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  • 14.12.2017 · IWW-Abrufnummer 198369

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 12.10.2017 – 3 K 1625/15 Erb

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster

    3 K 1625/15 Erb

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

    Die Revision wird zugelassen.

    1

    Tatbestand

    2

    Die Beteiligten streiten, ob die Schenkungsteuer für Schenkungen vom 00.00.2006 und vom 00.00.2008 aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 Abgabenordnung (AO) abweichend festzusetzen ist.

    3

    Der Vater des Klägers war Kommanditist der Firma O 2 GmbH & Co. KG. Im Lauf der Jahre beteiligte er den Kläger und dessen Schwestern schenkweise nach und nach an dem Unternehmen. So räumte er ihnen durch notarielle Vereinbarungen vom 10.12.1988 und vom 18.03.1995, genehmigt durch den Kläger am 25.03.1995, Unterbeteiligungen an seinem Kommanditanteil ein bzw. erhöhte die bereits eingeräumten Unterbeteiligungen.

    4

    Gegenüber dem Kläger setzte der Beklagte die Schenkungsteuer für die Übertragung vom 00.00.1988 durch Bescheid vom 07.09.1992 nach einem Erwerb von X DM unter Berücksichtigung eines Freibetrags in Höhe von 90.000 DM auf X DM fest (vgl. Steuerakte). Die Schenkungsteuerfestsetzung für die Übertragung vom 00./00.00.1995 erfolgte durch Bescheid vom 03.11.1998. Nach einem Erwerb in Höhe von X DM zuzüglich Vorerwerb in Höhe von X DM abzüglich Freibetrag in Höhe von 90.000 DM betrug die festgesetzte Steuer nach Abzug der anrechenbaren Steuer in Höhe von X DM X DM, die auch entrichtet wurde (vgl. Steuerakte).

    5

    Durch notarielle Vereinbarung vom 00.00.2000 erhöhte der Vater des Klägers die mittlerweile bestehenden Kommanditbeteiligungen seiner Kinder, für den Kläger im Nennbetrag von X DM. Bei der Schenkungsteuerfestsetzung für den Kläger durch Bescheid vom 03.11.2000 legte der Beklagte einen Erwerb in Höhe von X DM und einen Vorerwerb in Höhe von X DM zugrunde und gewährte einen Freibetrag gemäß § 13a Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) in Höhe von 600.000 DM sowie den persönlichen Freibetrag in Höhe von 400.000 DM. Nach Abzug des Anrechnungsbetrages für die Vorschenkung aus 1995 in Höhe von X DM setzte er die Schenkungsteuer auf X DM fest, die entrichtet wurde (vgl. Steuerakte).

    6

    Mit notarieller Vereinbarung vom 00.00.2005 übertrug der Vater des Klägers diesem einen Teilkommanditanteil im Nennwert von X DM sowie anteilige Beträge aus der gesamthänderisch gebundenen Rücklage und aus seinem Darlehnskonto in Höhe von insgesamt X DM. Gegen die ursprüngliche Schenkungsteuerfestsetzung vom 06.11.2006, bei der der Beklagte eine anrechenbare Steuer für die Vorerwerbe in Höhe von X Euro berücksichtigte (vgl. Blatt 55 ff der Steuerakte), legte der Kläger am 20.11.2006 Einspruch ein und wandte sich vorrangig gegen die Einbeziehung der Übertragung vom 00./00.00.1995 als Vorschenkung.

    7

    Die Schenkungsteuer setzte der Beklagte dann durch Bescheid vom 13.12.2010 auf X Euro fest. Dabei legte er einen Erwerb zum 23.03.2005 in Höhe von X Euro zugrunde und erfasste Vorschenkungen in Höhe von X Euro (X DM für die Schenkung vom 00./00.00.1995 und X DM abzüglich Freibetrag gemäß § 13a ErbStG in Höhe von 600.000 DM, also X DM für die Schenkung vom 00.00.2000). Die anrechenbare Steuer für die Vorschenkungen ermittelte er gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG dabei wie folgt:

    8

    Vorerwerb 1995 X DM

    9

    Vorerwerb 2000 X DM

    10

    X DM (= X Euro)

    11

    abzüglich Freibetrag 400.000 DM

    12

    X DM


    13

    x 19 % X DM, also X Euro.

    14

    Zu den Einzelheiten wird auf Blatt 78 (Steuerakte) und den Steuerbescheid (Blatt 192 ff Steuerakte) hingewiesen.

    15

    Hintergrund der veränderten Berechnung der anrechenbaren Steuer war, dass laut Urteil des BFH vom 02.03.2005 II R 43/03 (BStBl. II 2005, 728) bei Berücksichtigung früherer Erwerbe gemäß § 14 ErbStG die Schenkungsteuer für den letzten Erwerb so zu berechnen ist, dass sich der dem Steuerpflichtigen zum Zeitpunkt dieses Erwerbs zustehende persönliche Freibetrag tatsächlich auswirkt, soweit er nicht innerhalb von zehn Jahren vor diesem Erwerb verbraucht ist, und dass der Beklagte dieses Urteil nach dem gleichlautenden Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 01.12.2005 in allen noch offenen Fällen – so auch im Fall des Klägers – anzuwenden hatte.

    16

    Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 03.08.2011 als unbegründet zurück und wies unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH vom 09.07.2009 II R 55/08 ergänzend darauf hin, dass es sich bei der „tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtenden Steuer“ im Sinne des § 14 ErbStG um die Steuer handele, die bei zutreffender Beurteilung der Sach- und Rechtslage für diese Erwerbe festzusetzen gewesen wäre und nicht die dafür wirklich festgesetzte (bzw. gezahlte) Steuer. Zu den Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung (Blatt 215 ff Steuerakte) Bezug genommen.

    17

    Mit weiterer notarieller Übertragung vom 00.00.2006 erhöhte der Vater des Klägers dessen Kommanditanteil zu Lasten seines eigenen Kommanditanteils im Nennbetrag von X DM und wandte ihm darüber hinaus Beträge aus seiner und der gesamthänderisch gebundenen Kapitalrücklage zu. Die Schenkungsteuer für diesen Vorgang setzte der Beklagte zunächst durch Bescheid vom 02.05.2007 nach einem Erwerb in Höhe von X Euro zuzüglich Vorschenkungen in Höhe von X Euro und unter Berücksichtigung gemäß § 14 ErbStG anrechenbarer Steuern in Höhe von X Euro auf X Euro fest (Blatt 44 ff Steuerakte).

    18

    Mit dem dagegen gerichteten Einspruch wandte sich der Kläger zunächst gegen die Versagung der Vergünstigungen für die Übertragung von Betriebsvermögen gemäß § 13a ErbStG. In der Folge änderte der Beklagte die Festsetzung und setzte die Schenkungsteuer durch Bescheid vom 13.12.2010 unter Berücksichtigung einer anrechenbaren Steuer in Höhe von X Euro (Erwerbe 2000 und 2005 nach Berücksichtigung von Vergünstigungen für Betriebsvermögen in Höhe von insgesamt X Euro abzüglich Freibetrag in Höhe von 205.000 Euro unter Anwendung eines Steuersatzes von 19 %) auf X Euro fest (Blatt 184 ff Steuerakte). Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 03.08.2011 als unbegründet zurück.

    19

    Gegen die abweisenden Einspruchsentscheidungen vom 03.08.2011 wandte sich der Kläger mit Klagen in den Verfahren 3 K 3111 und 3114/11 Erb, mit denen er die Auffassung vertrat, dass die Neuberechnung der Schenkungsteuer für den Erwerb vom 00.00.2000 durch den Beklagten bei Ermittlung der Abzugssteuer gemäß § 14 ErbStG für die nachfolgenden Erwerbe in unzutreffender Anwendung der BFH – Urteile vom 02.03.2005 II R 43/03 und vom 09.07.2009 II R 55/08 erfolgt sei. Dabei trete die für den Kläger nachteilige Auswirkung allein bei der Berechnung der Schenkungsteuer für den Erwerb vom 00.00.2006 ein. Der Beklagte verkehre den Sinn und Zweck der Grundsätze des BFH – Urteils vom 02.03.2005 in sein Gegenteil. Ausweislich der Urteilsgründe solle ein Steuerpflichtiger für den Letzterwerb insoweit keine Steuern zahlen, als er für einen Vorerwerb bereits Steuern in mindestens dieser Höhe zu entrichten hatte. Im Gegensatz dazu gehe der Beklagte aber davon aus, dass für den Erwerb des Klägers vom 00.00.2000 nicht die vom Kläger tatsächlich gezahlte Steuer in Höhe von X DM sondern nur eine Steuer in Höhe von X DM (Differenz = X DM = X Euro) für die nachfolgenden Erwerbe gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG anzurechnen sei. Auch sei die erlassweise Anwendungsregelung zum diesem BFH – Urteil vom Beklagten unzutreffend für die Besteuerung des Erwerbs vom 00.00.2006 zugrunde gelegt worden. Die Anwendungsregelung habe sich allenfalls auf den Erwerb vom 00.00.2000 beziehen können. Schließlich könne der Beklagte seine Berechnung auch nicht auf das BFH – Urteil vom 09.07.2009 II R 55/08 stützen. Denn zum Zeitpunkt des Erlasses des maßgeblichen Bescheides für den Erwerb vom 00.00.2000 am 03.11.2000 habe dieser der damals geltenden Rechtslage entsprochen. Die durch das BFH – Urteil vom 02.03.2005 II R 43/03 geänderte Rechtslage könne nicht rückwirkend über deren Berücksichtigung im Rahmen der Anrechnungsvorschrift des § 14 ErbStG zum Nachteil des Klägers Eingang in die Steuerfestsetzung für einen nachfolgenden Erwerb finden.

    20

    Beide finanzgerichtlichen Verfahren wurden durch die Rücknahme der Klagen am 11.06.2012 beendet.

    21

    Mit notarieller Vereinbarung vom 00.00.2008 erfolgte die Übertragung der Kommanditeinlage seitens des Vaters auf den Kläger unter dem Vorbehalt eines lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchs. Durch Bescheid vom 06.06.2008 setzte der Beklagte die Schenkungsteuer der eingereichten Erklärung folgend zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf X Euro fest. Von diesem Betrag wurden X Euro zinslos gestundet. Den Erwerb berücksichtigte der Beklagte in Höhe von X Euro, Vorschenkungen in Höhe von X Euro. Die gemäß § 14 ErbStG angerechnete Steuer betrug X Euro (Blatt 30 ff Steuerakte). Am 21.05.2012 erging ein Änderungsbescheid, mit dem die Schenkungsteuer auf X Euro festgesetzt wurde, der Stundungsbetrag belief sich auf X Euro, Vorschenkungen und anrechenbare Steuer blieben unverändert.

    22

    Mit seinem dagegen erhobenen Einspruch vom 08.06.2012 wies der Kläger zunächst darauf hin, dass wegen der Klagerücknahme in dem Verfahren 3 K 3114/11 Erb der Vorerwerb auf den 00.00.2006 mit X Euro und die gemäß § 14 ErbStG anzurechnende Steuer mit X Euro zu erfassen seien. Außerdem sei im Zusammenhang mit der Schenkung vom 00.00.2000 eine um X Euro höhere Abzugssteuer im Sinne des § 14 ErbStG zu berücksichtigen. Zur Begründung bezog sich der Kläger auf die Begründung seiner Klage im Verfahren 3 K 3114/11 Erb. Durch Bescheid vom 15.04.2015 änderte der Beklagte den Schenkungsteuerbescheid aus hier nicht streitigen Gründen. Die anrechenbare Steuer betrug danach X Euro. zu den Einzelheiten wird auf den Bescheid (Steuerakte) Bezug genommen.

    23

    Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 26.05.2015 (ZU 27.05.2015) als unbegründet zurück.

    24

    Bereits am 04.11.2011 stellte der Kläger unter Bezugnahme auf die Begründung der Klage in dem Verfahren 3 K 3114/11 Erb den Antrag, die Schenkungsteuer für den Erwerb vom 00.00.2006 gemäß § 163 AO aus Billigkeitsgründen abweichend festzusetzen und eine Abzugssteuer gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG in Höhe von X Euro zu berücksichtigen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte am 23.07.2012 ab (vgl. Blatt 15 der Gerichtsakte). Den dagegen am 31.07.2012 erhobenen Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 23.04.2015 (Zustellung am 27.04.2015, Blatt 8 der Gerichtsakte) als unbegründet zurück.

    25

    Mit seiner Klage vom 27.05.2015 verfolgt der Kläger sein Begehren auf Berücksichtigung einer höheren anzurechnenden Steuer aufgrund der Vorschenkung vom 00.00.2000 weiter. Unter Wiederholung und Vertiefung seiner Argumentation aus dem Verwaltungsverfahren und den vorangegangenen Klageverfahren beantragt er,

    26

    1.a)

    27

    unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 23.07.2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.04.2015 den Beklagten zu verpflichten, die Schenkungsteuer des Klägers für die Schenkung vom 00.00.2006 des Schenkers O 3 gemäß § 163 AO aus sachlichen Billigkeitsgründen abweichend um X Euro niedriger festzusetzen,

    28

    1.b)

    29

    hilfsweise dazu, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 23.07.2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.04.2012 den Beklagten zu verpflichten, den Antrag des Klägers vom 04.11.2011 auf abweichende Festsetzung der Schenkungsteuer des Klägers für die Schenkung vom 00.00.2006 des Schenkers O 3 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,

    30

    2.

    31

    hilfsweise, den Schenkungsteuerbescheid des Klägers vom 21.05.2012, geändert durch Bescheid vom 15.04.2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.05.2015 zu ändern und die für die Vorerwerbe anzuziehende Steuer nach § 14 ErbStG um X Euro zu erhöhen,

    32

    3.

    33

    hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

    34

    Der Beklagte beantragt,

    35

    die Klage abzuweisen,

    36

    hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

    37

    Der Beklagte hält weiter an der Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze in den Urteilen vom 02.03.2005 und vom 09.07.2009 bei der Ermittlung der gemäß § 14 ErbStG anzurechnenden Steuer fest. Diese Rechtsauffassung werde auch durch das rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts Münster vom 23.10.2014 3 K 265/12 Erb (EFG 2015, 240) bestätigt und soweit ersichtlich nicht als unbillig kommentiert.

    38

    Der Senat hat in der Sache am 12.10.2017 mündlich verhandelt. Zu den Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

    39

    Entscheidungsgründe

    40

    Die zulässige Klage ist weder im Haupt- noch in den Hilfsanträgen begründet. Sowohl der einen Billigkeitserlass ablehnende Bescheid vom 23.07.2012 als auch der Bescheid zur Schenkung auf den 00.00.2008 vom 15.04.2015, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§§ 100 Abs. 1 Satz 1, 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO).

    41

    Gem. § 163 AO können die Finanzbehörden Steuern niedriger festsetzen, wenn deren Erhebung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Unbilligkeit kann sich entweder aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen ergeben. Dabei kommt ein Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen vorliegend nicht in Betracht und wird auch vom Kläger nicht geltend gemacht.

    42

    Die Entscheidung über einen Erlassantrag stellt eine Ermessensentscheidung dar, die der finanzgerichtlichen Nachprüfung nur insoweit unterliegt, ob die Finanzbehörden von dem ihnen eingeräumten Ermessen bestimmungsgemäßen Gebrauch gemacht haben, ob also deren Entscheidung nicht auf einer Ermessensüberschreitung oder einem Ermessensfehlgebrauch beruht (§ 102 Satz 1 FGO). Eine Verpflichtung zum Erlass der beantragten Billigkeitsmaßnahme kann nur ausgesprochen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls das Ermessen so eingeengt ist, dass jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre.

    43

    Im vorliegenden Fall sind Ermessensfehler des Finanzamts bei der Ablehnung der beantragten abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nicht erkennbar. Ebenso wenig ist das Ermessen des Finanzamts dahin gehend eingeschränkt, dass die Gewährung eines Festsetzungserlasses die einzig ermessensgerechte Entscheidung wäre. Der von der Klägerin begehrte Erlass ist nicht aus sachlichen Billigkeitsgründen gerechtfertigt.

    44

    Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen kommt in Betracht, wenn die Einziehung der Steuer zwar dem Gesetz entspricht, aber infolge eines Gesetzesüberhangs den Wertungen des Gesetzgebers derart zuwiderläuft, dass sie unbillig erscheint. Dies setzt voraus, dass der Gesetzgeber die mit der Einziehung der Steuer verbundene Härte nicht bewusst in Kauf genommen hat. Die Billigkeitsvorschriften der §§ 163, 227 AO stellen keine Ermächtigung zur Korrektur des Gesetzes dar. Die Billigkeitsmaßnahme darf nicht auf Erwägungen gestützt werden, die die vorgesehene Besteuerung allgemein oder für bestimmte Fallgruppen außer Kraft setzen würde. Ein Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit ist nur insoweit durch die Vorschriften gedeckt, wie angenommen werden kann, der Gesetzgeber würde die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage ‑ hätte er sie geregelt – im Sinne des vorgesehenen Erlasses entscheiden. Diesen Rechtsprechungsgrundsätzen (vgl. BFH, Urteile vom 04.02.2010 II R 25/08 und II R 35/09, BStBl. II 2010, 663 und BFH/NV 2010, 1601 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung) schließt sich der Senat auch für den vorliegenden Fall an.

    45

    Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer sachlichen Unbilligkeit in diesem Sinn nicht vor. Ein den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderlaufender Gesetzesüberhang bei Anwendung der Anrechnungsvorschriften des § 14 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 ErbStG durch den Beklagten, der eine sachliche Unbilligkeit begründen würde, ist nicht erkennbar.

    46

    Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG sind innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammenzurechnen, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Nach Satz 2 der Vorschrift ist von der Steuer für den Gesamtbetrag die Steuer abzuziehen, die für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Nach Satz 3 ist anstelle der Steuer nach Satz 2 die tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese höher ist. Dabei ist zur Ermittlung der fiktiven Steuer gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nur der Freibetrag abzuziehen, den der Steuerpflichtige innerhalb von zehn Jahren vor dem letzten Erwerb tatsächlich für Erwerbe von derselben Person verbraucht hat (BFH, Urteil vom 02.03.2005 II R 43/03, BStBl. II 2005, 728; Urteil vom 18.05.2011 II R 10/10, BFH/NV 2011, 2063, jeweils mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).

    47

    Die Zusammenrechnungsregelung in § 14 ErbStG soll gewährleisten, dass die Freibeträge innerhalb des zehnjährigen Zusammenrechnungszeitraums nur einmal zur Anwendung gelangen und sich für mehrere Erwerbe gegenüber einer einheitlichen Zuwendung in gleicher Höhe kein Progressionsvorteil ergibt. Die Zusammenrechnung aller Erwerbe innerhalb des Zehnjahreszeitraums soll damit verhindern, dass eine Zuwendung in mehrere aufeinander folgende Zuwendungen zerlegt wird, um eine niedrigere Erbschaftsteuerbelastung zu erreichen. Die Vorschrift ändert aber nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Erbschaftsteuer unterliegen. Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst, noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift trifft lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb eines Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist (vgl. BFH, Urteil vom 02.03.2005, a. a. O.). Mit der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG wollte der Gesetzgeber dabei unbillige Folgen für diejenigen Steuerpflichtigen vermeiden, die sich insbesondere durch für sie günstige Rechtsänderungen wie höhere Freibeträge oder niedrigere Steuersätze ergeben können. Soweit derartige Änderungen dazu führen, dass die nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG anzurechnende Steuer niedriger ausfällt als die für den Vorerwerb tatsächlich zu entrichtende Steuer, stellt § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG sicher, dass der Steuerpflichtige für den Letzterwerb insoweit keine Steuer zahlt, als er für einen Vorerwerb bereits Steuer in (mindestens) dieser Höhe zu entrichten hatte (vgl. BFH, Urteil vom 02.03.2005, a. a. O.). Die „tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen Erwerbe zu entrichtende Steuer“ i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ist die Steuer, die bei zutreffender Beurteilung der Sach- und Rechtslage für diese Erwerbe festzusetzen gewesen wäre, und nicht die dafür wirklich festgesetzte Steuer (vgl. BFH, Urteil vom 09.07.2009 II R 55/08, BStBl. II 2009, 969; FG Münster, Urteil vom 13.03.2008 3 K 1919/05 Erb, EFG 2008, 1309).

    48

    Mit dem Urteil vom 23.10.2014 3 K 265/12 Erb (EFG 2014, 240) ist der Senat diesen Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt und daran hält der Senat auch für den vorliegenden Fall fest. Das Zusammenspiel der Regelungen in § 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 ErbStG stellt sicher, dass bei der Steuerberechnung für den Letzterwerb kein zu niedriger Betrag angerechnet wird. Jedoch ist entgegen der Auffassung des Klägers die tatsächlich gezahlte Steuer nicht maßgebend, wenn sie wie im vorliegenden Fall auf einer fehlerhaften Festsetzung beruht. Dabei ist es der gesetzlichen Systematik immanent, dass die Schenkung vom 00.00.2000 eigenständig der Besteuerung unterliegt und deren Fehlerhaftigkeit im Rahmen der Anfechtung der Steuerfestsetzung für diesen Schenkungsvorgang geltend zu machen ist. Allein die Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Steuerfestsetzung im Jahr 2000 diese „unerkannt“ rechtswidrig war, begründet keine sachliche Unbilligkeit im Rahmen der rechtsprechungskonformen Anwendung der Anrechnungsvorschriften in § 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 ErbStG im Rahmen der Steuerberechnung für nachfolgende Erwerbe. Es besteht insoweit auch kein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand der im Jahr 2000 gültigen Rechtslage. Denn bei den hier streitigen Nachfolgeerwerben in 2006 und 2007 war das Urteil vom 02.03.2005 (a. a. O.) bekannt.

    49

    Unter Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze ist auch bei der Schenkungsteuerfestsetzung für den Erwerb vom 00.00.2008 kein höherer als der vom Beklagten berücksichtigte Steuerbetrag für Vorerwerbe anzurechnen.

    50

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

    51

    Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Eine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage der sachlichen Unbilligkeit in Fällen, in denen im Rahmen der Anwendung des § 14 Abs. 1 ErbStG sich die Steuerfestsetzung für einen Vorerwerb infolge einer Rechtsprechungsänderung im Nachhinein als unzutreffend erweist, ist nicht ersichtlich.