04.11.2014 · IWW-Abrufnummer 143119
Finanzgericht Münster: Urteil vom 13.02.2014 – 3 K 210/12 Erb
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster
3 K 210/12 Erb
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob das der Klägerin im Erbwege zugewandte Vermögen der Besteuerung als Zweckzuwendung gemäß §§ 1 Nr. 3, 8 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) unterliegt.
Die 2010 verstorbene Erblasserin hatte die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Arbeitgeberin der Erblasserin in ihrem notariellen Testament vom 23.08.1989 als alleinige Erbin eingesetzt. Ausweislich des Testamens machte sie
"… meiner Erbin die Auflage, das Ererbte nur zu Gunsten von Angehörigen der Firma D zu verwenden, die in Not geraten sind und deren persönliche, dienstvertragliche oder von der öffentlichen Hand zu erlangenden Mittel nicht genügen, die Not angemessen ausreichend zu lindern."
Auf der Grundlage dieser testamentarischen Anordnung traf die Geschäftsführung der Klägerin mit ihren Belegschaftsvertretungen am 12.08.2010 eine Betriebsvereinbarung über die Verwendung der Erbschaft u. a. des Inhalts, dass Begünstigte
" … Mitarbeiter an allen deutschen Standorten, die sich in einer Notlage bzw. schwierigen finanziellen Situation befinden und diese durch eigene oder zu beanspruchende fremde Mittel nicht ausreichend lindern können …"
so wie deren Angehörige sein sollten. Zu den Einzelheiten wird auf die Betriebsvereinbarung (Blatt 24 bis 27 der Steuerakte) Bezug genommen.
In ihrer am 16.09.2010 abgegebenen Erbschaftsteuererklärung erklärte die Klägerin den im Wesentlichen aus Geldvermögen bestehenden Nachlass mit X Euro und beantragte, die Auflage zu Gunsten der Mitarbeiter der Klägerin mit dem gleichen Betrag als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG zu berücksichtigen.
In der Erbschaftsteuerfestsetzung durch Bescheid vom 01.10.2010 legte der Beklagte Nachlassgegenstände wie erklärt zu Grunde und setzte die Erbschaftsteuer nach Berücksichtigung des Pauschbetrags für Erbfallkosten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG und des Freibetrags gemäß § 16 Abs. 1 ErbStG in Höhe von 20.000 Euro unter Berücksichtigung der Steuerklasse drei und eines Steuersatzes von 30 % auf X Euro fest. Eine Verbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG berücksichtigte er dagegen nicht. Zu den Einzelheiten wird auf den Steuerbescheid (Blatt 41 bis 44 der Steuerakte) Bezug genommen.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 04.11.2010, mit dem sie weiter die Auffassung vertrat, dass eine Verbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG zu berücksichtigen sei. Die Besteuerung einer Zweckzuwendung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 8 ErbStG komme nicht in Betracht. Voraussetzung einer Zweckzuwendung sei nämlich, dass ein unbestimmter Personenkreis bedacht worden sei. Die Klägerin habe aber die Auflage der Erblasserin durch die Betriebsvereinbarung vom 12.08.2010 umgesetzt und sichergestellt, dass ausschließlich Mitarbeiter der Klägerin und deren Angehörige von dem Nachlass profitierten. Die von der Erblasserin gemachte Auflage begünstige damit bestimmbare Personen, die mit dem Moment der Zuwendung konkretisiert seien. Eine Besteuerung bei diesen Erwerbern sei somit möglich mit der Folge, dass das zur Zweckerfüllung eingesetzte Vermögen nicht unbesteuert bleibe.
Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 12.12.2011 als unbegründet zurück. Er vertrat die Auffassung, der von der Klägerin erworbene Nachlass sei gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 3, 8 ErbStG als Zweckzuwendung zu besteuern. Tatbestandsvoraussetzung nach § 8 ErbStG sei die Zweckwidmung und damit ein unentgeltlicher Vermögensübergang, der bestimmte Personen oder bestimmte Personenkreise nicht unmittelbar begünstige. Es habe zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin keine Bereicherung eines bestimmten Personenkreises stattgefunden. Keiner der Mitarbeiter der Klägerin habe unmittelbar Gelder aus dem Nachlass erhalten oder gar einen zivilrechtlichen Anspruch auf Auszahlung von Nachlassvermögen erworben. Es sei insoweit nur ein unbestimmter Personenkreis bedacht worden.
Mit ihrer Klage vom 16.01.2012 verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Berücksichtigung einer Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG weiter. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus dem Einspruchsverfahren verweist die Klägerin darauf, dass mit der zu dem Testament der Klägerin getroffenen Betriebsvereinbarung gewährleistet werde, dass der Nachlass entsprechend der Verfügung ausschließlich für Mitarbeiter der Klägerin sowie deren Angehörige verwandt werde. Es handele sich damit um bestimmbare Personen, so dass eine Besteuerung des Erwerbs bei einem weiteren Erwerber sichergestellt sei. Die Klägerin sei als Zwischenerwerberin auf Grund der Auflage nicht bereichert.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Änderung des Bescheids vom 01.10.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.12.2011 die Erbschaftsteuer erklärungsgemäß auf 0 Euro herabzusetzen,
hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung.
Die Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 06.02.2014 erörtert. Zu den Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins (Blatt 67/68 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat den Anfall des Nachlasses bei der Klägerin zutreffend als Zweckzuwendung der Erbschaftsteuer unterworfen.
Gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 3, 8 ErbStG unterliegen Zweckzuwendungen der Erbschaftsteuer. Zweckzuwendungen sind Zuwendungen von Todes wegen oder freigebige Zuwendungen unter Lebenden, die mit der Auflage verbunden sind, zu Gunsten eines bestimmten Zwecks verwendet zu werden oder die von der Verwendung zu Gunsten eines bestimmten Zwecks abhängig sind, soweit die Bereicherung des Erwerbers hierdurch gemindert wird. Zweckzuwendungen sind danach Zuwendungen an eine Person, die mit der Verpflichtung verbunden sind, das zugewendete Vermögen für bestimmte fremde Zwecke zu verwenden. Eine Zweckzuwendung besteht damit stets aus zwei Elementen: der eigentlichen Zuwendung und der Zweckwidmung in Form einer Auflage oder Bedingung. Dabei kommt ein unpersönlicher Sachzweck in Betracht oder aber - in Abgrenzung zu § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG, § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG - die Begünstigung eines unbestimmten Personenkreises.
§§ 1 Abs. 1 Nr. 3, 8 ErbStG dienen damit gesetzgeberischer Intention, Besteuerungslücken in den Fällen zu schließen, in denen das einem Empfänger zugewendete Vermögen keiner dritten Person unmittelbar zu Gute kommt und damit eigentlich einer Besteuerung mangels Bereicherung entzogen wäre (vgl. Griesel in Daragan/Halacynski/Riedl, Praxiskommentar Erbschaftsteuergesetz und Bewertungsgesetz Rz. 1 zu § 8 ErbStG; BFH, Urteil vom 20.12.1957 III R 250/56 U, Bundessteuerblatt III 1958, 79 und Urteil vom 25.10.1995 II R 20/92, Bundessteuerblatt II 1996, 99 mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Ein Personenkreis ist jedenfalls dann unbestimmt, wenn er „vage“ ist (so BFH, Urteil vom 20.12.1957, a. a. O.). Die Begünstigten dürfen weder namentlich identifizierbar sein noch von dem Beschwerten auf Grund eines eigenen Bestimmungsrechts konkretisiert werden (vgl. Griesel in Daragan/Halacynski/Riedl, a. a. O. Rz. 2 zu § 8 ErbStG). Beispielhaft wird ein unbestimmter Personenkreis angenommen, wenn die Begünstigung allen Obdachlosen einer bestimmten Stadt zu Gute kommen soll (vgl. Griesel in Daragan/Halacynski/Riedl, Praxiskommentar ErbStG und Bewertungsgesetz Randziffer 2 zu § 8 ErbStG; Esskandari in Gürsching/Enger, Bewertungsrecht Bewertungsgesetz ErbStG Kommentar, Randziffer 22 zu § 8 ErbStG; Weinmann in ErbStG Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz mit Bewertungsgesetz, Rz. 7 zu § 8 ErbStG; BFH, Urteil vom 20.12.1957, a. a. O.).
In Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall geht der Senat davon aus, dass es sich bei der Zweckbestimmung seitens der Erblasserin um die Begünstigung eines unbestimmten Personenkreises handelt. Zwar hat die Erblasserin die Begünstigung auf die Mitarbeiter der Klägerin beschränkt. Jedoch reicht dieses Kriterium allein nicht aus, insoweit von einer direkten Zuwendung der Erblasserin an bestimmte Personen im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG auszugehen. Denn allein auf Grund der Anordnung der Erblasserin hat keiner der Mitarbeiter der Klägerin - worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat - einen Rechtsanspruch auf bestimmte Zahlungen aus dem Nachlass der Erblasserin. Es steht auch nicht von vornherein fest, welcher der Mitarbeiter der Klägerin in den Genuss der Begünstigung kommen wird, da gar nicht absehbar ist, in welcher Person welches konkreten Mitarbeiters die Voraussetzungen der Begünstigung (Krankheit, Mittellosigkeit) eintreten wird. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass infolge der betrieblichen Vereinbarung zwischen der Geschäftsführung und den Arbeitnehmervertretungen der Klägerin auch Angehörige der Mitarbeiter in den begünstigten Kreis einbezogen wurden, ein Umstand, der sich so aus dem Testament nicht ergibt und deshalb eine eigenständige Bestimmung zuwendungsbegünstigter Personen durch die Klägerin als Erbin darstellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.
Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts.