11.07.2014 · IWW-Abrufnummer 142085
Finanzgericht Münster: Urteil vom 13.02.2014 – 3 K 37/12 Erb
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
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Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über den Umfang der Abzugsfähigkeit einer Pflichtteilsverbindlichkeit.
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Die Klägerin beerbte ihren im Juli 2009 verstorbenen Lebensgefährten aufgrund Erbvertrags vom 21.07.2008 allein als befreite Vorerbin. Zu Nacherben bzw. Ersatzerben waren die Söhne des Erblassers aus erster Ehe eingesetzt. Zu den Einzelheiten wird auf den Erbvertrag in der Steuerakte Bezug genommen.
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In der Folge machten die Nacherben gegenüber der Klägerin ihre Pflichtteilsansprüche geltend. Zur Regelung dieser Pflichtteilsansprüche schlossen die Klägerin und die Nacherben am 13.04.2010 eine notarielle Vereinbarung, wonach den Nacherben ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von jeweils X Euro zusteht, den die Klägerin durch monatliche Ratenzahlung in Höhe von jeweils X Euro zu tilgen hat. Darüber hinaus sind die Pflichtteilsansprüche zu verzinsen. Zu den Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag vom 13.03.2010 in der Steuerakte Bezug genommen.
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Im Rahmen der von ihr abgegebenen Erbschaftsteuererklärung machte die Klägerin die Pflichtteilsverbindlichkeiten als Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt X Euro geltend. Zum Nachlass gehörte ausweislich der Erklärung Betriebsvermögen in Form von Anteilen an der T GmbH, für die die Steuervergünstigung gem äß §§ 13a, 13b Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) beantragt wurde. Den Wert der Gesellschaftsbeteiligung gab die Klägerin mit X Euro an.
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Mit Bescheid vom 15.07.2010 setzte der Beklagte die Erbschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf X Euro fest. Dabei kürzte der Beklagte den Schuldenabzug bzgl. des Pflichtteils gemäß § 10 Abs. 6 ErbStG, da zum Nachlass gemäß §§ 13a, 13b ErbStG steuerbefreites Betriebsvermögen gehöre. Zu den Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 15.07.2010 in der Erbschaftsteuerakte Bezug genommen.
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Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 22.07.2010 und vertrat die Auffassung, die Pflichtteilsansprüche stünden nicht in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem privilegierten Betriebsvermögen. Denn die Pflichtteilsberechtigten seien aufgrund ihrer Ausbildung und sonstigen persönlichen Situation nicht in der Lage, die Anteile am Betrieb zu übernehmen. Allein die Tatsache, dass nach zivilrechtlichen Grundsätzen die Pflichtteilsansprüche aus dem gesamten Nachlassvermögen einschließlich der GmbH-Anteile zu berechnen seien, begründe nicht zwingend einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Betriebsvermögen und der Pflichtteilsverbindlichkeit.
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Wegen geänderter Feststellungen zum Nachlass gehöriger Grundbesitzwerte setzte der Beklagte die Erbschaftsteuer durch Bescheid vom 06.12.2010 weiter unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf X Euro fest. Zu den Einzelheiten wird auf den Erbschaftsteuerbescheid in der Steuerakte Bezug genommen.
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Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 13.12.2011, zugestellt am 15.12.2011, als unbegründet zurück. Er verwies darauf, dass bei Pflichtteilsansprüchen ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den einzelnen zum Nachlass gehörigen Vermögensgegenständen bestehe und zwar unabhängig davon, in wie weit diese Vermögensgegenstände steuerbar oder steuerbefreit seien.
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Mit ihrer Klage vom 05.01.2012 verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf die ungekürzte Berücksichtigung der Pflichtteilsverbindlichkeiten weiter und wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Einspruchsverfahren.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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den Erbschaftsteuerbescheid vom 19.12.2013 zu ändern und die Erbschaftsteuer unter steuermindernder Berücksichtigung der ungekürzten Pflichtteilsverbindlichkeiten festzusetzen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung.
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Der Beklagte hat die Erbschaftsteuerfestsetzung durch Bescheide vom 25.01.2012 (Blatt 14 ff. der Gerichtsakte) und vom 19.12.2013 (Blatt 56 ff. der Gerichtsakte) geändert und auf X Euro festgesetzt. Zu den Einzelheiten wird auf die Änderungsbescheide Bezug genommen.
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Die Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 06.02.2014 erörtert. Zu den Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins hingewiesen (Blatt 64 ff. der Gerichtsakte).
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Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO)).
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid vom 19.12.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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Pflichtteilsverbindlichkeiten, wie sie die Klägerin gegenüber den Söhnen des Erblassers aus erster Ehe zu erfüllen hat, gehören zu den gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten. Gemäß § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG sind jedoch Schulden und Lasten, die mit nach § 13a ErbStG befreitem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13a ErbStG anzusetzenden Wertes dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13a ErbStG entspricht.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne des § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG gegeben, wenn die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die das Betriebsvermögen betreffen. Dieser Zusammenhang ist insbesondere dann zu bejahen, wenn die Schuld zum Erwerb, zur Sicherung oder zur Erhaltung des jeweiligen Vermögens eingegangen worden ist. Dagegen reicht es nicht aus, wenn lediglich ein rechtlicher Zusammenhang zwischen Schuld und Vermögensgegenstand besteht (vgl. BFH, Urteil vom 06.07.2005 II R 34/03, BStBl. II 2005, 797 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung; dem folgend FG Münster, Urteil vom 11.04.2013 3 K 604/11 Erb, EFG 2013, 1246). Die Entstehung der Verbindlichkeit muss ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruhen, die den Vermögensgegenstand selbst betreffen. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn die Schulden nach Entstehung und Zweckbestimmung mit erworbenen Vermögensgegenständen verknüpft sind, d. h. ohne diese nicht angefallen wären, und sie den erworbenen Vermögensgegenstand wirtschaftlich belasten (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03.06.2004 4 K 2085/01, EFG 2004, 1467 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen hält der Senat einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den von der Klägerin zu begleichenden Pflichtteilsverbindlichkeiten und den von ihr geerbten, gemäß § 13a ErbStG begünstigten Gegenständen des Betriebsvermögens für gegeben. Im Anschluss an sein Urteil vom 11.04.2013 (a. a. O.) geht der Senat davon aus, dass ein wirtschaftlicher Zusammenhang vorliegt, wenn die Verbindlichkeit nach Entstehung und Zweckbestimmung mit dem begünstigten Vermögen verknüpft ist und die wirtschaftliche Belastung des begünstigten Vermögens daraus resultiert, dass die Höhe der Verbindlichkeit nach dem begünstigten Vermögen bemessen worden ist.
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Die Verknüpfung der Pflichtteilsverbindlichkeit mit der Erbschaft in ihrer Gesamtheit folgt dabei aus dem Charakter des Pflichtteilsrechts. Es handelt sich nicht allein um eine rechtliche Verknüpfung, vielmehr besteht auch ein wirtschaftlicher Zusammenhang deshalb, weil die Summe aller Nachlassgegenstände – einschließlich des gemäß § 13a ErbStG steuerfrei gestellten Betriebsvermögens – Bemessungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch ist (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03.06.2004, a. a. O.; FG Münster, Urteil vom 11.04.2013, a. a. O.). Wie bereits das Finanzgericht Rheinland-Pfalz geht auch der Senat davon aus, dass dieses Verständnis des Tatbestandsmerkmals „wirtschaftlicher Zusammenhang“ sowohl mit dem Gesetzeszweck als auch mit den Grundsätzen einer verfassungskonformen Auslegung im Einklang steht. Dem engeren Begriffsverständnis Meinckes (Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Kommentar, 16. Auflage 2012, Rz. 55 zu § 10 ErbStG; ders. „Zur Abzugsfähigkeit von Pflichtteilsansprüchen“, ZEV 2006, 199) folgt der Senat dagegen nicht. Denn soweit es um die Abzugsbeschränkung gemäß § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG geht, ist nicht auf einen wirtschaftlichen Zusammenhang der Schuld mit einzelnen Vermögensgegenständen (so § 10 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 ErbStG), sondern mit dem gemäß § 13a ErbStG befreiten Vermögen, also der Summe einzelner dem Betriebsvermögen zuzuordnender positiver und negativer Vermögensgegenstände abzustellen. Wollte man dem eingeschränkten Begriffsverständnis folgen, vermag der Senat einen Anwendungsbereich des § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG nicht zu erkennen. Denn Verbindlichkeiten, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betriebsvermögen zuzuordnenden, positiven Vermögensgegenständen stehen, sind als Schulden ebenfalls dem Betriebsvermögen zuzuordnen und unterliegen damit bereits im Ansatz des gemäß § 13a ErbStG begünstigten Betriebsvermögens der Erbschaft- und Schenkungsteuer und sind nicht mehr gemäß § 10 Abs. 5 und 6 ErbStG zu berücksichtigen.
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Soweit die Klägerin im Übrigen darauf verweist, das Betriebsvermögen habe von den Pflichtteilsberechtigten aufgrund ihrer Ausbildung und sonstigen persönlichen Situation nicht übernommen werden k önnen, kommt es auf diesen Umstand für die Auslegung des § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG nicht an.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.
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Die Zulassung der Revision erfolgt gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts, auch im Hinblick auf die bereits anhängige Revision II R 21/13 zum Urteil des Senats vom 11.04.2013 (a. a. O.), das sich ebenfalls mit der Auslegung der Vorschrift des § 10 Abs. 6 ErbStG befasst.