28.01.2020 · IWW-Abrufnummer 213793
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 22.08.2019 – 10 K 1539/17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Hessisches Finanzgericht
10. Der Senat
22.08.2019
Tenor
Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2017 wird der Erbschaftsteuerbescheid vom 12. April 2017 (Steuernummer) dahingehend geändert, dass die Erbschaftsteuer auf ….€ herabgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Zuwendung von Todes wegen der inländischen Besteuerung mit Erbschaftsteuer unterfällt.
Die Klägerin ist italienische Staatsbürgerin und lebte gemeinsam mit ihrer Familie in B. Am 24. August 2015 verstarb ihr Vater, Herr C(Erblasser), der ebenfalls die italienische Staatsangehörigkeit besaß und seinen letzten Wohnsitz in D hatte. Ein Testament hatte der Erblasser nicht errichtet, so dass die gesetzliche Erbfolge griff. Aufgrund dieser wurde die Klägerin ‒ neben ihrer Mutter und ihrem Bruder - Miterbin zu 1/3. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus Immobilien in F sowie Guthaben und Wertpapieren bei italienischen Banken.
Diesen Sachverhalt teilte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten im November 2015 dem für die Besteuerung mit Erbschaftsteuer zuständigen Beklagten (das Finanzamt - FA -) mit. Die Klägerin war allerdings der Ansicht, der Erbfall sei nicht der deutschen Besteuerung zu unterwerfen. Das italienische Erbrecht sehe nicht vor, dass der Nachlass dem gesetzlichen Erben automatisch zufalle, vielmehr sei eine Annahmeerklärung zwingend notwendig. Erst wenn die Erbschaft angenommen werde, sei eine Erbenstellung gegeben. Bislang habe sie (die Klägerin) die Erbschaft noch nicht angenommen und sei somit nicht Erbin geworden. Mit Schriftsatz vom 19. September 2016 erklärte die Klägerin, sie hätte ihren Wohnsitz Anfang Juli 2016 in Deutschland aufgegeben und sei - gemeinsam mit ihrem Ehemann - nach E verzogen. Erst nachdem sie den Tatbestand des § 2 Abs. 1 ErbStG nicht mehr erfüllt habe, sei in drei Teilakten, am 19., 26. und 29. Juli 2016, die Erbschaftsannahme in Italien erfolgt.
Das FA forderte die Klägerin gleichwohl mit Schreiben vom 8. Dezember 2016 auf, eine Erbschaftsteuererklärung abzugeben. Es war der Ansicht, die Klägerin sei unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig, da sie zum Todestag einen inländischen Wohnsitz innegehabt habe und damit der inländischen Steuerpflicht unterliege. Zwar gelte für den Erbfall das Erbrecht des Staates Italien, in dem der Erblasser zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe; dies habe aber keinen Einfluss auf das inländische Steuerrecht. Insbesondere sei der Zeitpunkt der Annahme der Erbschaft durch die Klägerin nicht entscheidend für den Besteuerungsstichtag nach § 9 ErbStG.
Im Rahmen der Abgabe ihrer Steuererklärung am 16. Februar 2017 wies die Klägerin noch einmal darauf hin, dass der Erbfall der deutschen Besteuerung nicht unterliege. Im vorliegenden Fall sei zu unterscheiden zwischen dem Anfall der Erbschaft mit dem Tod des Erblassers und der Annahme der Erbschaft durch die zur Erbschaft berufene Person, durch die diese erst Erbe im italienischen Recht werde. Die Erbeinsetzung stelle nicht einmal ein Anwartschaftsrecht, sondern lediglich eine Erwerbchance dar (vgl. Cornelius in Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall 2. Aufl. Rdnr. 631). Im Streitfall sei die Steuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG erst mit der Erklärung zum Antritt des Erbes Ende Juli 2016 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt habe sie (die Klägerin) keinen inländischen Wohnsitz im Sinne des § 2 ErbStG innegehabt.
Das FA folgte nicht der Ansicht der Klägerin und setzte unter Berücksichtigung der Angaben in der Erbschaftssteuererklärung mit Bescheid vom 12. April 2017 Erbschaftsteuer in Höhe von ….. € fest. In der Anlage zum Erbschaftsteuerbescheid heißt es: „Gemäß Art. 459 Satz 2 des italienischen Zivilgesetzbuches (Codice Civile) wirkt die Annahme [der Erbschaft] auf den Zeitpunkt der Eröffnung der Erbschaft zurück. […] Da die Rechtsfolgen der Annahme auf den Zeitpunkt der Eröffnung der Erbfolge zurückwirken, wird die Annehmende also im Ergebnis so gestellt, als hätte sie die Erbschaft zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung erhalten. […] Daher erfolgte der Anfall der Erbschaft auf den Tod des Erblassers am 24. August 2015 und die Steuer entstand gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Tode des Erblassers. Da Sie zu diesem Zeitpunkt noch in B ihren Wohnsitz hatten, liegt eine unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und Satz 2 Buchst. a ErbStG vor.“ Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Aktenausfertigung der Anlage zum Erbschaftsteuerbescheid (Bl. 135 der Erbschaftsteuerakte) Bezug genommen.
Hiergegen legte die Klägerin am 11. Mai 2017 Einspruch ein und begründete diesen wie folgt: Abweichend zur Grundregel, dass beim Erwerb von Todes wegen die Erbschaftsteuer grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers entstehe (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), bestimme § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG, dass im Falle einer Bedingung die Steuer nicht mit dem Todestag entstehe, sondern erst mit Eintritt des Ereignisses. Die zwingende Notwendigkeit einer Annahmeerklärung zur Begründung der Erbenstellung im italienischen Recht stelle ein einer aufschiebenden Bedingung gleichzusetzendes Rechtsinstitut dar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH; vgl. nur Urteil vom 4. Juli 2012 II R 38/10) könnten Begriffe des ausländischen Rechts den Begriffen des deutschen bürgerlichen Rechts nicht gleichgesetzt werden. Nur soweit der Vermögensanfall in seiner wirtschaftlichen Bedeutung einem durch das Erbschaftsteuergesetz erfassten Erwerb gleichkomme, seien die Voraussetzungen eines Tatbestandes erfüllt, an die das Erbschaftsteuergesetz die Leistungspflicht knüpfe (§ 38 AO). Nach deutschem Erbrecht könne ein beim Erbfall aufschiebend bedingter Erwerbsgrund im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a ErbStG lediglich aus einer Vermächtnisanordnung resultieren (§§ 2147 ff. BGB). Damit sei der nach italienischem Erbrecht erfolgte Erwerb ungefähr vergleichbar. § 2177 BGB ordne für aufschiebend bedingte Vermächtnisse ausdrücklich an, dass sich der Anfall des Vermächtnisses mit Eintritt der Bedingung, d.h. nicht rückwirkend, vollziehe. Die Rechtsprechung begründe das Hinausschieben des Stichtages nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG mit der fehlenden wirtschaftlichen Verfügungsmöglichkeit des Steuerpflichtigen am Stichtag (vgl. Milatz in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. Aufl. § 9 ErbStG, Rz. 10). Auch sie (die Klägerin) habe zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers keine wirtschaftliche Verfügungsmöglichkeit gehabt, da sie die Erbschaft erst im Juli 2016 durch eine gesonderte Annahmeerklärung angenommen habe. Die Sonderregelung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG sei zudem im Zusammenhang mit den §§ 4, 8 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu sehen und solle dadurch die Steuerverwaltung erleichtern. Würde die Steuer auch für diese Erwerbe schon mit dem Erbfall entstehen, so könnte sie doch erst beim späteren Eintritt des Ereignisses berechnet werden, wäre aber dann auf die Verhältnisse und die Gesetzeslage beim Erbfall zurück zu beziehen (vgl. Meincke, ErbStG, 16. Aufl., § 9 Rdnr. 16). Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 8. Mai 2017 und 6. Juli 2017 (Bl. 141 ff. und 147 ff. der Erbschaftsteuerakte) Bezug genommen.
Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2017 (zur Post am 24. Juli 2017) wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. In den Gründen seiner Entscheidung führte das FA aus, da das italienische Zivilrecht die Rechtsfolgen der Annahme einer Erbschaft auf den Zeitpunkt der Eröffnung der Erbschaft zurückbeziehe, werde der Annehmende im Ergebnis so gestellt, als hätte er die Erbschaft zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung erhalten. Für die Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG sei daher im Streitfall kein Raum. Hinsichtlich der Einzelheiten der Einspruchsentscheidung wird auf die Aktenausfertigung (Bl. 157 ff. Erbschaftsteuerakte) Bezug genommen.
Hiergegen hat die Klägerin am 23. August 2017 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, entscheidend für die Einordnung des italienischen Annahmeprinzips sei, dass es sich bei der Erbeinsetzung um eine bloße Erwerbschance handele und die Abgabe einer Annahmeerklärung ein im Zeitpunkt des Todes des Erblassers zukünftiges ungewisses Ereignis darstelle. Gerade dem Merkmal der Ungewissheit komme dabei entscheidende Bedeutung zu. Dass der potentielle Erbe über den Bedingungseintritt disponieren und dies in seine Erbschaftsteuerplanung einbeziehen könne, sei insoweit unschädlich; dem Rechtsinstitut der Bedingung sei es inhärent, dass ihr einseitig und selbstbestimmt zum Eintritt verholfen werden könne (vgl. §§ 160 bis 162 BGB). Der Eintritt der Bedingung wirke allein zivilrechtlich auf den Zeitpunkt des Todes zurück, nicht auch steuerlich. Eine steuerliche Rückwirkung im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG sei lediglich für den Sonderfall der behördlichen Genehmigung anerkannt (vgl. Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblatt, Stand Dezember 2018, § 9 Rdnr. 44), der mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt nicht vergleichbar sei.
Die Klägerin beantragt,
den Erbschaftsteuerbescheid vom 12. April 2017 (Steuernummer) und die Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2017 aufzuheben,
hilfsweise, im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
Zur Begründung verweist es auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
Die einschlägigen Verwaltungsakten (ein Band Erbschaftsteuerakte) lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der Beratung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe begründet.
Die auf die Klägerin entfallende und von ihr gezahlte Erbschaftsteuer nach italienischen Recht ist auf die inländische Erbschaftsteuer gemäß § 21 ErbStG anzurechnen. Die festzusetzende Erbschaftsteuer ist dementsprechend um …. € zu reduzieren.
II. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Der Erbschaftsteuerbescheid vom 12. April 2017 (Steuernummer) und die Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2017 sind im Übrigen rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Erbanfall unterfällt der inländischen Erbschaftsteuer, da die Klägerin als Erwerberin zum Steuerentstehungszeitpunkt einen inländischen Wohnsitz hatte (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG).
Der Erbschaftsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 ErbStG der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB) als Erwerb von Todes wegen. Die Verweisungen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf das BGB sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht so zu verstehen, dass die Vorschrift nur diejenigen Erwerbe von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterwirft, die auf den in ihr genannten Vorschriften des BGB beruhen. Vielmehr unterliegt auch ein nach ausländischem Recht erfolgter vergleichbarer Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer nach dem ErbStG (statt vieler BFH-Urteil vom 4. Juli 2012 II R 38/10, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE - 238, 216, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2012, 782, m.w.N., vgl. auch Fischer in Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG, 5. Auflage § 3 Rdnr. 62). Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG tritt die persönliche Steuerpflicht des Erwerbers einer Zuwendung für den gesamten Vermögensanfall ein, wenn er zur Zeit der Entstehung der Steuer gemäß § 9 ErbStG ein Inländer ist. Als Inländer gelten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1, 2 Buchst. a ErbStG liegen vor, da die Klägerin zum Besteuerungszeitpunkt einen inländischen Wohnsitz hatte. Im Streitfall ist die Steuer nach dem Regelfall des § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit Tod des Erblassers entstanden, da die vom Gesetzgeber in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a bis i ErbStG vorgesehen Alternativen nicht vorliegen. Insbesondere kommt im Streitfall § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG nicht zur Anwendung, da - entgegen der Ansicht der Klägerseite - der Annahmevorbehalt nach italienischem Recht nicht als eine aufschiebende Bedingung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG anzusehen ist.
1. Nach dem Regelfall des § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entsteht die Steuer bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tod des Erblassers. Abweichend hierzu bestimmt § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG, dass für den Erwerb unter einer aufschiebenden Bedingung, unter einer Betagung oder Befristung die Steuer mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses entsteht.
Im vorliegenden Streitfall fällt der Erbfall unter die Anwendung italienischen Erbrechts. Nach dem danach anzuwendenden Codice Civile ist die Klägerin - abweichend von den nationalen Regelungen zur Rechtsnachfolge - nicht unmittelbar mit dem Tod des Erblassers Erbin geworden (vgl. § 1922 BGB), sondern erst durch die konstitutiv wirkende Annahme der Erbschaft (Art. 459 Satz 1 Codice Civile). Bis zu diesem Zeitpunkt existierte ein „Schwebezustand“, während der der Nachlass „ohne Rechtsträger“ war (vgl. Frank in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Auflage 2019, Länderbericht Italien Rdnr. 57; vgl. auch Cornelius in Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall, 2008, Rdnr. 631). Erbrechtlich wirkte die Annahme auf den Zeitpunkt der Eröffnung der Erbfolge zurück (Art. 459 Satz 2 Codice Civile), wobei die Eröffnung der Erbfolge zum Todeszeitpunkt erfolgt (Art. 456 Codice Civile).
Da nach der Bestimmung des § 1922 BGB die Erbschaft unmittelbar mit dem Tod des Erblassers auf den oder die Erben übergeht, kennt das nationale Erbrecht nicht den Erwerb von Todes wegen durch eine konstitutive Annahmeerklärung des Erben; ebenso unbekannt ist dem deutschen Erbrecht ein Schwebezustand, in dem der Nachlass ohne Rechtsträger ist. Folgerichtig trifft das ErbStG keine konkrete Regelung für diese Form des Erbfalls.
Steht die steuerrechtliche Zurechnung eines Erwerbs aufgrund eines Rechtsinstituts ausländischen Rechts in Rede, ist nach der Rechtsprechung des BFH die Rechtsstellung nach ausländischem Recht an die Strukturen des deutschen Rechts anzupassen. Dabei ist eine vergleichende Betrachtung zwischen dem ausländischen und dem deutschen bürgerlichen Recht nicht schlechthin ausgeschlossen und das ausländische Rechtsinstitut rechtlich in das inländische Rechtssystem einzuordnen. Entscheidend für diese Einordnung ist nicht die formale Gestaltung des ausländischen Rechtsinstituts, sondern dessen wirtschaftliche Bedeutung. Sofern das deutsche Steuerrecht an Begriffe des inländischen bürgerlichen Rechts anknüpft, erfordert dies eine Prüfung, ob in dem ausländischen Sachverhalt die Voraussetzungen erfüllt sind, wie sie das BGB vorschreibt. Die Einordnung nach diesen Grundsätzen führt dazu, dass die Zurechnung im Ausland erworbener Wirtschaftsgüter genauso behandelt wird wie der entsprechende Erwerb im Inland. (vgl. BFH-Urteil vom 8. Juni 1988 II R 243/82, BFHE 153, 422, BStBl II 1988, 808; Hessisches Finanzgericht - FG -, Urteil vom 19. September 2018 1 K 1905/15, EFG 2018, 2063; FG Münster, Urteil vom 12. April 2018 3 K 2050/16, EFG 2018, 1571; so bereits RFH-Urteil vom 25. November 1930 I e A 258/30, Reichssteuerblatt - RStBl - II 1931, 122 unter Verweis auf § 4 AO).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass das Rechtsinstitut des Annahmeerfordernisses nach Art. 459 Codice Civile nicht als Erwerb unter einer aufschiebenden Bedingung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG einzuordnen ist. Da auch die übrigen Ausnahmevorschriften des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b bis j ErbStG nicht greifen, verbleibt es bei dem Regelfall des § 9 Abs. Abs.1 Nr. 1 ErbStG, dass die Steuer mit Tod des Erblassers entsteht.
a) Zur Einordnung von Nachlassreglungen ausländischen Rechts in das Stichtagsprinzip des § 9 ErbStG existiert - soweit ersichtlich ‒ kaum nationale Rechtsprechung. Höchstrichterliche Urteile liegen lediglich zur Einordnung von Erbfällen nach US-amerikanischem Recht vor (BFH-Urteile vom 8. Juni 1988 II R 143/88, BFHE 153, 422, BStBl II 1988, 808 und vom 15. Mai 1964 II 177/61 U, BFHE 79, 481, BStBl III 1964, 408 sowie Urteil des Reichsfinanzhofes vom 2. Dezember 1930 I e A 395/397/30, RStBl II 1931, 122); zudem hatte das Niedersächsische FG über die Einordnung eines Erbfalls nach schwedischem Recht zu entscheiden (Urteil vom 19. Juni 1991 III 261/87, EFG 1992, 144).
Den durch die vorgenannten Urteile entschiedenen Sachverhalten ist gemeinsam, dass nach dem jeweils geltenden (ausländischen) Erbrecht der Nachlass durch einen externen Verwalter geregelt wurde; zur Einordnung wurde das Amt des Testamentsvollsteckers nach nationalem Recht herangezogen. Sie unterscheiden sich daher essentiell von dem streitgegenständlichen erbrechtlichen Sonderfall eines - bis zur konstitutiv wirkenden Annahmeerklärung - rechtsträgerlosen Nachlasses. Ebenso ist der vorliegende Streitfall nicht vergleichbar mit denjenigen Fällen, in denen der Nachlass auf einen sogenannten Trust übergegangen ist (vgl. hierzu Ausführungen im BFH-Urteil vom 7. Mai 1986 II R 137/79, BStBl II 1986, 615; zur seit dem 4. März 1999 geltenden nationalen Rechtlage vgl. Dr. Söffing in: Dr. Söffing, ErbStG, eKommentar, Stand 25. Juni 2017, § 9 Rdnr. 24).
Gleichwohl entnimmt der Senat diesen Entscheidungen, speziell dem RFH-Urteil vom 25. November 1930 I e A 258/30 (RStBl II 1931, 122), folgende Rechtsgrundsätze: Nach dem nationalem Steuerrecht soll die Steuerschuld bei allen Erwerben von Todes wegen grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers entstehen. Dabei ist es gleichgültig, ob der Erblasser ein In- oder Ausländer war, ob er im Inland oder Ausland verstorben ist und ob in- oder ausländisches Recht für die Erbfolge und die Regelung des Nachlasses zur Anwendung kommt. Auch ist es für die Entstehung der Steuerschuld nicht erforderlich, dass der Steuerschuldner bereits Verfügungsmacht über den Nachlass erlangt hat oder in der Lage ist, sofort über den Gegenstand zu verfügen (RFH-Urteil vom 25. November 1930 I e A 258/30, RStBl II 1931, 122). Denn in Erbfällen ist es nicht unüblich, dass der Steuerpflichtige zum Steuerentstehungszeitpunkt wirtschaftlich nicht über den Nachlass verfügen kann, beispielsweise aufgrund eines fehlenden Erbscheins oder der Anordnung einer Testamentsvollstreckung; dies steht der Steuerentstehung mit Tod des Erblassers jedoch nicht entgegen (vgl. BFH-Beschluss vom 22. September 1999 II B 130/97, BFH/NV 2000, 320 m.w.N.; a.A. Milatz in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Auflage, § 9 Rdnr. 10, der unter Verweis auf die Rechtsprechung [ohne Zitat] ausdrücklich auf die „fehlende wirtschaftliche Verfügungsmöglichkeit“ zur Begründung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst a ErbStG abstellt).
Dem Hinausschieben des Zeitpunkts der Steuerentstehung durch § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG liegt vielmehr die Erwägung zugrunde, dass in diesen Fällen eine wirtschaftliche Bereicherung um das von Todes wegen Erworbene noch nicht im Zeitpunkt des Todes des Erblassers eintritt (BFH-Urteil vom 27. August 2003 II R 58/01, BFHE 203, 279, BStBl II 2003, 921 unter Verweis auf RT-Drs., III. Wahlperiode Nr. 798, S. 15, zur Vorgängervorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG vom 10. August 1925, RGBl I 1925, 320). Dies berücksichtigend bezieht die Rechtsprechung beispielsweise nicht alle Ansprüche, die zivilrechtlich als betagt anzusehen sind, in den Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst a ErbStG, sondern differenziert zwischen Ansprüchen, die zu einem bestimmten (feststehenden) Zeitpunkt fällig werden und Ansprüchen, bei denen der Zeitpunkt des Eintritts des zur Fälligkeit führenden Ereignisses unbestimmt ist (zur Differenzierung vgl. Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblatt, Stand Dezember 2018, § 9 Rdnr. 42). Denn betagte Ansprüche, bei denen der Zeitpunkt der Fälligkeit unbestimmt ist, führen erst mit Eintritt des Ereignisses zu einer wirtschaftlichen Bereicherung, da - so der BFH in seinem Urteil vom 27. August 2003 II R 58/01 (BFHE 203, 279, BStBl II 2003, 921) - die Ungewissheit den Erwerber an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung der ihm zugefallenen Vermögensposition hindert. Auch der RFH hat die Vorgängervorschrift zu § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG a.F.) einschränkend auslegt und sah nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift nur diejenigen Fälle umfasst, in denen der Erblasser die Einsetzung des Bedachten zum Erben oder ein Vermächtnis an den Bedachten von einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemacht hat (RFH-Urteil vom 25. November 1930 I e A 258/30, RStBl II 1931, 122).
b) Dies berücksichtigend vermag der Senat die konstitutive Annahme der Erbschaft nach italienischen Erbrecht nicht als Bedingung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst a ErbStG anzusehen.
Das gesetzliche Erfordernis der Annahme der Erbschaft stellt kein vom Erblasser gesetztes Ereignis dar, dessen Eintritt ungewiss ist und den Erben dadurch an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Nachlasses hindert. Vielmehr hat es der (potentielle) Erbe selbst in der Hand, die Erbschaft anzunehmen und damit - durch die Rückwirkung der Annahme nach Art. 459 Satz 2 Codice Civile - den Übergang des Nachlasses und somit seine wirtschaftliche Bereicherung zum Todeszeitpunkt des Erblassers herbeizuführen.
Die Bestimmung des Steuerentstehungszeitpunkts nach dem Regelfall des § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG führt auch folgerichtig dazu, dass die Wertermittlung des Nachlasses zum Todeszeitpunkt erfolgt (§ 11 ErbStG; zur Stichtagsfunktion vgl. Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblatt, Stand Dezember 2018, § 9 Rdnr. 3) und damit die Bereicherung des Erben zutreffend abbildet. Dem hiergegen vorgebrachten Einwand der Klägerseite, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG sei im Zusammenhang mit dem Bewertungsrecht zu sehen und solle die Steuerverwaltung erleichtern, da andernfalls die Steuer, die erst mit Eintritt des Ereignisses berechnet werden könne (§§ 4, 8 BewG), auf die Verhältnisse und die Gesetzeslage beim Erbfall zurückzubeziehen sei, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.
Dass das italienische Rechtsinstitut des Annahmeerfordernisses unter den Regelfall des § 9 Abs. 1 Satz 1 ErbStG fällt, zeigt auch ein Vergleich mit denjenigen Fällen, bei denen auch nach nationalen Recht der Steuerpflichtige nicht unmittelbar mit Tod des Erblassers in die Erbenstellung eingetreten ist. Für den Fall, dass der Kläger erst durch Ausschlagen der Erbschaft durch den Vorerben Erbe wurde (vgl. § 1953 BGB), hat das Hessische FG entschieden, dass die Steuer gemäß dem Regelfall des § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit Tod des Erblassers entstanden ist (Hessisches FG, Urteil vom 3. April 2007 1 K 1809/04, EFG 2007, 1534).
Nicht zuletzt würde die konsequente Fortführung der Auffassung der Klägerseite dazu führen, dass sich der Besteuerungszeitpunkt in allen Erbfällen, die unter italienisches Erbrecht fallen, nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst a ErbStG bestimmen und sich damit das von nationalen Gesetzgeber vorgesehene Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis des § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in seinen Gegensatz umkehren würde. Dies sieht der Senat nicht vom Willen des Gesetzgebers umfasst.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 137 Satz 1 FGO. Der Senat erachtet es als sachgerecht, der Klägerin die Kosten auch insoweit aufzuerlegen, als die Steuer im Tenor herabgesetzt wurde, sie also obsiegt hat. Denn die Klägerin hat erst in der mündlichen Verhandlung den für die vorgenommene Anrechnung ausländischer Steuer nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG erforderlichen Antrag gestellt (vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblatt, Stand Dezember 2018, § 21 Rdnr. 59; zur Notwendigkeit des Antrags als Ausdruck einer „Wahlrechtsausübung“ s.a. Meincke, ErbStG, 17. Auflage, § 21 Rdnr. 2, 7 mit Darstellung des Meinungsstreits zur „Abzugsmethode“).
IV. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.