06.02.2014 · IWW-Abrufnummer 140399
Bundesfinanzhof: Urteil vom 18.12.2013 – II R 55/12
Der Erwerb eines Anspruchs aus einer vom Arbeitgeber zugunsten des Erblassers mit dessen Einverständnis abgeschlossenen Direktversicherung unterliegt der Erbschaftsteuer, wenn der Bezugsberechtigte nicht die persönlichen Voraussetzungen für eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des Erblassers erfüllt.
Gründe
I.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist der Alleinerbe seines im Januar 2003 verstorbenen "Lebensgefährten" (L) und erhielt darüber hinaus aus Lebensversicherungen, die dessen Arbeitgeber als Versicherungsnehmer bei einem Versicherungsunternehmen (V) zugunsten des L als Versicherten abgeschlossen hatte, insgesamt 39.605,98 €, da ihn L für den Todesfall als Bezugsberechtigten benannt hatte. Die Versicherungsbeiträge für diese Direktversicherungen im Sinne des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) waren im Wege der Entgeltumwandlung durch einvernehmliche Herabsetzung des laufenden Gehalts des L aufgebracht worden.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nahm an, dass der vom Kläger erworbene Anspruch auf die Versicherungsleistung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) der Erbschaftsteuer unterliege, und setzte gegen den Kläger durch Bescheid vom 3. November 2003 Erbschaftsteuer in Höhe von 3.077 € fest. Der Einspruch blieb erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 378 veröffentlichte Urteil mit der Begründung statt, der Erwerb von Hinterbliebenenbezügen, die auf einem Arbeits- oder Dienstverhältnis des Erblassers beruhten, unterlägen nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG der Erbschaftsteuer. Dies gelte auch für Einmalzahlungen aus einer Direktversicherung im Sinne des BetrAVG an Bezugsberechtigte, die keine beamten- oder rentenversicherungsrechtliche Hinterbliebenenversorgung beanspruchen könnten.
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Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Der vom Kläger erworbene Anspruch auf die Versicherungsleistung unterliege der Erbschaftsteuer.
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Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass der vom Kläger mit dem Tod des L erworbene Anspruch gegen V auf die vereinbarte Versicherungssumme nicht der Erbschaftsteuer unterliege.
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1. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird. Diese Vorschrift ist auch auf den Erwerb eines Anspruchs auf eine Einmalzahlung aus einer vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer zugunsten des Erblassers mit dessen Einverständnis abgeschlossenen Direktversicherung anwendbar, wenn der Bezugsberechtigte nicht die in §§ 46 bis 48 des Sozialgesetzbuchs - Sechstes Buch (SGB VI) bestimmten persönlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des Erblassers erfüllt.
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a) Die Besteuerung kann in diesem Fall allerdings nicht unmittelbar auf den Versicherungsvertrag gestützt werden. Diesen hat nämlich bei der Direktversicherung nicht wie von § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG vorausgesetzt der Erblasser abgeschlossen. Maßgebend ist vielmehr der vom Erblasser abgeschlossene Arbeitsvertrag, der aufgrund des Einverständnisses des Erblassers mit dem Abschluss der Direktversicherung eine Änderung erfahren hat, die ihrerseits Voraussetzung für den Abschluss der Direktversicherung durch den Arbeitgeber und für die Begründung des Leistungsanspruchs aus der Versicherung war. Dies genügt, um § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG anwenden zu können.
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b) Der Erwerb des Anspruchs aus einer Direktversicherung unterliegt der Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, wenn der Bezugsberechtigte die in §§ 46 bis 48 SGB VI bestimmten persönlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des Erblassers nicht erfüllt.
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aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unterliegen Ansprüche auf eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung, die Hinterbliebenen eines Arbeitnehmers zustehen, nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG der Erbschaftsteuer, und zwar unabhängig davon, ob die Ansprüche durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, eine Ruhegeldordnung, betriebliche Übung, den Gleichbehandlungsgrundsatz oder Einzelvertrag begründet wurden (BFH-Urteile vom 20. Mai 1981 II R 11/81, BFHE 133, 426, BStBl II 1981, 715, und vom 20. Mai 1981 II R 33/78, BFHE 134, 156, BStBl II 1982, 27; seither ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1989 II R 31/89, BFHE 159, 223, BStBl II 1990, 325; vom 13. Dezember 1989 II R 23/85, BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322; vom 15. Juli 1998 II R 80/96, BFH/NV 1999, 311; vom 16. Januar 2008 II R 30/06, BFHE 220, 518, BStBl II 2008, 626, unter II.B.1, und vom 5. Mai 2010 II R 16/08, BFHE 230, 188, BStBl II 2010, 923, Rz 15; BFH-Beschluss vom 24. Mai 2005 II B 40/04, BFH/NV 2005, 1571).
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Diese Rechtsprechung beruht darauf, dass Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung erbschaftsteuerrechtlich nicht anders behandelt werden sollen als die Bezüge, die Hinterbliebene kraft Gesetzes erhalten, wie insbesondere die Bezüge, die den Hinterbliebenen von gesetzlich rentenversicherten Arbeitnehmern und von Beamten, Berufssoldaten und Richtern zustehen und bereits dem Wortlaut nach nicht dem § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterfallen. Der (möglicherweise) zu weite Wortlaut der Vorschrift ist ggf. entsprechend einzuschränken (teleologische Reduktion). Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar (Beschl üsse des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 1988 1 BvR 243/86, BVerfGE 79, 106, BStBl II 1989, 938, [BVerfG 09.11.1988 - 1 BvR 243/86] und vom 5. Mai 1994 2 BvR 397/90, BStBl II 1994, 547).
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bb) Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG kann nicht auf einen Anspruch aus einer Direktversicherung erstreckt werden, wenn der Bezugsberechtigte die in §§ 46 bis 48 SGB VI bestimmten persönlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des verstorbenen Arbeitnehmers nicht erfüllt. In einem solchen Fall ist es unter Berücksichtigung der Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht gerechtfertigt, den Anspruch aus der Direktversicherung aus dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auszunehmen. Vielmehr ist es in diesem Fall geboten, den Anspruch nicht anders zu behandeln als den Anspruch aus einer vom Arbeitnehmer selbst abgeschlossenen Lebensversicherung. Von einem berechtigten, die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ausschließenden Interesse des Erblassers an der Versorgung des Bezugsberechtigten kann in diesem Fall nämlich aufgrund der typisierenden Betrachtungsweise, die der Abgrenzung der zum Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung berechtigten Hinterbliebenen gemäß §§ 46 bis 48 SGB VI zugrunde liegt, nicht ausgegangen werden.
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c) Da das FG eine andere Ansicht vertreten hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.
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2. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen. Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtmäßig. Der vom Kläger mit dem Tod des L erworbene Anspruch gegen V auf die vereinbarte Versicherungssumme unterliegt der Erbschaftsteuer. Der Anspruch war aufgrund des Einverständnisses des L mit dem Abschluss der Direktversicherung durch seinen Arbeitgeber auf den Arbeitsvertrag des L zurückzuführen. Der Kläger erfüllt als bloßer Lebensgefährte des L nicht die in §§ 46 bis 48 SGB VI bestimmten persönlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des L.