12.11.2020 · IWW-Abrufnummer 218917
Bundesfinanzhof: Urteil vom 01.07.2020 – II R 19/18
Der Verschonungsabschlag für den Erwerb eines Anteils an einer KG fällt bei Veräußerung des Anteils, im Falle der Betriebsaufgabe oder bei der Veräußerung oder Entnahme wesentlicher Betriebsgrundlagen nachträglich (anteilig) weg. Die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG führt jedoch noch nicht zum anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags.
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 26.04.2018 ‒ 4 K 571/16 aufgehoben.
Der Erbschaftsteuerbescheid vom 31.07.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.04.2016 wird dahingehend geändert, dass der Verschonungsabschlag für den Erwerb des Kommanditanteils anteilig für vier statt für drei Jahre gewährt wird.
Die Berechnung der Erbschaftsteuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe
I.
1
Der am 02.06.2010 verstorbene Erblasser wurde von dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seinem Bruder je zur Hälfte beerbt. Der Erblasser war zum Zeitpunkt seines Todes als Kommanditist an einer GmbH und Co. KG (KG) beteiligt.
2
Mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen auf den 02.06.2010 vom 29.07.2013 stellte das dafür zuständige Finanzamt —erklärungsgemäß— zunächst einen Wert des Kommanditanteils in Höhe von 26.020.059 € fest, von welchem auf jeden der beiden Miterben ein hälftiger Anteil von jeweils 13.010.030 € entfiel. Der Feststellungsbescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
3
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ermittelte einen Wert des Erwerbs in Höhe von 13.131.846 € und berücksichtigte u.a. einen Verschonungsabschlag nach § 13a Abs. 1 des Erbschaftsteuer‒ und Schenkungsteuergesetzes in der im Streitjahr 2010 geltenden Fassung (ErbStG a.F.) in Höhe von 11.058.525,08 € (85 % von 13.010.030 €). Ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 1.791.200 € setzte es mit Bescheid vom 18.09.2013 Erbschaftsteuer in Höhe von 340.328 € gegen den Kläger fest. Auch dieser Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
4
Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen wurde in der Folgezeit mehrfach geändert. Zuletzt mit Bescheid vom 03.06.2014 änderte das für die Feststellung zuständige Finanzamt die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen und stellte den Wert des Anteils auf 9.587.352 € fest. Es rechnete jedem der beiden Miterben einen hälftigen Anteil von 4.793.676 € zu und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
5
Am 01.06.2014 wurde über das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Januar 2015 wurden wesentliche Teile des Betriebsvermögens durch den Insolvenzverwalter veräußert.
6
Mit Änderungsbescheid vom 31.07.2014 erfasste das FA den Anteil am Betriebsvermögen in Höhe von 4.793.676 € und gewährte den Verschonungsabschlag nach § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. lediglich anteilig für drei Jahre in Höhe von 2.444.774,76 € (4.793.676 € × 85 % × 3/5). Ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 2.274.900 € setzte es die Erbschaftsteuer auf 432.231 € herauf. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 05.04.2016 als unbegründet zurück.
7
Mit der Klage begehrte der Kläger die Berücksichtigung eines Verschonungsabschlags nach § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. in Höhe von 3.259.700 € (4.793.676 € × 85 % × 4/5) für vier Jahre statt des angesetzten in Höhe von 2.444.775 € für nur drei Jahre. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei der Geschäftsbetrieb der Firma durch den Insolvenzverwalter zunächst fortgeführt worden, die Produktion sei unverändert weitergelaufen und die Mitarbeiter des Unternehmens seien nicht entlassen worden. Bei Personengesellschaften stelle die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens keinen Veräußerungstatbestand dar. Dabei sei auch für die Erbschaft‒ und Schenkungsteuer auf die in § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verwendeten Begriffe der "Veräußerung" und "Aufgabe" abzustellen. Eine Betriebsaufgabe i.S. des § 16 EStG setze bei Personengesellschaften und Einzelunternehmen regelmäßig die endgültige Einstellung der bisher in dem Betrieb entfalteten gewerblichen Tätigkeit aufgrund eines Aufgabeentschlusses voraus. Der Betrieb müsse als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhören. In der bloßen Eröffnung des Insolvenzverfahrens liege noch keine Betriebsbeendigung.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Seiner Auffassung nach stellt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über eine Personengesellschaft eine Betriebsaufgabe i.S. des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. dar. Maßgebender Zeitpunkt i.S. des § 13a Abs. 5 Satz 2 ErbStG a.F. sei der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft beende zwar nicht die Mitunternehmerschaft. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG a.F. führe im Bereich der Kapitalgesellschaften jedoch als nachträglichen Versagungsgrund für die Steuervergünstigung ausdrücklich die Auflösung der Kapitalgesellschaft an.
9
Sowohl die Kapitalgesellschaft als auch die Personengesellschaft würden im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als aufgelöst gelten. Der Rechtsgedanke des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG a.F. gelte folglich auch für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft. Insolvenzrechtlich werde grundsätzlich nicht zwischen Personengesellschaften und juristischen Personen differenziert. In beiden Fällen käme es mit der Insolvenzeröffnung zu einer Zuführung wesentlicher Betriebsgrundlagen zu anderen betriebsfremden Zwecken, nämlich der bestmöglichen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung. Die Steuerbegünstigung des § 13a ErbStG a.F. solle dem Erwerber jedoch eine Betriebsfortführung u.a. zur Erhaltung von Arbeitsplätzen erleichtern. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei der Grund für die Steuerbegünstigung wie bei Aufgabe des Gewerbebetriebs nachträglich weggefallen. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 1276 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft führe ertragsteuerrechtlich noch nicht zur Aufgabe des Gewerbebetriebs einer Personengesellschaft. Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreibe die Gesellschaft ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 EStG. Dementsprechend habe das dafür zuständige Finanzamt auch für das vollständige Kalenderjahr 2014 eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte vorgenommen. Eine einheitliche Behandlung von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften sei nicht geboten. Die Vorschriften zur Nachversteuerung in § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. seien sehr differenziert und auch an der Rechtsform des erworbenen Vermögens ausgerichtet.
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Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom 31.07.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.04.2016 dahingehend zu ändern, dass die Erbschaftsteuer auf 277.395 € herabgesetzt wird.
12
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
13
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Entgegen der Auffassung des FG führt nicht bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG zum anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags, sondern erst die spätere Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen durch den Insolvenzverwalter.
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1. Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. bleibt der Wert von Betriebsvermögen, land‒ und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S. des § 13b Abs. 4 ErbStG a.F. insgesamt außer Ansatz (Verschonungsabschlag).
15
a) Der Verschonungsabschlag fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber einen Anteil an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 EStG innerhalb von fünf Jahren (Behaltensfrist) veräußert, wobei als Veräußerung auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs gilt (vgl. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG a.F.). Gleiches gilt, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs veräußert oder in das Privatvermögen überführt oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden (vgl. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 ErbStG a.F.).
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b) Beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S. des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG a.F. fällt der Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber den Anteil ganz oder teilweise veräußert (vgl. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG a.F.). Gleiches gilt, wenn die Kapitalgesellschaft innerhalb der Frist aufgelöst wird (vgl. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG a.F.).
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c) Der Wegfall des Verschonungsabschlags beschränkt sich in den Fällen des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nrn. 1, 2, 4 und 5 ErbStG a.F. auf den Teil, der sich aus dem Verhältnis der im Zeitpunkt der schädlichen Verfügung verbleibenden Behaltensfrist einschließlich des Jahres, in dem die Verfügung erfolgt, zur gesamten Behaltensfrist ergibt (§ 13a Abs. 5 Satz 2 ErbStG a.F.).
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2. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. ist aufgrund der weitgehenden Korrespondenz der Nachversteuerungstatbestände mit den Erwerbstatbeständen dahingehend auszulegen, dass die Alternative "Aufgabe eines Anteils an einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG" auch die Fälle erfasst, in denen eine Aufgabe des (ganzen) Gewerbebetriebs durch eine Mitunternehmerschaft erfolgt (Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 16.02.2005 ‒ II R 39/03, BFHE 209, 143, BStBl II 2005, 571).
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Auf die Gründe für die Veräußerung oder Betriebsaufgabe kommt es für die Nachversteuerung nicht an (BFH-Urteil in BFHE 209, 143, BStBl II 2005, 571). Daher führen z.B. auch die zwangsweise Betriebsveräußerung aufgrund gesetzlicher Anordnung (vgl. BFH-Urteil vom 17.03.2010 ‒ II R 3/09, BFHE 229, 369, BStBl II 2010, 749), die insolvenzbedingte Aufgabe des Betriebs (vgl. BFH-Urteil vom 04.02.2010 ‒ II R 35/09, BFH/NV 2010, 1601) oder die insolvenzbedingte Veräußerung des Betriebsvermögens (vgl. BFH-Urteil vom 04.02.2010 ‒ II R 25/08, BFHE 228, 130, BStBl II 2010, 663) zum anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags.
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3. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer KG führt wie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft zur Auflösung der Gesellschaft. Für die KG folgt dies aus §§ 161 Abs. 2 i.V.m. 131 Abs. 1 Nr. 3 des Handelsgesetzbuches, für Kapitalgesellschaften aus § 60 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und aus § 262 Abs. 1 Nr. 3 des Aktiengesetzes.
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a) Ertragsteuerrechtlich führt die Auflösung der Kapitalgesellschaft zu einer Veräußerung i.S. des § 17 Abs. 1 EStG (§ 17 Abs. 4 Satz 1 EStG). Erbschaftsteuer‒ und schenkungsteuerrechtlich führt die Auflösung der Kapitalgesellschaft zum nachträglichen Wegfall des Verschonungsabschlags (§ 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG a.F.). Folglich fällt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft die Steuervergünstigung nach § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. für den Erwerb eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft anteilig rückwirkend weg (vgl. BFH-Urteil vom 21.03.2007 ‒ II R 19/06, BFH/NV 2007, 1321).
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b) Demgegenüber führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer KG ertragsteuerrechtlich nicht zu einer Betriebsaufgabe und der Erfassung eines entsprechenden Veräußerungsgewinns i.S. des § 16 EStG (BFH-Beschluss vom 01.10.2015 ‒ X B 71/15, BFH/NV 2016, 34, Rz 25; vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 39. Aufl., § 16 Rz 184). Folglich muss das zuständige Finanzamt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einheitliche und gesonderte Feststellungen treffen (vgl. Uhländer in Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 12. Aufl., Rz 1503).
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Eine Regelung, die § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG a.F. entspricht, der zufolge die Auflösung einer Personengesellschaft zum nachträglichen Wegfall des Verschonungsabschlags führen würde, enthält § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. nicht. In der Literatur wird gleichwohl überwiegend die Auffassung vertreten, dass bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über eine Personengesellschaft eine Betriebsaufgabe i.S. des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. darstellt (vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13a Rz 271; Stalleiken in von Oertzen/Loose, Erbschaftsteuer‒ und Schenkungsteuergesetz, 2. Aufl., § 13a Rz 140; Esskandari in Stenger/Loose, Bewertungsrecht, § 13a ErbStG Rz 180; differenzierend Geck in Kapp/Ebeling, § 13a ErbStG, Rz 122). Die Finanzverwaltung vertritt dieselbe Auffassung (vgl. R E 13a. 13 Abs. I Satz 3 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019 vom 16.12.2019, BStBl I 2019, Sondernr. 1/2019, S. 2, zu dem mit § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. wortgleichen § 13a Abs. 6 ErbStG).
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4. Die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer KG führt noch nicht zum nachträglichen (anteiligen) Wegfall des Verschonungsabschlags.
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a) Nach dem klaren Wortlaut des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG a.F. führen nur die Veräußerung des Anteils an einer KG, die Betriebsaufgabe oder die Veräußerung oder Entnahme wesentlicher Betriebsgrundlagen zum nachträglichen Wegfall des Verschonungsabschlags. Diese Begriffe sind eng an das Ertragsteuerrecht angelehnt und entsprechend auszulegen. Die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personenhandelsgesellschaft führt ertragsteuerrechtlich —wie ausgeführt‒‒ nicht zur Betriebsaufgabe. Für einen eigenen, nur für Zwecke der Erbschaft‒ und Schenkungsteuer geltenden Begriff der Betriebsaufgabe oder Veräußerung, der sich nicht an den ertragsteuerrechtlichen Begriffen orientiert, besteht kein Anlass.
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b) Die Auflösung einer KG führt —anders als bei der Auflösung einer Kapitalgesellschaft— nicht zum Wegfall des Verschonungsabschlags. Insoweit unterscheidet der Gesetzgeber ausdrücklich zwischen der Auflösung einer Kapitalgesellschaft und der Auflösung einer Personengesellschaft. Entgegen der Auffassung des FG kann die Regelung des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 ErbStG a.F. auch nicht auf den Nachversteuerungstatbestand des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. entsprechend übertragen werden. Der Gesetzgeber hat in § 13a Abs. 5 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 ErbStG a.F. für unterschiedliche Erwerbsvorgänge unterschiedliche Regelungen getroffen. Dies verbietet es, vergleichbare Sachverhalte wie die Auflösung der Gesellschaft entgegen dem Wortlaut und Willen des Gesetzgebers gleich zu behandeln.
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c) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist auch nicht mit der Betriebsaufgabe vergleichbar. Im Verlauf des Insolvenzverfahrens ist es denkbar, dass der Betrieb zunächst oder dauerhaft fortgeführt wird oder nur unwesentliche Betriebsgrundlagen veräußert werden, um die Gläubiger zu befriedigen. Erst wenn der Insolvenzverwalter den Betrieb endgültig einstellt oder wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert, ist der Tatbestand des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. erfüllt.
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d) Auch im Hinblick auf den Zweck des § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. folgt nicht, dass die Steuerbegünstigung bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegfallen muss.
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aa) Die Steuerbegünstigung nach § 13a ErbStG a.F. hat zum Ziel, das in besonderer Weise dem Gemeinwohl dienende Vermögen angemessen zu begünstigen. Deshalb sollen diejenigen Unternehmen von der Steuer entlastet werden, bei denen im Zuge des Betriebsübergangs die Arbeitsplätze weitestgehend gesichert werden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 11.12.2007, BTDrucks 16/7918 vom 28.01.2008, S. 33; vgl. auch Wachter, in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 7. Aufl., § 13a Rz 408). Die Arbeitsplatzsicherung ist gegeben, wenn über eine bestimmte Zeit hinweg der Betrieb nach dem Erwerbszeitpunkt fortgeführt wird (vgl. Söffing in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 13a ErbStG Rz 13.4, Stand [01.03.2020]). Sie und damit auch die Betriebsfortführung ohne Belastung durch die Erbschaft- und Schenkungsteuer sind deshalb Ziel und Zweck des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG a.F. (vgl. Söffing in Wilms/Jochum, a.a.O., § 13a ErbStG Rz 13.4 und 145, Stand [01.03.2020]).
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bb) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt nicht zwingend und ausschließlich zur Zerschlagung der Vermögenswerte. Dies folgt unmittelbar aus § 1 Satz 1 der Insolvenzordnung, wonach das Insolvenzverfahren auch dazu dienen kann, Regelungen zum Erhalt des Unternehmens zu treffen. Unerheblich ist, dass mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft die Verfügungsbefugnis über deren Vermögen auf den Insolvenzverwalter übergeht. Die Steuerbegünstigung des § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. setzt nicht die Verfügungsbefugnis des Erwerbers voraus. Zum begünstigten Vermögen gehören nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG a.F. u.a. Anteile an Gesellschaften i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG, und zwar unabhängig davon, ob der Erwerber mit seinem Anteil wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausüben kann oder gar mit der Geschäftsführung betraut ist.
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e) Aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH folgt nichts anderes.
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Zwar führt danach die insolvenzbedingte Aufgabe des Betriebs (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 1601) oder die insolvenzbedingte Veräußerung des Betriebsvermögens (vgl. BFH-Urteil in BFHE 228, 130, BStBl II 2010, 663) zum anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags. Damit ist jedoch nicht entschieden, dass bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft —anders als bei einer Kapitalgesellschaft— den Nachversteuerungstatbestand des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. auslöst.
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In dem vom FG zitierten BFH-Urteil in BFHE 209, 143, BStBl II 2005, 571 war die Rechtsfrage zu entscheiden, ob der Wegfall der Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG a.F. aufgrund einer in der Insolvenz bzw. dem Konkurs herbeigeführten "erzwungenen" Aufgabe des Gesellschaftsanteils an der Personengesellschaft mit dem Sinn und Zweck des Nachversteuerungstatbestandes vereinbar sei oder nicht. Denn bei Verlust des steuerbegünstigt erworbenen Vermögens durch Konkurs bzw. Insolvenz innerhalb der Behaltensfrist könnten sich die höheren Risiken betrieblich gebundenen Vermögens niedergeschlagen und deswegen eine Nachversteuerung zu unterbleiben haben. Der BFH hat sich für eine objektive Sicht entschieden, da sich die "wahren" Gründe für eine Betriebsaufgabe nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen ließen. Der Wegfall der Vergünstigung tritt damit unabhängig davon ein, aus welchen Gründen begünstigt erworbenes Betriebsvermögen veräußert oder ein Betrieb aufgegeben wird (BFH-Urteil in BFHE 209, 143, BStBl II 2005, 571). Dies besagt jedoch nicht, ob bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder erst die Betriebsaufgabe oder Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen während des Insolvenzverfahrens den Nachversteuerungstatbestand auslöst.
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5. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Daher war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
35
Nach § 13a Abs. 5 Satz 2 ErbStG a.F. beschränkt sich der Wegfall des Verschonungsabschlags auf den Teil, der sich aus dem Verhältnis der im Zeitpunkt der schädlichen Verfügung verbleibenden Behaltensfrist einschließlich des Jahres, in dem die Verfügung erfolgt, zur gesamten Behaltensfrist ergibt. Stichtag des begünstigten Erwerbs ist im Streitfall der 02.06.2010. Die schädliche Verfügung erfolgte erst mit der —insoweit unstreitigen— Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen im Laufe des Insolvenzverfahrens im Januar 2015. Zu diesem Zeitpunkt war die fünfjährige Behaltensfrist noch nicht abgelaufen. Folglich fällt der Verschonungsabschlag in Höhe von einem Fünftel statt —wie im Bescheid angenommen— in Höhe von zwei Fünfteln weg.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung folgt aus § 121 Satz 1 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO. Die Entscheidung, dem FA die Berechnung der Erbschaftsteuer aufzuerlegen, folgt aus § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.