27.07.2016 · IWW-Abrufnummer 187485
Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 27.04.2015 – 2 LB 27/14
Das Bestattungsgesetz SH sieht die gemeindliche Pflicht zur Vornahme der Bestattung als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe an und bestimmt durch den Rechtsfolgenverweis auf die §§ 230, 238 LVwG, dass die Gemeinde die Bestattung ohne vorherigen (Grund )Verwaltungsakt als Ersatzvornahme im sofortigen Vollzug vorzunehmen und den Kostenersatz auf dem damit vorgezeichneten Weg nach § 249 LVwG zu erreichen habe. Dies führt zur Anwendung der VVKVO. Mit dem Verweis auf die VVKVO ist bestimmt, dass das Vorliegen einer unbilligen Härte bereits im Festsetzungsverfahren zu berücksichtigen ist und nicht einer der Festsetzung nachgelagerten Entscheidung über Billigkeitsmaßnahmen zugewiesen ist. Das Bestattungsgesetz bestimmt die nahen Angehörigen zu Bestattungspflichtigen, ohne darauf abzustellen, ob die Familienverhältnisse intakt gewesen sind. Der bloße Umstand, dass sich Familienmitglieder räumlich und emotional voneinander entfernt haben und die traditionellen Beziehungen nicht (mehr) unterhalten worden sind, führt nicht bereits zur Anerkennung einer besonderen Härte. Eine unbillige Härte kommt nur dann in Betracht, wenn die Umstände der persönlichen Beziehung derart schwer wiegen, dass die rechtliche Nähebeziehung dahinter vollständig zurücktritt. Dies setzt voraus, dass ein schweres vorwerfbares Fehlverhalten des Verstorbenen gegenüber dem Pflichtigen vorliegt.
Urt. v. 27.04.2015
Az.: 2 LB 27/14
In der Verwaltungsrechtssache
XXX
Streitgegenstand: Bestattungs- und Friedhofsrecht
hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2015 durch den Richter am Oberverwaltungsgericht ... als Vorsitzenden, die Richterin am Oberverwaltungsgericht ..., die Richterin am Oberverwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herr ... für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts - Einzelrichter - vom 16.10.2014 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu den Kosten der Bestattung seiner am 12.04.2012 verstorbenen Mutter ..., geschiedene ..., geborene ... .
Am 18.04.2012 erhielt das Amtsgericht ... vom Betreuungsbüro ... die Mitteilung, dass die von dort betreute Frau ... am 12.04.2012 verstorben war. Dies wurde am gleichen Tage an die Beklagte weitergegeben. Als noch lebende Angehörige wurden nach umfangreichen Ermittlungen der am ... geborene Kläger als Sohn sowie drei Töchter ermittelt, die am ... geborene ..., geb. ..., die am ... geborene Frau ..., geb. ... und die am ... geborene ..., geb. ... .
Mit Bescheid vom 20. April 2012 wurde Frau ... mitgeteilt, dass die Kremation des Leichnams im Wege der Ersatzvornahme vorgenommen worden sei. Ferner wurde sie aufgefordert, die Urne innerhalb von 4 Wochen nach Durchführung der Einäscherung beizusetzen. Für den Fall der Nichtbefolgung werde die Beisetzung im Wege der Ersatzvornahme veranlasst werden. Der Kostenbetrag wurde vorläufig auf 1.000 € veranschlagt.
Ein gleichlautender Bescheid ging am 20.04.2012 an den Kläger, am 24.04.2012 an Frau ... und am 26.04.2012 an Frau ... .
In einem weiteren Schreiben vom 07.05.2012 wurden die Geschwister darüber informiert, dass die Einäscherung am 04.05.2012 vorgenommen worden sei und die gesetzliche Frist für die Beisetzung der Urne somit am 31.05.2012 ende.
Gegen den an sie gerichteten Bescheid legte Frau ... am 09.05.2012 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2012 zurückgewiesen wurde. Frau ... legte am 14.05.2012 Widerspruch ein; dieser wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2012 zurückgewiesen.
Der Kläger meldete sich mit Schreiben vom 12.05.2012. Er teilte mit, dass er sich aufgrund seiner finanziellen Lage leider nicht in der Lage sehe, jegliche Bestattungskosten zu begleichen. Da er zu Lebzeiten keinerlei Kontakt mit seiner Mutter gehabt habe, verstehe er es nicht, heute ihre Bestattungskosten allein zu tragen. Wenn es aus rechtlichen Gründen jedoch so wäre und seine Geschwister anteilsmäßig für die Bestattung und Einäscherung herangezogen würden, würde er seinen Anteil entrichten, der jedoch auf Ratenzahlung basierend sein müsste.
Die Urne mit der Asche der Verstorbenen wurde am 06.06.2012 in der anonymen Urnengemeinschaftsanlage des Städtischen Friedhofes ... beigesetzt.
Mit Schreiben vom 01.08.2012 wurde dem Kläger und seinen Schwestern mitgeteilt, dass Bestattungskosten in Höhe von 2.075,75 € angefallen seien (Rechnung des Bestattungsinstituts ... i.H.v. 995,75 €, Gebührenbescheid Friedhofsverwaltung i.H.v. 1.080,-- €); ihnen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Lt. einem Vermerk vom 06.08.2012 ließ der Kläger durch einen Anruf seiner Ehefrau ausrichten, dass die hinterlassenen Schmuckstücke veräußert und zur anteiligen Deckung der Bestattungskosten eingesetzt werden sollten. Etwas später rief die Ehefrau des Klägers nochmals an und teilte mit, sie hänge sehr an den Schmuckstücken und möchte diese gern abholen. Ihr wurde daraufhin mitgeteilt, dass die Klärung der Eigentumsverhältnisse nicht Aufgabe der Ordnungsbehörde sei und sie eine Einigung mit den Geschwistern anstreben solle.
Mit Schreiben vom 30.08.2012 teilte die Rechtsanwältin der Frau ... mit, dass sie angesichts einer Verbindlichkeit der Verstorbenen von 14.716,54 € das Erbe ausschlage. Diese Erklärung ging beim Amtsgericht ... als Nachlassgericht am 10.09.2012 ein.
Mit Schreiben vom 11.09.2012 schlug der Kläger das Erbe aus.
Mit Bescheid vom 06.02.2013 wurden Frau ..., Frau ..., Frau ... und der Kläger mit gleichlautenden Bescheiden als Gesamtschuldner zu den Bestattungskosten i.H.v. 1.915,67 € herangezogen. Zugrundegelegt wurden die Bestatterrechnung i.H.v. 995,75 €, Friedhofsgebühren i.H.v. 1.080,-- €, Verwaltungsgebühren i.H.v. 129,-- € und Auslagen i.H.v. 3,45 €. Gegengerechnet wurden der vorgefundene Bargeldbestand und der Verkaufserlös einiger Schmuckstücke.
Gegen den erhaltenen Bescheid legte Frau ... am 19.02.2013 Widerspruch ein. Sie habe die Erbschaft ausgeschlagen. Es sei ihr aufgrund ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse nicht möglich und nicht zumutbar, die Bestattungskosten zu tragen. Sie verfüge nicht über die finanziellen Mittel. Dieser Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2013 zurückgewiesen.
Der Kläger legte mit Anwaltsschreiben vom 06.03.2013 Widerspruch ein. Seine Inanspruchnahme führe für ihn zu einer unbilligen Härte i.S.d. § 21 Abs. 2 VVKVO.
Bei seiner Geburt am ... habe seine Mutter mit dem Kindesvater zusammengelebt. Der Kindesvater sei in der Türkei verheiratet gewesen und habe dort mit seiner türkischen Ehefrau Kinder gehabt. Aus dieser Verbindung stamme auch die ältere Schwester ... .
Seine Mutter habe bereits damals erhebliche Alkoholprobleme gehabt und sich damals nicht um die Kinder gekümmert. Sobald Geld vorhanden gewesen sei, sei dieses für Alkohol aufgebracht worden. Sie sei oftmals die ganze Nacht nicht dagewesen, habe die Kinder nicht versorgt, so dass diese später die Schule nicht besuchten. Die Kinder seien ersatzweise oftmals durch die Großmutter mütterlicherseits versorgt worden.
Im Jahre 1978 sei das Jugendamt eingeschritten, habe die beiden Kinder wegen Kindeswohlgefährdung aus dem elterlichen Haushalt geholt und sie in ein Kinderheim in ... verbracht. Die Kindeseltern hätten sie zunächst nicht besuchen dürfen, erst im Jahre 1979 seien Besuche der Kinder im Haushalt der Eltern an Wochenenden erfolgt. Anlässlich eines solchen Besuchs seien die Kinder mit Wissen der Mutter in die Türkei verbracht worden und nicht mehr in das Kinderheim zurückgekehrt. Sie seien dort von der türkischen Ehefrau des Kindesvaters betreut und versorgt worden. Während die Schwester früher nach Deutschland zurückgekehrt sei, sei er, der Kläger, bis 1990 in der Türkei verblieben. Während dieser Zeit und auch später habe kein Kontakt zu der Verstorbenen vorgelegen.
Eine unbillige Härte i.S.d. § 21 Abs. 2 VVKVO liege auch aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Sein Einkommen liege unter der Pfändungsfreigrenze.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2013, per PZU zugestellt am 11.03.2013, zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 10.04.2013 Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe das ihr zustehende Auswahlermessen zwischen den verschiedenen möglichen Kostenpflichtigen fehlerhaft ausgeübt. Tatbestandsvoraussetzung der zu treffenden Ermessensentscheidung im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 21 Abs. 2 VVKVO sei das Vorliegen einer unbilligen Härte. Er - der Kläger - sei durch die Ereignisse in Kindheit und Jugend noch heute traumatisiert. Er sei aus dem Kinderheim herausgerissen und ohne Türkisch-Kenntnisse in die Türkei verbracht worden, wo er ein Jahrzehnt verblieben sei. Auch nach der Rückkehr nach Deutschland habe er keinerlei Kontakt zu seiner Mutter gehabt, diese habe auch nie versucht, zu ihm Kontakt aufzunehmen, geschweige denn eine Beziehung aufzubauen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse hätten bei dem Auswahlermessen zwischen den verschiedenen Kostenschuldnern berücksichtigt werden müssen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 06.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2013 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide verteidigt. Die vier Kinder der Verstorbenen hafteten für die Bestattungskosten gem. § 13 Abs. 2 BestattG gesamtschuldnerisch im gleichen Rang. Ein Absehen oder auch nur teilweises Absehen von der Beitreibung der rechtmäßig festgesetzten Kostenschuld gem. § 21 VVKVO komme nicht in Betracht. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Bestattungspflicht und dem folgend die Kostentragungspflicht den Angehörigen des Verstorbenen aufzuerlegen, sei auch in Fällen eines zerrütteten Verhältnisses zwischen dem Verstorbenen und den pflichtigen Angehörigen sachgerecht. Ein Absehen von der Beitreibung könne daher allenfalls dann in Betracht kommen, wenn scherwiegende Verfehlungen vorlägen, wie sie sich in Straftaten von erheblichem Gewicht gegenüber den Angehörigen realisierten. Allein die Tatsache der Entfremdung, ein zerrüttetes familiäres Verhältnis, fehlende Nähe oder Unterhaltspflichtsverletzungen genügten für die Annahme einer unbilligen Härte nicht.
Auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Klägers komme es nicht an. Hier bestehe die Möglichkeit, einen Antrag auf Kostenübernahme beim zuständigen Sozialamt zu stellen. Hierauf sei der Kläger im Widerspruchsbescheid hingewiesen worden.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Einzelrichterurteil vom 16.10.2014 stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben.
Für den Kostenerstattungsanspruch könne § 13 Abs. 2 Satz 3 BestattG nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, da dort nur von Haften gesprochen werde. Maßgeblich gehe es dort allerdings um die Normierung der Gesamtschuldnerschaft. Dies werde dadurch deutlich, dass sich der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 2 Satz 3 BestattG lediglich auf die Hinterbliebenen i.S.d. § 2 Nr. 12 lit. c) bis g) BestattG beschränke. Auch die Entstehungsgeschichte des Bestattungsgesetzes spreche dafür, dass der Gesetzgeber den Kostenerstattungsanspruch in § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattG habe normieren wollen. Die Reaktion des Gesetzgebers auf die Entscheidung des Senatsurteils vom 17.03.2008 - 2 LB 35/07 - zeige, dass der Gesetzgeber den Erstattungsanspruch von Bestattungskosten in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Ersatzvornahme im Landesverwaltungsgesetz habe regeln wollen.
Insofern erfolge die Heranziehung zu den von der Beklagten aufgewandten Kosten nach historischer Auslegung des Gesetzeswortlauts aus dem in § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattG enthaltenen Rechtsfolgenverweis auf §§ 230, 238, 249 Abs. 1 LVwG i.V.m. der VVKVO.
Der Kläger sei zwar bestattungspflichtig, die Kostentragung stelle aber eine ausnahmsweise unbillige Härte i.S.d. § 21 Abs. 2 VVKVO dar. Der sozialhilferechtliche Anspruch aus § 74 SGB XII schließe jedenfalls dann, wenn im Bestattungsrecht des Landes auf eine Kostenordnung mit einer Billigkeitsklausel verwiesen werde, die Anwendung der Billigkeitsklausel nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse aus, nicht aber in Bezug auf persönliche Umstände. Die Frage der unbilligen Härte stelle sich deshalb bereits im Rahmen der Heranziehung zu den Bestattungskosten.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung sei weitgehend anerkannt, dass gestörte Familienverhältnisse im Ausnahmefall dazu führen könnten, von einer Kostentragungspflicht bezüglich der Bestattungskosten abzusehen. Wann ein solcher Fall vorliege, werde allerdings unterschiedlich beurteilt.
Im gegebenen Sachverhalt lägen die Voraussetzungen für die Annahme einer unbilligen Härte vor. Dies folge aus dem von der Mutter geduldeten Verbringen in die Türkei und der auch später andauernden Entfremdung vom Kläger.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 11.12.2014 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
Die Beklagte trägt vor, das Verwaltungsgericht weiche mit seinem Urteil von den Grundsätzen ab, die das OVG in seinem Beschluss vom 26.05.2014 - 2 O 31/13 - aufgestellt habe. Zum Weiteren verkenne das Verwaltungsgericht, dass die Härtefallregelung des § 21 Abs. 2 VVKVO die Frage der Kostentragungspflicht nicht betreffe, sondern dieser nachgelagert sei. Die Ausführungen zum Vorliegen einer unbilligen Härte seien unschlüssig und im Übrigen zu weitgehend.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgericht zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er sei in die Türkei verschleppt worden. Diese Erlebnisse bewegten ihn heute noch und hätten ihn traumatisiert.
Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvortrags im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Bescheid vom 06.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2013 erweist sich als rechtmäßig. Die Beklagte zieht den Kläger zu Recht zu den Kosten für die Bestattung seiner Mutter heran.
Rechtsgrundlage des Kostenbescheides ist § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattG i.V.m. §§ 230, 238, 249 LVwG i.V.m. der Landesverordnung über die Kosten im Vollzugs- und Vollstreckungsverfahren (VVKVO). Gem. § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattG hat bei Nichtvorhandensein oder Säumigkeit eines Bestattungspflichtigen die für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständige Gemeinde entsprechend §§ 230 und 238 LVwG für die Bestattung zu sorgen.
Mit § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattG wollte der Landesgesetzgeber die im Senatsurteil vom 17.03.2008 - 2 LB 35/07 - gerügte Lücke im Gesetzeswerk schließen und für die bestattende Gemeinde die bisher nicht vorhandene Ermächtigung dafür schaffen, die Erstattung der Bestattungskosten vom säumigen Bestattungspflichtigen zu verlangen. Das Bestattungsgesetz sieht die gemeindliche Pflicht zur Vornahme der Bestattung gem. § 27 BestattG als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe an und bestimmt durch den Rechtsfolgenverweis auf die §§ 230 und 238 LVwG, dass die Gemeinde die Bestattung ohne vorherigen (Grund-)Verwaltungsakt als Ersatzvornahme im sofortigen Vollzug vorzunehmen und den Kostenersatz auf dem damit vorgezeichneten Wege nach § 249 LVwG zu erreichen hat. Dies führt gem. § 249 Abs. 3 bis 5 LVwG zur Anwendung der VVKVO (vgl. Senatsbeschl. v. 04.03.2014 - 2 O 21/13 -).
Zwar bestimmt § 27 Abs. 3 BestattG, dass für Amtshandlungen nach diesem Gesetz von den Gemeinden Kosten (Gebühren und Auslagen) nach dem Kommunalabgabengesetz erhoben werden, was zur Folge hätte, dass die Auslagen im Rahmen des § 5 Abs. 5 KAG zu erstatten wären. § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattG weist jedoch den Weg zur Ersatzvornahme im sofortigen Vollzug und damit zum vollstreckungsrechtlichen Regime und formuliert damit eine Ausnahme von der allgemeinen Regel.
Die Beklagte hat die Bestattung in rechtlich bedenkenfreier Form vorgenommen. Der Kläger war als Sohn der Verstorbenen gemeinsam mit seinen Schwestern gem. § 2 Nr. 12 lit. c BestattG bestattungspflichtig und konnte erst am 20.04.2012 ermittelt werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Ermittlungsbemühungen der Beklagten nachlässig betrieben worden wären oder dass neben den drei ermittelten Schwestern weitere vor- oder gleichrangige Bestattungspflichtige vorhanden wären, sind nicht erkennbar. Angesichts der neuntägigen Bestattungsfrist des § 16 Abs. 1 2.HS BestattG ist auch nichts dagegen zu erinnern, dass der Bestattungsauftrag für die am 12.04.2012 Verstorbene bereits erteilt worden war. Dem Kläger wurde darüber hinaus mit Schreiben vom 20.04.2012 angeboten, in den bestehenden Bestattungsauftrag einzutreten und die Urne beizusetzen. Hierzu hat er sich mit Schreiben vom 12.05.2012 mit Hinweis auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse geäußert.
Steht die Bestattungspflicht eines Angehörigen fest, wird die Gemeinde ermächtigt, die erstattungsfähigen Kosten für die von ihr veranlasste Bestattung gegenüber dem Pflichtigen geltend zu machen. Bei der Entscheidung hierüber handelt sich um einen Fall des intendierten Ermessens, d.h. in der Regel ist nur die Entscheidung für die Inanspruchnahme des Pflichtigen ermessensfehlerfrei (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 09.06.2008 - 4 ZB 07.2815 -, BayVBl 2009. 537 m.w.N.). Die Angehörigen eines Verstorbenen stehen diesem im Sinne einer Solidargemeinschaft ungeachtet ihrer persönlichen Beziehungen zueinander allein schon aufgrund der familiären Verbundenheit regelmäßig näher als die Allgemeinheit, so dass es vorrangig ihnen obliegen muss, für eine Bestattung zu sorgen und die damit verbundenen Kosten zu tragen. Bei der Bestattungspflicht und der hieraus resultierenden Kostentragungspflicht geht es vor allem darum, die private Verantwortungssphäre von derjenigen der Allgemeinheit abzugrenzen.
Eine vorgenommene Erbausschlagung entbindet den Kostenpflichtigen weder von seiner allein ordnungsrechtlich begründeten Bestattungs- noch von der Kostenpflicht. Auch soweit § 1968 BGB regelt, dass den Erben die Verpflichtung zur Tragung der Bestattungskosten trifft, hindert dies die Inanspruchnahme eines Bestattungspflichtigen für die aus der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht resultierenden Kosten nicht. Es ist deshalb unerheblich, ob der Bestattungspflichtige die Erbschaft gem. § 1942 ff BGB ausgeschlagen hat. Durch die Ausschlagung der Erbschaft kann sich ein Erbe nur von solchen Verbindlichkeiten befreien, die ihren Rechtsgrund gerade in der Erbenstellung haben. Verpflichtungen aus anderem Rechtsgrund bleiben hingegen auch nach der Ausschlagung der Erbschaft bestehen. Dies gilt u. a. für die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht und die hieran anknüpfende Kostenerstattungspflicht, welche auf einem vom Zivilrecht unabhängigen Rechtsgrund beruhen (Verwaltungsgericht Dessau, Urt. v. 26.04.2006 - 1 A 34/06 -; Verwaltungsgericht Stade, Urt. v. 27.07.2006- 1 A 539/05 - ; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urt. v. 19.10.2005 - 1 S 681/04 -; Verwaltungsgericht Bremen, Urt. v. 20.08.2009 - S 5 K 3522/08 -).
Die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht und die gem. § 1968 BGB aus der Erbenstellung erwachsende zivilrechtliche Pflicht, die Beerdigungskosten zu tragen, sind vielmehr streng voneinander zu unterscheiden. Zwar geht für den Fall der Erbausschlagung die Vorschrift des § 1953 Abs. 1 BGB davon aus, dass der Ausschlagende so behandelt wird, als sei er nie Erbe gewesen, so dass ihn zivilrechtlich keine Kostenpflichten treffen. Dieser Umstand hat jedoch keine Auswirkungen auf das öffentlich-rechtliche Verhältnis (OVG Saarlouis, Urt. v. 27.12.2007 - 1 A 40/07 -; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urt. v. 19.10.2004 - 1 S 681/04 -, VBlBW 2005, 141; OVG Lüneburg, Beschl. v. 09.12.2002 - 8 LA 158/02 -; Verwaltungsgericht Chemnitz, Beschl. v. 22.06.2000 - 3 K 810/00 -; Verwaltungsgericht Dresden, Urt. v. 24.02.2010 - 4 K 1946/06 -; Verwaltungsgericht Braunschweig, Urt. v. 01.09.2005 - 5 A 208/05 -; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urt. v. 18.02.2009 - 23 K 1676/08 -; Verwaltungsgericht Gießen, Urt. v. 05.04.2000, NVwZ-RR 2000, 795 [VG Gießen 05.04.2000 - 8 E 1777/98]; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urt. v. 12.12.2003 - 3 K 1991/03 -; VG Koblenz, Urt. v. 14.06.2005 - 6 K 93/05.Ko -; Stelkens/Seifert, DVBl. 2008, 1537 [1539] m. w. N.; Repkewitz, VBlBW 2010, 228).
Durch die Ausschlagung der Erbschaft kann sich ein Erbe nur von solchen Verbindlichkeiten befreien, die ihren Rechtsgrund gerade in der Erbenstellung haben. Verpflichtungen aus einem anderen Rechtsgrund bleiben hingegen auch nach der Ausschlagung der Erbschaft weiterhin bestehen (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. vom 14.12.2011 - 4 C 11.1910 -). Dies gilt u.a. für die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht und die hieran anknüpfende Kostenerstattungspflicht (Verwaltungsgericht des Saarlandes, Beschl. v. 08.12.2010 - 11 L 2288/10 -, NVwZ-RR 2011, 392 = KKZ 2012, 161).
Der nach den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen Bestattungspflichtige hat jedoch die Möglichkeit, in einem zivilgerichtlichen Verfahren Ersatzansprüche gegen den Erben oder einen anderen zur Tragung der Bestattungskosten Verpflichteten geltend zu machen, da diese nach § 1968 BGB bzw. nach den anderen rechtlichen Bestimmungen zivilrechtlich zur Tragung der Beerdigungskosten verpflichtet sind (Verwaltungsgericht Münster, Urt. v. 12.11.2010 - 7 K 1240/10 -, FamRZ 2011, 927 und ZEV 2011, 604).
Anders als in den Bestattungsgesetzen anderer Bundesländer (vgl. Verwaltungsgericht Oldenburg, Urt. v. 05.09.2012 - 5 A 1368/11 -, BTPrax 2012, 257; ebenso OVG Niedersachsen, Beschl. v. 19.12.2012 - 8 LA 150/12 -, FamRZ 2013, 1251; anders dann Beschl. v. 09.07.2013 - 8 ME 86/13 -, NJW 2013, 2983) berührt nach schleswig-holsteinischem Landesrecht eine bestehende unbillige Härte eine nach dem Bestattungsgesetz bestehende Bestattungspflicht nicht (mit der Folge, dass ein evtl. vorhandener Nachrangiger nachrückte), sondern ist bei der Frage der der Bestattung nachfolgenden Heranziehung zu den aufgewandten Kosten zu erörtern.
Der bestehenden Bestattungspflicht kann deshalb das familiäre Verhältnis zum Verstorbenen nicht erfolgreich entgegen halten. Denn die unbeschränkte öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht verstößt nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung auch in Härtefällen, in denen die Durchführung der Bestattung für den Pflichtigen wegen des persönlichen Verhaltens des Verstorbenen als grob unbillig erscheint, weder gegen die allgemeine Handlungsfreiheit des Bestattungspflichtigen nach Art. 2 Abs. 1 GG noch gegen das rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsgebot.
Da die Bestattungspflicht vor allem der Gefahrenabwehr dient, können innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit keine längeren Untersuchungen über die persönlichen Beziehungen der nächsten Angehörigen mit dem Verstorbenen und über dessen etwaige Verfehlungen angestellt werden, sondern müssen möglichst schnell und eindeutig festzustellende objektive Maßstäbe eingreifen. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht von der schon gewohnheitsrechtlich den nächsten Angehörigen obliegenden Totenfürsorge bei gestörten Familienverhältnissen abzusehen und stattdessen die Kosten der Bestattung auf die Allgemeinheit zu verlagern.
Anders als in anderen Bundesländern ist in Schleswig-Holstein auch nicht auf den verfassungsrechtlich aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zurückzugreifen, um Härtefällen zu begegnen. Schleswig-Holstein hat mit dem Verweis auf die §§ 230, 238 LVwG den Weg gewählt, gem. § 249 Abs. 3 bis 5 LVwG die Zumutbarkeit der Kostentragung im Rahmen des § 21 Abs. 2 VVKVO prüfen zu lassen. Nach dieser Vorschrift kann von einer Berechnung und Beitreibung der Gebühren und Auslagen teilweise oder ganz abgesehen werden, wenn die Beitreibung der Kosten für die Schuldnerin oder den Schuldner eine unbillige Härte bedeutete.
Mit dem Verweis auf die VVKVO und damit auch auf deren § 21 Abs. 2 ist indes auch bestimmt, dass das Vorliegen einer unbilligen Härte bereits im Festsetzungsverfahren zu berücksichtigen ist und nicht erst in einer der Festsetzung nachgelagerten Entscheidung über Billigkeitsmaßnahmen. Deshalb ist der Gesichtspunkt einer eventuell vorliegenden unbilligen Härte schon im Anfechtungsverfahren gegen den Kostenheranziehungsbescheid zu behandeln. Anders als auf dem Gebiet des Abgabenrechts ist der Kostenschuldner nicht auf ein gesondertes Verpflichtungsverfahren auf Erlass einer Billigkeitsmaßnahme verwiesen.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kostenschuldners spielen bei der Heranziehung zu den Kosten einer behördlich vorgenommenen Bestattung und deshalb auch bei der Erörterung einer unbilligen Härte keine Rolle. Ist der Bestattungspflichtige aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage, die Bestattungskosten zu tragen, so hat er einen Kostenerstattungsanspruch gem. § 74 SGB XII. Dieser geht einem Anspruch auf ein Absehen von der Heranziehung aus Billigkeitsgründen vor.
Der bloße Vortrag, man sei finanziell nicht in der Lage, die Kosten für die Bestattung aufzubringen, ist deshalb unerheblich (OVG des Saarlandes, Beschl. v. 11.06.2010 - 1 A 8/10 -). Soweit die Bestattungskosten nicht anderweitig, etwa durch zivilrechtliche Ausgleichsansprüche, gedeckt werden können, verbleibt dem Bestattungspflichtigen die Möglichkeit, beim zuständigen Sozialhilfeträger einen Antrag auf Kostenerstattung nach § 74 SGB XII zu stellen (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 13.7.2005 - 8 PA 37/05 -). Allein der Bezug von Sozialhilfe bzw. bescheidene finanzielle Verhältnisse können die Annahme einer unbilligen Härte i.S.d. § 21 Abs. 2 VVKVO somit nicht begründen.
Ein Entfallen der Kostenerstattungspflicht aus Billigkeitsgründen kommt daher nur in besonderen Ausnahmesituationen in Betracht, in denen einem Angehörigen schlichtweg unzumutbar ist, für die Bestattung des Verstorbenen endgültig oder auch nur vorläufig Sorge zu tragen.
Entgegen der insbesondere von den Verwaltungsgerichten des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen vertretenen Ansicht sind die zivilrechtlichen Bestimmungen, nach denen die Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten (§ 1579 BGB) oder Verwandter in gerader Linie (§ 1611 BGB) wegen grober Unbilligkeit eingeschränkt ist oder vollständig entfällt, als Maßstab für die Unzumutbarkeit nicht geeignet. Anders als die Unterhaltspflicht stellt die Bestattungspflicht kein "Dauerschuldverhältnis" zwischen Verstorbenem und bestattungspflichtigem Angehörigen dar. Bei der Pflicht zum Bestatten des Verstorbenen handelt es sich vielmehr nur um eine einmalige, mit von vornherein begrenzten Kosten verbundene. Aus diesem Grunde darf und muss die Schwelle, ab derer von einer Unzumutbarkeit auszugehen ist und die Kostentragungspflicht auf die Allgemeinheit übergeht, eine erheblich höhere sein.
Dennoch ist ein Absehen von der Kostenheranziehung nicht völlig ausgeschlossen. Die Heranziehung eines öffentlich-rechtlich Bestattungspflichtigen zu den Bestattungskosten kann in dem Falle eine unbillige Härte bilden, in dem die Familienverhältnisse so nachhaltig gestört sind, dass die Übernahme der Bestattungskosten für den Pflichtigen als grob unbillig anzusehen ist (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 30.07.2009 - 19 A 448/07 -, Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 09.06.2008 - 4 Z.B. 07.2815 -, BayVBl 2009, 537; Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Urt. v. 27.12.2007 - 1 A 40/07 -; Verwaltungsgericht Halle, Urt. v. 20.11.2009 - 4 A 318/09 -; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urt. v. 16.01.2007 - 11 K 1326/06 -).
Der Begriff der unbilligen Härte ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in § 21 Abs. 2 VVKVO mit einer Ermessensentscheidung gekoppelt ist. Diese in der Gesetzestechnik sehr oft aufzufindende Konstruktion bedeutet, dass der Behörde auf der Tatbestandsseite bei der Bewertung des Sachverhaltes ein Beurteilungsspielraum zusteht, der vom Verwaltungsgericht jedoch sehr weitgehend überprüfbar ist. Auf der Rechtsfolgenseite darf diese im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung, ob die Heranziehung des Bestattungspflichtigen zur Kostenerstattung nach Lage des Einzelfalles unbillig ist, von den Verwaltungsgerichten zwar nur nach den für die Überprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen geltenden Grundsätzen geprüft werden, also nach dem in § 114 VwGO festgeschriebenen Prüfungsschema. Gleichwohl kommt es aber in diesem Fall dennoch auch auf der Rechtsfolgenseite zu einer weitgehenden Nachprüfbarkeit und dies deshalb, weil der Maßstab der Billigkeit Inhalt und Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens bestimmt (vgl. zu der Regelung in § 14 Abs. 2 KostO NRW: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 02.021996 - 19 A 3802/95 -, NVwZ-RR 1997, 99 [OVG Nordrhein-Westfalen 02.02.1996 - 19 A 3802/95] = Städte und Gemeinderat 1997, 26).
Die Heranziehung eines öffentlich-rechtlich Bestattungspflichtigen zu den Bestattungskosten kann insbesondere unverhältnismäßig sein in den Fällen, in denen die Familienverhältnisse so nachhaltig gestört sind, dass die Übernahme der Bestattungskosten für den Pflichtigen als grob unbillig anzusehen ist (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 30.07.2009 - 19 A 448/07 -, Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 09.06.2008 - 4 Z.B. 07.2815 -, BayVBl 2009, 537; Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Urt. v. 27.12.2007 - 1 A 40/07 -; Verwaltungsgericht Halle, Urt. v. 20.11.2009 - 4 A 318/09 -; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urt. v. 16.01.2007 - 11 K 1326/06 -).
So wird in der Rechtsprechung einheitlich vertreten, dass dies bei schweren Straftaten des Verstorbenen zu Lasten des an sich Bestattungspflichtigen der Fall sein kann (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschlüsse vom 19.12.2011 - 4 C 11.2581 -, und vom 09.06.2008 - 4 ZB 07.2815 -; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 13.07.2005 - 8 PA 37/05 - und vom 19.05.2003 - 8 ME 76/03 -).
Bei der Frage, ob die familiären Verhältnisse als derart gestört anzusehen sind, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Denn das Gesetz bestimmt die nahen Angehörigen zu Bestattungspflichtigen, ohne darauf abzustellen, ob und in welchem Umfang diese nach zivilrechtlichen Grundsätzen dem Verstorbenen gegenüber unterhaltspflichtig gewesen und ob die Familienverhältnisse intakt gewesen sind. Die Anordnung der Bestattungspflicht und die Festlegung der Reihenfolge beruht auf einem vom Zivilrecht unabhängigen, der Kompetenz des Landesgesetzgebers unterliegenden Rechtsgrund. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, dass der Gesetzgeber hierbei an die den nächsten Angehörigen gewohnheitsrechtlich obliegende Totenfürsorge anknüpft und diese auch bei gestörten Familienverhältnissen vorgesehen hat, anstatt die Kosten der Bestattung auf die Allgemeinheit zu verlagern (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 09.06.2008 - 4 ZB 07.2815 -, BayVBl 2009, 537 m.w.N.; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 13.07.2005 - 8 PA 37/05 -).
Dass sich ein Elternteil um sein Kind nicht gekümmert hat oder sich nicht kümmern konnte, führt für sich deshalb noch nicht dazu, dass die dem Kind obliegende Bestattungspflicht auf die Allgemeinheit übergehen müsste (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 19.12.2011 - 4 C 11.2581 -). Denn Grundlage für die Bestattungspflicht ist gerade nicht die Solidargemeinschaft der Familie, die sich durch ein gegenseitiges Geben und Nehmen auszeichnet. Der Vortrag, es habe in der Beziehung zum Verstorbenen eine vollständige Aufgabe der familiären Bande vorgelegen, es gebe gar kein familiäres Verhältnis mehr, das zerrüttet sein könnte, ist vor dem Hintergrund der obergerichtlichen Rechtsprechung unbehelflich (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 12.09.2013 - 4 ZB 12.2526 -).
Besteht ein rechtliches Näheverhältnis in Form enger Verwandtschaft, so kommt eine Unzumutbarkeit der Tragung der Beerdigungskosten allein aufgrund der näheren Umstände der persönlichen Beziehung zwischen Pflichtigem und Verstorbenem, d.h. unabhängig von den finanziellen Verhältnissen des Pflichtigen, nur dann in Betracht, wenn diese Umstände der persönlichen Beziehung so schwer wiegen, dass die rechtliche Nähebeziehung dahinter vollständig zurücktritt. Das setzt voraus, dass ein schweres vorwerfbares Fehlverhalten des Verstorbenen gegenüber dem Pflichtigen vorliegt.
Der bloße Umstand, dass sich Familienmitglieder räumlich und emotional voneinander entfernt haben und die traditionellen familiären Beziehungen nicht mehr unterhalten worden sind, führt deshalb nicht bereits zur Anerkennung einer besonderen Härte, aufgrund derer von der Heranziehung zur Kostenerstattung abgesehen werden kann. Nicht ausreichend sind Unterhaltspflichtverletzungen (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 09.06.2008 - 4 ZB 07.2815 -; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 01.08.2008 - 8 LB 55/07 -; Verwaltungsgericht Köln, Urt. v. 20.03.2009 - 27 K 5617/07 -) oder ein zerrüttetes Verhältnis des Verstorbenen zu dessen nahen Angehörigen, das zu einem über Jahrzehnte ausbleibendem Kontakt führt (vgl. OVG Niedersachsen, Beschl. v. 01.08.2008 - 8 LB 55/07 -). Hat ein bestattungspflichtiges leibliches Kind seinen verstorbenen Vater nicht gekannt und auch keinen persönlichen Kontakt mit ihm gehabt, so reicht dies nicht aus, um eine unbillige Härte i.S.d. der Verschonungsregelungen anzunehmen (Verwaltungsgericht Köln, Urt. v. 30.05.2012 - 9 K 1361/11 -). Kein Härtefall ist nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts z.B. in einem Fall gegeben, in dem die Hinterbliebene erst nach 45 Jahren ihren später verstorbenen Vater ausfindig gemacht hat, der zuvor ihre Mutter im Säuglingsalter der Tochter verlassen hatte und der weder Unterhalt gezahlt noch eine persönliche Beziehung unterhalten hatte (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 13.07.2005 - 8 PA 37/05 -, NdsRpfl 2005, 382 = NordÖR 2005, 434 [OVG Niedersachsen 13.07.2005 - 8 PA 37/05] = FEVS 57, 228).
Hat ein bestattungspflichtiges leibliches Kind seinen verstorbenen Vater nicht gekannt und auch keinen persönlichen Kontakt mit ihm gehabt, so reicht dies nicht aus, um eine unbillige Härte i.S.d. der Verschonungsregelungen anzunehmen (Verwaltungsgericht Köln, Urt. v. 30.05.2012 - 9 K 1361/11 -). Zu fordern ist vielmehr die nachhaltige Störung der Familienverhältnisse.
Auch die ausschließlich zivilrechtliche Frage danach, ob der Verstorbene in der Vergangenheit einer bestehenden Unterhaltspflicht nicht nachgekommen ist, spielt in diesem Zusammenhang keine ausschlaggebende Rolle (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 09.06.2008, BayVBl. 2009, 537; OVG Saarlouis, Urt. v. 27.12.2007 - 1 A 40/07 -; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 21.11.2006 - 8 PA 118/06 -; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urt. v. 19.10.2004, VBlBW 2005, 141; Verwaltungsgericht Chemnitz, Urt. v. 30.07.2008 - 1 K 1629/04 -; Verwaltungsgericht Gießen, Urt. v. 05.04.2000, NVwZ-RR 2000, 795; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urt. v. 10.07.2001 - 11 K 2827/00 -; Repkewitz, VBlBW 2010, 228 ; BVerwG, Beschl. v. 19.08.1994, NVwZ-RR 1995, 283 [BVerwG 19.08.1994 - BVerwG 1 B 149.94]), denn dies ist kein so gravierendes Erlebnis, dass die Bestattung von dem Betroffenen emotional nicht geleistet werden könnte. So wird die Verletzung der Kindesunterhaltspflicht von einem Kind als nicht so gravierend wahrgenommen werden wie eine massive Verletzung der körperlichen Integrität.
Dies gilt auch und gerade vor dem Hintergrund, dass der Betroffene möglicherweise einen Anspruch auf Übernahme der Kosten durch das Sozialamt nach § 74 SGB XII hat. Denn diese Vorschrift erfasst nicht nur den Fall, dass der Betreffende finanziell nicht in der Lage ist, die Kosten zu tragen. Vielmehr kann sich die Unzumutbarkeit der Kostentragung im Sinne dieser Vorschrift auch aus dem Fehlen eines persönlichen Näheverhältnisses zwischen dem Bestattungspflichtigen und dem Verstorbenen ergeben (vgl. dazu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 09.06.2008 - 4 ZB 07.2815 -; OVG des Saarlandes, Urteil vom 27.12.2007 - 1 A 40/07 -; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.2004 - 1 S 681/04 -; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 13.07.2005 - 8 PA 37/05 -).
Besteht aber diese Möglichkeit, so besteht ein Bedürfnis nach Ausnahmen nur in eingeschränktem Maße. Es erscheint deshalb sachgerecht, diese auf die genannten gravierenden Eingriffe in die körperliche Integrität zu beschränken. Da das Gesetz selbst keine Ausnahmen vorsieht, ist insoweit eine restriktive Anwendung geboten. Nur wenn die Bestattung die Menschenwürde des an sich Bestattungspflichtigen verletzt, ist er hiervon entbunden. Dies kann aber nur bei einem Ereignis der Fall sein, das so gravierend ist, dass es für den Betroffenen eine enorme Belastung darstellt, also eine traumatische Wirkung entfaltet. Bei einem Kind wird dies wohl regelmäßig nur ein Ereignis sein können, das sich gravierend auf sein körperliches Wohlbefinden auswirkt. Denn etwa finanzielle Einschränkungen (die auf einem Fehlverhalten anderer beruhen) wird ein Kind nur eingeschränkt als negativ wahrnehmen und sie deshalb als nicht derart gravierend empfinden.
Nach diesen Maßstäben führen die vom Kläger vorgetragenen Umstände nicht zu einem Entfallen der Kostentragungspflicht. Da das Gesetz bei der Zuweisung der Bestattungspflicht allein auf den Angehörigenstatus abstellt, nicht jedoch auf das tatsächliche Bestehen eines verwandtschaftlichen Näheverhältnisses, kann aus der Intensität der familienrechtlichen Bande nicht darauf geschlossen werden, ob eine vom Gesetzgeber nicht in Betracht gezogene Härte vorliegt. Von Bedeutung darf allein sein, ob über das Nichtbestehen familiärer Beziehungen hinaus Vorkommnisse vorliegen, die das Verhältnis des Bestattungspflichtigen zum Verstorbenen derart schwer belastet haben, dass es den Betroffenen unerträglich träfe, nun für die Kosten der Bestattung aufzukommen. Dies ist für den vorliegenden Fall im Ergebnis zu verneinen.
Anknüpfungspunkte für die Annahme einer unbilligen Härte könnten in den Vorgängen liegen, die zunächst zur Einweisung des Klägers in ein Kinderheim führten, und das Verbringen des Klägers in die Türkei sein. Es ist davon auszugehen, dass die Verstorbene erziehungsunfähig war. Diese Aufgabe hatte zunächst die Mutter der Verstorbenen wahrnehmen müssen. Nach dem Einschreiten des Jugendamtes war der Mutter das elterliche Sorgerecht jedoch offenkundig nicht entzogen, sondern lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht war auf das Amt übertragen worden. Ein völliger Bruch der Eltern-KindBeziehung hatte ebensowenig stattgefunden; die Kinder waren nach einer etwa halbjährigen Trennung an den Wochenenden im Elternhaus aufhältlich.
Die Motive dafür, dass die Kinder in die Türkei verbracht wurden, sind nicht mehr aufklärbar. Der Vater des Klägers dürfte in dem Glauben gehandelt haben, dass die Kinder aus der bestehenden Situation mit Heimunterbringung und erziehungsunfähiger Mutter haben befreit werden müssen. Die Mutter hat sich dem nicht widersetzt, wobei unklar bleibt, inwieweit sie überhaupt in der Lage gewesen war, dem Willen ihres Lebensgefährten entgegenzutreten.
Ein Fehlverhalten des Vaters des Klägers ist bei der Frage, ob seine Heranziehung zu den Bestattungskosten seiner Mutter eine unbillige Härte bedeutet, unergiebig, weil hierfür nur ein Verhalten der Verstorbenen selbst, nicht aber Dritter dienen kann. Das damalige Verhalten der Mutter war wiederum die Folge ihrer eigenen Hilflosigkeit und allenfalls in sehr geringem Maße die Folge eines bewussten und eigengesteuerten und deshalb vorwerfbaren Fehlverhaltens. Auf keinen Fall gerät das damalige Fehlverhalten der Verstorbenen an den Grad der Intensität, bei dem die Rechtsprechung eine Verschonung von der Kostentragungspflicht anerkannt hat (schwere Straftaten des Verstorbenen gegenüber dem Hinterbliebenen wie Tötungsversuch, sexueller Missbrauch o.ä.).
Ohne Erfolg bleibt auch der Hinweis des Klägers, dass neben ihm auch seine drei Schwestern zur Bestattung verpflichtet gewesen und zur Erstattung der Bestattungskosten verpflichtet sind. Da gem. § 13 Abs. 2 Satz 3 BestattG gleichrangige Hinterbliebene und damit der Kläger und seine Schwestern für die Bestattungskosten als Gesamtschuldner haften, durfte die Beklagte die Leistung gem. § 421 BGB von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Dies ist geschehen.
Insoweit kann allenfalls darauf hingewiesen werden, dass die Gemeinde im Falle einer Gesamtschuldnerschaft über ein weites Ermessen hinsichtlich der Frage verfügt, welchen Schuldner in welchem Umfang sie heranzieht. Ein Zwang, dieses Auswahlermessen in bestimmter Weise auszuüben, besteht nur ausnahmsweise, wenn besondere Umstände des Einzelfalles dies gebieten. Solche besonderen Umstände sind vorliegend weder ersichtlich noch vorgetragen. Allein der Umstand, dass die Schwestern des Klägers ebenfalls Gesamtschuldner sind, ist im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft kein besonderer Umstand, sondern die Regel, da ansonsten die Gesamtschuldnerschaft zur Teilschuldnerschaft würde.
Auf die Berufung war die Klage mit der gesetzlichen Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die streitigen Fragen allein das nichtrevisible Landesrecht betreffen.
verkündet am 27.04.2015