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  • 23.07.2019 · IWW-Abrufnummer 210060

    Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 15.03.2019 – 9 WF 265/18

    1. Stirbt ein Elternteil und stand die elterliche Sorge bis zu diesem Zeitpunkt den Eltern gemeinsam zu, so geht gem. § 1680 Abs. 1 BGB die elterliche Sorge auf den überlebenden Elternteil allein über.

    2. Bestandteil der elterlichen Sorge ist auch die Vermögenssorge, die allein tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen umfasst, die darauf gerichtet sind, das Kindesvermögen zu erhalten, zu verwerten und zu vermehren. Soweit die Vermögenssorge reicht, hat der überlebende Elternteil auch die Befugnis zur Vertretung des Kindes.

    3. Gem. § 1638 Abs. 1 BGB erstreckt die Vermögenssorge nicht auf das Vermögen, welches das Kind von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen.

    4. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung enthält keine Anordnung i.S. von § 1638 Abs. 1 BGB, so dass die Bestellung eines Ergänzungspflegers für die Verwaltung des ererbten Vermögens nicht in Betracht kommt.


    Tenor:

    Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 08.10.2018 (Az. 37 F 37/18) aufgehoben.

    Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

    Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
    Gründe

    I.

    Die Beteiligten streiten über die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft.

    L..., geboren am ... 2008, und Li..., geboren am ... 2009, sind die Kinder der Beteiligten zu 1. und des K... . Die Ehe der Kindeseltern wurde im Jahr 2012 geschieden.

    Der Kindesvater ist am ... 2016 verstorben. Er hinterließ noch zwei weitere Kinder.

    Mit handschriftlichem Testament vom ... 2012 hatte der Erblasser seine beiden Töchter L... und Li... als Erben zu je ½ eingesetzt und Testamentsvollstreckung angeordnet. Ferner bestimmte er, dass seine geschiedene Ehefrau N... den Minimalpflichtteil aus dem Nachlass erhält, und sie kein Wohnrecht an dem Haus (in M....) besitzt.

    Zum Nachlass gehören zwei (verpachtete) Apotheken, Guthaben auf Privat- und Geschäfts-konten sowie Immobilien im In- und Ausland.

    Mit Beschluss vom 19.03.2018 (Az. 10 VI 304/16) hat das Amtsgericht Eisenhüttenstadt den Testamentsvollstrecker wegen Untätigkeit entlassen. Die im Testament - für den Fall des Todes des Testamentsvollstreckers - weiter benannte Person lehnte die Übernahme des Amtes ab.

    Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht Eisenhüttenstadt mit Beschluss vom 08.10.2018 für beide betroffene Kinder eine Ergänzungspflegschaft angeordnet und den Beteiligten zu 2. zum Ergänzungspfleger bestellt. Der Wirkungskreis umfasst die Verwaltung des ererbten Vermögens nach dem Erblasser K... . Wegen der Begründung wird auf den Inhalt des Beschlusses verwiesen.

    Gegen diesen Beschluss hat die Mutter mit einem am 12.10.2018 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, mit der sie dessen Aufhebung erstrebt. Der Erblasser habe sie (die Mutter) nicht von der Verwaltung des ererbten Vermögens ausschließen wollen. Derartiges ergebe sich nicht aus seinem Testament.

    Der Ergänzungspfleger verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Begründung.

    II.

    Die Beschwerde ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 58 ff. FamFG zulässig. Insbesondere ist die Mutter gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft nach § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt, da durch den angefochtenen Beschluss in die elterliche Sorge als Bestandteil ihres Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG eingegriffen worden ist (BGH, FamRZ 2016, 1660; FamRZ 2008, 1156).

    In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

    Das Amtsgericht hat zu Unrecht für die minderjährigen Kinder eine Ergänzungspflegschaft hinsichtlich der Verwaltung des Nachlasses ihres am ... 2016 verstorbenen Vaters angeordnet.

    Nach § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB erhält, wer unter elterlicher Sorge steht, für Angelegenheiten, an denen die Eltern verhindert sind, einen Pfleger. Er erhält insbesondere einen Pfleger zur Verwaltung des Vermögens, das er von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen (§ 1909 Abs. 1 S. 2 BGB). Das ist hier nicht der Fall.

    Die Beteiligte zu 1. ist für die betroffenen Kinder allein sorgeberechtigt. Stirbt ein Elternteil und stand die elterliche Sorge bis zu diesem Zeitpunkt - wie hier - den Eltern gemeinsam zu, so steht nach § 1680 Abs. 1 BGB die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu. Bestandteil der elterlichen Sorge ist neben der Personensorge auch die Vermögenssorge (§ 1626 Abs. 1 BGB). Sie umfasst alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, das Kindesvermögen zu erhalten, zu verwerten und zu vermehren (Palandt/Götz, BGB, 78. Aufl., § 1626 Rz. 20). Soweit die Vermögenssorge reicht, hat der überlebende Elternteil auch die Befugnis zur Vertretung des Kindes (§ 1629 Abs. 1 S. 1, 3 BGB).

    Der Beteiligten zu 1. steht die Sorge für das gesamte Vermögen der Kinder zu. Dazu gehört auch der Nachlass des am ... .2016 verstorbenen Kindesvaters. Die Vermögenssorge der Mutter ist nicht aufgrund testamentarischer Anordnung ausgeschlossen; sie kann die Kinder bezüglich des ererbten Vermögens vertreten.

    Nach § 1638 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Vermögenssorge nicht auf das Vermögen, welches das Kind von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen.

    In dem Testament vom ... 2012 hat der Erblasser die Mutter nicht von der Vermögenssorge hinsichtlich des Nachlasses ausgeschlossen. Die letztwillige Verfügung enthält keine ausdrückliche Bestimmung, wonach das Vermögensverwaltungsrecht der Mutter beschränkt sein soll. Dies steht außer Streit. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ergibt sich eine derartige Beschränkung auch nicht im Wege der Auslegung des Testaments.

    Das Amtsgericht hat das Testament dahin ausgelegt, dass die Mutter von der Verwaltung ausgeschlossen sein soll. Dem kann nicht gefolgt werden. Bei der Auslegung ist beim Testament als Willenserklärung gemäß § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften.

    Der Ausschluss von der Vermögensverwaltung muss nicht ausdrücklich in der letztwilligen Verfügung durch den Erblasser vorgenommen werden. Es genügt, dass der Wille des Erblassers, die Eltern oder einen Elternteil von der Verwaltung auszuschließen, in der letztwilligen Verfügung wenn auch nur unvollkommen zum Ausdruck kommt (BayObLG, FamRZ 1989, 1342; FamRZ 1964, 522; Erman/Döll, BGB, 15. Aufl., § 1638 Rz. 8; MünchKomm/Huber, BGB, 7. Aufl., § 1638 Rz. 8; jurisPK-BGB/Schwer, 5. Aufl., § 1638 Rz. 3; Staudinger/Heilmann, BGB, 2016, § 1638 Rz. 11; Frenz, DNotZ 1995, 908, 915). Die letztwillige Verfügung bedarf dazu der Auslegung.

    Der Ausschluss kann darin liegen, dass der Erblasser um die Bestellung eines Pflegers oder um die Verwaltung durch das Jugendamt ersucht (OLG Frankfurt, ZKJ 2012, 451). Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung allein genügt für den Ausschluss der elterlichen Vermögenssorge aber nicht (BayObLG, FamRZ 2004, 1304; FamRZ 1989, 1342; Soergel/Löhnig, BGB, 13. Aufl., § 1638 Rz. 23; Erman/Döll, a.a.O., § 1638 Rz. 8; Staudinger/Heilmann, a.a.O., § 1638 Rz. 11; MünchKomm/Huber, a.a.O., § 1638 Rz. 9; jurisPK-BGB/Schwer, a.a.O., § 1638 Rz. 4; Palandt/Götz, a.a.O., § 1638 Rz. 4; Frenz, DNotZ 1995, 908, 915). Es sind immer die Umstände des Einzelfalls entscheidend.

    Allein aus der Anordnung der Testamentsvollstreckung lässt sich nicht entnehmen, dass die Vermögensverwaltung der Mutter gemäß § 1638 BGB ausgeschlossen sein sollte. Beide Anordnungen können nebeneinander getroffen werden; sie schließen sich nicht aus. Zu prüfen ist, ob ein Wille des Erblassers vorlag, die Mutter für den Fall der Beendigung der Testamentsvollstreckung von der Verwaltung des ererbten Vermögens auszuschließen. Dafür gibt der Inhalt der letztwilligen Verfügung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände nichts her. Soweit in der letztwilligen Verfügung ausgeführt wurde, die geschiedene Ehefrau N... besitze kein Wohnrecht an dem Wohnhaus in M..., stellt dies eine bloße Information für den Testamentsvollstrecker dar. Es handelte sich hierbei um das ehemalige Familienheim. Der Erblasser schloss insoweit eine Weitervermietung nicht aus. Im Hinblick darauf, dass zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments die geschiedene Ehefrau und die gemeinsamen Kinder das Haus noch bewohnten, erwog der Erblasser mögliche Verwertungshindernisse. In dieser Situation war eine Aufklärung des Testamentsvollstreckers über die rechtlichen Verhältnisse der Liegenschaft (kein Wohnrecht) nur verständlich. Dass der Erblasser die Mutter damit von der Verwaltung sämtlicher Vermögenswerte ausschließen wollte, die den Töchtern aufgrund seines Todes zukommen, lässt sich nicht begründen. Gleiches gilt in Bezug auf die Anordnung, dass die geschiedene Ehefrau N... nur "den Minimalpflichtteil" aus dem Nachlass erhalten soll. Der Erblasser wollte mit dieser Bestimmung lediglich sicherstellen, dass sein Vermögen den eingesetzten Erbinnen, seinen beiden Töchtern L... und Li..., möglichst ungeschmälert zufällt. Er war sich offenbar nicht bewusst, dass nach erfolgter Scheidung kein gesetzliches Ehegattenerbrecht (§ 1931 BGB) mehr bestand. Ein Wille des Erblassers, die Mutter der Kinder von der Vermögensverwaltung auszuschließen, lässt sich auch insoweit nicht ausmachen. In diesem Zusammenhang darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Kindeseltern über die Scheidung hinaus freundschaftlich verbunden waren. Sie unternahmen mit den Töchtern noch Ausflüge und verreisten auch zusammen; es gab auch noch gemeinsame geschäftliche Aktivitäten (Erwerb einer Eigentumswohnung in der D...). Es lässt sich weder aus dem Inhalt des Testaments noch aus anderen Umständen schließen, dass die Testamentsvollstreckung aus Misstrauen der geschiedenen Ehefrau gegenüber erfolgte. Der Erblasser wollte die Beziehung seiner Kinder zu den in der letztwilligen Verfügung als Testamentsvollstrecker bestimmten Personen - über seinen Tod hinaus - erhalten; die in Rede stehende Anordnung war Ausdruck eines besonderen Vertrauensverhältnisses. Bei den eingesetzten Testamentsvollstreckern handelte es sich um den besten Freund des Erblassers und dessen Ehefrau; diese sind auch Paten der betroffenen Kinder. Die Erwartung des Erblassers hat sich - aus welchen Gründen auch immer - nicht erfüllt.

    Die testamentarischen Anordnungen, welche die Mutter der Erbinnen betreffen, lassen nur erkennen, dass diese nicht selbst Nutznießerin des Vermögens des Erblassers werden sollte. Der Fall, dass sowohl der eingesetzte Testamentsvollstrecker als auch die hilfsweise - für dessen Todesfall - eingesetze Person nicht für das Amt zur Verfügung stehen würden, ist vom Erblasser nicht bedacht worden. Dass für diesen Fall aus Sicht des Erblassers Gründe bestehen könnten, die Mutter der Erbinnen von der Vertretung auszuschließen, ist nicht festzustellen.

    Schließlich gibt es auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter die Vermögensverwaltung nicht im Interesse und zum Wohle der betroffenen Kinder ausführen wird. Ein Eingriff in die elterliche Sorge nach §§ 1666, 1666 a BGB scheidet aus, sodass sich die angeordnete Ergänzungspflegschaft auch aus diesem Grund nicht rechtfertigen lässt.

    Nach alledem war der Beschluss vom 08.10.2018 aufzuheben.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.

    Der Beschwerdewert ist nach §§ 40, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG festgesetzt worden.

    Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.