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  • 09.07.2015 · IWW-Abrufnummer 144885

    Oberlandesgericht Bremen: Beschluss vom 12.05.2015 – 5 W 9/15

    Auf die Erklärung der Erbausschlagung durch den gesetzlichen Vertreter eines Vereins gegenüber dem Nachlassgericht als amtsempfangsbedürftige Willenserklärung finden die Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht keine Anwendung.


    Oberlandesgericht Bremen

    Beschl. v. 12.05.2015

    Az.: 5 W 9/15

    Tenor:

    Die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 02.02.2015 gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Nachlassgericht- Bremerhaven vom 09.01.2015 wird zurückgewiesen.

    Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

    Der Gegenstandswert wird auf 57.686.- € festgesetzt.
    Gründe

    1. Mit handschriftlichem Testament vom 15.01.2006 "vermachte" die Erblasserin, verstorben am [...].2010, dem Beteiligten zu 1.(Antragsteller und Beschwerdegegner), einem eingetragenen Verein, ihr Grundstück und ihr Sparkassenbuch, dem Beteiligten zu 2. (Antragsgegner und Beschwerdeführer) das Inventar (vgl. Akten über die Verfügung von Todes wegen des AG Bremerhaven, Az. 7 IV 125/10, S. 9). Nach entsprechender Information durch das Nachlassgericht mit Schreiben vom 01.04.2010 (aaO. S. 12) erklärte die seinerzeitige 1. Vorsitzende des Beteiligten zu 1., Frau L., für diesen am 03.05.2010 gegenüber dem Nachlassgericht die Ausschlagung der Erbschaft (Akten über den Nachlass des AG Bremerhaven, 7 VI 300/10, S. 1). Ausweislich der Satzung des Beteiligten zu 1. wurde der Verein seinerzeit allerdings gerichtlich wie außergerichtlich durch den 1.und 2. Vorsitzenden gemeinsam vertreten (§ 4 d) der Satzung, Bl. 32 d. A.). Der 2. Vorsitzende wirkte an der Erbausschlagung nicht mit, dem Beteiligten zu 1. war die Erbausschlagung durch die 1. Vorsitzende zunächst nicht bekannt.

    Der Beteiligte zu 2. beantragte am 05.07.2010 nach entsprechender Mitteilung durch das Nachlassgericht unter Hinweis auf die Erbausschlagung einen Erbschein, der ihn, den Beteiligten zu 2., als Alleinerben ausweist (Bl. 1 ff d.A.).

    Mit Rücksicht auf die vom Amtsgericht für wirksam erachtete Erbausschlagung durch den Beteiligten zu 1. ging das Amtsgericht fortan von der gesetzlichen Erbfolge aus (Vermerk vom 22.07.2010, Bl. 6 d.A.).

    Nach weiteren Ermittlungen im Hinblick auf eventuelle andere gesetzliche Erben hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 02.12.2010 (Bl. 21) die für die Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet. Unter dem gleichen Datum erteilte es den beantragten Erbschein, der den Beteiligten zu 2. als Alleinerben auswies (Bl. 22 d.A.).

    Mit Antrag vom 06.03.2012 beantragte der Beteiligte zu 1., diesen Erbschein wegen Unrichtigkeit einzuziehen und stattdessen einen Erbschein zu erteilen, der den Beteiligten zu 1. als alleinigen Erben ausweist (Bl. 28 d.A.).

    Zur Begründung hat er sich darauf berufen, dass die 1. Vorsitzende satzungsgemäß nicht befugt gewesen sein, den Vereinallein zu vertreten; daher sei die erst nachträglich bekannt gewordene Erbausschlagung unwirksam.

    Der Beteiligte zu 2. ist dem entgegengetreten mit der Begründung, der Beteiligte zu 1. müsse sich das Handeln seiner 1. Vorsitzenden zurechnen lassen.

    Mit Beschluss vom 10.02.2014 hat das Amtsgericht den Antrag des Beteiligten zu 1. mit der Begründung zurückgewiesen, die Erbausschlagung durch die 1. Vorsitzende sei nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht zu Lasten des Beteiligten zu 1. wirksam, so dass es bei dem erteilten Erbschein bleibe (Bl. 110 d. A.).

    Hiergegen hat sich der Beteiligte zu 1. mit der Beschwerde vom 11.03.2014 gewandt (Bl. 116).

    Mit Beschluss vom 09.01.2015 hat das Amtsgericht der Beschwerde stattgegeben und "die Erteilung eines Erbscheins bewilligt", wonach die Erblasserin vom Beteiligten zu 1. allein beerbt worden sei; den Erbschein vom 02.12.2010 hat es wegen Unrichtigkeit eingezogen (Bl. 179).

    Hiergegen wendet sich nunmehr der Beteiligte zu 2. mit seiner Beschwerde vom 02.02.2015 (Bl. 187 d.A.). Dabei beruft er sich vor allem auf den internen Vermerk des Amtsgerichtes vom 22.07.2010 vor Erteilung des ersten Erbscheins, in dem der zuständige Richter das Eintreten der gesetzlichen Erbfolge festgestellt habe (Bl. 6 d.A.)

    Der Beteiligte zu 1.verteidigt die angegriffene Entscheidung.

    2. a) Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. ist zulässig, insbesondere rechtzeitig erhoben worden (§ 63 FamFG). Da der Beteiligte zu 2. durch die Abhilfeentscheidung des Amtsgerichtes erstmalig beschwert worden ist, steht nunmehr ihm die Beschwerde hiergegen zu (Keidel-Sternal, FamFG, 18. Aufl., § 68, Rdn. 12a und 23). Dem hat das Amtsgericht zutreffend Rechnung getragen, indem es die Abhilfeentscheidung mit einer entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung versehen und auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2. ein -erneutes- Abhilfeverfahren durchgeführt hat(Keidel, aaO.; Beschluss vom 25.02.2015, Bl. 194 d.A.).

    b) In der Sache zutreffend hat das Amtsgericht eine erneute Abhilfe abgelehnt und der Beschwerde des Beteiligten zu 2. nicht entsprochen. Dass das Amtsgericht bei der Tenorierung sich allerdings nicht an die Bestimmung des § 352 Abs. 1 FamFG gehalten, sondern "die Erteilung eines Erbscheins bewilligt" hat, spielt nach der Durchführung des Beschwerdeverfahrens keine entscheidende Rolle mehr (vgl. unten cc).

    aa) Zutreffend, wenn auch unausgesprochen, geht das Amtsgericht in Übereinstimmung mit den Beteiligten zu 1. und 2. davon aus, dass in dem "Vermächtnis" hinsichtlich des Hausgrundstücks und des Sparbuches zugunsten des Beteiligten zu 1. in Wahrheit eine Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1. zu sehen ist, da es sich insoweit um das wesentliche Vermögen der Erblasserin handelte (vgl. Palandt-Weidlich, BGB, 74. Aufl., § 2087, Rdn. 5); bei der Zuwendung des Inventars an den Beschwerdeführer handelte es sich demgegenüber angesichts des anzunehmenden -geringen- Wertes dieser Gegenstände tatsächlich nur um ein Vermächtnis zugunsten des Beteiligten zu 2. (aaO.). Bezeichnenderweise tauchen nämlich diese Inventargegenstände in der Aufstellung des Beteiligten zu 2. über die Nachlassmasse vom 04.01.2011 auch nicht als werthaltig auf (Bl. 25 d.A.). Dass aus dem Vermögen der Erblasserin nach deren Einschätzung möglicherweise noch Mittel für die "Altenpflege" zu tragen sein würden, steht dieser Auslegung des Testaments nicht entgegen, da maßgeblich für die Anwendung der Auslegungsregel des § 2087 BGB (vgl. dazu aaO., Rdn. 1) die Situation bei Errichtung des Testaments ist (aaO., Rdn. 7). Seinerzeit standen solche Kosten indessen ersichtlich keineswegs fest.

    bb) Diese wirksame Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1. ist nicht durch die Erbausschlagung seitens seiner 1. Vorsitzenden vom 03.05.2010 gegenstandslos geworden. Denn wie zwischen den Beteiligten grundsätzlich außer Streit steht, war diese satzungsmäßig allein nicht zu einer derartigen Erklärung befugt. Vielmehr sah § 4 d) der Vereinssatzung insoweit eine Gesamtvertretung durch den 1. und den 2. Vorsitzenden vor. Diese Beschränkung der Vertretungsmacht ist auch wirksam (Palandt-Ellenberger, aaO., § 26, Rdn. 6), insbesondere ist sie gemäß den §§ 68, 70 BGB in das Vereinsregister eingetragen worden (vgl. Vermerk des Amtsgerichtes vom 13.04. 2012, Bl. 37 d.A.).

    Zu Recht hat es das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss und abweichend vom Beschluss vom 10.02.2014 auch abgelehnt, die Grundsätze über die Anscheins- und Duldungsvollmacht auf die vorliegende Fallkonstellation anzuwenden. Diese Rechtsinstitute beruhen auf dem Grundsatz des Vertrauensschutzes (Palandt-Ellenberger, aaO., § 171, Rdn. 6) und können schon von daher auf eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung (Palandt-Weidlich, aaO. § 1945, Rdn. 1 und 7) keine entsprechende Anwendung finden. Denn das Amtsgericht als Empfänger dieser Erklärung macht sich zunächst ausdrücklich keine Gedanken über deren Wirksamkeit, sondern beurkundet sie nur (AG Bremerhaven, Akten über den Nachlass, Az. 7 VI 300/10, Bl. 1) und entwickelt schon von daher kein zu schützendes Vertrauen. Dass das Nachlassgericht die Wirksamkeit dieser Erklärung im anschließenden Erbscheinsverfahren überprüft - oder jedenfalls hätte überprüfen sollen-, macht das Nachlassgericht nicht zum Empfänger dieser Erklärung. Vielmehr kommt es mit dieser Überprüfung, wenn sie denn erfolgt, nur seiner gesetzlichen Verpflichtung nach, vor der Erteilung des Erbscheins die maßgeblichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln (Palandt-Weidlich, aaO., § 2358, Rdn. 2). Für Vertrauensschutzgesichtspunkte ist hier ebenfalls kein Raum, von ihnen lässt sich das Gericht nicht leiten.

    Schließlich finden diese Gesichtspunkte der Anscheins- und Duldungsvollmacht auch im Hinblick auf den Beteiligten zu 2. keine Anwendung, da dieser nicht Adressat der in Rede stehenden Ausschlagungserklärung ist, sondern - im Falle ihrer Wirksamkeit - nur mittelbar von ihr betroffen ist. Auf derartige mittelbare Folgen einer Willenserklärung hat das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend die genannten Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht angewandt.

    cc) Bei diesen Gegebenheiten konnte die Beschwerde des Beteiligten zu 2. keinen Erfolg haben. Allerdings begegnet die Tenorierung des angegriffenen Beschlusses dahingehend Bedenken, dass gemäß § 352 Abs. 1 FamFG die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt hätte erachtet werden müssen, wie ursprünglich mit Beschluss vom 02.12.2010 (Bl. 21 d.A.) auch grundsätzlich zutreffend, wenn auch in der Sache unrichtig, formuliert, und nicht bereits die Erteilung des Erbscheins hätte bewilligt werden dürfen (vgl. im Einzelnen Münchner Kommentar-Mayer, BGB, 6. Aufl., § 2353, Rdn. 108 ff). Denn nur ein solcher Beschluss kann angefochten werden (aaO., Rdn. 109), wie geschehen; hinsichtlich des erteilten Erbscheins kann nur die Einziehung beantragt werden (aaO., Rdn. 109).

    Dies spielt im Beschwerdeverfahren indessen keine Rolle: anstelle eines solchen Feststellungsbeschlusses kann das Beschwerdegericht das Amtsgericht anweisen, den begehrten Erbschein zu erteilen. Da das Amtsgericht im vorliegenden Fall angekündigt hat, den beantragten Erbschein "zu bewilligen", bedarf es einer solchen Anweisung indessen nicht; es genügt vielmehr die Zurückweisung der Beschwerde. Dem Amtsgericht bleibt sodann die Erteilung des Erbscheins vorbehalten (vgl. zu allem Keidel-Zimmermann, aaO., § 352, Rdn. 157).

    Auch wenn dieser Beschluss dem erklärten Willen des Beteiligten zu 2. widerspricht, war schließlich von einer Aussetzung der Wirksamkeit des Beschlusses (§ 352 Abs. 2 BGB) bis zur Rechtskraft des Beschlusses abzusehen, da der entsprechende Beschluss im Beschwerdeverfahren unmittelbar rechtskräftig wird (Keidel-Zimmermann, aaO.).

    c) Bei der Entscheidung über die Kosten war abweichend von § 84 FamFG zu berücksichtigen, dass die nicht widerspruchsfreien Entscheidungen des Amtsgerichtes auch darauf beruhen, dass die Vertretungsmacht der 1. Vorsitzenden des Beteiligten zu 1. offenbar seitens des Nachlassgerichtes nicht überprüft wurde und dass auch der Beteiligte zu 1. insoweit hinsichtlich des Handels seiner früheren Vorsitzenden nicht die im Rechtsverkehr gebotene Sorgfalt aufgebracht hat.

    Der Gegenstandswert ergibt sich aus den genannten Angaben des Beteiligten zu 2. zum Nachlasswert gegenüber dem Nachlassgericht. Sofern insoweit noch Grundstückswerte hinzukommen sollten, wird der Gegenstandswert ggf. zu korrigieren sein.

    RechtsgebieteBGB, FamFGVorschriftenBGB § 26; BGB § 1945; BGB § 2358; FamFG § 352