19.08.2015 · IWW-Abrufnummer 178873
Bundesfinanzhof: Urteil vom 12.05.2015 – IX R 32/14
1. Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der gleitenden Übergabe von Privatvermögen können grundsätzlich auch weiterhin als Rente oder dauernde Last abgezogen werden, wenn die Vermögensübertragung vor dem 1. Januar 2008 vereinbart worden ist und wenn die Voraussetzungen von § 52 Abs. 23e Satz 2 EStG i.d.F. durch das JStG 2008 nicht vorliegen.
2. Es kommt insofern nicht darauf an, in welchem Zeitpunkt der Nießbrauch abgelöst und die Versorgungsleistung vereinbart worden sind. Unerheblich ist auch, ob die Ablösung des Nießbrauchs und der Zeitpunkt bereits im Übergabevertrag verbindlich vereinbart waren (entgegen BMF-Schreiben vom 11. März 2010, BStBl I 2010, 227, Rz 85).
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 13. März 2014 4 K 298/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe
I.
1
Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) Altenteilsleistungen als Sonderausgaben abziehen darf.
2
Der Vater des Klägers gab 1998 seinen landwirtschaftlichen Betrieb auf und überführte den Grundbesitz in sein Privatvermögen. Im März 2007 übertrug er den verpachteten Grundbesitz im Wege vorweggenommener Erbfolge unentgeltlich auf den Kläger und behielt sich und der Mutter des Klägers den Nießbrauch daran vor. Im Vertrag ist für den Fall des Verzichts auf den Nießbrauch vorgesehen, dass der Kläger an den ehemaligen Nießbraucher einen monatlich wiederkehrenden Betrag zu zahlen hat, der der Höhe nach etwa den erzielbaren Netto-Pachteinnahmen des übertragenen Grundbesitzes entsprechen und als dauernde Last vereinbart werden sollte.
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Im November 2010 verzichteten die Eltern des Klägers auf den Nießbrauch und vereinbarten mit ihm ein jährliches Baraltenteil von 15.000 € beginnend ab dem 1. Januar 2011 mit wechselseitigen Anpassungsverpflichtungen. Im Streitjahr erzielte der Kläger aus der Verpachtung des übertragenen Grundbesitzes steuerbare Einkünfte von 24.603 €. Die Altenteilszahlungen leistete er vereinbarungsgemäß.
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In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2011) machten der Kläger und seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau (Klägerin) die Altenteilsleistungen als Sonderausgaben geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) lehnte den Abzug ab und wies den dagegen gerichteten Einspruch zurück. Bei der Übertragung von Privatvermögen vereinbarte Altenteilsleistungen seien nach dem im Zeitpunkt der Vereinbarung geltenden Recht nicht mehr als Sonderausgaben abzugsfähig. Zwar sei die Rechtslage im Zeitpunkt der Vermögensübertragung noch anders gewesen. Darauf komme es jedoch nur an, wenn im Übertragungsvertrag ein konkreter Zeitpunkt für den Verzicht auf das Nießbrauchsrecht vereinbart gewesen sei (Rz. 85 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen —BMF— vom 11. März 2010, BStBl I 2010, 227), was hier nicht der Fall sei.
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Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2014, 1088). Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes —EStG— (2011).
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Das FA beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
II.
8
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtordnung —FGO—). Im Ergebnis zu Recht hat das FG erkannt, dass § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008; EStG n.F.) vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150) auf die im Streitfall zu beurteilenden Versorgungsleistungen nicht anwendbar ist, sondern § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der davor geltenden Fassung (EStG a.F.).
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1. Das neue Recht, wonach Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung von Privatvermögen grundsätzlich nicht mehr als Sonderausgaben abgezogen werden können, ist auf die im Streitfall zu beurteilende Versorgungsleistung nicht anwendbar, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für seine Anwendung nicht vorliegen.
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a) Die Übergangsvorschrift in § 52 Abs. 23e EStG i.d.F. des JStG 2008 (EStG 2008; im Streitjahr: § 52 Abs. 23g EStG ; heute: § 52 Abs. 18 Sätze 1 und 2 EStG ) regelt die Anwendung des neuen Rechts.
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aa) Nach § 52 Abs. 23e Satz 1 EStG 2008 ist § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG n.F. auf Versorgungsleistungen anzuwenden, die auf nach dem 31. Dezember 2007 vereinbarten Vermögensübertragungen beruhen. Diese Voraussetzung ist im Streitfall schon deshalb nicht erfüllt, weil die hier allein in Betracht kommende Vermögensübertragung nicht nach dem 31. Dezember 2007 vereinbart worden ist, sondern im März 2007.
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bb) Auf vor dem 1. Januar 2008 geschlossene Übergabeverträge ist § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG n.F. nur dann anwendbar, wenn das übertragene Vermögen nur deshalb ausreichenden Ertrag bringt, weil ersparte Aufwendungen mit Ausnahme des Nutzungsvorteils eines zu eigenen Zwecken vom Vermögensübernehmer genutzten Grundstücks zu den Erträgen des Vermögens gerechnet werden ( § 52 Abs. 23e Satz 2 EStG 2008). Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
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b) Entgegen der Auffassung des FG ist die Anwendung des alten Rechts nach dem eindeutigen Wortlaut der Anwendungsvorschrift nicht davon abhängig, dass die Versorgungsleis- tung auf einer vor dem 1. Januar 2008 vereinbarten Vermögensübertragung beruht. Diese Annahme hat das Urteil jedoch nicht beeinflusst, da das FG im Ergebnis zu Recht die Anwendbarkeit des neuen Rechts verneint hat.
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c) Für die Frage, ob altes oder neues Recht anwendbar ist, kommt es nicht darauf an, wann die Versorgungsleistung vereinbart worden ist. Das alte Recht ist vielmehr auf alle Versorgungsleistungen (Renten, dauernde Lasten) anzuwenden, für die das neue Recht nach Maßgabe der abschließend formulierten Übergangsvorschrift nicht zur Anwendung gelangt. Der Gesetzgeber hat sich insofern bewusst dafür entschieden, auf Altverträge ohne zeitliche Einschränkung das alte Recht weiter anzuwenden (vgl. BTDrucks 16/7036, S. 18). Das schließt die Fälle der gleitenden Vermögensübergabe ein. Aus der Formulierung der Übergangsvorschrift und der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass es hierfür allein auf den Zeitpunkt des Übergabevertrags ankommen soll.
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d) Die hiervon abweichende Auffassung der Finanzverwaltung, wonach in derartigen Fällen das alte Recht nur gelten soll, wenn die Ablösung des Nießbrauchsrechts gegen Versorgungsleistungen und der Zeitpunkt bereits im Übertragungsvertrag verbindlich vereinbart waren (vgl. Rz. 85 des BMF-Schreibens in BStBl I 2010, 227), findet im Gesetz keine Stütze. Es bedarf keiner Entscheidung, ob sie, wäre sie Gesetz geworden, mit der Verfassung in Einklang stünde (Rückwirkung, Gleichheit, Vertrauensschutz).
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2. Rechtsfehlerfrei ist das FG davon ausgegangen, dass die im Streitfall zu beurteilenden Zahlungen des Klägers in dem für die Anwendung von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG nach altem wie nach neuem Recht erforderlichen sachlichen Zusammenhang mit einer (unentgeltlichen) Vermögensübertragung stehen und dass es sich deshalb i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. um dauernde Lasten handelt.
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a) Der für die Abziehbarkeit als dauernde Last erforderliche sachliche Zusammenhang mit der Vermögensübergabe wird nicht dadurch unterbrochen, dass sich der Übergeber zunächst den Nießbrauch an dem übertragenen Vermögen vorbehalten hat und der Nießbrauch aufgrund eines später gefassten Entschlusses durch wiederkehrende Leistungen ersetzt wird (Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 3. Juni 1992 X R 147/88 , BFHE 169, 127, BStBl II 1993, 98 [BFH 03.06.1992 - X R 147/88] ). In diesem Fall ist es nicht erforderlich, dass die Ablösung bereits im Übergabevertrag vereinbart ist. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Versorgungsrente —wenn auch betragsmäßig eingeschränkt— den ursprünglich vereinbarten Vorbehaltsnießbrauch ersetzt (gleitende Vermögensübergabe; BFH-Urteil vom 16. Juni 2004 X R 50/01 , BFHE 207, 114, BStBl II 2005, 130 [BFH 16.06.2004 - X R 50/01] ). An diesen Grundsätzen hat der Gesetzgeber bei der Neufassung von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG durch das JStG 2008 nichts geändert.
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b) Davon ausgehend, hat das FG im Streitfall zu Recht den sachlichen Zusammenhang der Versorgungsleistung mit der Vermögensübergabe bejaht und insbesondere keine Anhaltspunkte für eine entgeltliche Ablösung des Nießbrauchs erkannt.
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3. Für die von den Beteiligten hilfsweise angestellten Überlegungen, ob die Zahlungen des Klägers an seinen Vater als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen oder als Anschaffungskosten behandelt werden müssten, verbleibt danach kein Raum. Die Beteiligten und das FG sind insofern übereinstimmend und zu Recht davon ausgegangen, dass es sich im Streitfall um (privat veranlasste) Versorgungsleistungen handelt, die unter § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG fallen. Hiervon wäre unter den vom FG festgestellten Umständen sogar im Zweifel auszugehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 207, 114, [BFH 16.06.2004 - X R 50/01] BStBl II 2005, 130, [BFH 16.06.2004 - X R 50/01] unter II.2.). Dies schließt die Annahme einer entgeltlichen Vermögensübertragung (Anschaffungskosten) ebenso aus wie die Annahme, dass die Zahlungen durch die werbende Tätigkeit des Vermögensübernehmers veranlasst sind.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .