24.01.2024 · IWW-Abrufnummer 239293
Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 02.11.2023 – 3 W 117/22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Brandenburg
Beschluss vom 11.10.2023
Tenor:
- Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 10.04.2022, Az. 34 VI 217/21, wird zurückgewiesen.
- Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Beschwerdewert: 10.000 €
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 3 begehrt als Erbin des am 18.10.2019 nachverstorbenen W...A... - des Ehemanns der Erblasserin - die Erteilung eines Erbscheins, der diesen als Alleinerben der Erblasserin ausweist.
Die Erblasserin hinterließ ein im Februar 2000 errichtetes und im Oktober 2013 ergänztes handschriftliches Testament, in dem es auf der Vorderseite des Schriftstückes heißt:
"Ich, H... A..., hinterlasse mein Haus in der P... Straße .., meinem Enkelsohn R... und Mutter B... A... zum freien Bewohnen. [ ]. Nach meinem Tode vererbe ich das Haus meinem Enkel R... A.... Veränderungen am Haus und Unkosten die Anfallen müssen selber getragen werden.
H... A...
F... im Februar 2000
Ich möchte noch hinzufügen, daß kein Dritter an mein Haus Anspruch hat. Sollte mein Enkel das Haus in der P... Straße .. nicht bewohnen oder wegziehen, ist das Geschriebene hinfällig. Bitte wenden".
Auf der Rückseite hießt es weiter:
"Sollte ich vor meinem Mann sterben, ist mein Mann der alleinige Erbe meines Vermögens und das Haus in der A...P... Straße ...
Ich möchte aber, daß mein Mann das Haus in der A... P... Straße .. unserem Enkel R... nach seinem Tode vererbt.
H... A...
1... W... Ortst. F...
1.10.2013"
Die Beteiligte zu 3 meint, aus diesem Testament ergebe sich, dass der Ehemann der Erblasserin deren Alleinerbe geworden sei. Der Enkel R... sei dagegen nur mit einem Vermächtnis bedacht worden.
Der Beteiligte zu 1 geht dagegen davon aus, dass in der letztwilligen Verfügung der Ehemann der Erblasserin als Vorerbe und er selbst als Nacherbe eingesetzt worden sei. Bei dem Grundstück habe es sich um das einzige werthaltige Vermögen der Erblasserin gehandelt.
Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 10.04.2022 den Antrag zurückgewiesen. Das Testament sei dahin auszulegen, dass die Erblasserin ihren Ehemann als Vorerben und den Beteiligten zu 1 als Nacherben habe einsetzen wollen. Es habe dem Willen der Erblasserin entsprochen, dass ihr Ehemann ihr Grundvermögen, das den wesentlichen Vermögenswert dargestellt habe, erben solle, um es dann an den Enkel weiterzuvererben. Daraus ergebe, sich, dass die Erblasserin gewollt habe, dass letztlich der Beteiligte zu 1 Erbe und somit Eigentümer ihres Grundvermögens werde, sie also eine Vor- und Nacherbschaft habe anordnen wollen.
Die Bedingung für den Eintritt der Nacherbfolge sei eingetreten, da der Beteiligte zu 1 in F... wohne, dort gemeldet sei und die Grundsteuern für das Haus begleiche.
Der Nacherbfalll sei aufgrund des Todes des Vorerben eingetreten,
Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 3 mit ihrer Beschwerde.
Sie wendet ein, es habe sich bei dem Hausgrundstück nicht um nahezu den gesamten Nachlass gehandelt, es sei weiteres werthaltiges Vermögen vorhanden gewesen. Die Zuwendung des Grundstücks an den Enkel stelle lediglich ein Vermächtnis da. Jedenfalls sei die Bedingung für den Eintritt des Nacherbfalls nicht eingetreten.
Der Senat hat im Beschwerdeverfahren weitere Auskünfte der Sparkasse O...R... über die Guthaben der Erblasserin zum Zeitpunkt der Ergänzung des Testaments im Jahr 2013 eingeholt.
II.
Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg.
Der Ehemann der Erblasserin ist nicht unbeschränkter alleiniger Vollerbe am gesamten Nachlass geworden, so dass der beantragte Erbschein so nicht erteilt werden kann. Ob ein Erbschein in anderer Form erteilt werden könnte, bedarf keiner abschießenden Entscheidung, Gegenstand des Erbscheinsverfahrens ist allein der tatsächlich gestellte und zurückgewiesene Erbscheinsantrag.
Zwar hat die Erblasserin in ihrem Nachtrag zum Testament aus dem Jahr 2013 angeordnet, dass ihr Ehemann für den (eingetreten) Fall, dass er vor ihr verstirbt, ihr Alleinerbe werden solle.
Die gebotene Auslegung des Testaments ergibt aber, dass der vorverstorbene Ehemann nicht, wie im Erbscheinsantrag zugrunde gelegt, unbeschränkter alleiniger Vollerbe geworden ist, sondern lediglich Vorerbe nach der Erblasserin geworden ist, wobei sich die Vorerbschaft nach dem Willen der Erblasserin allerdings - anders als das Nachlassgericht meint - nur auf das unbewegliche Vermögen, das heißt das Hausgrundstück beziehen sollte.
1.
Die Erblasserin hat in ihrem Testament die Zuwendung an den Beteiligten zu 1 gegenständlich auf das dort genannte Grundstück beschränkt. Dafür, dass sie damit den gesamten Nachlass erfassen wollte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Ausdrücklich erwähnt die Erblasserin neben dem Grundstück auch ihr weiteres Vermögen und trennt zwischen beiden. Das Hausgrundstück war auch nicht, wie die Nachfrage bei der Sparkasse Ostprignitz Ruppin ergeben hat, das alleinige Vermögen der Erblasserin. Es bestand Kontovermögen in Höhe von ca 8.000 €.
2.
Dem Testament lässt sich auch entnehmen, dass die Erblasserin rechtsverbindlich anordnen wollte, dass dem Beteiligten nach dem Tod ihres Ehemannes das im Testament genannte Grundstück zufallen sollte.
Dass die Erblasserin nur verfügt hat, dass sie möchte, dass ihr Ehemann das Grundstück (nach seinem Tod) an den Beteiligten zu 1 vererbe, steht dieser Annahme nicht entgegen.
a) Auch die Äußerung eines bloßen Wunsches kann eine rechtsverbindliche Verfügung von Todes wegen darstellen. So kann ein Testiergebot eines Erblassers als Anordnung einer Nacherbfolge zu verstehen sein. Hierfür erforderlich ist ein Rechtsbindungswillen des Erblassers, an dem es fehlt, wenn der Erblasser nur die unverbindliche Erwartung oder den Wunsch äußert, der Nachlass werde in einem bestimmten Sinne weitervererbt. Ob ein Rechtsbindungswille vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln (Staudinger/§ 2100, Rn 29; Wachter in: Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 5. Aufl. 2019, Rn 39; MüKo, BGB, § 2100, Rn 14).
b) Hier ergibt die Auslegung, dass die Erblasserin in ihrer Verfügung von Todes wegen nicht nur einen (moralischen) Appell an ihren Ehemann gerichtet hat, er möge das Grundstück in ihrem Sinne an den Beteiligten zu 1 vererben, sondern dass sie verbindlich festlegen wollte, dass dem Beteiligten zu 1 das Grundstück nach dessen Tod auch tatsächlich zufällt. Der Erblasserin kam es darauf an, dass der Beteiligte zu 1 das Hausgrundstück spätestens nach dem Tod ihres Ehemannes erhält. Dies ergibt sich schon aus den Formulierungen in der ursprünglichen Fassung des Testamentes, in dem sie dem Beteiligten zu 1 das Grundstück bereits mit ihrem Tod zuwenden wollte. Dass sich an diesem Willen durch die Abänderung des Testamentes, durch die sie ihren Ehemann als Alleinerben eingesetzt hat, etwas geändert hat, lässt sich nicht feststellen. Sie hat auch in dieser Änderung daran festgehalten, dass letztlich, also nach dem Tod ihres Ehemannes, der Beteiligte zu 1 das Grundstück erhalten sollte. Daraus ergibt sich, dass dies weiterhin das Ziel ihrer Anordnung war, auch wenn sie es nur als Wunsch formuliert hat. Trotz der gewählten Formulierung lässt sich der Schluss ziehen, dass die Erblasserin bereits selbst eine verbindliche Anordnung treffen und nicht ihrem Ehemann die Entscheidung überlassen wollte, ob er ihr diesen Wunsch erfüllte.
3.
Allerdings scheidet eine gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbfolge in das Grundstück grundsätzlich wegen des das Erbrecht beherrschenden Grundsatzes der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) aus. Mit dem Erbfall geht das Vermögen kraft Gesetzes (§ 1922 BGB) rechtlich zwingend insgesamt und ungeteilt "als Ganzes" auf den/die Erben über. Die Erbfolge in einzelne Nachlassgegenstände ist mit dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge grundsätzlich unvereinbar.
Damit stellt sich für die Auslegung der Verfügung die Frage, wie die von ihr gegenständlich gedachte Zuwendung im Rahmen der möglichen erbrechtlichen Gestaltungsformen zu erfassen ist, damit die von der Erblasserin gewünschte Wirkung eintreten kann (§ 2084 BGB)
Um dem zu Tage getretenen Willen der Erblasserin Rechnung zu tragen, sind unterschiedliche rechtlich wirksame Wege denkbar.
a) In Betracht kommt eine Auslegung dahin, dass die Erblasserin es bei der Alleinerbestellung ihres Ehemannes belassen wollte und dem Beteiligten zu 1 das Grundstück im Wege eines aufschiebend bedingten Vermächtnisses zuwenden wollte, und zwar als schuldrechtlichen Anspruch gemäß § 2174 BGB nach dem Tod des letztversterbenden Vollerben. Es würde sich dann um ein auf den Tod des letztversterbenden Erben befristetes Vermächtnis im Sinne des § 2177 BGB handeln, das dem Beteiligten zu 1 einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben des Ehemannes der Erblasserin auf Übertragung des Grundstückes gewähren würde, das jedoch nicht zu Verfügungsbeschränkungen zu Lasten des Erben (hier des Ehemannes) der Erblasserin geführt hätte (Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 06.10.2015, 2 W 69/15, Rn 21; OLG Hamm, Beschluss vom 11.05.2015, I-15 W 138/15, Rn 20).
b) Zum anderen kann eine gegenständlich beschränkte Nacherbfolge auch dadurch erreicht werden, dass der Person, die zum Vorerben berufen wird (also hier dem Ehemann der Erblasserin) alle Nachlassgegenstände mit Ausnahme derjenigen, für die die Vor- und Nacherbschaft gewollt ist, als Vorausvermächtnis zugewendet werden, so dass sich das Recht des Nacherben nur auf dieses bezieht (Hanseatisches Oberlandesgericht, a.a.O., Rn 23). Das Vorausvermächtnis unterliegt als solches nicht der Nacherbfolge vgl. §§ 2150, 2110 Abs. 2, 2174 BGB).
c) Für die abschließende Auslegung der letztwilligen Verfügung und die Beurteilung, welcher der genannten Wege dem Willen der Erblasserin entspricht, ist es maßgeblich, ob die Erblasserin es bei einem schuldrechtlichen Anspruch des Beteiligten zu1 belassen wollte oder ob sie ihren Ehemann in der Verfügung über das Grundstück zugunsten des Beteiligten zu 1 binden wollte (Hanseatisches Oberlandesgericht, a.a.O., Rn 24; OLG Hamm, a.a.O, Rn 21).
d) Für das Bestreben der Erblasserin, den Beteiligten zu 1 im Hinblick auf das Grundstück mit der zuletzt getroffenen Verfügung durch eine Stellung als Nacherben abzusichern, spricht, dass sich aus dem gesamten Inhalt des Testaments, auch aus der der letzten Änderung vorangegangenen Verfügung, ergibt, dass es der Erblasserin darauf ankam, dass das Grundstück letztlich dem Beteiligten zu 1 zufällt. In der ersten Fassung hat sie ausdrücklich die Formulierung "vererben" gewählt. Auch in der Anordnung, das Haus an den Beteiligten zu "vererben" findet sich diese Formulierung, die für eine starke Stellung des Beteiligten zu 1 und die Absicht der Erblasserin spricht, diesen durch eine Stellung als Nacherben abzusichern. Auch im Hinblick darauf, dass das Grundstück den größten Einzelwert des Nachlasses darstellt, ist davon auszugehen, dass der Wille der Erblasserin dahin ging, den Beteiligten zu 1 durch eine Bindung ihres Ehemannes besonders zu sichern, was nur durch die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft hinreichend gewährleistet ist.
4.
Wie die im Nachtrag zur letztwilligen vom Februar 2000 enthaltene Bedingung konkret zu verstehen ist und ob diese eingetreten ist, kann dahinstehen.
Denn eine solche Bedingung ist in der maßgeblichen Verfügung vom 1.10.2013, die die Erbfolge für den hier eingetretene Fall abschließend regelt, dass die Erblasserin erst nach ihrem Ehemann verstirbt, nicht enthalten. Die Erblasserin hat mit dieser Verfügung die ursprüngliche Verfügung teilweise, nämlich beschränkt auf den Fall ihres Vorversterbens vor ihrem Ehemann neu geregelt und damit die ursprüngliche Verfügung von Todes wegen teilweise widerrufen. Damit wurde das frühere Testament insoweit aufgehoben, als es eine Regelung auch für den Fall enthalten hat, dass die Erblasserin vor ihrem Ehemann stirbt (§ 2258 Abs. 1 BGB). Daraus, dass die Erblasserin für diesen Fall eine abschließende und umfassende Regelung getroffen hat, ohne die Bedingung nochmals aufzunehmen, lässt sich der Schluss ziehen, dass die Bedingung für den Fall ihres Vorversterbens keine Gültigkeit haben sollte und der Widerruf sich auch auf diese beziehen sollte. Steht fest, dass die spätere Verfügung nach dem Willen des Erblassers allein und ausschließlich gelten soll, weil er mit dem späteren Testament die Erbfolge abschließend und ausschließlich regeln wollte, liegt auch bei sachlicher Vereinbarkeit mehrerer Verfügungen ein wirksamer Widerruf vor. Dies gilt auch dann, wenn der Erblasser nur für einen Teilbereich eine solche umfassende und abschließende Regelung treffen wollte (Bauermeister in jurisPK BGB, 10. Aufl., § 2258, Rn 8 m.w.N.).
5.
Bei diesem Ergebnis der Auslegung kann der beantragte Erbschein, der den Ehemann der Erblasserin als unbeschränkten alleinigen Vollerben ausweisen soll, nicht erteilt werden, weil er der Rechtslage nicht entspricht. In welcher Form der Erbschein in einer Konstellation wie der vorliegenden zu fassen ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung (zu den erörterten Möglichkeiten vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 06.10.2015, 2 W 69/15).
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.