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  • 16.08.2001 · IWW-Abrufnummer 011036

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 06.06.2001 – II R 76/99

    Gegenstand eines (Kaufrechts-)Vermächtnisses, durch das der Erblasser dem Bedachten das Recht einräumt, einen Nachlassgegenstand zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis zu erwerben, ist das durch den Erbfall begründete Gestaltungsrecht, das mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist; dieser ist mangels anderer Wertmaßstäbe nach dem Verkehrswert des Gegenstandes zu schätzen, auf den sich das Übernahmerecht bezieht. Die Steuer für diesen Erwerb entsteht erst, wenn der Bedachte das Recht geltend macht.


    Gründe:

    I.

    Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Schwester sind Miterben zu je 1/2 Anteil nach der am 5. Juni 1991 verstorbenen Erblasserin (E); zu deren Nachlass gehörte u.a. ein Grundstück mit einem erhöhten Einheitswert von 46 480 DM und einem Verkehrswert von 185 000 DM. E hatte dem Kläger in einem privatschriftlichen Testament vom 6. Mai 1986 als Vermächtnis das Recht eingeräumt, dieses Grundstück innerhalb von zwei Jahren nach ihrem Tod "zum Anschlagswert in Höhe von zwei Dritteln eines einzuholenden Gutachtens eines vereidigten Sachverständigen oder eines gemeindlichen Schätzungsausschusses" zu übernehmen. Nach Ausübung des Rechts übertrug die Testamentsvollstreckerin durch notariell beurkundeten Vermächtniserfüllungsvertrag vom 25. Februar 1992 gegen Zahlung von 61 667 DM (1/3 des Verkehrswertes) das Alleineigentum an dem Grundstück auf den Kläger.

    In der Erbschaftsteuererklärung setzte sie bei der Ermittlung des Nachlasswertes das Grundstück mit dem erhöhten Einheitswert und den Vermächtniserwerb des Klägers mit einem Drittel dieses Wertes, d.h. mit 15 493 DM, an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah in dem Übernahmerecht ein Vorausvermächtnis zugunsten des Klägers hinsichtlich des seiner Schwester an dem Grundstück zustehenden Anteils. Den Wert dieses Erwerbs ermittelte er durch Abzug der vom Kläger erbrachten Gegenleistung (61 667 DM) vom Verkehrswert des der Schwester als Miterbin zustehenden Anteils (92 500 DM), d.h. mit einem Betrag von 30 833 DM. Mit diesem Betrag berücksichtigte er den Vermächtniserwerb erstmals in dem nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Erbschaftsteuerbescheid vom 8. Juli 1993.

    Der Einspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, dass der Wert des Rechts auf Übernahme eines zum Nachlass gehörenden Gegenstandes durch Abzug des Übernahmepreises vom Steuerwert des Gegenstandes zu ermitteln sei, blieb erfolglos.

    Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 23 veröffentlichte Urteil als unbegründet ab. Ein sog. Kaufrechtsvermächtnis, wie E es dem Kläger durch Einräumung des Übernahmerechts zugewendet habe, sei anders zu bewerten als ein reines Sachvermächtnis. Das reine Sachvermächtnis sei mit dem Steuerwert des Gegenstandes, auf dessen Übertragung es gerichtet sei, zu bewerten, weil der Anspruch auf Übertragung des Gegenstandes unmittelbar mit dem Erbfall entstehe. Demgegenüber entstehe der Anspruch auf Übertragung des Gegenstandes beim Kaufrechtsvermächtnis erst mit dem Abschluss des Kaufvertrags, der von einer entsprechenden Willensäußerung des Vermächtnisnehmers abhänge. Dem sich daraus ergebenden Sachleistungsanspruch stehe die Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises gegenüber. Sachleistungsanspruch und -verpflichtung aufgrund eines Kaufrechtsvermächtnisses seien daher wie Sachleistungsansprüche und -verpflichtungen aufgrund gegenseitiger Verträge, d.h. mit dem gemeinen Wert, zu bewerten.

    Mit der vom FG zugelassenen Revision macht der Kläger Verletzung von § 12 Abs. 1 und 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) und der §§ 9, 121a des Bewertungsgesetzes (BewG) geltend. Entgegen der Auffassung des FG entstehe der Anspruch des Vermächtnisnehmers auf Übertragung des Nachlassgegenstandes auch bei einem Kaufrechtsvermächtnis nicht durch den Abschluss des Kaufvertrags, sondern bereits mit dem Erbfall. Rechtsgrund für den Erwerb des Gegenstandes sei bei jedem Erwerb aufgrund eines Vermächtnisses die letztwillige Verfügung des Erblassers, durch die das Vermächtnis begründet werde. Der Sachleistungsanspruch und die Sachleistungsverpflichtung, die sich durch die Ausübung eines Kauf- oder Übernahmerechts aufgrund eines Vermächtnisses ergäben, seien auch nicht mit einem Sachleistungsanspruch und einer Sachleistungsverpflichtung aufgrund eines gegenseitigen Vertrags vergleichbar. Das Recht, einen Nachlassgegenstand gegen Entgelt zu übernehmen, werde als solches ohne Entgelt zugewendet. Die Verpflichtung zur Zahlung des Entgelts ergebe sich erst durch die Ausübung des Rechts und damit durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden. Der Kläger wendet sich im Übrigen gegen die Qualifizierung des Übernahmerechts als Vorausvermächtnis statt als Teilungsanordnung, weil E seine Schwester und ihn --wie die Erbeinsetzung zu gleichen Teilen zeige-- habe gleich behandeln wollen.

    Das FA hat die Erbschaftsteuer gegen den Kläger während des Revisionsverfahrens durch einen nach § 165 Abs. 2 AO 1977 geänderten und für endgültig erklärten Erbschaftsteuerbescheid vom 16. Dezember 1999 aus nicht im Streit befindlichen Gründen auf 75 264 DM festgesetzt. Der Kläger hat diesen Bescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

    Er beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG Baden-Württemberg vom 22. Oktober 1999 13 K 130/94 den Erbschaftsteuerbescheid vom 16. Dezember 1999 dahin gehend zu ändern, dass die Erbschaftsteuer auf 63 300 DM herabgesetzt wird.

    Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

    II.

    Die Revision ist unbegründet.

    1. Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Bei der Einräumung des Übernahmerechts handelt es sich, wie das FG zutreffend angenommen hat, um ein Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) und nicht um eine Teilungsanordnung (§ 2048 BGB). Ein Vorausvermächtnis liegt vor, wenn der Erblasser dem durch die Anordnung begünstigten Miterben zusätzlich zum Erbteil einen Vermögensvorteil i.S. von § 1939 BGB zuwenden wollte (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 8. November 1961 V ZR 31/60, BGHZ 36, 115, sowie Palandt/ Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 2048 Rn. 5). Davon ist im Streitfall auszugehen, weil der Kläger berechtigt war, das Grundstück zu einem um ein Drittel unter dem Verkehrswert liegenden Preis zu übernehmen, ohne den damit verbundenen Vorteil im Verhältnis zu seiner Schwester ausgleichen zu müssen.

    2. Der Bewertung eines Vermächtnisses gemäß § 12 ErbStG hat die Bestimmung dessen vorauszugehen, was der Bedachte "durch Vermächtnis" (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) mit dem Tod des Erblassers erworben hat. Dies ist Gegenstand des Vermächtnisses und nicht dasjenige, was er "aufgrund" des Vermächtnisses, d.h. zu dessen Erfüllung, letztlich erhält (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. November 1982 II R 85-86/78, BFHE 137, 500, BStBl II 1983, 329, und vom 25. Oktober 1995 II R 5/92, BFHE 179, 148, BStBl II 1996, 97).

    Bei dem Kaufrechtsvermächtnis erwirbt der Bedachte mit dem Tod des Erblassers ein Übernahmerecht. Dabei handelt es sich um ein Gestaltungsrecht, das es dem Bedachten ermöglicht, einen (schuldrechtlichen) Anspruch auf Übertragung des Gegenstandes, wie er sich im Nachlass befindet, gegen Zahlung des vom Erblasser festgelegten Preises zu begründen (vgl. BGH-Urteil vom 28. Januar 1994 V ZR 90/92, BGHZ 125, 41, 55, zum Recht auf Übernahme eines Anerbengutes nach dem Württembergischen Anerbengesetz vom 14. Februar 1930; vgl. auch BFH-Urteile vom 16. März 1977 II R 11/69, BFHE 121, 519, BStBl II 1977, 640; vom 21. Juli 1993 II R 118/90, BFHE 172, 118, BStBl II 1993, 765, und vom 4. Mai 2000 IV R 10/99, BFHE 191, 529). Das Übernahmerecht als solches und nicht der erst durch dessen Ausübung entstehende Übertragungsanspruch ist Gegenstand des Vermächtnisses (vgl. BGH-Urteil vom 30. September 1959 V ZR 66/58, BGHZ 31, 13, 20; BFH-Beschluss vom 13. April 1994 II B 173/93, BFH/NV 1994, 794). Liegt der Preis --wie im Streitfall-- unter dem Verkehrswert der Kaufsache, so ist der Bedachte bereits durch den Erwerb des Übernahmerechts i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bereichert, weil ihm dadurch eine Rechtsposition zufällt, die einen wirtschaftlichen Vorteil verkörpert. Zivilrechtlich wird sogar ein Vermögensvorteil angenommen, wenn der Preis dem Verkehrswert entspricht (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 36, 115). Die Steuer kann allerdings abweichend von § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ErbStG --entsprechend der Regelung für den Pflichtteilsanspruch (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG)-- erst mit der Geltendmachung des Rechts entstehen, weil der mit dem Erwerb des Rechts verbundene Vorteil sich erst dadurch realisiert. "Durch Vermächtnis" erworben ist gleichwohl allein das Gestaltungsrecht und nicht der erst als Folge seiner Geltendmachung entstehende Anspruch auf Übertragung des Nachlassgegenstandes.

    Für die Bewertung folgt daraus, dass das Übernahmerecht nicht mit dem für den Gegenstand maßgebenden Steuerwert (Einheitswert) angesetzt werden kann, sondern nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 BewG mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist; dieser ist mangels anderer Wertmaßstäbe nach dem Verkehrswert des Gegenstandes zu schätzen, auf den sich das Übernahmerecht bezieht. Für den Ansatz des Übernahmerechts mit dem gemeinen Wert spricht zudem, dass der Anspruch auf Übertragung des Nachlassgegenstandes und die Verpflichtung zur Zahlung des Übernahmepreises ebenso miteinander verknüpft sind wie ein Sachleistungsanspruch und eine Zahlungsverpflichtung aus einem Gegenseitigkeitsverhältnis (vgl. Schlichting, Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., § 2174 Rn. 5), die ebenfalls mit dem gemeinen Wert zu bewerten sind (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1989 II R 103/86, BFHE 159, 542, BStBl II 1990, 434, und vom 15. Oktober 1997 II R 68/95, BFHE 183, 248, BStBl II 1997, 820).

    Soweit dem BFH-Urteil vom 12. Juli 1961 II 164/59 S (BFHE 73, 343, BStBl III 1961, 391) eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, hält der Senat daran nicht mehr fest.

    Die Steuerfestsetzung lässt danach keinen Rechtsfehler erkennen. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

    RechtsgebieteErbStG, BewG, BGBVorschriftenErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG § 12 BewG § 9 Abs. 1 BGB § 1939 BGB § 2048 BGB § 2150 Verfahrensgang: FG Baden-Württemberg