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  • 27.07.2016 · IWW-Abrufnummer 187486

    Oberlandesgericht Naumburg: Urteil vom 08.10.2015 – 1 U 72/15

    1. Es gibt keinen im einstweiligen Rechtsschutz durchsetzbaren Anspruch auf Übertragung der Totenfürsorge.

    2. Einem Verwandten steht an Stelle des Ehegatten das Recht zur Totenfürsorge kraft Übertragung durch den Verstorbenen zu. Fehlt es an einem dahingehenden Willen des Verstorbenen, bleibt es beim gewohnheitsrechtlichen Vorrang des Ehegatten. Der nicht totenfürsorgeberechtigte Verwandte kann sich in diesem Fall nur gegen einzelne Maßnahmen des Ehegatten wenden, wenn diese dem (mutmaßlichen) Willen des Verstorbenen widersprechen.

    3. Streiten die nahen Angehörigen, wem von ihnen die Totenfürsorge zukommt und hat bereits einer von ihnen die Beisetzung gegen den Willen des anderen veranlasst, gebieten es die Pietät und die Wahrung der Totenruhe, diesen Zustand durch eine einstweilige Verfügung bis zur Entscheidung der Hauptsache aufrechtzuerhalten. Der Verstorbene darf nicht dem Streit der Parteien ausgesetzt werden.


    Oberlandesgericht Naumburg

    Urt. v. 08.10.2015

    Az.: 1 U 72/15

    Tenor:

    Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das am 6. Mai 2015 verkündete Urteil des Landgerichts Halle abgeändert und der Verfügungsbeklagten untersagt, die Umbettung der auf dem Friedhof H. straße in B. beigesetzten Urne ihres am 17. Januar 2015 verstorbenen Ehemannes S. Sch. zu veranlassen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Verfügungsbeklagten die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 30.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu zwei Monaten angedroht. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

    Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

    Gründe

    Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gemäß §§ 540 I 1 Nr. 1, II; 313a I 1; 542 II 1 ZPO abgesehen.

    I.

    Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers hat in der Sache teilweise Erfolg. Das angefochtene Urteil des Landgerichts Halle beruht auf einer Verletzung des Rechts im Sinne von § 513 I ZPO. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der Verfügungskläger eine einstweilige Verfügung erwirken. Angesichts des Streits der Parteien, über den endgültig im Hauptsacheverfahren zu entscheiden ist, muss zur Abwendung einer unnötigen Beeinträchtigung der Totenruhe der vorläufige Verbleib der Urne des Verstorbenen in B. geregelt werden (§§ 940; 938 I; 936; 922 I 1 ZPO). Für eine einstweilige Übertragung der Totenfürsorge auf den Verfügungskläger sieht der Senat dagegen keinen Raum.

    1. Die gegen die Berufung geäußerten Zulässigkeitsbedenken der Verfügungsbeklagten teilt der Senat nicht.

    Das Landgericht hat über die einstweilige Verfügung durch Endurteil entschieden. Dagegen findet nach § 511 I ZPO die Berufung statt. Der Verfügungskläger kann sein Rechtsmittel bei identischem Klagegrund auch auf neue Tatsachen stützen, wie sich aus §§ 520 III 2 Nr. 4; 529 I Nr. 2; 531 II 1 ZPO ergibt. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sind neue Tatsachen sogar uneingeschränkt zuzulassen.

    Entscheidend ist, ob mit der Anfechtung eine die Erwachsenheitssumme des § 511 II Nr. 1 ZPO übersteigende (Teil-) Beschwer aus der ersten Instanz weiter verfolgt wird. Hierfür genügt dem Kläger die in der Zurückweisung seines Antrages zu erblickende formelle Beschwer, welche mit dem auf Übertragung der Totenfürsorge gerichteten Begehren zumindest teilweise Gegenstand des Berufungsverfahrens ist (§§ 520 III 2 Nr. 1; 528 1 ZPO). Die Fortschreibung des Sachverhalts nimmt dem Kläger bei gleichbleibendem Streitgegenstand nicht die für die Berufung notwendige Beschwer (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., vor § 511 Rdn. 10a).

    Mit dem weiteren Antrag auf Verbot der Umbettung reagiert der Verfügungskläger auf die Weiterentwicklung des Sachverhalts, indem er den in erster Instanz geltend gemachten Unterlassungsanspruch modifiziert. Dies ist nicht einmal eine Klageänderung (§ 264 Nr. 3 ZPO).

    2. Mit seinem Antrag geht es dem Verfügungskläger um die Verwirklichung des aus der Menschenwürde folgenden Selbstbestimmungsrechts des Verstorbenen im Wege postmortalen Persönlichkeitsschutzes. Als naher Angehöriger kann der Kläger diesen Rechtsschutz vorantreiben (Staudinger/Wolfgang Marotzke, BGB, Neubearb. 2008, § 1922 Rdn. 131). Das gilt auch im Verhältnis zum Ehegatten, also der Verfügungsbeklagten (OLG Karlsruhe MDR 1990, 443 [OLG Karlsruhe 14.04.1988 - 9 U 50/87]). Zudem verfolgt der Verfügungskläger ein eigenes, die gewohnheitsrechtlich vorrangig berufene Verfügungsbeklagte ausschließendes Recht auf Totenfürsorge kraft der von ihm behaupteten Übertragung durch den Verstorbenen. In beiden Fällen geht es um absolute Rechte, deren Beeinträchtigung mit einem Unterlassungsanspruch begegnet werden kann (§§ 823 I; 1004 I 2 BGB). Das Totenfürsorgerecht ist sonstiges Recht im Sinne von § 823 I BGB und setzt sich als Abwehrrecht gegen Beeinträchtigungen fort (Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl., vor § 1922 Rdn. 12).

    3. Daraus wird allerdings schon deutlich, dass der Antrag des Verfügungsklägers auf vorläufige Übertragung der Totenfürsorge scheitern muss. Es gibt keinen dahingehenden Anspruch.

    Wer die Totenfürsorge innehat, bestimmt sich nach dem zu Lebzeiten geäußerten Willen des Verstorbenen (BGH NJW 2012, 1648, 1649 [BGH 17.11.2011 - III ZR 53/11]; Schwab, in: MünchKomm.-BGB, 6. Aufl., § 1896 Rdn. 104; Lohmann, in: BeckOK-BGB, Stand: 1.11.2014, § 1968 Rdn. 2). Beherrschender Grundsatz des Totenfürsorgerechts ist die Maßgeblichkeit des Willens des Verstorbenen. Das Recht zur Totenfürsorge kann nicht gegen den irgendwie geäußerten Willen des Verstorbenen ausgeübt werden (OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 1159). Deshalb sind die nächsten Angehörigen und vor den Verwandten die Ehegatten nur dann totenfürsorgeberechtigt, wenn der Verstorbene keine andere Person mit dieser Aufgabe betraut hat (BGH NJW-RR 1992, 834 [BGH 26.02.1992 - XII ZR 58/91]; Staudinger/Wolfgang Marotzke, § 1922 Rdn. 121).

    Das heißt für den Verfügungskläger, entweder hat ihm sein Zwillingsbruder die Totenfürsorge übertragen, oder das Recht steht unübertragbar der Verfügungsbeklagten zu. Lässt sich aus den Umständen ein ihn bestimmender Wille des Verstorbenen zuverlässig (mit Sicherheit) entnehmen (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.1977, IV ZR 151/76, BeckRS 1977, 31117013; BGH NJW-RR 1992, 834 [BGH 26.02.1992 - XII ZR 58/91]; OLG Karlsruhe MDR 1990, 443; Schwab, § 1896 Rdn. 105; Lohmann, § 1968 Rdn. 2), ist der Verfügungskläger Inhaber der Totenfürsorge, sodass es einer Übertragung nicht bedarf. Hat sich der Verstorbene nicht in diese Richtung geäußert, bleibt es bei den gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen, also bei der Totenfürsorge der Verfügungsbeklagten. Eine Rechtsgrundlage zur gerichtlichen Übertragung der Totenfürsorge auf andere Personen gibt es nicht. Der Verfügungskläger kann sich in Ermangelung des eigenen Totenfürsorgerechts dann nur gegen einzelne Maßnahmen der Verfügungsbeklagten wenden, wenn diese dem (mutmaßlichen) Willen des Toten widersprechen.

    Darüber hinaus gilt im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung das Verbot, die Hauptsache vorweg zu nehmen. Die Anordnung muss im Vergleich zur Hauptsachentscheidung gerade in Bezug auf ihre rechtsgestaltenden Wirkungen stets ein Minus oder aliud sein (Zöller/Vollkommer, § 938 Rdn. 3). Die einstweilige Übertragung der Totenfürsorge würde dem Verfügungskläger dagegen schon das einräumen, was er sich in der Hauptsache verspricht.

    4. Begründet ist der auf Verbot der Umbettung gerichtete Antrag des Verfügungsklägers, in dessen Rahmen der Senat die zu treffende Anordnung nach freiem Ermessen bestimmt (§§ 528 1; 525 1; 308 I 1; 938 I ZPO). Mit der Aufhebung der zunächst erlassenen einstweiligen Verfügung durch das Landgericht entfiel deren Wirkung endgültig (Zöller/Vollkommer, § 925 Rdn. 10). Es bedarf daher auf das Rechtsmittel des Verfügungsklägers einer neuen einstweiligen Verfügung des Berufungsgerichts (Zöller/Vollkommer, § 925 Rdn. 12). Die Pietät gegenüber dem Verstorbenen und die Wahrung seiner Totenruhe begründen in Anbetracht des Streits der Parteien ein Regelungsbedürfnis im Sinne von § 940 ZPO.

    a) Der Verfügungskläger hat den Verstorbenen gegen den Willen der Verfügungsbeklagten in B. beisetzen lassen. Mit der Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 26.2.2015 ist zu befürchten, dass die Verfügungsbeklagte dies durch Umbettung rückgängig macht. Ihr Wunsch nach einer gemeinsamen Grabstätte mit dem verstorbenen Ehemann würde sich gegen das Gebot, die Toten ruhen zu lassen, durchsetzen (BGH NJW 1954, 720, 721 a.E.).

    Bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens ist dem allerdings Einhalt zu gebieten. Verwandtenstreit findet an der Achtung vor der Ruhe der Toten seine Schranken. Eine Umbettung kann nur aus ganz besonderen Gründen veranlasst werden (BGH NJW 1954, 720, 721; BGH, Urteil vom 26.10.1977, IV ZR 151/76, BeckRS 1977, 31117013; OLG Karlsruhe MDR 1990, 443 [OLG Karlsruhe 14.04.1988 - 9 U 50/87]; OLG Oldenburg NJW-RR 1990, 1416, 1417; OLG Zweibrücken NJW-RR 1993, 1482). Diese Gründe müssen feststehen. Bis dahin ist durch eine vorläufige Regelung zu verhindern, dass der Verstorbene durch mehrfache Umbettung dem Streit der Parteien ausgesetzt wird.

    b) Es ist vom Verfügungskläger glaubhaft gemacht (§§ 936; 920 II; 294 ZPO), dass der Verstorbene zuletzt den Willen geäußert hatte, in B. beigesetzt zu werden.

    aa. Das Landgericht hat ausgeführt, der Kläger könne seinen Antrag nicht auf einen Unterlassungsanspruch stützen. Die über den Tod hinaus erteilte Vorsorgevollmacht erfasse die Totenfürsorge nicht. Nach §§ 14 II; 10 II 1 BestattG LSA habe der überlebende Ehegatte, also die Beklagte, für die Bestattung zu sorgen. Etwas anderes, nämlich die Beauftragung durch den Verstorbenen zu Lebzeiten, habe der Kläger nicht bewiesen. Vielmehr sei die Kammer im Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Kläger nicht vom Verstorbenen mit der Totenfürsorge beauftragt worden sei und sein Bruder keine dahingehende Regelung habe treffen wollen. Der Verstorbene habe sich nicht kurz vor seinem Tod von der Beklagten getrennt, verbunden mit dem Willen, in B. bestattet zu werden. Die Zeuginnen hätten nichts bekundet, was auf einen Willen des Verstorbenen zur Regelung der Totenfürsorge hindeuten würde. Vielmehr habe die Mutter des Verstorbenen ausgesagt, ihm sei die Nähe des Todes klar gewesen und er habe auf dem Südfriedhof in H. beerdigt werden wollen. Die Tatsache, dass die Beklagte eine Grabstätte auf dem Nordfriedhof in H. bereithalte, gebe dem Kläger nicht das Recht, über den Ort der Bestattung zu befinden.

    Dies hält einer Überprüfung durch den Senat nicht stand.

    bb. Die angefochtene Entscheidung verkennt, dass der Verfügungskläger nur zur Glaubhaftmachung verpflichtet ist (§§ 936; 929 II; 294 ZPO). Er musste seine Darstellung des Sachverhalts und damit den für sich in Anspruch genommenen Willen des Verstorbenen nicht streng beweisen. Es genügt überwiegende Wahrscheinlichkeit. In diesem Zusammenhang durfte das Landgericht nicht nur auf die Aussagen der präsenten Zeuginnen abstellen. Auch die vom Verfügungskläger vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen sowie der unstreitige Sachverhalt waren in die Würdigung einzubeziehen.

    cc. Der Senat hält es gemäß §§ 529 I Nr. 1; 525 1; 286 ZPO in der notwendigen Gesamtwürdigung aller Umstände für überwiegend wahrscheinlich, dass der Verstorbene an seiner jetzigen Ruhestätte richtig, also entsprechend seinem unmittelbar vor dem Tod geäußerten Willen beigesetzt ist.

    Zutreffend hat das Landgericht allerdings der Vorsorgevollmacht die Übertragung der Totenfürsorge auf den Verfügungskläger nicht zu entnehmen vermocht. Eine mit der Betreuung kongruente Vollmacht erlischt, wie die Betreuung auch, mit dem Tod des Vollmachtgebers (Palandt/Götz, vor § 1896 Rdn. 7; § 1896 Rdn. 26; Schubert, in: MünchKomm.-BGB, 7. Aufl., § 168 Rdn. 45). Es ist zulässig, die Vollmacht über den Tod hinaus zu erteilen (Palandt/Weidlich, § 1922 Rdn. 33). Zweck einer solchen Vollmacht ist es, die Übergangsphase zu gestalten (Schubert aaO.), und zwar beschränkt auf den Nachlass für die Erben (Palandt/Weidlich, § 1922 Rdn. 33; vor § 2197 Rdn. 10). Die Erben können die Vollmacht jederzeit widerrufen (Palandt/Weidlich, vor § 2197 Rdn. 13; Schubert, § 168 Rdn. 45). Da die Betreuung nicht die Totenfürsorge umfasst (Schwab, § 1896 Rdn. 104), spricht also nichts dafür, dass der Kläger allein auf Grund der Vorsorgevollmacht zur Totenfürsorge berechtigt wäre. Zumindest hätte die Beklagte die Vollmacht widerrufen. Zutreffend weist der Kläger zwar darauf hin, dass der zum Betreuer bestellte Angehörige vorrangig zur Totenfürsorge berufen sein soll (Staudinger/Wolfgang Marotzke, § 1922 Rdn. 122; Palandt/Götz, § 1896 Rdn. 26 m.w.N.). Der Kläger war aber nicht zum Betreuer bestellt, und es ist nicht ersichtlich, dass eine Betreuung hätte angeordnet werden müssen, also ein Betreuungsfall vorlag. Der Kläger konnte auf der Grundlage der erteilten Vollmacht handeln, weil sie gerade nicht vom Vorliegen des Betreuungsfalls abhängig war.

    Der Vorsorgevollmacht kommt allerdings als ein Moment bei der Prüfung des Willens des Verstorbenen Bedeutung zu. Hierbei kann es offen bleiben, ob der Verstorbene dem Verfügungskläger die Totenfürsorge übertrug oder nur äußerte, in B. beigesetzt zu werden. Viel spricht freilich für eine Verknüpfung von beidem. Nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt hat der Verstorbene zumindest in den letzten Wochen vor seinem Tod mit der Verfügungsbeklagten gebrochen und sich seiner Familie in der Person seines Zwillingsbruders zugewandt. Der Senat hält es angesichts dessen für überwiegend wahrscheinlich, dass damit auch der Wunsch nach einem anderen Beisetzungsort, nämlich beim Bruder in B. in der Nähe von dessen Schwiegermutter (Miechen), verbunden war und dem Verfügungskläger gegenüber geäußert wurde.

    Der Verfügungskläger hat durch Vorlage von Postkarten glaubhaft gemacht, dass der Verstorbene schon während des Aufenthaltes in der Fachklinik T. nicht den dringenden Wunsch hatte, nach Hause zurückzukehren. Die anschließende durch Überforderung nur unzureichende Pflege und Versorgung des Verstorbenen durch die Verfügungsbeklagte ist zwischen den Parteien nicht streitig. Der Bruder des Verfügungsklägers musste in deutlich reduziertem Allgemeinzustand ins Krankenhaus eingeliefert werden. Danach wandte sich der Verstorbene ab Oktober 2014 mehr und mehr dem Kläger zu. Von diesem sah er sich ordnungsgemäß vertreten. Das sich nun entwickelnde Vertrauensverhältnis, das mit der Besorgung aller wichtigen Angelegenheiten seines Bruders durch den Verfügungskläger und mit der Erteilung von Vollmachten einherging, zieht auch die Verfügungsbeklagte nicht in Zweifel. Es liegt nahe, dass der Verstorbene dem Verfügungskläger zuletzt auch die Dinge anvertraute, die seine Beisetzung betrafen, sei es durch Übertragung der Totenfürsorge oder nur durch Kundgabe des Ortes der letzten Ruhestätte. Dem Verfügungskläger ist daher wahrscheinlich zu glauben, dass er zum maßgeblichen Willen des Verstorbenen auskunftsfähig ist.

    Das Verhältnis des Verstorbenen zur Verfügungsbeklagten scheint dem Senat dementgegen tatsächlich eher getrübt, wenn nicht gar zerrüttet gewesen zu sein. Hierfür gibt es zwei wesentliche und nicht näher umstrittene Indizen. Zum einen ist das die Kündigung der gemeinsamen ehelichen Wohnung durch den Verstorbenen, gepaart mit dem ausdrücklich mehrfach geäußerten Willen, nicht mehr nach Hause zurückkehren zu wollen. Zum anderen offenbaren die Auflösung des gemeinsamen Sparbuches und die demonstrative Teilung des vorhandenen Guthabens ebenso einen Trennungswunsch oder gar die Trennung selbst. Der Verstorbene wollte mit diesen Handlungen ersichtlich etwas zum Ausdruck bringen, denn ansonsten hätte hierzu gerade in seiner konkreten Lage kein Anlass bestanden. Er war schwer krank, und es konnte dementsprechend in naher Zukunft sowieso keine Entlassung aus dem Krankenhaus erfolgen. Geld benötigte der Verstorbene im Krankenhaus nur in begrenztem Umfange, und die finanziellen Belange der Familie dürften mit Rücksicht auf den ernsten Gesundheitszustand kaum dringenden Handlungsbedarf mit sich gebracht haben. Hinzu kommen die jedenfalls gegenüber den Zeuginnen E. Sch. und S. L. abgegebenen Bekundungen, die auf eine (innere) Trennung von der Verfügungsbeklagten hindeuten und die Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung des Verfügungsklägers zu bestätigen scheinen. Darüber hinaus ging der Verstorbene uneingeschränkt auf die unterstützenden Angebote des Verfügungsklägers ein (Einzug in das Seniorenzentrum), während die Verfügungsbeklagte mit ihren Bemühungen kein Gehör mehr fand. Unstreitig gab es eine heftige Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten zu den Kontoabhebungen der Verfügungsbeklagten. Das sind weitere deutliche Zeichen einer Abwendung des Verstorbenen von der Ehefrau, zu der auch die enttäuschende Pflege und Versorgung im ehelichen Haushalt beigetragen haben mag.

    Es kann vor diesem Hintergrund nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden, dass der Verstorbene an seinem ursprünglich sicherlich geäußerten und auch von seiner Mutter bekundeten Willen festhielt, in H. beerdigt zu werden. Die Hinwendung zum Bruder und der unstreitig aufgekommene Gedanke, nach B. zu ziehen, lassen es vielmehr als wahrscheinlich erscheinen, dass sich damit auch die Prioritäten im Hinblick auf den Beisetzungsort änderten.

    Soweit die Verfügungsbeklagte darauf verweist, von alldem nichts bemerkt und mit dem Verstorbenen H. als Beisetzungsort besprochen zu haben, mag das sogar richtig sein. Maßgeblich ist aber der wirkliche Wille des Verstorbenen, der in eine andere Richtung gegangen zu sein scheint. Zunächst kann die Verfügungsbeklagte nicht die oben geschilderten Umstände einfach ignorieren. Sie erklärt auch nicht, wie sich diese in das von ihr geschilderte Bild vom Verhältnis zwischen den Eheleuten einfügen. Unstreitig war der Verstorbene sehr auf Harmonie bedacht. Es ist auch kaum vorstellbar, dass jemand angesichts der eigenen schweren Erkrankung und des drohenden Todes den langjährigen Ehegatten, der ihn während der Krankheit begleitete, in jeder Beziehung von sich weist und durch offene Ablehnung vor den Kopf stößt. Umso wichtiger erscheinen die gesandten Signale und die Dritten gegenüber getätigten Äußerungen. Diese deuten auf eine Abwendung von der Verfügungsbeklagten und der Stadt H. und auf eine Rückbesinnung auf den Bruder und die Stadt B. mit Konsequenzen für die letzte Ruhestätte hin.

    Der Verfügungsbeklagten ist zuzugeben, dass sich der Verstorbene sicher in einem geschwächten Zustand und in einer besonderen emotionalen Situation befand. Das lässt aber für sich und in Gänze nicht darauf schließen, dass beim Verstorbenen die Fähigkeit, sich einen eigenen Willen zu bilden und sich danach zu verhalten, beeinträchtigt war.

    Nach der eidesstattlichen Versicherung des Verfügungsklägers hat der Verstorbene ihm gegenüber in der letzten Phase des Lebens eindeutig zum Ausdruck gebracht, in B. beigesetzt werden zu wollen. Warum der Verfügungskläger dies falsch an Eides statt versichern und damit gegen den Willen seines Bruders handeln sollte, ist nicht ansatzweise ersichtlich. Der Sachverhalt deutet vielmehr auf eine enge Beziehung der Geschwister hin, die es nahe legt, dass es dem Verfügungskläger um die Durchsetzung des Wunsches seines Bruders geht.

    II.

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 I; 92 I ZPO.

    Wegen der Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Senats bedarf es eines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht.

    RechtsgebieteZPO, BGBVorschriften§ 935 ZPO; § 940 ZPO; § 1922 BGB; § 1968 BGB