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  • 24.05.2017 · IWW-Abrufnummer 194128

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 13.10.2016 – 14 K 203/15

    Bei einer Nachlassspaltung ist jeder der Nachlassteile als selbständiges Sondervermögen anzusehen und ohne Berücksichtigung des übrigen Nachlasses entsprechend zu behandeln.
    Anschaffungskosten durch die Übernahme von im Rahmen der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung aufgenommenen Darlehen von einem Erben.


    Niedersächsisches Finanzgericht

    14. Senat

    Urteil vom 13.10.2016

    14 K 203/15

    Tatbestand

    1

    Streitig ist, ob die vom Kläger im Rahmen einer Erbauseinandersetzung von seiner Mutter übernommenen Darlehensschulden zu Anschaffungskosten eines Grundstücks führen.

    2

    Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und Vermietung und Verpachtung, die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

    3

    Der Kläger ist zusammen mit seiner Mutter und seinen drei Schwestern A, B und C Erbe nach seinem im Mai 1990 verstorbenen Vater. Zum Nachlass gehörten drei Grundstücke in X, Y, und Z sowie ein zum Zeitpunkt Erbfalls auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) belegenes, mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück in L. Nach dem Inhalt des gemeinschaftlichen Erbscheins des Amtsgerichts xxx/Westfalen wurde der Erblasser von der Mutter des Klägers zu 1/2 und dem Kläger und seinen Schwestern jeweils zu 1/8 beerbt. Abweichend hiervon wurde er hinsichtlich des Grundstücks in L von der Mutter des Klägers zu 1/4 und den Kindern zu jeweils 3/16 beerbt.

    4

    Der Mutter des Klägers war an den vier Grundstücken das Nießbrauchsrecht eingeräumt. Im Zusammenhang mit der Modernisierung des Gebäudes in L nahm sie als Kreditnehmerin von 1998 bis 2002 vier Darlehen in Höhe von insgesamt xxx EUR auf. Die Aufwendungen für die Modernisierung machte sie bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten geltend.

    5

    Im Oktober 2008 setzte sich die Erbengemeinschaft mit notariellem Vertrag auseinander. Die für das Grundstück in L aufgenommenen Darlehensverbindlichkeiten valutierten zu dieser Zeit noch in Höhe von insgesamt 100.000 EUR. Der Kläger erhielt das Grundstück in L zum Alleineigentum. Im Gegenzug übernahm er zwei der vier Darlehensverträge seiner Mutter sofort und verpflichtete sich, seine Mutter von den Darlehenszahlungen der beiden anderen Darlehensverträge freizustellen und diese Verträge zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls zu übernehmen. Die von der Mutter unterhaltenen Kontokorrentkonten wurden im Innenverhältnis dem Kläger zugeordnet und dieser erhielt zudem den Geschäftsanteil an der kreditgebenden Bank im Wert von xxx EUR rückwirkend zum 1. Januar 2008.

    6

    Außerdem erhielt der Kläger das lastenfreie Grundstück in X zu Alleineigentum übertragen und verpflichtete sich im Gegenzug, seiner Schwester C eine Abfindung in Höhe von xxx EUR zu zahlen. Die Miteigentumsanteile des Klägers und seiner Schwestern B und C an dem Grundstück in Y wurden seiner Mutter und seiner Schwester A übertragen, die gemeinsam die für das Grundstück im Grundbuch verzeichneten Darlehnsverbindlichkeiten in Höhe von xxx EUR übernahmen. Die Schwester A verpflichtete sich außerdem zu einer Ausgleichszahlung an ihre Schwester B in Höhe von xxx EUR. Die Mutter erhielt die Miteigentumsanteile des Klägers und seiner Schwestern an dem Grundstück in Z. Der Gegenstandswert der Auseinandersetzungsvereinbarung entfiel in Höhe von 200.000,00 EUR auf das Grundstück in L und im Übrigen auf die Grundstücke in X, Y und Z sowie auf die Ausgleichszahlungen der Geschwister untereinander und die Übernahme des Geschäftsanteils an der Bank. Der Kläger trug nach § 9 Abs. 2 des Vertrages die Kosten der Auseinandersetzungsvereinbarung und ihrer Durchführung.

    7

    In der Einkommensteuererklärung des Streitjahres machte der Kläger bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten für das Grundstück in L Absetzungen für Abnutzung (AfA) geltend, die das beklagte Finanzamt (FA) jedoch nicht berücksichtigte, weil es davon ausging, dass das Gebäude im Streitjahr bereits vollständig abgeschrieben gewesen sei und der Kläger die Miteigentumsanteile der anderen Erben unentgeltlich erhalten habe.

    8

    Im anschließenden Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, dass er das Grundstück in L im Rahmen der Erbauseinandersetzung im Oktober 2008 entgeltlich erworben habe, weil er die auf dem Grundstück lastenden und noch in Höhe von 100.000,00 EUR valutierenden Darlehensschulden persönlich übernommen habe. Da er bereits vorher zu 3/16 Miteigentümer gewesen sei, sei die AfA des Rechtsvorgängers bis 2011 anteilig mit 3/16 fortzuführen gewesen und ab dem Jahr 2008 zusätzlich eine weitere AfA in Höhe von 13/16 auf der Basis der Anschaffungskosten als neuer Bemessungsgrundlage abziehbar. Diese AfA betrage 2.113,25 EUR und errechne sich wie folgt:

    9
      
    Kaufpreis für 13/16 Anteil    100.000,00 EUR      
    abzgl. Bodenwertanteil 15,47 %    15.470,00 EUR      
    AfA Bemessungsgrundlage    84.530,00 EUR      
    AfA (Bj. 1910) = 2,5 % von 84.530,00 EUR:    2.113,25 EUR     

    10

    Er meinte, dass die von ihm im Rahmen der Auseinandersetzung übernommenen Schulden der Erbengemeinschaft mit einer Ausgleichszahlung vergleichbar seien und bei ihm zu Anschaffungskosten der übernommenen Nachlassgegenstände führten, soweit die Schulden den Wert des Anteils am Nachlass überstiegen. Erhalte der Erbe von der Erbengemeinschaft mehr Gemeinschaftsvermögen als dies dem Wert seines Erbteils entspreche und erbringe er im Gegenzug Abfindungsleistungen, indem er über seine Erbquote hinaus Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft übernehme, liege in der Auseinandersetzung ein mit einem Kauf vergleichbares Rechtsgeschäft. Gleiches gelte für die Schuldübernahme, wenn diese eine Gegenleistung dafür sei, dass der erst zu einem späteren Zeitpunkt zugedachte Grundbesitz vorzeitig aus dem Gesamthandsvermögen in das eigene Vermögen überführt werden könne. Die übernommenen Verbindlichkeiten seien daher wie eine Kaufpreiszahlung zu behandeln. Da seiner Mutter testamentarisch das Nießbrauchsrecht an dem jeweiligen Erbteil der Kinder eingeräumt worden sei, sei das Grundstück wirtschaftlich und steuerlich bis zum Jahr 2008 bei ihr geführt worden. Erst bei der Auseinandersetzung habe sie auf das Nießbrauchsrecht verzichtet und dem Kläger im Gegenzug zur Übertragung auch die Tilgung der Verbindlichkeiten überlassen. Eine frühere Teilauseinandersetzung habe es nicht gegeben; das im Nachlass vorhandene Geldvermögen sei auch zur Sanierung des Gebäudes ausgegeben worden.

    11

    Der Einkommensteuerbescheid wurde nachfolgend aus zwischen den Beteiligten nicht streitigen Gründen geändert. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Es hielt an der Auffassung fest, dass die übernommenen Darlehen keine Anschaffungskosten darstellten, weil bei einer Erbauseinandersetzung in der Erfüllung der erbrechtlichen Auseinandersetzungsansprüche kein Anschaffungs- oder Veräußerungsgeschäft liege. Vielmehr handele es sich um eine Realteilung mit der Folge, dass nach § 11 Abs. 1 Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) die von der Erbengemeinschaft anzusetzenden Anschaffungskosten fortzuführen seien. Anschaffungskosten lägen nur vor, soweit die übernommenen Schulden den Anteil des Übernehmers am Nachlass überstiegen. Auch die überquotale Übernahme von Verbindlichkeiten führe danach zu einem Erwerb ohne Gegenleistung, solange nicht der Saldo-Wert des Erlangten den Wert des Erbteils übersteige und für den übersteigenden Betrag eine Abfindung gezahlt werde. Werde ein überschießender Wert an Wirtschaftsgütern durch eine überschießende Schuldübernahme ausgeglichen, liege keine entgeltliche Anschaffung vor. Der Kläger habe die Grundstücke im Wege der Erbauseinandersetzung unentgeltlich erhalten, weil die übernommenen aktiven und passiven Werte im Saldo seinem Anteil am Nachlass entsprächen. Daher sei trotz der Darlehensübernahme keine AfA abziehbar. Im Gegensatz zu dem vom Bundesfinanzhof (BFH) im Verfahren IX R 23/02 entschiedenen Sachverhalt (BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004, BFHE 208, 229, BStBl II 2006, 296) habe nicht die Erbengemeinschaft, sondern die nießbrauchberechtigte Mutter die Darlehen aufgenommen. Das Vermögen der Erbengemeinschaft habe aus vier Grundstücken bestanden, von denen Gegenstandswerte in Höhe von xxx EUR auf ihn übertragen worden seien. Die Übernahme der Verbindlichkeiten, die als Nachlassverbindlichkeiten zu beurteilen seien, stelle lediglich eine Minderung seines Anteils an der Auseinandersetzung dar; der Kläger habe im Ergebnis Vermögen entsprechend seiner Erbquote erhalten. Da die übertragenen Grundstücke den Wert der Erbquote nicht überstiegen und der Kläger nicht aus diesem Grunde Abfindungen gezahlt habe, könne auch nicht von einem entgeltlichen Vorgang ausgegangen werden.

    12

    Mit der Klage begehren die Kläger unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus dem Vorverfahren weiter die Berücksichtigung der übernommenen Darlehen als Anschaffungskosten des Grundstücks in L und den Abzug von AfA für das Gebäude. Sie tragen ergänzend vor, dass die vom Kläger übernommenen Verbindlichkeiten dessen Erbquote überstiegen, weil der Wert seines Anteils vor der Auseinandersetzung weniger als nach der Auseinandersetzung betragen habe. Nach dem Erbfall habe der Anteil des Klägers an dem Grundstück in L 3/16, an dem Grundstück in X 1/8 und an den Grundstücken in Y und Z jeweils 1/16 betragen, weil die Mutter des Klägers bereits vor dem Erbfall hälftige Miteigentümerin der Grundstücke in Y und Z gewesen sei, während sein verstorbener Vater Alleineigentümer der Grundstücke in L und X gewesen sei. Da für das Grundstück in L die übernommenen Schulden höher seien als der Wert der auf den Kläger entfallenden Erbquote, sei insoweit von einem teilentgeltlichen Erwerb auszugehen.

    13

    Gegen die Berechnung des FA sei einzuwenden, dass nach der Rechtsprechung des BFH, insbesondere im Beschluss vom 5. Juli 1990 (GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837), die Erbauseinandersetzung als selbständiger Rechtsvorgang zu werten sei und keine Einheit mit dem Erbfall bilde. Die Regelungen zur Auseinandersetzung seien erkennbar auf die einzelnen Grundstücke abgestellt worden und rechtlich entsprechend zu würdigen. Daher könnten die Werte auch nicht vermengt werden, sondern es sei eine einzelne Betrachtung des jeweiligen Grundstücks erforderlich. Für die getrennte Betrachtung der einzelnen Grundstücke spreche zudem, dass die AfA immer grundstücksbezogen zu ermitteln sei. Ein deutlich geringerer Betrag der Darlehensvaluta für das Objekt in X würde bei fiktiver Berechnung den verbleibenden positiven Grundstückswert nach der Argumentation des FA erhöhen und somit die Erbquote deutlich überschreiten. Die Berechnung belege, dass der Kläger über seine Erbquote hinaus Gemeinschaftsvermögen erhalten habe und die Darlehensschulden den Wert seines Erbteils überträfen, so dass die Übernahme der Verbindlichkeiten zu Anschaffungskosten auf das Grundstück führe.

    14

    Der Beklagte hält an seiner im Vorverfahren vertretenen Auffassung fest und verweist zur Begründung auf die Ausführungen im Einspruchsbescheid. Ergänzend führt er aus, dass die Berechnungen der Kläger kein Anschaffungsgeschäft begründen könnten, da deren Annahme, dass der vom Kläger erhaltene Grundstückswert der Immobilie mit den übernommenen Schulden für diese Immobilie verglichen werden müsse, nicht berücksichtige, dass zwei Grundstücksanteile übertragen worden seien und folglich das gesamte in der Erbauseinandersetzung übergegangene Vermögen die Erbquote des Klägers übersteigen müsse. Diese Voraussetzung sei aber nicht erfüllt, denn es sei von dem Grundstückswert für die Grundstücke in L und XE (insgesamt xxx EUR) zunächst der Wert der bereits im Eigentum des Klägers stehenden Anteile (xxx EUR) abzuziehen. Von dem danach verbleibenden Grundstückswert seien die Darlehensvaluta und die Ausgleichszahlung in Abzug zu bringen. Danach verbleibe ein positiver Grundstückswert in Höhe von xxx EUR, der unter dem Wert der Erbquote des Klägers liege, so dass kein Wertausgleich vorzunehmen sei und auch Anschaffungskosten entfielen.

    15

    Auch in der Berechnung der Kläger stehe dem negativen Grundstückswert für das Grundstück in L ein positiver Wert für den Erbanteil gegenüber, so dass die Schuldübernahme nicht zu Anschaffungskosten führe. Die Zusammensetzung des Nachlassvermögens sei ohne Bedeutung und im Ergebnis sei immer noch von einer Realteilung auszugehen, weil der Wert des Erlangten den Wert des Erbanteils nicht überstiegen habe.

    Entscheidungsgründe

    16

    I. Die Klage ist teilweise begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), weil der Beklagte bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung zu Unrecht keine Anschaffungskosten für das Grundstück in L berücksichtigt hat.

    17

    1. Nach § 7 Abs. 4 EStG bemisst sich die Höhe der AfA nach den Anschaffungskosten. Anschaffungskosten sind nach der Definition des § 255 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Hierzu kann auch die Übernahme von Verbindlichkeiten gehören, wenn der Erwerber sie im Rahmen der Anschaffung vom Veräußerer übernimmt oder neu eingeht (Schmidt/Kulosa, EStG Kommentar 35. Aufl., § 6 Rz. 81 m.w.N.) Anschaffung ist grundsätzlich jedoch nur der entgeltliche Erwerb; unentgeltliche Vorgänge und insbesondere die Gesamtrechtsnachfolge stellen keine Anschaffung dar (Schmidt/Kulosa, EStG Kommentar 35. Aufl., § 6 Rz. 31 m.w.N.). Demgegenüber können im Rahmen einer Erbauseinandersetzung mehrerer Miterben Anschaffungskosten anfallen, weil der Erbfall und die Erbauseinandersetzung keine Einheit bilden (BFH-Beschluss vom 5. Juli 1990, GrS 2/89, BStBl II 1990, 837; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen [BMF] vom 11. Januar 2006 - IV B 2-S 2242-2/04, BStBl I 2006, 253, B.1.).

    18

    2. Nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat vollumfänglich folgt, können die Aufwendungen eines Miterben bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft Anschaffungskosten sein, wenn der Miterbe z.B. die Erbanteile aller übrigen Miterben erwirbt. Wird das Gemeinschaftsvermögen hingegen im Wege der Auseinandersetzung unter die Miterben verteilt, so liegt in der Erfüllung des erbrechtlichen Auseinandersetzungsanspruchs kein Anschaffungsgeschäft. Wie sich das dem Miterben entsprechend seiner Erbquote zugeteilte Nachlassvermögen zusammensetzt, hat danach keine Bedeutung. Die wertmäßige Angleichung kann auch dadurch bewirkt werden, dass der Miterbe Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft übernimmt; ob dabei sein rechnerischer Anteil an den Verbindlichkeiten überschritten wird, ist ebenfalls ohne Belang, soweit die von ihm übernommenen Nachlassgegenstände seinen Anteil am Nachlass nicht übersteigen (vgl. BFH-Urteile vom 14. Dezember 2004, IX R 23/02, BFHE 208, 229, BStBl II 2006, 296; vom 19. Dezember 2006, IX R 44/04, BFHE 216, 255, BStBl II 2008, 216). Grundlage der Prüfung ist regelmäßig nicht der einzelne Nachlassgegenstand, sondern das Gemeinschaftsvermögen insgesamt, so dass Anschaffungskosten nur dann vorliegen, wenn der Erbe bei der Auseinandersetzung mehr Gemeinschaftsvermögen erhält, als dies dem Wert seines Erbteils entspricht und er für diesen Mehrwert Abfindungen leistet (BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004, IX R 23/02, BFHE 208, 229, BStBl II 2006, 296).

    19

    2. Unter Beachtung der vorstehend dargestellten Grundsätze ist der Senat der Auffassung, dass der Kläger die Miteigentumsanteile seiner Mutter und seiner Schwestern an dem Grundstück in L entgeltlich erworben hat. Bei der Beurteilung, inwieweit der Erwerb der Anteile entgeltlich erfolgt ist, ist das Grundstück in L gesondert von dem übrigen Nachlass zu betrachten.

    20

    a) Das Grundstück in L war im Jahr 1990 noch Grundvermögen auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes S und damit Teil des gemäß Art. 3 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschland (Einigungsvertrag) bezeichneten Gebiets. Der danach aus den Grundstücken in der Bundesrepublik Deutschland einerseits und dem im Gebiet der ehemaligen DDR liegenden Grundstück andererseits zusammengesetzte Nachlass ist nach den für das jeweilige Gebiet geltenden Rechtsvorschriften zu beurteilen. Für das Grundstück in L kommt zur Bestimmung der Erben und der Erbfolge das Recht zur Anwendung, das in der ehemaligen DDR gegolten hat, während auf den übrigen Nachlass die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur Anwendung kommen. Dies hat zur Folge, dass ein Fall der sog. Nachlassspaltung vorliegt.

    21

    aa) Gemäß Art. 235 § 1 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der damals geltenden Fassung (EGBGB) bleibt für die erbrechtlichen Verhältnisse das bisherige Recht maßgebend, wenn der Erblasser wie im Streitfall vor dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland (3. Oktober 1990) verstorben ist. Welches Sachrecht danach anzuwenden ist, bestimmte sich nach den interlokalen Kollisionsregeln, die bereits vor der deutschen Einigung in der Bundesrepublik Deutschland gegolten haben und deren Fortgeltung der Einigungsvertrag voraussetzt (BGH-Beschluss vom 4. Oktober 1995, IV ZB 5/95, BGHZ 131, 22/26, MDR 1996, 68). Im Erbrecht richtete sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach einem deutschen Erblasser nach den Bestimmungen derjenigen Teilrechtsordnung, in deren Geltungsbereich der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG) Beschluss vom 5. Juli 2002, 1Z BR 45/01, NJW 2003, 216 m.w.N.). Der im Mai 1990 verstorbene Erblasser hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, so dass sich die Erbfolge entsprechend Art. 25 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich nach den Vorschriften des BGB richtete.

    22

    bb) Diese grundsätzliche Regelung galt jedoch nicht für das seinerzeit in dem Gebiet der ehemaligen DDR belegene Grundstück in L. Hinsichtlich dieses Grundstücks kam Art. 3 Abs. 3 EGBGB zur Anwendung, wonach die Verweisungen sich nicht auf Gegenstände bezogen, die sich nicht in diesem Staat befanden und nach dem Recht des Staates, in dem sie sich befanden, besonderen Vorschriften unterlagen. Danach kam dem Belegenheitsstatut Vorrang zu, soweit dieses für die in seinem Gebiet befindlichen Vermögenswerte besondere Vorschriften aufstellte. So verhielt es sich in Erbfällen hinsichtlich des in der ehemaligen DDR vererbten Grundvermögens. Danach war für diese Erbfälle seit Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches (ZGB-DDR) und des Rechtsanwendungsgesetzes der DDR (RAG) § 25 Abs. 2 RAG zu beachten, wonach sich die erbrechtlichen Verhältnisse in Bezug auf das Eigentum und andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden, die sich in der DDR befinden, nach dem ZGB-DDR richteten (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 4. Oktober 1995, IV ZB 5/95, BGHZ 131, 22/26, MDR 1996, 68). Die Erbfolge war hinsichtlich der verschiedenen Nachlassteile jeweils für sich zu beurteilen (BayObLG FamRZ 1999, 1470/1471; 2001, 1181/1182; OLG Hamm FamRZ 1998, 121/122).

    23

    cc) Die erbrechtlichen Verhältnisse sind danach gem. Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB nach dem vor dem Beitritt in der DDR geltenden Recht des ZGB-DDR zu beurteilen, das in Bezug auf die Erbquoten abweichende Regelungen zum BGB trifft. Nach § 365 Abs. 1 ZGB-DDR waren gesetzliche Erben der Ehegatte und die Kinder des Erblassers, die zu gleichen Teilen erbten, wobei dem Ehegatte jedoch mindestens ein Viertel des Nachlasses zufiel (§ 365 Abs. 1 Satz 2 ZGB-DDR). Nach den Regelungen der §§ 1931, 1371 BGB erbt der vor dem Todesfall mit dem Erblasser im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebende Ehegatte dagegen zur Hälfte. An der auf diese Weise eingetretenen Nachlassspaltung hat sich durch die Vereinigung Deutschlands nichts geändert (BGH-Beschluss vom 4. Oktober 1995, IV ZB 5/95, BGHZ 131, 22/26, MDR 1996, 68; BayObLG, Beschluss vom 5. Juli 2002, 1Z BR 45/01, NJW 2003, 216 m.w.N.). Die Nachlassspaltung ist im Erbschein des Amtsgerichts berücksichtigt, indem die abweichenden Regelungen zur Erbfolge für das Grundstück in L und die übrigen Grundstücke ausgewiesen sind.

    24

    dd) Bei der durch Art. 3 Abs. 3 EGBGB ausgelösten Nachlassspaltung ist jeder der Nachlassteile als selbständiges Sondervermögen anzusehen und grundsätzlich so zu behandeln, als ob er der ganze Nachlass wäre (Staudinger/ Hausmann, Kommentar zum BGB [2003], Art. 3 EGBGB Rz. 78 m.w.N.). Die Selbständigkeit des durch die Nachlassspaltung entstandenen Sondervermögens ist auch bei der Auseinandersetzung unter den Erben zu beachten, so dass die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft hinsichtlich der drei Grundstücke in der Bundesrepublik Deutschland einerseits und dem Grundstück in der ehemaligen DDR andererseits einer jeweils eigenständigen Beurteilung in Bezug auf die Frage, in welcher Weise die Auseinandersetzung erfolgt ist, unterliegt.

    25

    b) Die Spaltung des Nachlasses in zwei voneinander unabhängige Vermögen bewirkt, dass es im Streitfall lediglich darauf ankommt, wie sich die Erben über das Grundstück in L auseinander gesetzt haben und es für die Entscheidung unerheblich ist, wie die Auseinandersetzung im Übrigen vorgenommen worden ist. Selbst wenn sich die Erbengemeinschaft im Übrigen durch Realteilung des Nachlasses auseinandergesetzt hat, ist die Übertragung der Anteile der Miterben auf den Kläger in Bezug auf das Grundstück in L als Ausscheiden der Miterben aus der Erbengemeinschaft unter Anwachsung ihrer Erbanteile an den Kläger (§ 738 BGB) und nicht als Realteilung anzusehen. Die Realteilung ist durch die Aufteilung des Gesellschaftsvermögens unter den Gesellschaftern gekennzeichnet (Kulosa in Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG Kommentar, § 16 Rz. 541); daran fehlt es, wenn wie im Streitfall das gesamte Gemeinschaftsvermögen von einem Beteiligten übernommen wird.

    26

    Entgegen der Ansicht des Beklagten hat der der Kläger die Anteile der Miterben an dem Grundstück in L auch entgeltlich erworben. Der Kläger hat keine Verbindlichkeiten des Erblassers, sondern solche der Erbengemeinschaft übernommen. Die Verbindlichkeiten sind im Rahmen der Erbauseinandersetzung in Höhe ihres Nennwertes als Anschaffungskosten des Klägers zu berücksichtigen (so auch BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004, IX R 23/02, BFHE 208, 229, BStBl II 2006, 296; FG D, Urteil vom 11. April 2002, 11 K 701/98 E, EFG 2002, 1031). Auch wenn die Darlehen von Mutter des Klägers im eigenen Namen aufgenommen worden sind, ist die Aufnahme im Zusammenhang mit der Verwaltung des Nachlasses für die Erbengemeinschaft erfolgt, die der Mutter daher zum Ausgleich verpflichtet gewesen ist.

    27

    aa) Der aus dem Grundstück in L bestehende Nachlass war im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mit valutierenden Darlehen belastet. Die von der Mutter des Klägers eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten begründeten einen Ausgleichanspruch gegenüber den anderen Miterben, weil sie von ihr im Rahmen der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung aufgenommen worden sind. Nach § 2038 BGB steht die Verwaltung des Nachlasses den Erben gemeinschaftlich zu und kann jeder Miterbe die zur Erhaltung notwendigen Maßregeln ohne Mitwirkung der anderen treffen. Die vom Standpunkt eines sorgfältigen Beobachters in ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses eingegangenen Verpflichtungen werden zu Nachlasserbenschulden, die dem Erben aus dem Nachlass zu ersetzen sind; dies gilt auch für ordnungsgemäße Verwaltungshandlungen einzelner Miterben (Küpper in Münchener Kommentar zum BGB [2013] § 1967 Rz. 16). Es besteht unter den Beteiligten kein Streit darüber, dass die von der Mutter eingegangenen Darlehensverpflichtungen dem Erhalt des Gebäudes gedient haben und die Darlehensaufnahme im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erfolgt ist. Auch wenn die Mutter die Darlehen im eigenen Namen aufgenommen hat, sind doch die Miterben nach § 2038 Abs. 2 BGB i.V.m. § 748 BGB nach dem Verhältnis ihrer Anteile danach zur Kostentragung verpflichtet gewesen. Die Mutter des Klägers hatte gegenüber ihren Kindern somit gemäß § 683 BGB einen Anspruch auf Aufwendungsersatz, soweit die Summe der von ihr begründeten Darlehensverpflichtungen die nach ihrem Anteil am Erbe von ihr zur tragenden Verpflichtungen überstieg. Dieser wäre auch nach § 2046 BGB bei der Auseinandersetzung vorrangig zu berichtigen gewesen, bevor ein danach verbleibender Erlös zur Verteilung auf die Erben gelangt wäre. So wie die Mutter (nur) in Höhe ihrer Erbquote die Schulden zu tragen hatte, waren die Miterben in Höhe ihrer Erbquote gegenüber der Mutter zum Ausgleich verpflichtet. Danach oblag den Erben die Ausgleichverpflichtung in folgender Höhe:

    28
                            
    Verkehrswert    Val. Darlehen    Mutter    Kläger    Schwester A    Schwester B    Schwester C      
    200.000,00 €        50.000,00 €    37.500,00 €    37.500,00 €    37.500,00 €    37.500,00 €      
        100.000,00 €    -25.000,00 €    -18.750,00 €    -18.750,00 €    -18.750,00 €    -18.750,00 €      
                                 
    29

    bb) Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, dass eine Schuldübernahme grundsätzlich nicht zu Anschaffungskosten führt, auch wenn sie die Erbquote übersteigt (BMF-Schreiben vom 14. März 2006, IV B 2-S 2242-2/04, BStBl I 2006,253 unter C II. 1.b), folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Schulden nicht schon zum Zeitpunkt des Erbfalls bestanden haben, sondern erst zeitlich danach im Zusammenhang mit der Verwaltung des Nachlassvermögens begründet worden sind und die später begründeten Schulden der Erbengemeinschaft keine Einheit mit den bei Eintritt des Erbfalls bereits bestehen Schulden bilden. Der Senat folgt der Rechtsprechung des BFH, wonach die Übernahme von Schulden zu Anschaffungskosten führt, wenn der Erbe mehr vom Gemeinschaftsvermögen erhält, als dies dem Wert seines Erbteils entspricht und er im Gegenzug über seine Erbquote hinaus Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft übernimmt (BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004, IX R 23/02, BFHE 208, 229, BStBl II 2006, 296 m.w.N.).

    30

    3. Der Kläger hat die Anteile der Miterben an dem Grundstück in L gegen Übernahme der von der Erbengemeinschaft gegenüber der Mutter auszugleichenden Schulden übernommen, die in Höhe der seinen Anteil übersteigenden Beträge bei ihm Anschaffungskosten darstellen. Soweit der Kläger bereits ohnehin in Höhe seiner Erbquote gegenüber seiner Mutter zum Ausgleich verpflichtet war (18.750 EUR), sind ihm allerdings keine Anschaffungskosten erwachsen, so dass die von ihm übernommenen Darlehen nur in Höhe des sich nach Abzug seines Anteils ergebenden Saldos als Anschaffungskosten zu berücksichtigen sind. Danach berechnet sich die AfA für das Gebäude wie folgt:

    31
             
    Valuta der Darlehen    100.000,00 EUR      
    abzgl. Anteil des Klägers als Miterbe    18.750,00 EUR      
    = Kaufpreis für 13/16 Anteil    81.250,00 EUR      
    abzgl. Bodenwertanteil 15,47 %    12.569,38 EUR      
    AfA Bemessungsgrundlage    68.680,62 EUR      
    AfA (Bj. 1910) = 2,5 % von 68.680,62 EUR:    1.717,01 EUR     

    32

    Bei den Werbungskosten des Klägers aus Vermietung und Verpachtung ist somit eine AfA in Höhe von 1.717,01 EUR in Abzug zu bringen. Danach ist die Klage nur teilweise begründet und im Übrigen abzuweisen Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO übertragen.

    33

    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Beteiligten haben im Umfang ihres Unterliegens die Kosten des Verfahrens zu tragen.

    34

    III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen, weil die steuerliche Beurteilung einer Nachlassspaltung, soweit ersichtlich, höchstrichterlich noch nicht entschieden ist.

    RechtsgebieteBGB, BGBEG, EStG, HGB, RAG, ZGA DDRVorschriften§ 1371 BGB, § 1931 BGB, § 1967 BGB, § 2038 BGB, § 683 BGB, Art 235 § 1 Abs 1 BGBEG, Art 3 Abs 3 BGBEG, § 7 Abs 4 EStG, § 255 HGB, § 255 Abs 1 HGB, § 25 Abs 2 RAG, § 365 ZGB DDR