24.05.2017 · IWW-Abrufnummer 194127
Landgericht Krefeld: Urteil vom 24.02.2017 – 1 S 68/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Krefeld
1 S 68/16
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 24.06.2016 (2 C 1/16) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren unter Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung auf 1.500,00 Euro sowie auf 1.000,00 Euro für das Berufungsverfahren festgesetzt.
1
Gründe:
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I.
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Die Klägerin ist Tochter der Frau Z. und des am 24.03.2014 verstorbenen Herrn Z. Dessen Ehefrau und Alleinerbin war die Beklagte, die auch die Beisetzung der Asche des Verstorbenen in ihrem sog. Familiengrab veranlasste.
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Im November 2015 erfuhr die Klägerin, dass die Urne ihres Vaters dem Grab entnommen worden war. Die Beklagte verweigerte zunächst jede Auskunft über den Verbleib der Urne. Erst später teilte sie mit, dass es auf ihre Veranlassung hin zu einer Flussbestattung in den Niederlanden gekommen war. Mit der Klage hat die Klägerin Auskunft über den Verbleib der Urne sowie Zahlung eines „Schmerzensgeldes“ und Freistellung von Rechtsanwaltskosten verlangt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 24.06.2016 (Bl. 40 ff. GA) Bezug genommen. Mit diesem hat das Amtsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Auskunft über den Verbleib der Urne sowie eine Verpflichtung zur Freistellung von (anteiligen) Rechtsanwaltskosten bejaht, die weitergehende Klage aber abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – ausgeführt: Ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gem. § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Totenfürsorgerechts bestehe nicht. Denn nicht die Klägerin, sondern die Beklagte sei Totenfürsorgeberechtigte. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei ebenfalls zu verneinen. Wenn die Rechtsordnung dem Totenfürsorgeberechtigten eine Umbettung gestatte, könne hierin nicht zugleich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin zu erblicken sein. Soweit die Klägerin mit einem in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schreiben (Bl. 36 ff. GA) in Zweifel gezogen habe, dass der Verstorbene eine Flussbestattung in den Niederlanden gewünscht habe, sei der Vortrag gem. § 296 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Außerdem sei dieser Schriftsatz auch entgegen § 130 Nr. 6 ZPO nicht unterschrieben gewesen.
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Mit der rechtzeitig eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlich abgewiesenen Antrag auf Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung weiter. Sie beruft sich auf eine Verletzung des Totenfürsorge- und Persönlichkeitsrechts.
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II.
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Die Berufung der Klägerin, die sich nur auf die Abweisung des Zahlungsantrags und nicht zugleich auf die für sie teilweise nachteilige Entscheidung über den Anspruch auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten bezieht, bleibt erfolglos. Zwar hat das Amtsgericht rechtsfehlerhaft Vortrag übergangen und aus Sicht der Kammer zugleich einen Gesichtspunkt i.S.v. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO für unerheblich gehalten. Indes hat die Klägerin trotz der Hinweise vom 15.11.2016 (Bl. 98 ff. GA) weder ihren erstinstanzlichen Vortrag konkretisiert noch die maßgeblichen Tatsachen unter Beweis gestellt, weshalb sich die Entscheidung des Amtsgerichts als im Ergebnis zutreffend erweist.
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Entscheidend ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines „Schmerzensgeldes“ allein unter den engen Voraussetzungen einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu bejahen sein könnte. Ein solcher Anspruch besteht nicht bereits wegen der verzögerten Auskunft bzw. unterlassenen Mitteilung über die (vorgenommene bzw. bevorstehende) Ausgrabung, hierzu II.4.d). Von einer haftungsbegründenden Persönlichkeitsverletzung ist auch nicht schon deshalb auszugehen, weil ein Wille des Verstorbenen zur Störung seiner Totenruhe von der Beklagten nicht plausibel dargelegt worden ist, vgl. II.4.b) der Urteilsgründe. Vielmehr wäre der geltend gemachte Zahlungsanspruch nach der unter II.4.c) erläuterten Auffassung der Kammer lediglich dann zu bejahen, wenn es zusätzlich an einem anerkennenswerten Interesse der Beklagten, den ursprünglich gewählten Trauerort zu beseitigen, gefehlt haben sollte, also ein Handeln aus sachwidrigen Gründen festzustellen wäre. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer solchen Haftung hat die Klägerin indes weder hinreichend dargelegt noch unter Beweis gestellt. Im Einzelnen:
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1.
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Nach ständiger Rechtsprechung begründet nicht jede Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung. Erforderlich ist vielmehr, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann (vgl. BGH, Urt. 24.05.2016 – VI ZR 496/15, juris). Diese Rechtsprechung ist – obwohl das allgemeine Persönlichkeitsrecht in § 253 Abs. 2 BGB nicht genannt wird – verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, NJW 1973, 1221 ff.). Denn die Zubilligung einer Geldentschädigung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktionen blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (vgl. BGH, NJW 2005, 58, 59). Richtschnur ist daher die Frage, ob der aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgende Schutzauftrag im Einzelfall die Zubilligung einer Geldentschädigung gebietet.
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2.
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Das von der Klägerin ebenfalls geltend gemachte Totenfürsorgerecht ist demgegenüber an erster Stelle eine Ausprägung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes des Verstorbenen, dessen Wille über die Totenfürsorgeberechtigung entscheidet (vgl. BGH, Urt. v. 26.02.1992 – XII ZR 58/91, juris). Dementsprechend dient auch § 168 StGB insbesondere dem postmortalen Persönlichkeitsschutz des Verstorbenen (vgl. BGH, NStZ 2016, 92, 93). Der Totenfürsorgeberechtigte nimmt die Rechte des Verstorbenen gleichsam treuhänderisch wahr (vgl. BGH, NJW 2014, 3786, 3788).
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a)
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Folgt man dem vorgenannten Verständnis, ist eine Verletzung des Totenfürsorgerechts für sich genommen ungeeignet, einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zu begründen. Denn dem Wahrnehmungsberechtigten stehen bei postmortalen Verletzungen (der ideellen Bestandteile) des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich nur Abwehransprüche, nicht aber Schadensersatzansprüche zu (vgl. BGH, NJW 2005, 605, 606 f.). Der deliktische Schutz des Totenfürsorgerechts (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 2001, 2808) besagt nichts anderes, zumal dieses Recht in § 253 Abs. 2 BGB nicht erwähnt wird.
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b)
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Es ist allerdings durchaus zweifelhaft, ob das Totenfürsorgerecht ausschließlich in dem vorgenannten treuhänderischen Sinn zu verstehen ist. Möglicherweise sind Beeinträchtigungen dieses Rechts (auch) als Eingriff in ein originär eigenes Recht des betroffenen Angehörigen zu werten (vgl. [zu Art. 8 Abs. 1 EMRK] EGMR, NVwZ 2015, 351, 352; Stelkens/Wabnitz, GewArch Beilage WiVerw Nr. 01/2016, 11, 12 f.). Denn gerade die gewohnheitsrechtliche Bestimmung der Totenfürsorgeberechtigung zielt auf eheliche oder verwandtschaftliche Bindungen ab, die sich durch eine besondere Vertrautheit auszeichnen. Die zur Totenfürsorge berufene Person wird sich deshalb regelmäßig nicht allein als Treuhänder verstehen, sondern zugleich ein eigenes Recht auf ungestörte Trauer wahrnehmen wollen. Daher liegt es durchaus nahe, das Totenfürsorgerecht (auch) als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des (primär) Totenfürsorgeberechtigten zu werten (so möglicherweise KG, Urt. v. 05.04.2016 – 9 U 41/15, juris; AG Rinteln, Urt. v. 23.12.2015 – 2 C 183/14, juris). An den Haftungsanforderungen ändert sich hierdurch jedoch nichts: Eine Entschädigungszahlung kommt nur in Betracht, wenn es sich bei der Verletzung des Totenfürsorgerechts um eine im vorgenannten Sinn schwerwiegende Beeinträchtigung gehandelt hat (so auch KG, Urt. v. 05.04.2016 – 9 U 41/15, juris; LG Ulm, Urt. v. 20.01.2012 – 2 O 356/11, juris; AG Rinteln, Urt. v. 23.12.2015 – 2 C 183/14, juris).
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3.
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Ein vollständiger Gleichlauf zwischen dem Schutz des Rechts auf ein ungestörtes Andenken (vgl. BGH, NJW 2014, 3786, 3788) und der Totenfürsorgeberechtigung ist indes aus Sicht der Kammer nicht zu bejahen (vgl. auch LG Saarbrücken, Urt. v. 14.02.2014 – 13 S 4/14, juris). Insbesondere ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass solche (enge) Angehörige, die nicht primär zur Totenfürsorge berufen sind, in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt werden, wenn ihnen die Möglichkeit des Gedenkens entzogen oder unzumutbar erschwert wird. Dies deutet gerade der hier zu entscheidende Rechtsstreit an. Voraussetzung für eine Entschädigung ist jedoch wiederum eine schwerwiegende Beeinträchtigung im genannten Sinn.
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4.
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Unter Anlegung der vorstehend aufgezeigten Maßstäbe unterliegt die Berufung der Zurückweisung. Keiner der denkbaren Haftungsansätze verhilft der Klage zum Erfolg.
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a)
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Ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung eines per se vorrangigen Totenfürsorgerechts der Klägerin ist vom Amtsgericht zutreffend verneint worden. Zwar mag – wie aufgezeigt – das Totenfürsorgerecht nicht nur treuhänderischen Charakter haben, sondern zugleich ein Persönlichkeitsrechtsbestandteil des Berechtigten sein. Indes war nicht die Klägerin, sondern die Beklagte als Ehefrau des Verstorbenen (gewohnheitsrechtlich) primär zur Totenfürsorge berufen. Insofern unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von demjenigen, der der Entscheidung des Landgerichts Ulm vom 20.01.2012 (2 O 356/11, juris) zu Grunde lag: Dort stritten gleichrangig, d.h. gemeinschaftlich Totenfürsorgeberechtigte um die Zulässigkeit der Umbettung.
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In diesem Zusammenhang hat das Amtsgericht ferner zutreffend erkannt, dass auch die Vornahme einer Umbettung zur Totenfürsorge zählt (vgl. BGH, Urt. v. 26.02.1992 – XII ZR 58/91, juris) und damit grundsätzlich in die Entscheidungszuständigkeit des Totenfürsorgeberechtigten fällt. Die Klägerin kann auch nichts für sich daraus herleiten, dass sie in einem behördlichen Verfahren vor der Entscheidung über die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit der Ausgrabung nicht beteiligt worden ist. Soweit Friedhofssatzungen bei Umbettungen zum Teil nicht nur die Notwendigkeit einer Zustimmung des Ehepartners, sondern auch der Abkömmlinge vorsehen (vgl. AG Rinteln, Urt. v. 23.12.2015 – 2 C 183/14, juris), handelt es sich um öffentlich-rechtliche Bestimmungen, die den Inhalt des bürgerlichen Rechts nicht bestimmen (vgl. auch BGH, NJW 2012, 1651, 1652). Abgesehen davon verweist § 12 Abs. 1 S. 2 BestG NRW ausdrücklich auf die Rangfolge des § 8 Abs. 1 BestG NRW. Der für Ausgrabungen geltenden Regelung in § 14 Abs. 3 S. 1 BestG NRW ist nichts anderes zu entnehmen.
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b)
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Ein Anspruch der Klägerin lässt sich indes nicht bereits mit der Begründung verneinen, dass die Ausgrabung mit anschließender Flussbestattung (möglicherweise) dem Willen des Verstorbenen entsprochen hat. Denn die Beklagte ist diesbezüglich ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen, weshalb die Behauptung der Klägerin, ihr Vater habe eine Störung seiner Ruhe nicht gebilligt, als zutreffend zu unterstellen ist. Im Einzelnen:
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aa)
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Der Wille des Verstorbenen war bereits erstinstanzlich zwischen den Parteien streitig, so dass es auf § 531 Abs. 2 ZPO nicht ankommt. Soweit im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung davon die Rede ist, dass die Beklagte „dem Wunsch des Verstorbenen entsprechend eine Flussbestattung im Ausland“ durchführte, erbringt dies keinen Beweis i.S.v. § 314 S. 1 ZPO für das mündliche unstreitige Parteivorbringen. Denn aus den Entscheidungsgründen folgt, dass diese vermeintliche Wiedergabe des unstreitigen Vortrags nur das Ergebnis einer rechtlichen, auf §§ 130, 296 ZPO beruhenden Wertung ist (vgl. hierzu BGH, NJW-RR 2014, 830, 831).
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bb)
30
Der damit streitige Wille ist grundsätzlich erheblich, da ein Anspruch eines Angehörigen auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen einer Umbettung oder Flussbestattung ohne jeden Zweifel ausgeschlossen ist, wenn der Totenfürsorgeberechtigte gehandelt und dabei einem Wunsch des Verstorbenen Folge geleistet hat. Denn dessen Wille geht dem Interesse der Angehörigen grundsätzlich vor (vgl. [zur anonymen Bestattung] AG Frankfurt a.M., BeckRS 1997, 05541). Er ist von den Angehörigen selbst dann zu achten, wenn er eine Umbettung erforderlich macht (vgl. BGH, BeckRS 1977, 31117013). Der legitime, rechtlich durchaus beachtliche Wunsch der nächsten Angehörigen nach einem aus ihrer Sicht angemessenen Ort zur Trauerbekundung ist daher nicht uneingeschränkt durchsetzbar, wobei dies entweder aus dem treuhänderischen Charakter ihrer (nachrangigen) Totenfürsorge oder aber daraus folgt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur ein sog. Rahmenrecht ist, dessen Reichweite erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden kann (vgl. BGH, NJW 2010, 757). Postmortalen grundrechtlichen Schutz erfährt eben auch der Wille des Verstorbenen. Maßnahmen des primär Totenfürsorgeberechtigten, die den Willen des Verstorbenen umsetzen, können deshalb allenfalls unter ganz außergewöhnlichen Umständen eine Persönlichkeitsrechtsverletzung der weiteren Angehörigen darstellen, etwa wenn die Art und Weise der Beisetzung auf eine Herabwürdigung ihrer Persönlichkeit in Form einer „postmortalen Beleidigung“ hinausläuft. Die hier in Rede stehende Flussbestattung der Asche weist indes einen solchen Charakter nicht auf.
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cc)
32
Soweit (wie hier) im Prozess um eine Geldentschädigung zwischen dem klagenden Angehörigen und dem Totenfürsorgeberechtigten (Ehepartner) streitig ist, ob eine Ausgrabung bzw. Umbettung dem Willen des Verstorbenen entsprochen hat, ist nach Auffassung der Kammer der Angehörige, mithin die Klägerin, primär darlegungs- und beweisbelastet. Den Totenfürsorgeberechtigten trifft lediglich eine sekundäre Darlegungslast.
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(1)
34
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in dem ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zu einer Umbettung im Wege der Verpflichtungsklage geltend gemacht wird, ist es allerdings Sache des klagenden Beteiligten, den erforderlichen (mutmaßlichen) Willen des Verstorbenen nachzuweisen (vgl. OVG, NVwZ-RR 2010, 281, 282). Auch der Bundesgerichtshof ist davon ausgegangen, dass derjenige, der eine Umbettung durchsetzen will, den Nachweis des entsprechenden Willens zu führen hat (vgl. BGH, Urt. v. 26.02.1992 – XII ZR 58/91, juris, wobei im konkreten Fall nicht ein Abkömmling oder der Ehegatte, sondern der Lebensgefährte des Verstorbenen diesen Anspruch durchzusetzen versuchte). Ferner hat das Amtsgericht Wiesbaden im Streit zwischen dem nachrangig und dem vorrangig Totenfürsorgeberechtigten um die Zulässigkeit einer besonderen Bestattungsart Letzteren als beweisbelastet für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Wunsches erachtet (vgl. AG Wiesbaden, NJW 2007, 2562 f.). Schließlich ist das Amtsgericht Rinteln in einem Prozess um die Zahlung einer Geldentschädigung davon ausgegangen, dass derjenige, der den Umbettungswunsch behauptet, beweisbelastet sei (vgl. AG Rinteln, Urt. v. 23.12.2015 – 2 C 183/14, juris).
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(2)
36
Demgegenüber hat das Landgericht Bielefeld in einem Prozess zwischen dem klagenden Sohn des Verstorbenen und der beklagten zweiten Ehefrau um die Zahlung einer Geldentschädigung wegen Versagung des Zugangs zum Leichnam den Kläger als beweisbelastet dafür angesehen, dass ein entsprechender Wille des Verstorbenen vorlag. Es bestehe keine Vermutung dafür, dass es dem Willen eines Verstorbenen entspreche, dass nahe Angehörige den Leichnam vor der Beerdigung betrachten könnten (vgl. LG Bielefeld, Urt. v. 25.02.2016 – 21 S 10/15, juris).
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(3)
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Nach Auffassung der Kammer ist der Anspruchssteller darlegungs- und beweisbelastet, soweit in einem Prozess um eine Geldentschädigung streitig ist, ob die Ausgrabung vom Willen des Verstorbenen getragen war. Zwar ist die mit einer Störung der Totenruhe einhergehende Ausgrabung bzw. Umbettung ein grundsätzlich rechtfertigungsbedürftiger Akt. Allerdings zielt die Klägerin mit ihrer Zahlungsklage nicht auf die Verwirklichung des Willens des Verstorbenen ab, etwa in der Form, dass die Zulässigkeit einer (beabsichtigten und bevorstehenden) Umbettung von ihr in einem treuhänderischen Sinn in Abrede gestellt wird. Vielmehr kann sich ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung allein aus einer Verletzung ihrer eigenen Rechte ergeben. Ein persönlichkeitsrechtsverletzender Eingriff von hinreichender, nur durch Geldentschädigung zu kompensierender Schwere wäre indes nicht gegeben, wenn mit der Ausgrabung und Flussbestattung dem Willen des Verstorbenen Rechnung getragen worden ist. Denn ist ein solcher Wille nicht auszuschließen, steht bereits der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Angehörigen bzw. sekundär Totenfürsorgeberechtigten nicht fest. Dies gilt umso mehr, als eine Ausgrabung ausnahmsweise – und zwar aufgrund besonders schutzwürdiger Belange des Totenfürsorgeberechtigten – auch dann zulässig sein kann, wenn sich ein diesbezüglicher Wille des Verstorbenen nicht feststellen lässt (vgl. OVG NRW, NVwZ-RR 2010, 281, 282). Insofern liegt es also anders als bei einer Klage auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen rufschädigender Tatsachenbehauptungen. Eine solche Entschädigung kommt auch dann in Betracht, wenn die inkriminierte Behauptung möglicherweise wahr ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, juris), allerdings aus dem Grund, dass das materielle Recht mit § 186 StGB eine entsprechende Risikozuweisung trifft.
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(4)
40
Die vorgenannte Beweislastverteilung stellt die Klägerin nicht vor unüberwindbare Beweisschwierigkeiten. Denn derjenige Totenfürsorgeberechtigte, der nach einer zunächst getroffenen Beisetzungsentscheidung eine Ausgrabung veranlasst hat, ist nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast verpflichtet, konkret zu denjenigen Tatsachen vorzutragen, aus denen er den Willen des Verstorbenen abgeleitet hat. Er ist also gehalten, darzulegen, ob und wann der Verstorbene ausdrücklich die Störung seiner Totenruhe gebilligt hat oder welchen konkreten Tatsachen und Umständen der entsprechende Wille entnommen werden konnte.
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(5)
42
Unter Anlegung dieser bereits im Hinweisbeschluss vom 15.11.2016 dargelegten Maßstäbe ist zu Gunsten der Klägerin zu unterstellen, dass die Beklagte nicht den Willen des Verstorbenen umgesetzt hat, als sie sich zur Ausgrabung der Urne und Flussbestattung entschlossen hat. Denn ihr Vorbringen ist unzureichend.
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Es mag dabei noch zu vernachlässigen sein, dass die Beklagte erstinstanzlich nur vage Angaben gemacht und erstmals auf den Hinweis der Kammer erwähnt hat, dass der Verstorbene während einer Indienreise im Jahre 1994 den Wunsch nach einer Flussbestattung geäußert haben soll. Entscheidend ist vielmehr, dass diese Willensbekundung in einem bemerkenswerten Widerspruch steht zu dem zunächst von der Beklagten gefassten Entschluss, den verstorbenen Ehemann bzw. Vater in ihrem Familiengrab beizusetzen. Sollte es sich bei der angeblichen Willensbekundung in Indien tatsächlich nicht nur um eine beiläufige Bemerkung, sondern die Kundgabe eines ernstlich gebildeten Willens gehandelt haben, so wäre in der ersten Beisetzung eine ausdrückliche Missachtung des Wunsches des Verstorbenen zu erblicken. Dies räumt die Beklagte aber weder ein noch erläutert sie wenigstens im Ansatz ihre Beweggründe für die Bestattung im Familiengrab. Ferner bleibt weitgehend offen, weshalb die Beklagte davon ausgegangen sein will, dass ein im Jahre 1994 geäußerter Wunsch über die Jahre beibehalten worden ist. Wann der Verstorbene den Wunsch „wiederholt“ haben soll (vgl. Bl. 118 GA), bleibt im Unklaren. Darüber hinaus fehlt dem Vorbringen der Beklagten die Stringenz: Einerseits soll die Ausgrabung dem Willen des Verstorbenen entsprochen haben, andererseits hebt die Beklagte auf einen Streit mit ihrer Schwester ab, die mit dem Verbleib des Verstorbenen im Familiengrab nicht einverstanden gewesen sein soll.
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Zuletzt darf bei der Prüfung, ob ein Wille zur Ausgrabung und Flussbestattung bestand, nicht allein darauf abgestellt werden, ob der Verstorbene vor dem Tod den Wunsch nach einer Flussbestattung geäußert hatte. Vielmehr muss zusätzlich bedacht werden, ob der Wille so verfestigt war, dass zum Zwecke seiner Durchsetzung auch die Störung der Totenruhe vom Verstorbenen gebilligt worden wäre. Zu diesem Gesichtspunkt verhält sich das Vorbringen der Beklagten allerdings nicht. Nach alledem hat sie ihrer sekundären Darlegungslast nicht Rechnung getragen.
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c)
46
Nach dem Vorgesagten ist davon auszugehen, dass der Verstorbene die Störung seiner Totenruhe nicht gebilligt hat. Hieraus ergibt sich aber nicht, dass die Ausgrabung zugleich das Persönlichkeitsrecht der Klägerin schwerwiegend beeinträchtigt hat. Vielmehr ist der Willenswiderspruch nach Auffassung der Kammer nur notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung. Maßgeblich ist vielmehr zusätzlich, ob sich die Handlung der Beklagten als missbräuchliche, spezifisch die Rechte der Klägerin verletzende Wahrnehmung ihres (scheinbaren) Totenfürsorgerechts darstellt. Diese entscheidende weitere Voraussetzung ist jedoch nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt worden. Insofern folgt – entgegen der Berufungsbegründung – nicht bereits aus dem Zuspruch eines Auskunftsanspruchs, dass auch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zu bejahen ist.
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aa)
48
Für die Auffassung der Kammer, ein Anspruch komme nur unter den beschriebenen Voraussetzungen, d.h. im Ausnahmefall in Betracht, spricht erstens, dass es dem Rechtsinstitut der Totenfürsorge immanent ist, dass ein einzelner als Berechtigter Entscheidungen trifft, die nicht immer von all denjenigen, die sich mit der verstorbenen Person verbunden fühlen, geteilt werden. Diese grundsätzliche Zuständigkeit des Totenfürsorgeberechtigten ist bei Bestimmung der Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines (angeblich verletzten) Angehörigen zu beachten.
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Zweitens erschöpft sich die Beeinträchtigung derjenigen Personen, die einer Ausgrabung bzw. Umbettung widersprechen oder widersprochen hätten, in dem Verlust des gewohnten oder gewünschten Trauerortes. Eine derart mittelbare Beeinträchtigung ist in aller Regel lediglich Ausdruck des allgemeinen Lebensrisikos. Es bedarf daher – ähnlich wie bei der Haftung für sog. Schockschäden (vgl. hierzu etwa BGH, Urt. v. 20.03.2012 – VI ZR 114/11, juris) – einer besonders engen personalen Beziehung des Betroffenen zum Verstorbenen, die allerdings regelmäßig zu bejahen sein wird, wenn – wie hier – das Kind des Verstorbenen eine Persönlichkeitsrechtsverletzung geltend macht.
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Drittens und zuletzt hängt die Entscheidung, ob eine für die Zubilligung einer Geldentschädigung hinreichend schwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt, insbesondere von Bedeutung und Tragweite, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie dem Grad seines Verschuldens ab (vgl. BGH, Urt. v. 30.01.1996 – VI ZR 386/94, juris). Erforderlich ist mithin eine umfassende Prüfung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, die sich insbesondere auf die Motivation der beklagten Partei zu erstrecken hat. Dabei ist zu beachten, dass ein Umbettungsverlangen häufig auf einem im Ausgangspunkt verständlichen Interesse des Totenfürsorgeberechtigten beruht, auch wenn es nach den strengen Maßstäben der Verwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, NVwZ-RR 2010, 281, 282) unbegründet sein sollte.
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bb)
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Vor diesem Hintergrund ist eine Verpflichtung des (primär) Totenfürsorgeberechtigten zur Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines (engen) Angehörigen zu verneinen, wenn der Totenfürsorgeberechtigte zwar nicht den Willen des Verstorbenen umgesetzt hat, sein Handeln aber gleichwohl von einem nachvollziehbaren Beweggrund getragen war. Ein Angehöriger des Verstorbenen erleidet keine (schwerwiegende) Verletzung seiner eigenen Rechte, wenn es ihm zuzumuten ist, die handlungsleitenden Erwägungen des Totenfürsorgeberechtigten zumindest im Ausgangspunkt zu achten. Nur dann, wenn der Totenfürsorgeberechtigte aus sachwidrigen Gründen handelt, er also ohne legitime eigene Interessen den Verlust der Trauerstätte zu Lasten des Angehörigen in Kauf nimmt, im äußersten Fall sogar auf deren emotionale Verletzung abzielt, geht mit der Beeinträchtigung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen zugleich eine schwerwiegende Verletzung der Rechte des (engen) Angehörigen einher.
53
cc)
54
Ob das Persönlichkeitsrecht des (engen) Angehörigen in einem derart schwerwiegenden Maße beeinträchtigt worden ist, ist im Wege einer Gesamtschau zu ermitteln. Dabei können Gesichtspunkte wie die Heimlichkeit des Vorgehens, der äußere Anlass sowie das Verhalten des Betroffenen nach der Ausgrabung zu berücksichtigen sein. Ferner kann im Zuge der Gewichtung der Schwere der Beeinträchtigung zu prüfen sein, ob Trauerbekundungen lediglich erschwert oder vielmehr faktisch unmöglich gemacht worden sind.
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dd)
56
Legt man die vorstehenden Maßstäbe an, erweist sich das Urteil des Amtsgerichts als im Ergebnis zutreffend.
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(1)
58
Das Amtsgericht hat allerdings den Vortrag der Klägerin in dem während des Termins vom 06.06.2016 zur Akte gereichten Schriftstück (Bl. 36 ff. GA) rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt. Mit dem Schreiben hat die Klägerin zu erkennen gegeben, dass sie nicht nur den Willen des Verstorbenen zur Umbettung und Flussbestattung in Abrede stellen will, sondern zugleich davon ausgeht, dass die Beklagte aus sachwidrigen Erwägungen heraus gehandelt hat.
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Diesen Vortrag hat das Amtsgericht unter Hinweis auf § 296 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Die Regelungen in §§ 282 Abs. 1, 296 Abs. 2 ZPO sind bei einem Vorbringen im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung jedoch nicht anwendbar (vgl. BGH, Urt. v. 17.07.2012 – VIII ZR 273/11, juris). Ob das Amtsgericht von einer Verletzung der Prozessförderungspflicht in § 282 Abs. 2 ZPO ausgegangen ist, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Letztlich bedarf diese Frage aber keiner Beantwortung. Denn zumindest fehlt es an einer erkennbaren Ausübung des von § 296 Abs. 2 ZPO eingeräumten Ermessens (vgl. BGH, BeckRS 2013, 16136). Die dergestalt fehlerhafte Anwendung von Präklusionsvorschriften kann durch das Rechtsmittelgericht nicht durch Rückgriff auf diejenigen Bestimmungen, die einschlägig gewesen wären, geheilt werden (vgl. BGH, NJW-RR 2013, 655), wobei darauf hinzuweisen ist, dass es ohnehin an den Voraussetzungen von § 296 Abs. 1 ZPO gefehlt hätte.
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Die Hilfsbegründung des Amtsgerichts, d.h. der Verweis auf das Fehlen einer Unterschrift i.S.v. § 130 Nr. 6 ZPO, ist ebenfalls nicht tragfähig. Es ist bereits zweifelhaft, ob ein im Termin übergebenes Schriftstück als vorbereitender Schriftsatz angesehen werden kann. Jedenfalls hat das Amtsgericht aber übersehen, dass das Erfordernis der Schriftlichkeit kein Selbstzweck ist. Wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, kann das Fehlen einer Unterschrift ausnahmsweise unschädlich sein (vgl. BGH, NJW-RR 2008, 1020, 1021). So liegt es hier: Mit der Anwesenheit der Klägerin im Termin und ihrem – vor Eintreffen ihres Prozessbevollmächtigten – bekundeten Willen, das Schriftstück zur Akte zu reichen, bestand Gewissheit über die Urheberschaft und den Entschluss, den Vortrag zu ergänzen.
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(2)
62
Dass die vorgenannten Rechtsfehler nicht in der Berufungsbegründung gerügt worden sind, ist unschädlich. Die Frage, ob eine unrichtige Anwendung der Verspätungsvorschriften wegen § 529 Abs. 2 ZPO vom Berufungsgericht auch dann zu beachten ist, wenn dieser Gesichtspunkt nicht zum Gegenstand der Berufungsbegründung gemacht worden ist, ist – soweit ersichtlich – noch nicht vollständig geklärt (für ein Rügeerfordernis OLG Saarbrücken, NJW-RR 2003, 139 f.; anders wohl BGH, NJW 2004, 1876, 1878). Für eine Prüfung des Rechtsfehlers von Amts wegen spricht indes, dass der Prüfungsmaßstab des Berufungsgerichts ausdrücklich die Kontrolle einer rechtsfehlerfreien Anwendung des § 296 ZPO beinhaltet, vgl. § 531 Abs. 1 ZPO.
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(3)
64
Das vorgenannte Schriftstück enthielt allerdings nur vage Mutmaßungen zu den rechtserheblichen Tatsachen. Auf den daher erteilten Hinweis der Kammer hat es die Klägerin jedoch unterlassen, ihren Vortrag in hinreichendem Maße zu ergänzen und unter Beweis zu stellen, um das Gericht in die Lage zu versetzen, den angeblich persönlichkeitsrechtsverletzenden Charakter der Ausgrabung mit anschließender Flussbestattung beurteilen zu können. Da dies unterblieben ist, vermag die Kammer den geltend gemachten Anspruch nicht zu bejahen.
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(a)
66
Der Klägerin ist in diesem Zusammenhang zuzugeben, dass das (offensichtlich) heimliche Vorgehen der Beklagten sowie ihre anschließende Weigerung, Auskunft zu erteilen, darauf hindeuten könnten, dass sich die Beklagte von sachwidrigen Erwägungen hat leiten lassen. Allerdings hat die Beklagte immerhin behauptet, ihre Schwester habe den Verbleib des Verstorbenen im Familiengrab nicht weiter gebilligt, weshalb sie sich für die Ausgrabung entschieden habe. Hierbei könnte es sich um einen Willensentschluss gehandelt haben, deren Achtung der Klägerin zuzumuten gewesen sein könnte.
67
Zu der vorgenannten Behauptung hat die Klägerin jedoch allenfalls beiläufig Stellung genommen; lediglich in dem im Termin vom 06.06.2016 übergebenen Schriftstück bezweifelt sie, dass die Schwester der Beklagten an der Beisetzung im Familiengrab Anstoß genommen hat (Bl. 36 GA). Demgegenüber erschöpft sich ihr Vorbringen im jüngsten Schriftsatz vom 05.01.2017 in der pauschalen, nicht mit Beweisantritten unterlegten Behauptung, das Handeln verdeutliche die „offensichtlich vorhandene Niedertracht“ (Bl. 124 f. GA). Die Heimlichkeit des Vorgehens lässt für sich genommen jedoch keinen sicheren Schluss auf das Willensbild der Beklagten zu. Denn Heimlichkeit kann auch Ausdruck von Scham oder ähnlichen, durchaus verständlichen Gefühlen sein.
68
(b)
69
Nach alledem wäre es Sache der Klägerin gewesen, auf den Vortrag, es habe einen Streit mit der Schwester der Beklagten gegeben, konkret zu erwidern und ihre gegenteilige Behauptung unter Beweis zu stellen. Dies hat sie jedoch unterlassen. Die Kammer könnte daher allenfalls Mutmaßungen über die Motivation der Beteiligten anstellen. Spekulationen sind jedoch ungeeignet, der Klage zum Erfolg zu verhelfen.
70
d)
71
Zuletzt ergibt sich eine Haftung der Beklagten auf Zahlung einer Geldentschädigung nicht bereits deshalb, weil sie es unstreitig unterlassen hat, die Klägerin vor ihrer Entscheidung zur Ausgrabung zu benachrichtigen, und auch in der Folgezeit von einer (freiwilligen) Information abgesehen hat.
72
aa)
73
Es ist generell zweifelhaft, ob das Unterlassen einer Auskunft eine eigenständige schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen kann. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu der im Ausgangspunkt vergleichbaren Frage, ob die Nichterfüllung des Anspruchs eines Kindes, Kenntnis von der eigenen Abstammung zu erlangen, eine Entschädigungspflicht nach sich zieht, existiert – soweit ersichtlich – nicht (vgl. den nur erstinstanzlich gestellten Antrag bei OLG Hamm, Urt. v. 06.02.2013 – I-14 U 7/12, juris). Das Amtsgericht Essen hat einen solchen Anspruch im Ausgangspunkt für möglich gehalten, im konkreten Fall die Klage aber wegen der Einrede der Verjährung abgewiesen (vgl. AG Essen, Urt. v. 17.09.2014 – 17 C 288/13, juris). Ferner hat das Oberlandesgericht Hamm einen Zahlungsanspruch nach Vernichtung der Samenspenderdaten in den Jahren 1989 und 1990 verneint, weil die handelnden Mitarbeiter seinerzeit noch nicht von einem gesicherten Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des künstlich gezeugten Kindes ausgehen mussten (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 13.06.2007 – 3 W 32/07, juris).
74
(2)
75
Selbst wenn man einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen einer unterlassenen oder verzögerten Information im Ausgangspunkt für möglich hält, darf nicht übersehen werden, dass eine Entschädigungspflicht wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nur unter engen Voraussetzungen bestehen kann. Die Zubilligung einer Geldentschädigung stellt – wie eingangs aufgezeigt – eine Ausnahme dar, die Ausprägung eines verfassungsrechtlichen Schutzauftrags ist. Demgemäß folgt gerade nicht aus jeder Persönlichkeitsrechtsverletzung auch ein Entschädigungsanspruch (vgl. nur BGH, Urt. v. 24.05.2016 – VI ZR 496/15, juris). Daher kann in dem Unterlassen einer Benachrichtigung über die (bevorstehende) Ausgrabung oder der verzögerten Auskunft über den Flussbestattungsort allenfalls unter ganz besonderen Umständen eine schwerwiegende, nur durch Entschädigungszahlung auszugleichende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin gesehen werden. Denn solange die Auskunft erteilt werden kann, ist es regelmäßig nicht erforderlich, den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht mittels einer Zahlungsverpflichtung zu kompensieren.
76
(3)
77
Unter Anlegung der vorgenannten Maßstäbe sieht die Kammer keine Veranlassung, allein wegen der unstreitig unterlassenen Mitteilung sowie der verzögerten Auskunft auf eine Geldentschädigung zu erkennen. Mit Erfüllung des Auskunftsanspruchs, den das Amtsgericht mit sorgfältiger Begründung bejaht hat, wird die Klägerin in die Lage versetzt, einen konkreten Ort in vertretbarer Entfernung aufzusuchen, um ihrem Vater zu gedenken. Dieser Ort mag ihr ebenso wie die Bestattungsart unvertraut erscheinen. Gleichwohl bietet er ihr die Gelegenheit, ihren Wunsch nach einem angemessenen Andenken an einem räumlich fest fixierten Punkt zu verwirklichen.
78
Die Kammer hat dabei bedacht, dass das heimliche Vorgehen der Beklagten der Klägerin die Möglichkeit genommen hat, sich an der ihr vertrauten Grabstätte vor der Ausgrabung vom Vater zu verabschieden. Es ist unter Umständen sogar dazu gekommen, dass die Klägerin im Unwissen um die Ausgrabung vor einem „leeren“ Grab getrauert hat. Ein solches Geschehnis mag durchaus als Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts gewertet werden. Die Voraussetzungen einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung ließen sich indes – wie ausgeführt – nicht feststellen.
79
5.
80
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 ZPO sowie § 708 Nr. 10 ZPO i.V.m. § 713 ZPO und § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, der keine Grundsatzbedeutung zukommt. Die Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Denn es existieren Orientierungshilfen für die rechtliche Beurteilung (vgl. BGH, NJW 2002, 3029, 3030). Schließlich besteht kein Anlass, die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Soweit namentlich die Frage, wer die Beweislast für einen Umbettungswillen trägt, in der Rechtsprechung anders beurteilt worden ist, ist diese Problematik nicht entscheidungserheblich. Denn die Kammer hat angenommen, dass die Beklagte (zumindest) ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist.
1 S 68/16
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 24.06.2016 (2 C 1/16) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren unter Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung auf 1.500,00 Euro sowie auf 1.000,00 Euro für das Berufungsverfahren festgesetzt.
1
Gründe:
2
I.
3
Die Klägerin ist Tochter der Frau Z. und des am 24.03.2014 verstorbenen Herrn Z. Dessen Ehefrau und Alleinerbin war die Beklagte, die auch die Beisetzung der Asche des Verstorbenen in ihrem sog. Familiengrab veranlasste.
4
Im November 2015 erfuhr die Klägerin, dass die Urne ihres Vaters dem Grab entnommen worden war. Die Beklagte verweigerte zunächst jede Auskunft über den Verbleib der Urne. Erst später teilte sie mit, dass es auf ihre Veranlassung hin zu einer Flussbestattung in den Niederlanden gekommen war. Mit der Klage hat die Klägerin Auskunft über den Verbleib der Urne sowie Zahlung eines „Schmerzensgeldes“ und Freistellung von Rechtsanwaltskosten verlangt.
5
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 24.06.2016 (Bl. 40 ff. GA) Bezug genommen. Mit diesem hat das Amtsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Auskunft über den Verbleib der Urne sowie eine Verpflichtung zur Freistellung von (anteiligen) Rechtsanwaltskosten bejaht, die weitergehende Klage aber abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – ausgeführt: Ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gem. § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Totenfürsorgerechts bestehe nicht. Denn nicht die Klägerin, sondern die Beklagte sei Totenfürsorgeberechtigte. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei ebenfalls zu verneinen. Wenn die Rechtsordnung dem Totenfürsorgeberechtigten eine Umbettung gestatte, könne hierin nicht zugleich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin zu erblicken sein. Soweit die Klägerin mit einem in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schreiben (Bl. 36 ff. GA) in Zweifel gezogen habe, dass der Verstorbene eine Flussbestattung in den Niederlanden gewünscht habe, sei der Vortrag gem. § 296 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Außerdem sei dieser Schriftsatz auch entgegen § 130 Nr. 6 ZPO nicht unterschrieben gewesen.
6
Mit der rechtzeitig eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlich abgewiesenen Antrag auf Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung weiter. Sie beruft sich auf eine Verletzung des Totenfürsorge- und Persönlichkeitsrechts.
7
II.
8
Die Berufung der Klägerin, die sich nur auf die Abweisung des Zahlungsantrags und nicht zugleich auf die für sie teilweise nachteilige Entscheidung über den Anspruch auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten bezieht, bleibt erfolglos. Zwar hat das Amtsgericht rechtsfehlerhaft Vortrag übergangen und aus Sicht der Kammer zugleich einen Gesichtspunkt i.S.v. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO für unerheblich gehalten. Indes hat die Klägerin trotz der Hinweise vom 15.11.2016 (Bl. 98 ff. GA) weder ihren erstinstanzlichen Vortrag konkretisiert noch die maßgeblichen Tatsachen unter Beweis gestellt, weshalb sich die Entscheidung des Amtsgerichts als im Ergebnis zutreffend erweist.
9
Entscheidend ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines „Schmerzensgeldes“ allein unter den engen Voraussetzungen einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu bejahen sein könnte. Ein solcher Anspruch besteht nicht bereits wegen der verzögerten Auskunft bzw. unterlassenen Mitteilung über die (vorgenommene bzw. bevorstehende) Ausgrabung, hierzu II.4.d). Von einer haftungsbegründenden Persönlichkeitsverletzung ist auch nicht schon deshalb auszugehen, weil ein Wille des Verstorbenen zur Störung seiner Totenruhe von der Beklagten nicht plausibel dargelegt worden ist, vgl. II.4.b) der Urteilsgründe. Vielmehr wäre der geltend gemachte Zahlungsanspruch nach der unter II.4.c) erläuterten Auffassung der Kammer lediglich dann zu bejahen, wenn es zusätzlich an einem anerkennenswerten Interesse der Beklagten, den ursprünglich gewählten Trauerort zu beseitigen, gefehlt haben sollte, also ein Handeln aus sachwidrigen Gründen festzustellen wäre. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer solchen Haftung hat die Klägerin indes weder hinreichend dargelegt noch unter Beweis gestellt. Im Einzelnen:
10
1.
11
Nach ständiger Rechtsprechung begründet nicht jede Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung. Erforderlich ist vielmehr, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann (vgl. BGH, Urt. 24.05.2016 – VI ZR 496/15, juris). Diese Rechtsprechung ist – obwohl das allgemeine Persönlichkeitsrecht in § 253 Abs. 2 BGB nicht genannt wird – verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, NJW 1973, 1221 ff.). Denn die Zubilligung einer Geldentschädigung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktionen blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (vgl. BGH, NJW 2005, 58, 59). Richtschnur ist daher die Frage, ob der aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgende Schutzauftrag im Einzelfall die Zubilligung einer Geldentschädigung gebietet.
12
2.
13
Das von der Klägerin ebenfalls geltend gemachte Totenfürsorgerecht ist demgegenüber an erster Stelle eine Ausprägung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes des Verstorbenen, dessen Wille über die Totenfürsorgeberechtigung entscheidet (vgl. BGH, Urt. v. 26.02.1992 – XII ZR 58/91, juris). Dementsprechend dient auch § 168 StGB insbesondere dem postmortalen Persönlichkeitsschutz des Verstorbenen (vgl. BGH, NStZ 2016, 92, 93). Der Totenfürsorgeberechtigte nimmt die Rechte des Verstorbenen gleichsam treuhänderisch wahr (vgl. BGH, NJW 2014, 3786, 3788).
14
a)
15
Folgt man dem vorgenannten Verständnis, ist eine Verletzung des Totenfürsorgerechts für sich genommen ungeeignet, einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zu begründen. Denn dem Wahrnehmungsberechtigten stehen bei postmortalen Verletzungen (der ideellen Bestandteile) des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich nur Abwehransprüche, nicht aber Schadensersatzansprüche zu (vgl. BGH, NJW 2005, 605, 606 f.). Der deliktische Schutz des Totenfürsorgerechts (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 2001, 2808) besagt nichts anderes, zumal dieses Recht in § 253 Abs. 2 BGB nicht erwähnt wird.
16
b)
17
Es ist allerdings durchaus zweifelhaft, ob das Totenfürsorgerecht ausschließlich in dem vorgenannten treuhänderischen Sinn zu verstehen ist. Möglicherweise sind Beeinträchtigungen dieses Rechts (auch) als Eingriff in ein originär eigenes Recht des betroffenen Angehörigen zu werten (vgl. [zu Art. 8 Abs. 1 EMRK] EGMR, NVwZ 2015, 351, 352; Stelkens/Wabnitz, GewArch Beilage WiVerw Nr. 01/2016, 11, 12 f.). Denn gerade die gewohnheitsrechtliche Bestimmung der Totenfürsorgeberechtigung zielt auf eheliche oder verwandtschaftliche Bindungen ab, die sich durch eine besondere Vertrautheit auszeichnen. Die zur Totenfürsorge berufene Person wird sich deshalb regelmäßig nicht allein als Treuhänder verstehen, sondern zugleich ein eigenes Recht auf ungestörte Trauer wahrnehmen wollen. Daher liegt es durchaus nahe, das Totenfürsorgerecht (auch) als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des (primär) Totenfürsorgeberechtigten zu werten (so möglicherweise KG, Urt. v. 05.04.2016 – 9 U 41/15, juris; AG Rinteln, Urt. v. 23.12.2015 – 2 C 183/14, juris). An den Haftungsanforderungen ändert sich hierdurch jedoch nichts: Eine Entschädigungszahlung kommt nur in Betracht, wenn es sich bei der Verletzung des Totenfürsorgerechts um eine im vorgenannten Sinn schwerwiegende Beeinträchtigung gehandelt hat (so auch KG, Urt. v. 05.04.2016 – 9 U 41/15, juris; LG Ulm, Urt. v. 20.01.2012 – 2 O 356/11, juris; AG Rinteln, Urt. v. 23.12.2015 – 2 C 183/14, juris).
18
3.
19
Ein vollständiger Gleichlauf zwischen dem Schutz des Rechts auf ein ungestörtes Andenken (vgl. BGH, NJW 2014, 3786, 3788) und der Totenfürsorgeberechtigung ist indes aus Sicht der Kammer nicht zu bejahen (vgl. auch LG Saarbrücken, Urt. v. 14.02.2014 – 13 S 4/14, juris). Insbesondere ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass solche (enge) Angehörige, die nicht primär zur Totenfürsorge berufen sind, in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt werden, wenn ihnen die Möglichkeit des Gedenkens entzogen oder unzumutbar erschwert wird. Dies deutet gerade der hier zu entscheidende Rechtsstreit an. Voraussetzung für eine Entschädigung ist jedoch wiederum eine schwerwiegende Beeinträchtigung im genannten Sinn.
20
4.
21
Unter Anlegung der vorstehend aufgezeigten Maßstäbe unterliegt die Berufung der Zurückweisung. Keiner der denkbaren Haftungsansätze verhilft der Klage zum Erfolg.
22
a)
23
Ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung eines per se vorrangigen Totenfürsorgerechts der Klägerin ist vom Amtsgericht zutreffend verneint worden. Zwar mag – wie aufgezeigt – das Totenfürsorgerecht nicht nur treuhänderischen Charakter haben, sondern zugleich ein Persönlichkeitsrechtsbestandteil des Berechtigten sein. Indes war nicht die Klägerin, sondern die Beklagte als Ehefrau des Verstorbenen (gewohnheitsrechtlich) primär zur Totenfürsorge berufen. Insofern unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von demjenigen, der der Entscheidung des Landgerichts Ulm vom 20.01.2012 (2 O 356/11, juris) zu Grunde lag: Dort stritten gleichrangig, d.h. gemeinschaftlich Totenfürsorgeberechtigte um die Zulässigkeit der Umbettung.
24
In diesem Zusammenhang hat das Amtsgericht ferner zutreffend erkannt, dass auch die Vornahme einer Umbettung zur Totenfürsorge zählt (vgl. BGH, Urt. v. 26.02.1992 – XII ZR 58/91, juris) und damit grundsätzlich in die Entscheidungszuständigkeit des Totenfürsorgeberechtigten fällt. Die Klägerin kann auch nichts für sich daraus herleiten, dass sie in einem behördlichen Verfahren vor der Entscheidung über die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit der Ausgrabung nicht beteiligt worden ist. Soweit Friedhofssatzungen bei Umbettungen zum Teil nicht nur die Notwendigkeit einer Zustimmung des Ehepartners, sondern auch der Abkömmlinge vorsehen (vgl. AG Rinteln, Urt. v. 23.12.2015 – 2 C 183/14, juris), handelt es sich um öffentlich-rechtliche Bestimmungen, die den Inhalt des bürgerlichen Rechts nicht bestimmen (vgl. auch BGH, NJW 2012, 1651, 1652). Abgesehen davon verweist § 12 Abs. 1 S. 2 BestG NRW ausdrücklich auf die Rangfolge des § 8 Abs. 1 BestG NRW. Der für Ausgrabungen geltenden Regelung in § 14 Abs. 3 S. 1 BestG NRW ist nichts anderes zu entnehmen.
25
b)
26
Ein Anspruch der Klägerin lässt sich indes nicht bereits mit der Begründung verneinen, dass die Ausgrabung mit anschließender Flussbestattung (möglicherweise) dem Willen des Verstorbenen entsprochen hat. Denn die Beklagte ist diesbezüglich ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen, weshalb die Behauptung der Klägerin, ihr Vater habe eine Störung seiner Ruhe nicht gebilligt, als zutreffend zu unterstellen ist. Im Einzelnen:
27
aa)
28
Der Wille des Verstorbenen war bereits erstinstanzlich zwischen den Parteien streitig, so dass es auf § 531 Abs. 2 ZPO nicht ankommt. Soweit im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung davon die Rede ist, dass die Beklagte „dem Wunsch des Verstorbenen entsprechend eine Flussbestattung im Ausland“ durchführte, erbringt dies keinen Beweis i.S.v. § 314 S. 1 ZPO für das mündliche unstreitige Parteivorbringen. Denn aus den Entscheidungsgründen folgt, dass diese vermeintliche Wiedergabe des unstreitigen Vortrags nur das Ergebnis einer rechtlichen, auf §§ 130, 296 ZPO beruhenden Wertung ist (vgl. hierzu BGH, NJW-RR 2014, 830, 831).
29
bb)
30
Der damit streitige Wille ist grundsätzlich erheblich, da ein Anspruch eines Angehörigen auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen einer Umbettung oder Flussbestattung ohne jeden Zweifel ausgeschlossen ist, wenn der Totenfürsorgeberechtigte gehandelt und dabei einem Wunsch des Verstorbenen Folge geleistet hat. Denn dessen Wille geht dem Interesse der Angehörigen grundsätzlich vor (vgl. [zur anonymen Bestattung] AG Frankfurt a.M., BeckRS 1997, 05541). Er ist von den Angehörigen selbst dann zu achten, wenn er eine Umbettung erforderlich macht (vgl. BGH, BeckRS 1977, 31117013). Der legitime, rechtlich durchaus beachtliche Wunsch der nächsten Angehörigen nach einem aus ihrer Sicht angemessenen Ort zur Trauerbekundung ist daher nicht uneingeschränkt durchsetzbar, wobei dies entweder aus dem treuhänderischen Charakter ihrer (nachrangigen) Totenfürsorge oder aber daraus folgt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur ein sog. Rahmenrecht ist, dessen Reichweite erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden kann (vgl. BGH, NJW 2010, 757). Postmortalen grundrechtlichen Schutz erfährt eben auch der Wille des Verstorbenen. Maßnahmen des primär Totenfürsorgeberechtigten, die den Willen des Verstorbenen umsetzen, können deshalb allenfalls unter ganz außergewöhnlichen Umständen eine Persönlichkeitsrechtsverletzung der weiteren Angehörigen darstellen, etwa wenn die Art und Weise der Beisetzung auf eine Herabwürdigung ihrer Persönlichkeit in Form einer „postmortalen Beleidigung“ hinausläuft. Die hier in Rede stehende Flussbestattung der Asche weist indes einen solchen Charakter nicht auf.
31
cc)
32
Soweit (wie hier) im Prozess um eine Geldentschädigung zwischen dem klagenden Angehörigen und dem Totenfürsorgeberechtigten (Ehepartner) streitig ist, ob eine Ausgrabung bzw. Umbettung dem Willen des Verstorbenen entsprochen hat, ist nach Auffassung der Kammer der Angehörige, mithin die Klägerin, primär darlegungs- und beweisbelastet. Den Totenfürsorgeberechtigten trifft lediglich eine sekundäre Darlegungslast.
33
(1)
34
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in dem ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zu einer Umbettung im Wege der Verpflichtungsklage geltend gemacht wird, ist es allerdings Sache des klagenden Beteiligten, den erforderlichen (mutmaßlichen) Willen des Verstorbenen nachzuweisen (vgl. OVG, NVwZ-RR 2010, 281, 282). Auch der Bundesgerichtshof ist davon ausgegangen, dass derjenige, der eine Umbettung durchsetzen will, den Nachweis des entsprechenden Willens zu führen hat (vgl. BGH, Urt. v. 26.02.1992 – XII ZR 58/91, juris, wobei im konkreten Fall nicht ein Abkömmling oder der Ehegatte, sondern der Lebensgefährte des Verstorbenen diesen Anspruch durchzusetzen versuchte). Ferner hat das Amtsgericht Wiesbaden im Streit zwischen dem nachrangig und dem vorrangig Totenfürsorgeberechtigten um die Zulässigkeit einer besonderen Bestattungsart Letzteren als beweisbelastet für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Wunsches erachtet (vgl. AG Wiesbaden, NJW 2007, 2562 f.). Schließlich ist das Amtsgericht Rinteln in einem Prozess um die Zahlung einer Geldentschädigung davon ausgegangen, dass derjenige, der den Umbettungswunsch behauptet, beweisbelastet sei (vgl. AG Rinteln, Urt. v. 23.12.2015 – 2 C 183/14, juris).
35
(2)
36
Demgegenüber hat das Landgericht Bielefeld in einem Prozess zwischen dem klagenden Sohn des Verstorbenen und der beklagten zweiten Ehefrau um die Zahlung einer Geldentschädigung wegen Versagung des Zugangs zum Leichnam den Kläger als beweisbelastet dafür angesehen, dass ein entsprechender Wille des Verstorbenen vorlag. Es bestehe keine Vermutung dafür, dass es dem Willen eines Verstorbenen entspreche, dass nahe Angehörige den Leichnam vor der Beerdigung betrachten könnten (vgl. LG Bielefeld, Urt. v. 25.02.2016 – 21 S 10/15, juris).
37
(3)
38
Nach Auffassung der Kammer ist der Anspruchssteller darlegungs- und beweisbelastet, soweit in einem Prozess um eine Geldentschädigung streitig ist, ob die Ausgrabung vom Willen des Verstorbenen getragen war. Zwar ist die mit einer Störung der Totenruhe einhergehende Ausgrabung bzw. Umbettung ein grundsätzlich rechtfertigungsbedürftiger Akt. Allerdings zielt die Klägerin mit ihrer Zahlungsklage nicht auf die Verwirklichung des Willens des Verstorbenen ab, etwa in der Form, dass die Zulässigkeit einer (beabsichtigten und bevorstehenden) Umbettung von ihr in einem treuhänderischen Sinn in Abrede gestellt wird. Vielmehr kann sich ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung allein aus einer Verletzung ihrer eigenen Rechte ergeben. Ein persönlichkeitsrechtsverletzender Eingriff von hinreichender, nur durch Geldentschädigung zu kompensierender Schwere wäre indes nicht gegeben, wenn mit der Ausgrabung und Flussbestattung dem Willen des Verstorbenen Rechnung getragen worden ist. Denn ist ein solcher Wille nicht auszuschließen, steht bereits der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Angehörigen bzw. sekundär Totenfürsorgeberechtigten nicht fest. Dies gilt umso mehr, als eine Ausgrabung ausnahmsweise – und zwar aufgrund besonders schutzwürdiger Belange des Totenfürsorgeberechtigten – auch dann zulässig sein kann, wenn sich ein diesbezüglicher Wille des Verstorbenen nicht feststellen lässt (vgl. OVG NRW, NVwZ-RR 2010, 281, 282). Insofern liegt es also anders als bei einer Klage auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen rufschädigender Tatsachenbehauptungen. Eine solche Entschädigung kommt auch dann in Betracht, wenn die inkriminierte Behauptung möglicherweise wahr ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, juris), allerdings aus dem Grund, dass das materielle Recht mit § 186 StGB eine entsprechende Risikozuweisung trifft.
39
(4)
40
Die vorgenannte Beweislastverteilung stellt die Klägerin nicht vor unüberwindbare Beweisschwierigkeiten. Denn derjenige Totenfürsorgeberechtigte, der nach einer zunächst getroffenen Beisetzungsentscheidung eine Ausgrabung veranlasst hat, ist nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast verpflichtet, konkret zu denjenigen Tatsachen vorzutragen, aus denen er den Willen des Verstorbenen abgeleitet hat. Er ist also gehalten, darzulegen, ob und wann der Verstorbene ausdrücklich die Störung seiner Totenruhe gebilligt hat oder welchen konkreten Tatsachen und Umständen der entsprechende Wille entnommen werden konnte.
41
(5)
42
Unter Anlegung dieser bereits im Hinweisbeschluss vom 15.11.2016 dargelegten Maßstäbe ist zu Gunsten der Klägerin zu unterstellen, dass die Beklagte nicht den Willen des Verstorbenen umgesetzt hat, als sie sich zur Ausgrabung der Urne und Flussbestattung entschlossen hat. Denn ihr Vorbringen ist unzureichend.
43
Es mag dabei noch zu vernachlässigen sein, dass die Beklagte erstinstanzlich nur vage Angaben gemacht und erstmals auf den Hinweis der Kammer erwähnt hat, dass der Verstorbene während einer Indienreise im Jahre 1994 den Wunsch nach einer Flussbestattung geäußert haben soll. Entscheidend ist vielmehr, dass diese Willensbekundung in einem bemerkenswerten Widerspruch steht zu dem zunächst von der Beklagten gefassten Entschluss, den verstorbenen Ehemann bzw. Vater in ihrem Familiengrab beizusetzen. Sollte es sich bei der angeblichen Willensbekundung in Indien tatsächlich nicht nur um eine beiläufige Bemerkung, sondern die Kundgabe eines ernstlich gebildeten Willens gehandelt haben, so wäre in der ersten Beisetzung eine ausdrückliche Missachtung des Wunsches des Verstorbenen zu erblicken. Dies räumt die Beklagte aber weder ein noch erläutert sie wenigstens im Ansatz ihre Beweggründe für die Bestattung im Familiengrab. Ferner bleibt weitgehend offen, weshalb die Beklagte davon ausgegangen sein will, dass ein im Jahre 1994 geäußerter Wunsch über die Jahre beibehalten worden ist. Wann der Verstorbene den Wunsch „wiederholt“ haben soll (vgl. Bl. 118 GA), bleibt im Unklaren. Darüber hinaus fehlt dem Vorbringen der Beklagten die Stringenz: Einerseits soll die Ausgrabung dem Willen des Verstorbenen entsprochen haben, andererseits hebt die Beklagte auf einen Streit mit ihrer Schwester ab, die mit dem Verbleib des Verstorbenen im Familiengrab nicht einverstanden gewesen sein soll.
44
Zuletzt darf bei der Prüfung, ob ein Wille zur Ausgrabung und Flussbestattung bestand, nicht allein darauf abgestellt werden, ob der Verstorbene vor dem Tod den Wunsch nach einer Flussbestattung geäußert hatte. Vielmehr muss zusätzlich bedacht werden, ob der Wille so verfestigt war, dass zum Zwecke seiner Durchsetzung auch die Störung der Totenruhe vom Verstorbenen gebilligt worden wäre. Zu diesem Gesichtspunkt verhält sich das Vorbringen der Beklagten allerdings nicht. Nach alledem hat sie ihrer sekundären Darlegungslast nicht Rechnung getragen.
45
c)
46
Nach dem Vorgesagten ist davon auszugehen, dass der Verstorbene die Störung seiner Totenruhe nicht gebilligt hat. Hieraus ergibt sich aber nicht, dass die Ausgrabung zugleich das Persönlichkeitsrecht der Klägerin schwerwiegend beeinträchtigt hat. Vielmehr ist der Willenswiderspruch nach Auffassung der Kammer nur notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung. Maßgeblich ist vielmehr zusätzlich, ob sich die Handlung der Beklagten als missbräuchliche, spezifisch die Rechte der Klägerin verletzende Wahrnehmung ihres (scheinbaren) Totenfürsorgerechts darstellt. Diese entscheidende weitere Voraussetzung ist jedoch nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt worden. Insofern folgt – entgegen der Berufungsbegründung – nicht bereits aus dem Zuspruch eines Auskunftsanspruchs, dass auch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zu bejahen ist.
47
aa)
48
Für die Auffassung der Kammer, ein Anspruch komme nur unter den beschriebenen Voraussetzungen, d.h. im Ausnahmefall in Betracht, spricht erstens, dass es dem Rechtsinstitut der Totenfürsorge immanent ist, dass ein einzelner als Berechtigter Entscheidungen trifft, die nicht immer von all denjenigen, die sich mit der verstorbenen Person verbunden fühlen, geteilt werden. Diese grundsätzliche Zuständigkeit des Totenfürsorgeberechtigten ist bei Bestimmung der Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines (angeblich verletzten) Angehörigen zu beachten.
49
Zweitens erschöpft sich die Beeinträchtigung derjenigen Personen, die einer Ausgrabung bzw. Umbettung widersprechen oder widersprochen hätten, in dem Verlust des gewohnten oder gewünschten Trauerortes. Eine derart mittelbare Beeinträchtigung ist in aller Regel lediglich Ausdruck des allgemeinen Lebensrisikos. Es bedarf daher – ähnlich wie bei der Haftung für sog. Schockschäden (vgl. hierzu etwa BGH, Urt. v. 20.03.2012 – VI ZR 114/11, juris) – einer besonders engen personalen Beziehung des Betroffenen zum Verstorbenen, die allerdings regelmäßig zu bejahen sein wird, wenn – wie hier – das Kind des Verstorbenen eine Persönlichkeitsrechtsverletzung geltend macht.
50
Drittens und zuletzt hängt die Entscheidung, ob eine für die Zubilligung einer Geldentschädigung hinreichend schwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt, insbesondere von Bedeutung und Tragweite, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie dem Grad seines Verschuldens ab (vgl. BGH, Urt. v. 30.01.1996 – VI ZR 386/94, juris). Erforderlich ist mithin eine umfassende Prüfung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, die sich insbesondere auf die Motivation der beklagten Partei zu erstrecken hat. Dabei ist zu beachten, dass ein Umbettungsverlangen häufig auf einem im Ausgangspunkt verständlichen Interesse des Totenfürsorgeberechtigten beruht, auch wenn es nach den strengen Maßstäben der Verwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, NVwZ-RR 2010, 281, 282) unbegründet sein sollte.
51
bb)
52
Vor diesem Hintergrund ist eine Verpflichtung des (primär) Totenfürsorgeberechtigten zur Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines (engen) Angehörigen zu verneinen, wenn der Totenfürsorgeberechtigte zwar nicht den Willen des Verstorbenen umgesetzt hat, sein Handeln aber gleichwohl von einem nachvollziehbaren Beweggrund getragen war. Ein Angehöriger des Verstorbenen erleidet keine (schwerwiegende) Verletzung seiner eigenen Rechte, wenn es ihm zuzumuten ist, die handlungsleitenden Erwägungen des Totenfürsorgeberechtigten zumindest im Ausgangspunkt zu achten. Nur dann, wenn der Totenfürsorgeberechtigte aus sachwidrigen Gründen handelt, er also ohne legitime eigene Interessen den Verlust der Trauerstätte zu Lasten des Angehörigen in Kauf nimmt, im äußersten Fall sogar auf deren emotionale Verletzung abzielt, geht mit der Beeinträchtigung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen zugleich eine schwerwiegende Verletzung der Rechte des (engen) Angehörigen einher.
53
cc)
54
Ob das Persönlichkeitsrecht des (engen) Angehörigen in einem derart schwerwiegenden Maße beeinträchtigt worden ist, ist im Wege einer Gesamtschau zu ermitteln. Dabei können Gesichtspunkte wie die Heimlichkeit des Vorgehens, der äußere Anlass sowie das Verhalten des Betroffenen nach der Ausgrabung zu berücksichtigen sein. Ferner kann im Zuge der Gewichtung der Schwere der Beeinträchtigung zu prüfen sein, ob Trauerbekundungen lediglich erschwert oder vielmehr faktisch unmöglich gemacht worden sind.
55
dd)
56
Legt man die vorstehenden Maßstäbe an, erweist sich das Urteil des Amtsgerichts als im Ergebnis zutreffend.
57
(1)
58
Das Amtsgericht hat allerdings den Vortrag der Klägerin in dem während des Termins vom 06.06.2016 zur Akte gereichten Schriftstück (Bl. 36 ff. GA) rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt. Mit dem Schreiben hat die Klägerin zu erkennen gegeben, dass sie nicht nur den Willen des Verstorbenen zur Umbettung und Flussbestattung in Abrede stellen will, sondern zugleich davon ausgeht, dass die Beklagte aus sachwidrigen Erwägungen heraus gehandelt hat.
59
Diesen Vortrag hat das Amtsgericht unter Hinweis auf § 296 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Die Regelungen in §§ 282 Abs. 1, 296 Abs. 2 ZPO sind bei einem Vorbringen im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung jedoch nicht anwendbar (vgl. BGH, Urt. v. 17.07.2012 – VIII ZR 273/11, juris). Ob das Amtsgericht von einer Verletzung der Prozessförderungspflicht in § 282 Abs. 2 ZPO ausgegangen ist, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Letztlich bedarf diese Frage aber keiner Beantwortung. Denn zumindest fehlt es an einer erkennbaren Ausübung des von § 296 Abs. 2 ZPO eingeräumten Ermessens (vgl. BGH, BeckRS 2013, 16136). Die dergestalt fehlerhafte Anwendung von Präklusionsvorschriften kann durch das Rechtsmittelgericht nicht durch Rückgriff auf diejenigen Bestimmungen, die einschlägig gewesen wären, geheilt werden (vgl. BGH, NJW-RR 2013, 655), wobei darauf hinzuweisen ist, dass es ohnehin an den Voraussetzungen von § 296 Abs. 1 ZPO gefehlt hätte.
60
Die Hilfsbegründung des Amtsgerichts, d.h. der Verweis auf das Fehlen einer Unterschrift i.S.v. § 130 Nr. 6 ZPO, ist ebenfalls nicht tragfähig. Es ist bereits zweifelhaft, ob ein im Termin übergebenes Schriftstück als vorbereitender Schriftsatz angesehen werden kann. Jedenfalls hat das Amtsgericht aber übersehen, dass das Erfordernis der Schriftlichkeit kein Selbstzweck ist. Wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, kann das Fehlen einer Unterschrift ausnahmsweise unschädlich sein (vgl. BGH, NJW-RR 2008, 1020, 1021). So liegt es hier: Mit der Anwesenheit der Klägerin im Termin und ihrem – vor Eintreffen ihres Prozessbevollmächtigten – bekundeten Willen, das Schriftstück zur Akte zu reichen, bestand Gewissheit über die Urheberschaft und den Entschluss, den Vortrag zu ergänzen.
61
(2)
62
Dass die vorgenannten Rechtsfehler nicht in der Berufungsbegründung gerügt worden sind, ist unschädlich. Die Frage, ob eine unrichtige Anwendung der Verspätungsvorschriften wegen § 529 Abs. 2 ZPO vom Berufungsgericht auch dann zu beachten ist, wenn dieser Gesichtspunkt nicht zum Gegenstand der Berufungsbegründung gemacht worden ist, ist – soweit ersichtlich – noch nicht vollständig geklärt (für ein Rügeerfordernis OLG Saarbrücken, NJW-RR 2003, 139 f.; anders wohl BGH, NJW 2004, 1876, 1878). Für eine Prüfung des Rechtsfehlers von Amts wegen spricht indes, dass der Prüfungsmaßstab des Berufungsgerichts ausdrücklich die Kontrolle einer rechtsfehlerfreien Anwendung des § 296 ZPO beinhaltet, vgl. § 531 Abs. 1 ZPO.
63
(3)
64
Das vorgenannte Schriftstück enthielt allerdings nur vage Mutmaßungen zu den rechtserheblichen Tatsachen. Auf den daher erteilten Hinweis der Kammer hat es die Klägerin jedoch unterlassen, ihren Vortrag in hinreichendem Maße zu ergänzen und unter Beweis zu stellen, um das Gericht in die Lage zu versetzen, den angeblich persönlichkeitsrechtsverletzenden Charakter der Ausgrabung mit anschließender Flussbestattung beurteilen zu können. Da dies unterblieben ist, vermag die Kammer den geltend gemachten Anspruch nicht zu bejahen.
65
(a)
66
Der Klägerin ist in diesem Zusammenhang zuzugeben, dass das (offensichtlich) heimliche Vorgehen der Beklagten sowie ihre anschließende Weigerung, Auskunft zu erteilen, darauf hindeuten könnten, dass sich die Beklagte von sachwidrigen Erwägungen hat leiten lassen. Allerdings hat die Beklagte immerhin behauptet, ihre Schwester habe den Verbleib des Verstorbenen im Familiengrab nicht weiter gebilligt, weshalb sie sich für die Ausgrabung entschieden habe. Hierbei könnte es sich um einen Willensentschluss gehandelt haben, deren Achtung der Klägerin zuzumuten gewesen sein könnte.
67
Zu der vorgenannten Behauptung hat die Klägerin jedoch allenfalls beiläufig Stellung genommen; lediglich in dem im Termin vom 06.06.2016 übergebenen Schriftstück bezweifelt sie, dass die Schwester der Beklagten an der Beisetzung im Familiengrab Anstoß genommen hat (Bl. 36 GA). Demgegenüber erschöpft sich ihr Vorbringen im jüngsten Schriftsatz vom 05.01.2017 in der pauschalen, nicht mit Beweisantritten unterlegten Behauptung, das Handeln verdeutliche die „offensichtlich vorhandene Niedertracht“ (Bl. 124 f. GA). Die Heimlichkeit des Vorgehens lässt für sich genommen jedoch keinen sicheren Schluss auf das Willensbild der Beklagten zu. Denn Heimlichkeit kann auch Ausdruck von Scham oder ähnlichen, durchaus verständlichen Gefühlen sein.
68
(b)
69
Nach alledem wäre es Sache der Klägerin gewesen, auf den Vortrag, es habe einen Streit mit der Schwester der Beklagten gegeben, konkret zu erwidern und ihre gegenteilige Behauptung unter Beweis zu stellen. Dies hat sie jedoch unterlassen. Die Kammer könnte daher allenfalls Mutmaßungen über die Motivation der Beteiligten anstellen. Spekulationen sind jedoch ungeeignet, der Klage zum Erfolg zu verhelfen.
70
d)
71
Zuletzt ergibt sich eine Haftung der Beklagten auf Zahlung einer Geldentschädigung nicht bereits deshalb, weil sie es unstreitig unterlassen hat, die Klägerin vor ihrer Entscheidung zur Ausgrabung zu benachrichtigen, und auch in der Folgezeit von einer (freiwilligen) Information abgesehen hat.
72
aa)
73
Es ist generell zweifelhaft, ob das Unterlassen einer Auskunft eine eigenständige schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen kann. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu der im Ausgangspunkt vergleichbaren Frage, ob die Nichterfüllung des Anspruchs eines Kindes, Kenntnis von der eigenen Abstammung zu erlangen, eine Entschädigungspflicht nach sich zieht, existiert – soweit ersichtlich – nicht (vgl. den nur erstinstanzlich gestellten Antrag bei OLG Hamm, Urt. v. 06.02.2013 – I-14 U 7/12, juris). Das Amtsgericht Essen hat einen solchen Anspruch im Ausgangspunkt für möglich gehalten, im konkreten Fall die Klage aber wegen der Einrede der Verjährung abgewiesen (vgl. AG Essen, Urt. v. 17.09.2014 – 17 C 288/13, juris). Ferner hat das Oberlandesgericht Hamm einen Zahlungsanspruch nach Vernichtung der Samenspenderdaten in den Jahren 1989 und 1990 verneint, weil die handelnden Mitarbeiter seinerzeit noch nicht von einem gesicherten Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des künstlich gezeugten Kindes ausgehen mussten (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 13.06.2007 – 3 W 32/07, juris).
74
(2)
75
Selbst wenn man einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen einer unterlassenen oder verzögerten Information im Ausgangspunkt für möglich hält, darf nicht übersehen werden, dass eine Entschädigungspflicht wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nur unter engen Voraussetzungen bestehen kann. Die Zubilligung einer Geldentschädigung stellt – wie eingangs aufgezeigt – eine Ausnahme dar, die Ausprägung eines verfassungsrechtlichen Schutzauftrags ist. Demgemäß folgt gerade nicht aus jeder Persönlichkeitsrechtsverletzung auch ein Entschädigungsanspruch (vgl. nur BGH, Urt. v. 24.05.2016 – VI ZR 496/15, juris). Daher kann in dem Unterlassen einer Benachrichtigung über die (bevorstehende) Ausgrabung oder der verzögerten Auskunft über den Flussbestattungsort allenfalls unter ganz besonderen Umständen eine schwerwiegende, nur durch Entschädigungszahlung auszugleichende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin gesehen werden. Denn solange die Auskunft erteilt werden kann, ist es regelmäßig nicht erforderlich, den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht mittels einer Zahlungsverpflichtung zu kompensieren.
76
(3)
77
Unter Anlegung der vorgenannten Maßstäbe sieht die Kammer keine Veranlassung, allein wegen der unstreitig unterlassenen Mitteilung sowie der verzögerten Auskunft auf eine Geldentschädigung zu erkennen. Mit Erfüllung des Auskunftsanspruchs, den das Amtsgericht mit sorgfältiger Begründung bejaht hat, wird die Klägerin in die Lage versetzt, einen konkreten Ort in vertretbarer Entfernung aufzusuchen, um ihrem Vater zu gedenken. Dieser Ort mag ihr ebenso wie die Bestattungsart unvertraut erscheinen. Gleichwohl bietet er ihr die Gelegenheit, ihren Wunsch nach einem angemessenen Andenken an einem räumlich fest fixierten Punkt zu verwirklichen.
78
Die Kammer hat dabei bedacht, dass das heimliche Vorgehen der Beklagten der Klägerin die Möglichkeit genommen hat, sich an der ihr vertrauten Grabstätte vor der Ausgrabung vom Vater zu verabschieden. Es ist unter Umständen sogar dazu gekommen, dass die Klägerin im Unwissen um die Ausgrabung vor einem „leeren“ Grab getrauert hat. Ein solches Geschehnis mag durchaus als Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts gewertet werden. Die Voraussetzungen einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung ließen sich indes – wie ausgeführt – nicht feststellen.
79
5.
80
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 ZPO sowie § 708 Nr. 10 ZPO i.V.m. § 713 ZPO und § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, der keine Grundsatzbedeutung zukommt. Die Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Denn es existieren Orientierungshilfen für die rechtliche Beurteilung (vgl. BGH, NJW 2002, 3029, 3030). Schließlich besteht kein Anlass, die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Soweit namentlich die Frage, wer die Beweislast für einen Umbettungswillen trägt, in der Rechtsprechung anders beurteilt worden ist, ist diese Problematik nicht entscheidungserheblich. Denn die Kammer hat angenommen, dass die Beklagte (zumindest) ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist.