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  • 22.07.2015 · IWW-Abrufnummer 144956

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 12.11.2014 – 4 K 314/14 Erb

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.

    1

    T a t b e s t a n d:
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    Die Klägerin ist die Ehefrau des Erblassers A. Der Erblasser war mit einer Einlage von 49 % des Kapitals Kommanditist der B-GmbH & Co. KG (B-KG). Diese hatte eine ihm gegenüber bestehende Verbindlichkeit von 2.528.942 € passiviert. In der Sonderbilanz für die Gesellschafter der B-KG wurde eine entsprechende Forderung des Erblassers ausgewiesen. Der Erblasser vereinbarte mit der B-KG im November 2001, dass er mit seiner Forderung im Rang hinter alle übrigen Gläubiger der Gesellschaft zurücktrat. Er verpflichtete sich, seine Forderung nur geltend zu machen, wenn sie aus künftigen Jahresüberschüssen oder sonstigem die Schulden übersteigenden Vermögen befriedigt werden könne.
    3

    Der Erblasser verstarb im Mai 2002. Er wurde von der Klägerin allein beerbt.
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    Die Klägerin gab in ihrer am 18. Juni 2003 abgegebenen Erbschaftsteuererklärung den Wert des Kommanditanteils des Erblassers mit 2.202.606 € an. Zu diesem Wert des Anteils gelangte sie unter Berücksichtigung der Forderung des Erblassers gegenüber der B-KG mit einem Betrag von 2.528.942 €.
    5

    Das beklagte Finanzamt setzte mit Bescheid vom 2. September 2004 gegen die Klägerin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung 249.962 € Erbschaftsteuer fest. Dabei setzte es den Kommanditanteil des Erblassers mit 2.342.206 € an.
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    Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch trug die Klägerin vor: Die im Sonderbetriebsvermögen des Erblassers erfasste Forderung gegenüber der B-KG sei überwiegend wertlos gewesen. Die Gesellschaft sei überschuldet gewesen. Nur durch den vom Erblasser mit der Gesellschaft vereinbarten Rangrücktritt sei die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verhindert worden. Selbst nach der Veräußerung des Betriebsgrundstücks der B-KG im Jahr 2004 sei die Gesellschaft nicht schuldenfrei geworden. Nur ein geringer Teil des Veräußerungserlöses habe für die Rückführung der von ihr geerbten Forderung verwendet werden können. Die Forderung sei deshalb nur in Höhe von etwa 750.000 € werthaltig gewesen.
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    Das beklagte Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer gegen die Klägerin mit Bescheid vom 16. Dezember 2004 auf 408.517 € neu fest. Den Kommanditanteil des Erblassers setzte es unverändert mit 2.342.206 € an.
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    Mit Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 2014 setzte das beklagte Finanzamt die Erbschaftsteuer gegen die Klägerin auf 225.340 € neu fest. Dabei setzte es den Kommanditanteil des Erblassers mit 2.270.962 € an. Zur Begründung führte es aus: Die Forderung des Erblassers gegenüber der B-KG sei mit dem Nennwert von 2.528.942 € anzusetzen. Maßgebend sei insoweit der Steuerbilanzwert, der in einer auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers aufzustellenden Sonderbilanz und damit korrespondierend als Schuldposten in der Bilanz der Gesellschaft auszuweisen gewesen wäre. Auf den tatsächlichen Wert der Forderung komme es nicht an. Verluste im Sonderbetriebsvermögen könnten erst im Zeitpunkt der Beendigung der Mitunternehmerstellung berücksichtigt werden.
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    Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Die Forderung des Erblassers könne nicht mit dem Nennwert angesetzt werden, weil sie im Zeitpunkt seines Todes weitgehend wertlos gewesen sei. Durch den vereinbarten Rangrücktritt hätten der Erblasser und die B-KG zum Ausdruck gebracht, dass sie von einer Wertlosigkeit der Forderung ausgegangen seien. Der Rangrücktritt sei wirtschaftlich einem Forderungsverzicht gleichzusetzen.
    10

    Die Klägerin beantragt,
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    1. den Erbschaftsteuerbescheid vom 16. Dezember 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 2014 aufzuheben, soweit bei der Bewertung des Kommanditanteils des Erblassers an der B-KG eine ihm zustehende Forderung mit mehr als mit 750.000 € berücksichtigt worden ist;
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    2. hilfsweise die Revision zuzulassen.
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    Das beklagte Finanzamt beantragt,
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    die Klage abzuweisen.
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    Zur Begründung verweist es auf seine Einspruchsentscheidung.
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    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
    17

    Die Klage ist unbegründet. Der Erbschaftsteuerbescheid vom 16. Dezember 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 2014 ist - im angefochtenen Umfang - rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das beklagte Finanzamt hat bei der Bewertung des Kommanditanteils des Erblassers an der B-KG die diesem gegen die Gesellschaft zustehende Forderung zutreffend mit dem Nennbetrag von 2.528.942 € berücksichtigt.
    18

    Nach § 12 Abs. 5 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 (BGBl I 1997, 378), zuletzt geändert durch Art. 16 des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794), sind für den Bestand und die Bewertung von Betriebsvermögen mit Ausnahme der Bewertung der Betriebsgrundstücke die Verhältnisse zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) maßgebend. Nach § 12 Abs. 5 Satz 2 ErbStG sind die §§ 95 bis 99, 103, 104 und 109 Abs. 1 und 2 und § 137 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der Fassung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Februar 1991 (BGB I 1991, 230), zuletzt geändert durch Art. 14 des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794), für die Bewertung des Betriebsvermögens entsprechend anzuwenden. Gemäß § 109 Abs. 1 BewG sind bei bilanzierenden Steuerpflichtigen die zu dem Gewerbebetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter mit den Steuerbilanzwerten anzusetzen.
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    Das Betriebsvermögen umfasst nach § 95 Abs. 1 BewG alle Teile eines Gewerbebetriebs i.S. des § 15 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass sich der Umfang des Betriebsvermögens weitgehend danach richtet, was ertragsteuerrechtlich zum Betriebsvermögen gehört (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 17. April 2013 II R 12/11, BFHE 241, 386, BStBl II 2013, 740). Zum Betriebsvermögen gehören grundsätzlich alle Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze sowie Schulden und sonstigen Abzüge einschließlich des Sonderbetriebsvermögens einzelner Gesellschafter (§ 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 BewG).
    20

    Für die Wertermittlung des Betriebsvermögens für Zwecke der Festsetzung der Erbschaftsteuer sind die Steuerbilanzwerte maßgebend, die unter Zugrundelegung der ertragsteuerrechtlichen Bilanzierungs- und Gewinnermittlungsvorschriften zutreffend sind bzw. richtigerweise anzusetzen gewesen wären (BFH-Urteil in BFHE 241, 386, BStBl II 2013, 740). Maßgebend für die Bewertung von Forderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft ist dabei der Steuerbilanzwert, der in einer auf den Zeitpunkt des Todes des Gesellschafters erstellten Sonderbilanz und korrespondierend damit als Schuldposten in der Bilanz der Gesellschaft enthalten ist oder auszuweisen gewesen wäre (BFH-Urteil in BFHE 241, 386, BStBl II 2013, 740).
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    Der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft wird bei einer Personengesellschaft in der Weise ermittelt, dass eine in der Steuerbilanz der Gesellschaft passivierte Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter durch einen gleich hohen Aktivposten in der Sonderbilanz des Gesellschafters, dem gegenüber die Verbindlichkeit besteht, ausgeglichen wird (BFH-Urteil in BFHE 241, 386, BStBl II 2013, 740). Die in der Sonderbilanz zu bildende Forderung des Gesellschafters wird in der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft wie Eigenkapital behandelt. Selbst wenn feststeht, dass diese Forderung wertlos ist, folgt aus der Behandlung als Eigenkapital, dass eine Wertberichtigung während des Bestehens der Gesellschaft nicht in Betracht kommt. Der Verlust im Sonderbetriebsvermögen wird grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Beendigung der Mitunternehmerschaft realisiert (BFH-Urteil in BFHE 241, 386, BStBl II 2013, 740).
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    Hiervon ausgehend scheidet im Streitfall eine Wertberichtigung der Forderung des Erblassers gegenüber der B-KG wegen der von der Klägerin behaupteten weitgehenden Wertlosigkeit der Forderung aus. Der von dem Erblasser mit der Gesellschaft vereinbarte Rangrücktritt ändert hieran nichts. Der Rangrücktritt führt zwar im wirtschaftlichen Ergebnis dazu, dass die Forderung wie Eigenkapital behandelt wird. Das entspricht indessen dem Ansatz der Forderung mit dem Steuerbilanzwert. Die in der Sonderbilanz zu bildende Forderung des Gesellschafters wird in der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft gerade wie Eigenkapital behandelt (BFH-Urteil in BFHE 241, 386, BStBl II 2013, 740).
    23

    Die Klägerin kann sich zur Stützung ihrer Auffassung auch nicht mit Erfolg auf § 5 Abs. 2a EStG berufen. Dies schon deshalb nicht, weil die Verbindlichkeit tatsächlich von der B-KG noch in der zum 31. Dezember 2002 aufgestellten Bilanz passiviert worden ist, was sich aus den in den Rechtsbehelfsakten des beklagten Finanzamts abgehefteten Bilanzen ergibt. Unbeschadet dessen kann die Bestimmung des § 5 Abs. 2a EStG nach ihrem Sinn und Zweck im Streitfall nicht angewendet werden. Der Vorschrift liegt die Erwägung zugrunde, dass Verbindlichkeiten, die nur aus künftigen Gewinnanteilen zu tilgen sind, mangels wirtschaftlicher Verursachung weder in der Handels- noch in der Steuerbilanz ausgewiesen werden dürfen (BFH, Urteil vom 14. Mai 2002 VIII R 8/01, BFHE 199, 198, BStBl II 2002, 532). Eine Anwendung der Vorschrift im Streitfall würde indes dem Grundsatz der korrespondierenden Bilanzierung widersprechen. Danach wird eine Darlehensrückzahlungsforderung des Gesellschafters in der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft wie Eigenkapital behandelt. Auch wenn feststeht, dass die Forderung wertlos ist, folgt aus der Behandlung als Eigenkapital, dass eine Wertberichtigung während des Bestehens der Gesellschaft nicht in Betracht kommt. Das Imparitätsprinzip gilt insoweit nicht (BFH, Beschluss vom 9. Dezember 2009 IV B 129/08, BFH/NV 2010, 640).
    24

    Der Senat sieht davon ab, das Verfahren nach § 74 FGO im Hinblick auf den hilfsweise im Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 30. Oktober 2013 gestellten Antrag auf abweichende Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen (§ 163 Satz 1 AO) auszusetzen. Die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Hier ist eine Aussetzung des Klageverfahrens nicht zweckmäßig, weil das beklagte Finanzamt über den hilfsweise von der Klägerin gestellten Antrag überhaupt noch nicht entschieden hat (Bl. 32 R GA) (vgl. auch BFH, Urteile vom 11. Mai 2010 IX R 26/09, BFH/NV 2010, 2067; vom 28. Februar 2013 III R 94/10, BFHE 240, 325, BStBl II 2013, 725). Darüber hinaus wird die Prüfung der sachlichen Billigkeit durch die materiell-rechtlichen Erwägung des Gerichts zu der Festsetzung der Steuer beeinflusst (BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 2067).
    25

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.