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  • 24.07.2007 · IWW-Abrufnummer 072327

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 21.03.2007 – II R 19/06

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    II R 19/06

    Gründe:

    I. Der Vater des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) übertrug durch notariell beurkundeten Vertrag vom 22. Januar 1998 seine Beteiligung an einer GmbH, deren alleiniger Gesellschafter er war, schenkweise auf den Kläger und behielt sich den auf den Gewinn gerichteten Nießbrauch zu seinen Gunsten und nach seinem Tod zugunsten seiner Ehefrau auf Lebenszeit vor. Der Vertrag enthielt die Erklärung, dass der Freibetrag für Betriebsvermögen ausgeschöpft werden solle.

    Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte für den Erwerb zunächst aufgrund des Freibetrags nach § 13a Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) Schenkungsteuer von 0 DM fest. Nachdem durch Beschluss vom 1. April 2000 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet worden war, nahm das FA an, dass der Freibetrag rückwirkend weggefallen sei, und setzte demgemäß gegen den Kläger mit Bescheid vom 21. Februar 2003 Schenkungsteuer in Höhe von 3 435,88 ¤ (6 720 DM) fest.

    Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 687 veröffentlichte Urteil mit der Begründung ab, der Freibetrag sei gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen, weil die GmbH durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen aufgelöst worden sei. Diese Vorschrift könne nicht in der Weise einschränkend ausgelegt werden, dass sie Fälle der Insolvenz nicht erfasse.

    Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 ErbStG. Nach seiner Auffassung ist diese Vorschrift in Fällen der Insolvenz nicht anwendbar. Zudem macht er geltend, er habe wegen des vorbehaltenen Nießbrauchs wirtschaftlich betrachtet keinen Vermögenszuwachs erhalten.

    Während des Revisionsverfahrens erließ das FA den geänderten Schenkungsteuerbescheid vom 25. Januar 2007, mit dem es die Steuer in voller Höhe bis zum Erlöschen der Belastung durch den Nießbrauch stundete und den Ablösebetrag auf 2 239,97 ¤ bezifferte.

    Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 9. April 2003 und die Schenkungsteuerbescheide vom 21. Februar 2003 und 25. Januar 2007 aufzuheben.

    Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

    II. Die Revision führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung. Da während des Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid ergangen ist, ist das Urteil des FG gegenstandslos geworden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Mai 2006 II R 71/04, BFHE 213, 118, BStBl II 2006, 602, m.w.N.). Der Senat entscheidet über die Klage gegen den gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gewordenen Schenkungsteuerbescheid vom 25. Januar 2007. Einer Zurückverweisung nach § 127 FGO bedarf es nicht, weil sich durch den Änderungsbescheid der Streitstoff nicht verändert hat.

    Die Klage ist unbegründet. Das FA hat zu Recht angenommen, dass der in § 13a Abs. 1 ErbStG vorgesehene Freibetrag rückwirkend weggefallen ist und sich der Nießbrauch nicht auf die Höhe der festzusetzenden Steuer auswirkt, sondern nur zu deren zinsloser Stundung bis zum Erlöschen der Belastung führt.

    1. Der dem Kläger für den Erwerb der GmbH-Beteiligung zunächst nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 ErbStG zustehende Freibetrag ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH rückwirkend weggefallen.

    a) Nach § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 Alternative 1 ErbStG fällt der Freibetrag (§ 13a Abs. 1 ErbStG) mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft diese aufgelöst wird. Eine GmbH wird gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst.

    b) Der Anwendungsbereich des § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 Alternative 1 ErbStG ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht durch teleologische Reduktion auf Fälle zu beschränken, in denen die Auflösung der Kapitalgesellschaft freiwillig erfolgt. Wie der BFH mit Urteil vom 16. Februar 2005 II R 39/03 (BFHE 209, 143, BStBl II 2005, 571) zu § 13 Abs. 2a Satz 3 ErbStG a.F. entschieden hat, umfasst dieser Nachversteuerungstatbestand die Aufgabe des Geschäftsbetriebs einer KG auch dann, wenn sie aufgrund eines existenzbedrohenden Zustands oder Insolvenz der KG erfolgt. Der BFH hat in diesem Urteil ausdrücklich nicht mehr an seinem Beschluss vom 7. Juli 2004 II B 32/04 (BFHE 206, 370, BStBl II 2004, 747) festgehalten. In diesem Beschluss hatte er es als ernstlich zweifelhaft angesehen, ob die Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG für den Erwerb eines Anteils an einer KG nachträglich gemäß Abs. 5 Nr. 1 der Vorschrift wieder entfallen, wenn der Anteil dadurch untergeht, dass über das Vermögen der KG das Konkursverfahren eröffnet wird und der Konkursverwalter den Gewerbebetrieb der KG aufgibt.

    Für die Auflösung einer GmbH durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen kann nichts anderes gelten. Der vom Kläger begehrten Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 Alternative 1 ErbStG steht die Gesetzesbindung der Steuerverwaltung und der Rechtsprechung entgegen (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes --GG-- und für die Gerichte ergänzend Art. 97 Abs. 1 GG; ebenso zu der in § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 Alternative 3 ErbStG geregelten, zum rückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigungen nach § 13a ErbStG führenden Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft BFH-Urteil in BFHE 213, 118, BStBl II 2006, 602).

    2. Ebenfalls zu Recht hat das FA angenommen, dass der vereinbarte Nießbrauch sich nicht auf die Höhe der festzusetzenden Steuer auswirkt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG wird der Erwerb von Vermögen, dessen Nutzungen dem Schenker oder dem Ehegatten des Erblassers oder Schenkers zustehen, ohne Berücksichtigung dieser Belastungen besteuert. Diese Vorschrift gilt auch, wenn sich der Schenker bei der Übertragung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft das Gewinnbezugsrecht vorbehält (BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 II R 34/03, BFHE 210, 463, BStBl II 2005, 797). Mit dem Abzugsverbot greift § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG (systemwidrig) in die Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nach § 10 ErbStG ein. Das Abzugsverbot wird jedoch abgemildert durch Satz 2 der Vorschrift, wonach die Steuer, die auf den Kapitalwert der nicht abziehbaren Belastung entfällt, bis zu ihrem Erlöschen zinslos zu stunden ist. Diese Stundung hat das FA durch den im Revisionsverfahren ergangenen Änderungsbescheid nachgeholt.

    3. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Steuerbescheids lässt sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 7. November 2006 1 BvL 10/02 (Deutsches Steuerrecht 2007, 235) ableiten. Das BVerfG hat in diesem Beschluss zwar entschieden, dass § 19 Abs. 1 ErbStG vom 17. April 1974 (BGBl I, 933) i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 (BGBl I, 378) in allen seinen seitherigen Fassungen mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, aber die weitere Anwendung des bisherigen Rechts bis zu einer spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu treffenden Neuregelung weiter zugelassen.

    RechtsgebieteErbStG, GGVorschriftenErbStG § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 ErbStG § 25 Abs. 1 Satz 1 GG Art. 3 Abs. 1