebrauchsvermögen ist auch bei in Hausgemeinschaft mit den Eltern lebenden Kindern anzunehmen oder bei Kindern, die unverzüglich nach dem Erwerb das Familienheim selbst zu Wohnzwecken nutzen. Es soll sichergestellt werden, dass Wohneigentum bis zu einer bestimmten Grenze an die in Hausgemeinschaft lebenden Kindern dann steuerfrei vererbt werden kann, wenn der Erbe ansonsten wegen seiner Erbschaftsteuerverpflichtungen zur Veräußerung gezwungen wäre. Ein erwerbender Dritter soll dabei so gestellt werden, als habe er von Anfang an begünstigtes Vermögen erhalten. Der Gesetzgeber will mit der Regelung der Übertragungsvorgänge erreichen, dass der Erwerber auch dann in den Genuss der Steuerbefreiung kommt, wenn er das begünstigte Vermögen nicht direkt vom Erblasser, sondern erst im Wege der Erbauseinandersetzung erhält. Umgekehrt soll der Übertragende aber nicht für einen anderen Erwerber die Befreiung erhalten, in dem er zunächst das begünstigte Vermögen erbt und es dann anschließend an denjenigen weitergibt, der es endgültig zum Eigentum erhalten soll (vgl. BT-Drs. 16/11107, S. 9).

    Diese Zielsetzung erfordert keine zeitlich einschränkende Anwendung auf innerhalb von sechs Monaten stattfindende Erbauseinandersetzungen. Dem Gesetzgeber kam es bei der Schaffung der Steuerbefreiung ersichtlich lediglich darauf an, dass das Familieneigenheim von dem Erwerber „unverzüglich nach dem Erwerb“ zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Dementsprechend verlangt die Steuerbefreiung in Satz 1, dass das Familienheim „beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist“. Auf die Unverzüglichkeit der Erbauseinandersetzung wird dagegen an keiner Stelle abgestellt. Vielmehr erscheint es fernliegend, den übernehmenden Miterben bei ohne schuldhaftem Zögern aufgenommener Selbstnutzung allein aufgrund einer erst später erfolgten Übertragung der Immobilie auf ihn der Nachversteuerung zu unterwerfen (so richtig St. Viskorf/Haag, DStR 2012, 219, 223)
    d) Der Kläger hat die Wohnung auch unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt.
    (1) Die geerbte Wohnung muss nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt sein. Als „unverzüglich“ wird unter Rückgriff auf die zivilrechtliche Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches ein Handeln „ohne schuldhaftes Zögern“ verstanden (vgl. z.B. Meincke, ErbStG. Kommentar, 16. Auflage 2012, § 13 ErbStG Rz. 28; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG. Kommentar, § 13 ErbStG Rz. 70; R E 13.4. Abs. 2 Satz 4 ErbStR). Danach muss die Handlung innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungsfrist erfolgen (vgl. BGH-Urteil vom 15. März 2005 – VI ZB 74/04, NJW 2005, 1869; so auch Jochum in Wilms/Jochum, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz. Kommentar, § 13 ErbStG Rz. 83, 91; H.-U. Viskorf in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, ErbStG/BewG. Kommentar, § 13 ErbStG Rz. 73).

    (2) Bei der Bestimmung zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken handelt es sich um eine innere Tatsache, die wie alle sich in der Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann (BFH, Beschluss vom 12. Juni 1978 - GrS 1/77, BStBl II 1978, 620). Dementsprechend wird gefordert, dass sich die (unverzügliche) Bestimmung zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken in einer „alsbaldigen tatsächlichen Nutzung der Wohnung“ manifestieren müsse (H.-U. Viskorf in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, ErbStG/BewG. Kommentar, § 13 ErbStG Rz. 73, OFD Rheinland, Kurzinformation v. 4. Juli 2012, DStR 2012, 2082).
    (3) Die Kommentarliteratur legt bei der Bestimmung des Zeitraums unterschiedliche, aber überwiegend strenge Maßstäbe zugrunde. So soll es unschädlich sein, „wenn die Räumlichkeiten zunächst renoviert werden oder zwischen dem Tod und dem Einzug ein paar Wochen vergehen“ (Jochum in Wilms/Jochum, ErbStG. Kommentar, § 13 ErbStG Rz. 83, 91; so auch Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG. Kommentar, § 13 ErbStG Rz. 70; Kobor in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG. Kommentar, 4. Auflage 2012, § 13 ErbStG Rz. 42; Haar, SteuK 2010, 162, 163). Teilweise wird verlangt, „dass keine längere Zeitspanne verstreicht, als sie zur Instandsetzung der Wohnräume erforderlich ist“ (Schmitt in Tiedtke, ErbStG. Kommentar, § 13 ErbStG Rz. 152, zu § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG). Geck (in Kapp/Ebeling, ErbStG. Kommentar, § 13 ErbStG Rz. 39.6, 40.7) vertritt die Auffassung, dass der Erwerber seinen Lebensmittelpunkt in die Wohnung verlegen müsse, ohne dass es auf eigene Kündigungsfristen für eine bisher von ihm bewohnte Mietwohnung ankomme. Meincke (ErbStG. Kommentar, 16. Auflage 2012, § 3 ErbStG Rz. 29) geht dagegen davon aus, dass der Erwerber bei der Bestimmung des geerbten Gebäudes zögern und die Ausschlagungsfrist abwarten dürfe und ihm sodann die Zeit zugestanden werden müsse, „die er braucht, um seinen eigenen Hausstand aufzulösen und in das Familienheim umzuziehen“. Treffe er allerdings „mehr als ein halbes Jahr nach dem Erbfall noch keine Anstalten zum Umzug“, werde er eine besondere Begründung vorbringen müssen, um in den Genuss der Vergünstigung zu gelangen, denn ohne eine solche Begründung werde man an ein schuldhaftes Zögern denken.

    (4) Der Senat vertritt mit Blick auf den genannten Gesetzeszweck, wonach mit der Steuerbefreiung das Familiengebrauchsvermögen besonders geschützt werden soll (BT-Drs. 16/11107, S. 9), eine weite Auslegung und Anwendung des Begriffs „Unverzüglichkeit“. Dem Erwerber muss insbesondere bei einem Erwerb von Todes wegen ein ausreichender Zeitraum zugestanden werden, nach dem Tod des Erblassers eine Entscheidung über die Weiternutzung der geerbten Immobilie zu treffen. Zu berücksichtigen ist dabei – wie im Streitfall – auch, ob die Immobilie mehreren Erben zufällt und dem Erwerber erst nach einer (ggf. langwierigen) Erbauseinandersetzung für eine Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken zur Verfügung steht. Sodann ist dem Erwerber ein ausreichender Zeitraum zuzugestehen, in das Familienheim umzuziehen. Wohnt – wie im Streitfall – ein anderer Familienangehöriger bereits in dem Familienheim, ist in zeitlicher Hinsicht weiterhin zu berücksichtigen, dass auch dieser ggf. eine neue Bleibe finden und in diese umziehen muss.

    (5) Im Streitfall ist die Bestimmung des Objekts „R.straße“ zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken durch den Kläger vor diesem Hintergrund „unverzüglich“ erfolgt. Der Vater des Klägers ist Ende Dezember 2010 verstorben. Der Kläger und seine Schwester, die das Objekt in der Folge zunächst alleine bewohnte, erbten es jeweils zur Hälfte und setzten sich in der Folgezeit über den Nachlass auseinander. Der Abschluss der Erbauseinandersetzung erfolgte erst im März 2012 durch notariellen Vertrag des Klägers mit seiner Schwester. Dabei einigte man sich darüber, dass dem Kläger das Objekt zukommen solle, die Schwester aus diesem aus- und der Kläger mit seiner Ehefrau in dieses einziehen würde. Schon im Dezember 2011 erfolgte der Umzug in das Familienheim. Die Bestimmung des Familienheims zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken war zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt. Angesichts dieser Umstände des Streitfalls ist nach Auffassung des Senats kein schuldhaftes Zögern bei der Bestimmung des Familienheims zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken anzunehmen. Der Senat ist im Übrigen der Auffassung, dass im Hinblick auf die Zielsetzung der Vorschrift, Familienheime in den Händen der Familie zu erhalten, auch durch die – vorübergehende – Selbstnutzung des Gebäudes zu eigenen Wohnzwecken durch die Schwester des Klägers keine schädliche Nutzung vorliegt.

    d) Der Kläger hat den von der Schwester im Wege des Erbgangs erlangten Anteil an dem Grundstück im Rahmen einer Erbauseinandersetzung erlangt und im Gegenzug Grundstücksanteile an diese hingegeben, die den Wert des erlangten Vermögens überstiegen. Folglich ist der gesamte selbstgenutzte Anteil des betroffenen Grundstücks „R.straße“ – begrenzt auf 200 qm – durch die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG begünstigt. Die Bereicherung des Klägers i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist um (326.996 € x 200 qm / 320 qm x ½ =) 102.186,25 € zu verringern.

    3. a) Bebaute Grundstücke oder Grundstücksteile, die zu Wohnzwecken vermietet werden, sind nach § 13c Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 ErbStG mit 90% ihres Wertes anzusetzen. Überträgt ein Erbe erworbenes begünstigtes Vermögen im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Dritten und gibt der Dritte dabei diesem Erwerber nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Dritten um den Wert des hingegebenen Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen Vermögens. Es gelten im Hinblick auf ein zu Wohnzwecken vermietetes Grundstück im Rahmen einer Erbauseinandersetzung also die gleichen Grundsätze wie im Falle des Familienheims. Entsprechend vertritt die Finanzverwaltung (in R E 13c Abs. 5 Satz 10 ErbStR 2012, H E 13c „Freie Erbauseinandersetzung“ ErbStH) ebenfalls, dass nur eine zeitnahe, also innerhalb von 6 Monaten nach dem Erbfall durchgeführte Erbauseinandersetzung rückwirkend Berücksichtigung finden könne und somit auch das dabei übertragene Vermögen nach § 13c ErbStG steuerbefreit sei. Der Senat folgt dieser Auffassung – unter Verweis auf das zu § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG Ausgeführte – nicht. Eine zeitliche Beschränkung lässt sich auch im Hinblick auf die Begünstigung des § 13c ErbStG nicht aus dem Gesetzeszweck herleiten, wonach mit der Steuerbefreiung die Wohnraumversorgung der Bevölkerung gesichert und zugleich die Marktkonzentration auf institutionelle Anbieter verringert werden soll (BT-Drs. 16/11107, S. 12). Somit kann im Rahmen einer Erbauseinandersetzung übertragenes Vermögen unabhängig von der Halbjahresfrist der Steuerbefreiung des § 13c ErbStG unterfallen, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt werden.

    b) Im Streitfall sind die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung des § 13c Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 ErbStG erfüllt. 84 qm des Grundstücks „R.straße“ werden zu Wohnzwecken fremdvermietet. Der Kläger hat den von seiner Schwester geerbten Miteigentumsanteil im Rahmen einer Erbauseinandersetzung erhalten und dafür nicht begünstigtes Vermögen hingegeben. Da der Wert des im Rahmen der Erbauseinandersetzung hingegebenen Vermögens den Wert des erhaltenen Vermögens übersteigt, kommt die Begünstigung des § 13c Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 ErbStG nach § 13c Abs. 2 Satz 3 ErbStG auf den gesamten Wert des vermieteten Teils des Grundstücks „R.straße“ zur Anwendung.
    Die Bereicherung des Klägers i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist um (326.996 € x 84 qm / 320 qm x ½ x 10% =) 4.291,82 € zu verringern.

    II. Die Berechnung der Steuerfolge wird dem Beklagten nach § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (im Folgenden: FGO) übertragen.

    III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
    IV. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil die Entscheidung des Gerichts von der Auffassung der Finanzverwaltung sowie Teilen der Literatur abweicht.