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  • 22.06.2022 · IWW-Abrufnummer 229860

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 03.09.2020 – 11 K 2359/19 BG

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Düsseldorf


    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
     
    1
    Tatbestand:

    2
    Die Beteiligten streiten darum, ob sich aus einer Teilerbauseinandersetzung der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes im Sinne von § 198 des Bewertungsgesetzes ‒ BewG ‒ für das mit einer Reihenmittelhaus bebaute Grundstück A-Str.  in A-Stadt ergibt.

    3
    Dieses Grundstück stand ursprünglich im Eigentum der Eheleute X und Y. Nach dem Ableben von Herrn X am ….2015 wurde dessen Ehefrau Alleinerbin. Diese verstarb am ….2017. Erben wurden der Kläger zu 40 % und der Beigeladene zu 60 %. Der Beigeladene ist der Bruder der verstorbenen Erblasserin. Die Eltern des Klägers waren mit der Erblasserin befreundet, ein Verwandtschaftsverhältnis besteht nicht.

    4
    Nachdem der Beigeladene dem Kläger auf Anfrage mitgeteilt hatte, dass er das Haus nicht übernehmen wolle, kam es durch notariellen Vertrag vom 21.11.2017 zu einer Teilerbauseinandersetzung über das Grundstück. Der Kläger erwarb den auf den Beigeladenen entfallenden Anteil zu einem Kaufpreis i.H.v. 48.000 €. Diesen Kaufpreis hatte der Kläger nach eigenen Angaben anhand des Wertes für ein vermietungsfähiges Einfamilienhaus ermittelt. Hierzu hatte er in Erfahrung gebracht, dass in der Umgebung ein ähnliches Objekt für 130.000 € angeboten worden sei. Hinsichtlich überschlägiger Sanierungskosten von ca. 50.000 € legte er entsprechende Rechnungen für Handwerkerleistungen vor. Daraus ergab sich aus seiner Sicht ein Verkehrswert i.H.v. 80.000 €, wovon 60 % (dies entspricht 48.000 €) auf den Beigeladenen entfielen.

    5
    Die Erbschaft- und Schenkungssteuerstelle des Finanzamtes … fragte durch Schreiben vom 16.01.2018 die Ermittlung einer Grundbesitzwertes für die A-Str in A-Stadt beim Beklagten an.

    6
    Der Beklagte erließ am 19.03.2018 einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 22.04.2017 für Zwecke der Erbschaft-steuer. Hierin stellte er den Grundbesitzwert i.H.v. 137.592 € im Vergleichswertverfahren fest.

    7
    Der Kläger und der Beigeladene legten durch Telefax vom 06.04.2018 Einspruch ein, den der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 22.07.2019 als unbegründet zurückwies.

    8
    Der Kläger hat durch Schreiben vom 26.08.2019 Klage erhoben.

    9
    Zur Begründung trägt er vor, dass über den Kaufpreis aus der Teilerbauseinandersetzung ein niedrigerer gemeiner Wert im Sinne von § 198 BewG nachgewiesen sei, da es sich um einen Verkauf im gewöhnlichen Geschäftsverkehr gehandelt habe. Zwischen Kläger und Beigeladenem bestehe kein Näheverhältnis.

    10
    Der Kläger beantragt,

    11
    den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 22.04.2017 für Zwecke der Erbschaftsteuer für die wirtschaftliche Einheit A-Str. in A-Stadt in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.07.2019 dahingehend zu ändern, dass der Grundbesitzwert i.H.v. 80.000 € festgestellt wird.

    12
    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    13
    Der Beklagte beantragt,

    14
    die Klage abzuweisen.

    15
    Zur Begründung trägt er vor, dass ein Kaufpreis im gewöhnlichen Geschäftsverkehr gerade nicht vorliege, da der auf den Beigeladenen entfallende Grundstücksanteil anders als im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nur einem begrenzten Personenkreis, nämlich dem Kläger, angeboten worden sei.

    16
    Für weitere Einzelheiten zum Sach- und Streitstand nimmt der Senat auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 03.09.2020, die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug.

    17
    Entscheidungsgründe:

    18
    Die Klage ist unbegründet.

    19
    Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 22.04.2017 für Zwecke der Erbschaftsteuer in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.07.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung ‒ FGO ‒.

    20
    Der Beklagte hat zu Recht davon abgesehen, aus der Teilerbauseinandersetzung den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes im Sinne von § 198 BewG i.H.v. 80.000 € abzuleiten.

    21
    Da das Bewertungsgesetz in den §§ 179ff. BewG eine vereinfachte schematisierte Bewertung anordnet, bei der der Steuerpflichtige mit Einwendungen aufgrund der individuellen Verhältnisse des Grundstücks ausgeschlossen ist, lässt § 198 BewG den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zu (Halaczinsky in Rössler/Troll BewG § 198 BewG Rn. 4; Mannek in Stenger/Loose Bewertungsrecht § 198 BewG Rn. 6, 7).

    22
    Sofern der Steuerpflichtige gem. § 198 S. 1 BewG nachweist, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182-196 Bewertungsgesetz ermittelte Wert, so ist dieser Wert anzusetzen. Nach S. 2 der Vorschrift gelten für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts die aufgrund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuches ‒ BauGB ‒ erlassenen Vorschriften.

    23
    Gemäß § 194 BauGB wird der Verkehrswert (Marktwert) durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Auch nach § 199 BauGB i.V.m. § 7 der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) sind zur Wertermittlung Kaufpreise nur heranzuziehen, wenn sie nicht durch ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse beeinflusst worden sind. Die Regelung in § 194 BauGB entspricht der des § 9 Abs. 2 BewG, wonach der gemeine Wert durch den Preis ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse bestimmt wird. Unter "gewöhnlichem Geschäftsverkehr" i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG ist der Handel zu verstehen, der sich nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzieht und bei dem jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern freiwillig in Wahrung seiner eigenen Interessen zu handeln in der Lage ist. Kommt für ein angebotenes Wirtschaftsgut von vornherein nur ein kleiner Interessentenkreis in Betracht, ist dies nicht ungewöhnlich (BFH, Urteil vom 23. Februar 1979 ‒ III R 44/77 ‒, BStBl. II 1979, 618). Andererseits lässt sich der Verkehrswert nicht nach den Preisen ermitteln, die ein und derselbe Käufer für Grundstücke gezahlt hat, von deren Ankauf andere Bewerber aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen waren (Kammergericht Berlin Urteil vom 3.4.1956 9 U 2425/55, Neue Juristische Wochenschrift ‒ NJW ‒ 1956, 1358). Der Nachweis für einen niedrigeren gemeinen Wert muss für die wirtschaftliche Einheit als Ganzes geführt werden. Eine rechnerische Ermittlung aus dem Verkauf eines ideellen Anteils der wirtschaftlichen Einheit ist nicht möglich, da es für derartige Verkäufe keinen gewöhnlichen Geschäftsverkehr gibt (BFH Urteil vom 25.04.2018 II R 47/15, BStBl. II 2019, 144; BFH Beschluss vom 22.07.2005 II B 58/05, BFH/NV 2005, 1980).

    24
    Der Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts durch einen zeitnah erzielten Kaufpreis liegt nicht vor. Die Teilerbauseinandersetzung vollzog sich nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr. Die Teilerbauseinandersetzung betraf nur einen Teil der zu bewertenden wirtschaftlichen Einheit. Verkäufe von Miteigentumsanteilen entsprechen nicht dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr, da diese üblicherweise nicht als solche, sondern nur mit dem gesamten Grundstück veräußert werden (BFH Beschluss vom 22.07.2005 II B 58/05, BFH/NV 2005, 1980). Gleiches gilt nach Auffassung des Senats erst recht, im Fall einer Teilerbauseinandersetzung, bei der in Bezug auf ein Grundstück wirtschaftlich betrachtet ebenfalls Eigentumsanteile übertragen werden. Es ist deshalb unerheblich, dass Kläger und Beigeladener keine nahe stehenden Personen waren. Überdies ist der Grundstücksanteil auch nur dem Kläger und keinen anderen Personen angeboten worden.

    25
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    26
    Gründe i.S.v. § 115 Abs. 2 FGO, die Revision gem. § 115 Abs. 1 FGO zuzulassen, liegen nicht vor. Die Frage, ob eine Teilerbauseinandersetzung einen niedrigeren gemeinen Wert i.S.v. § 198 BewG nachweisen kann, ist nach Auffassung des Senats aufgrund der Rechtsprechung des BFH zur fehlenden Möglichkeit, niedrigere gemeine Werte aus den Verkäufen von ideellen Anteil abzuleiten, geklärt.

    RechtsgebietNachweis niedriger gemeiner Wert bei Teilerbauseinandersetzung