27.08.2014 · IWW-Abrufnummer 142511
Oberlandesgericht Düsseldorf: Beschluss vom 16.06.2014 – 3 Wx 256/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Düsseldorf
I-3 Wx 256/13
Tenor:
Die Beschwerde der Beteiligten zu 7) vom 10. Dez. 2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 05. Nov. 2013 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I.
Der Erblasser war kinderlos und im Zeitpunkt seines Todes verwitwet.
Sein vorverstorbener Bruder hatte zwei Kinder, die Beteiligte zu 4) und den Beteiligten zu 5). Seine vorverstorbene Schwester hatte ebenfalls zwei Kinder, den Beteiligten zu 6) und die Beteiligte zu 7). Die Beteiligte zu 3) ist das Patenkind des Erblassers und die Tochter des Beteiligten zu 5).
Mit handschriftlichem Testament vom 29. Jan. 1993 verfügte der Erblasser, dass nach seinem Ableben folgende Personen sich die vorhandenen Sach- bzw. Kapitalwerte teilen. Weiter heißt es:
„Nach Abzug der Beerdigungskosten und der evtl. anfallenden Wohnungsauflösungskosten sind die verbleibenden Werte jeweils zu gleichen Teilen an die Nichte meiner verstorbenen Frau und ihren Ehemann [die Beteiligten zu 1) und zu 2)] sowie meiner Schwester M. L. und meinem Patenkind [der Beteiligten zu3)] zu verteilen. …“
Nachdem die Beteiligte zu 7), die sich als Ersatzerbin ihrer verstorbenen Mutter sieht, mit Schreiben vom 18. Juni 2013 formlos für ihren Anteil am Erbe einen Erbschein beantragt hatte, beantragte die Beteiligte zu 1) am 15. Juli 2013 einen Erbschein zu je 1/3 für sich, den Beteiligten zu 2) und die Beteiligte zu 3).
Die Beteiligte zu 7) ist dem entgegengetreten. Sie hat gemeint, es sei nach dem Tode ihrer Mutter keine Anwachsung des Erbteils an die übrigen testamentarischen Erben eingetreten, denn auch ohne ausdrückliche Ersatzerbenbestimmung sei sie aufgrund ergänzender Testamentsauslegung nach dem hypothetischen Willen des Erblassers als Ersatzerbin berufen.
Das Nachlassgericht hat die Tatsachen für festgestellt erachtet, die zur Begründung des Erbscheinsantrages der Beteiligten zu 1) erforderlich sind. Nach dem Tode der Schwester des Erblassers sei deren Erbteil den übrigen Testamentserben angewachsen. Der Erblasser habe vier einzelne Erben eingesetzt und keine Einsetzung auf einen gemeinschaftlichen Erbteil vorgenommen. Tatsachen, die den Schluss auf seinen hypothetischen Willen zuließen, dass die Kinder seiner vorverstorbenen Schwester, die Beteiligten zu 6) und 7), deren Ersatzerben sein sollten, könnten nicht festgestellt werden.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 7), der das Nachlassgericht nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten Bezug genommen.
II.
Das gemäß §§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als befristete Beschwerde statthafte Rechtsmittel der Beteiligten zu 7) ist zulässig, in der Sache hat es jedoch keinen Erfolg.
Die Beteiligte zu 7) ist beschwerdeberechtigt. Da sie sich darauf beruft, sie sei Ersatzerbin nach ihrer verstorbenen Mutter, macht sie geltend, sie werde durch den Beschluss des Nachlassgerichts, der Erbschein werde auf den Antrag der Beteiligten zu 1) erteilt, in ihren eigenen Rechten beeinträchtigt.
Die Beschwerde bleibt jedoch mit dieser Begründung in der Sache ohne Erfolg.
Das Nachlassgericht hat zu Recht entschieden, dass der Erblasser in Bezug auf den Erbteil seiner vorverstorbenen Schwester / der Mutter der Beteiligten zu 7) eine Ersatzerbfolge nicht vorgesehen und eine solche auch im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung nicht angenommen werden kann.
Nach dem Tod der vom Erblasser als (Mit-)Erbin eingesetzten Schwester im Jahre 2000 stellt sich die Frage, wie sich dieser Wegfall der ursprünglich Bedachten auf die Erbfolge auswirkt. Denkbar ist, dass die Zuwendung ersatzlos entfallen, dass der Erbteil den übrigen Erben anwachsen oder dass Ersatzerbfolge eintreten soll (vgl. Staudinger/Otte, Neubearbeitung 2013, BGB § 2069, 30).
Da nicht feststellbar ist, dass der Erblasser diesen Fall bei Errichtung des Testaments bedacht und auch nicht, was er für diesen Fall gewollt hat, ist seine letztwillige Verfügung insoweit ergänzend auszulegen (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2094, Anm. 4).
Anhaltspunkte dafür, dass die Zuwendung ersatzlos entfallen und hinsichtlich des Erbteils mangels gewillkürter nun die gesetzliche Erbfolge eintreten sollte, sind nicht ersichtlich.
Mithin bleiben Anwachsung oder Ersatzerbfolge. Anwachsung kommt nur dann in Betracht, wenn der Erblasser keinen Ersatzerben bestimmt hat und eine Ersatzerbfolgenregelung sich auch nicht durch ergänzende Auslegung gem. § 2084 BGB feststellen lässt (Bamberger/Roth/Litzenburger, Beck’scher Online-Kommentar BGB, Stand 01. Mai 2014, § 2099, 2; Palandt/Weidlich, a.a.O.).
Die Auslegungsregel des § 2069 BGB, wonach dann, wenn der Erblasser einen Abkömmling bedacht hat und dieser nach Errichtung des Testaments wegfällt, im Zweifel dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden, kann hier deshalb nicht angewendet werden, weil der Erblasser seine Schwester, nicht aber einen Abkömmling bedacht hat. Diese Auslegungsregel kann auch nicht entsprechend angewandt werden. Sie ist Ausprägung einer allgemeinen Lebenserfahrung. Bei einer nur in der Seitenlinie verwandten Person oder anderen nahen Verwandten fehlt es an dieser Erfahrungsgrundlage, so dass eine analoge Anwendung grundsätzlich ausscheidet (Bamberger/Roth/Litzenburger, a.a.O., § 2069, 6 m.N. und Staudinger/Otte, a.a.O., § 2069, 30; etwas weiter geht MüKo/Leipold, 6. Aufl., BGB § 2069, 32).
In diesen Fällen erfordert die Annahme einer Ersatzberufung der Abkömmlinge des Zuwendungsempfängers eine zusätzliche Begründung auf der Grundlage des durch ergänzende Auslegung zu ermittelnden Erblasserwillens (Bamberger/Roth/Litzenburger, a.a.O.; Staudinger/Otte, a.a.O., § 2069, 30). Fraglich ist, ob und wie in einem solchen Fall die Ersatzberufung im Testament angedeutet sein muss (vgl. einerseits Staudinger/Otte, a.a.O., § 2069, 30 m.N. und andererseits Bamberger/Roth/Litzenburger, a.a.O., § 2084, 48).
Wesentliches Kriterium für eine ergänzende Auslegung ist, ob die Zuwendung dem Bedachten als erstem seines Stammes oder nur ihm persönlich galt (RGZ 77, 82, 84; Staudinger/Otte, a.a.O., § 2069, 31; Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2069, 8).
Es mag unterstellt werden, dass der Erblasser – wie die Beteiligte zu 7) geltend macht – zu ihr und ihrem Bruder, dem Beteiligten zu 6), ein besonders enges Verhältnis hatte. Dennoch kann – wie das Amtsgericht mit zutreffender Begründung ausgeführt hat – nicht festgestellt werden, dass der Erblasser seine Schwester (nur) als erste ihres Stammes und nicht (nur) persönlich bedacht hat. Das ergibt sich schon daraus, dass der Erblasser seine beiden Geschwister nicht gleichmäßig bedacht, sondern nur seine Schwester, nicht aber seinen Bruder eingesetzt und aus der Linie seines Bruders nicht einmal dessen beiden Kinder, sondern nur die Beteiligte zu 3) als sein Patenkind ausgewählt hat (vgl. insoweit MüKo/Leipold, a.a.O., § 2069, 34; OLG München, FamRZ 2011, 1692). Auch und gerade die Bezeichnungen „meine Schwester“ / „mein Patenkind“ sprechen dafür, dass der Erblasser diese Personen und nicht etwa die durch sie repräsentierten Stämme bedenken wollte. Bei der Beteiligten zu 3) scheidet das schon deshalb aus, weil sie – soweit ersichtlich – nicht die erste ihres Stammes war, sondern im Gegenteil an dessen Schluss stehen dürfte.
Scheidet mithin eine Ersatzerbenstellung der Beteiligten zu 7) aus, erweist sich ihre Beschwerde als unbegründet und wächst der Erbteil der vorverstorbenen Schwester des Erblassers den übrigen Erben an.
Dabei hängt das Maß der Anwachsung – wie das Nachlassgericht richtig erkannt hat – davon ab, ob der Erblasser ursprünglich vier Erben eingesetzt oder ob er hinsichtlich der Beteiligten zu 1) und zu 2) einen gemeinschaftlichen Erbteil gebildet hat, § 2094 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ob mehrere Bedachte eine Gruppe bilden sollen, ist wiederum durch Auslegung zu ermitteln (Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2093, 1). Dabei dürfte u.a. darauf abzustellen sein, ob zwischen den als gemeinschaftliche Erben zusammengefassten Personen eine persönliche oder sachliche Beziehung besteht (Bamberger/Roth/Litzenburger, a.a.O., § 2093, 2; MüKo/Rudy, a.a.O., § 2093, 2) bzw. ob der Erblasser in Bezug auf diese Erben eine engere Gemeinschaft im Verhältnis zu den übrigen Miterben ausdrücken wollte (Staudinger/Otte, a.a.O., § 2093, 1).
Hier dürfte allerdings – anders als bisher vom Nachlassgericht angenommen - einiges dafür sprechen, dass der Erblasser die Beteiligte zu 1) und den Beteiligten zu 2), die Nichte seiner verstorbenen Frau zusammen mit ihrem Mann, auf einen gemeinschaftlichen Erbteil gesetzt hat, so dass nach dem Tode seiner Schwester infolge Anwachsung die Beteiligten zu 1) und 2) einerseits und die Beteiligte zu 3) andererseits je zu ½ Erbteil geerbt hätten.
Das vorliegende Verfahren veranlasst in dieser Frage jedoch keine abschließende Entscheidung, weil die Beteiligte zu 7) insoweit nicht beschwert ist und die Beteiligte zu 3) Rechtsmittel gegen den Beschluss des Nachlassgerichts nicht eingelegt hat.
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 84, 80 FamFG.