05.10.2001 · IWW-Abrufnummer 011202
Bundesfinanzhof: Urteil vom 21.05.2001 – II R 40/99
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Nacherbe nach dem am ... 1994 verstorbenen Erblasser. Vorerbin war die Ehefrau (E) des Erblassers. Der Kläger übertrug in notarieller Urkunde vom 29. Dezember 1995 sein Nacherbenrecht mit sofortiger dinglicher Wirkung auf E, die die Übertragung annahm. Das Nacherbenrecht sollte durch Übertragung eines Grundstücks auf den Kläger abgelöst werden, das E durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 22. Dezember 1995 gekauft hatte. E trat zu diesem Zweck sämtliche Rechte, die ihr aufgrund des Kaufvertrags zustanden, an den Kläger ab. Die Verkäuferin hatte das Grundstück im Kaufvertrag bereits an E aufgelassen. Der Kläger wurde aufgrund der im Kaufvertrag bewilligten und beantragten Eigentumsumschreibung am 28. März 1996 unmittelbar, d.h. ohne Voreintragung der E, zu deren Gunsten lediglich eine Auflassungsvormerkung eingetragen worden war, als neuer Eigentümer des Grundstücks eingetragen.
Der Kläger vertrat in einem Begleitschreiben zur Erbschaftsteuererklärung betreffend den Erwerb vom 29. Dezember 1995 die Auffassung, Entgelt für die Übertragung seiner Nacherbenanwartschaft sei das mit dem erhöhten Einheitswert anzusetzende Grundstück. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nahm dagegen an, dass Gegenstand des Erwerbs der "schuldrechtliche Anspruch" des Klägers auf den Nachlass sei. Werde die Nacherbenanwartschaft durch Übertragung eines Grundstücks an "Erfüllungs statt" abgelöst, so sei nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Oktober 1995 II R 5/92 (BFHE 179, 148, BStBl II 1996, 97) der Nominalwert der Forderung anzusetzen. Er legte daher im Erbschaftsteuerbescheid vom 11. Juli 1996 als Wert des Erwerbs den von E für das Grundstück zu zahlenden Kaufpreis in Höhe von ... DM zugrunde. Die Steuer setzte er nach Abzug der vom Kläger geltend gemachten Kosten und des Freibetrags auf ... DM fest. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
Auf die daraufhin erhobene Klage setzte das Finanzgericht (FG) die Steuer antragsgemäß auf ... DM herab. Es sah das mit dem erhöhten Einheitswert zu bewertende Grundstück als Entgelt für die Übertragung des Nacherbenrechts an. Bei der Übertragung der Nacherbenanwartschaft handele es sich um einen rechtsgeschäftlichen Vorgang, bei dem im Wege der Auslegung zu ermitteln sei, was als Gegenleistung, d.h. als Entgelt für die Übertragung der Nacherbenstellung erbracht werde. Im Vertrag vom 29. Dezember 1995 sei ausdrücklich vereinbart, dass das Anwartschaftsrecht des Klägers durch Übertragung von Grundbesitz abgelöst werden solle. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1999, 1299 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 3 Abs. 2 Nr. 6 und § 11 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Das FG gehe zu Unrecht davon aus, dass im Wege der Auslegung zu ermitteln sei, was als Entgelt für die Übertragung der Nacherbenanwartschaft erbracht werde. Die Steuer entstehe nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i ErbStG im Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG mit dem Zeitpunkt der Übertragung der Anwartschaft. Die Bereicherung des Nacherben sei aufgrund dieser Vorschriften danach zu bestimmen, welchen Vermögensgegenstand der Nacherbe im Zeitpunkt der Übertragung seiner Anwartschaft erhalte. Dies richte sich nach zivilrechtlichen Grundsätzen. E sei am 29. Dezember 1995 noch nicht Eigentümerin des Grundstücks gewesen. Ihr habe zu diesem Zeitpunkt nur ein Anspruch auf dessen Übertragung zugestanden. Nur diesen, mit dem gemeinen Wert anzusetzenden Anspruch habe der Kläger folglich für die Übertragung seiner Anwartschaft erhalten.
Das FA beantragt, das Urteil des Hessischen FG vom 9. April 1999 1 K 3543/96 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend angenommen, dass Entgelt für die Übertragung des Nacherbenanwartschaftsrechts des Klägers das Grundstück und nicht der Anspruch auf dessen Übereignung war.
1. a) Nach § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG gilt als vom Erblasser zugewendet auch, was als Entgelt für die Übertragung der Anwartschaft eines Nacherben gewährt wird. Dieser Tatbestand kann --wie im Streitfall-- auch dadurch erfüllt werden, dass der Nacherbe das Anwartschaftsrecht statt auf einen am Erbfall nicht beteiligten Dritten auf den Vorerben überträgt, der dadurch Vollerbe wird (vgl. BFH-Entscheidungen vom 30. Oktober 1979 II R 4/76, BFHE 129, 68, BStBl II 1980, 46; vom 10. Mai 1989 II S 4/88, BFH/NV 1990, 294, und vom 23. August 1995 II R 88/92, BFHE 179, 145, BStBl II 1996, 137).
b) Entgelt für die Übertragung des Anwartschaftsrechts ist das, was der Nacherbe und der Erwerber als Gegenleistung für dessen Übertragung vereinbart haben; denn § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG knüpft an einen Leistungsaustausch an, der ohne diese Regelung nicht zur Erbschaft- oder Schenkungsteuer herangezogen werden könnte (BFH-Urteil in BFHE 129, 68, BStBl II 1980, 46).
Danach ist im Streitfall das Grundstück das Entgelt im Sinne dieser Vorschrift, weil der Kläger und E vereinbart haben, das Anwartschaftsrecht des Klägers solle "durch Übertragung von Grundbesitz abgelöst" werden. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass E dem Kläger "zu diesem Zweck" ihren Anspruch aus dem Kaufvertrag auf Übereignung des Grundstücks abgetreten hat. Diese Formulierung zeigt vielmehr, dass die Abtretung lediglich rechtstechnische Bedeutung hatte. Der Anspruch wurde dadurch nicht anstelle des Grundstücks zum Entgelt für die Leistung des Klägers. Der Kläger sollte nur in die Lage versetzt werden, selbst die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück auf sich verlangen zu können.
Der Qualifizierung des Grundstücks als Entgelt i.S. von § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG steht nicht entgegen, dass E weder im Zeitpunkt der Übertragung des Anwartschaftsrechts noch zu einem späteren Zeitpunkt Eigentümerin des Grundstücks war. Nur beim Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG muss sich das, was Gegenstand des Erwerbs des Erben sein soll, bereits im Vermögen des Erblassers befunden haben (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juli 1996 II R 32/94, BFH/NV 1997, 28). Ein Leistungsaustausch kann sich dagegen auch auf einen Gegenstand beziehen, der dem zur Leistung Verpflichteten nicht gehört. Lediglich der Eintritt des Leistungserfolgs hängt in diesem Fall davon ab, dass er dem Anspruchsberechtigten den versprochenen Gegenstand verschafft. Die Formulierung "gewährt wird" in § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG besagt nichts anderes. Dadurch sollte nur zum Ausdruck gebracht werden, dass es für die Besteuerung des Erwerbs nicht bei der Vereinbarung des Entgelts bleiben darf, dieses vielmehr auch tatsächlich geleistet werden muss (vgl. Stölzle, Erbschaftsteuergesetz 1925/1931, 2. Aufl. 1932, § 7 Anm. 8).
Abgestellt werden kann schließlich nicht darauf, worüber der Nacherbe im Zeitpunkt der Steuerentstehung verfügen kann. Für die Steuerentstehung kommt es zwar nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i ErbStG auf den Zeitpunkt der Übertragung des Anwartschaftsrechts an. Der Gegenstand des Erwerbs wird aber allein dadurch bestimmt, was der Nacherbe und der Erwerber der Anwartschaft als Entgelt für dessen Übertragung vereinbart haben.
Das FG hat danach bei der Wertermittlung zu Recht den erhöhten Einheitswert des Grundstücks angesetzt. Seine Steuerberechnung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Auch das FA hat insoweit keine Einwände erhoben.