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  • 08.11.2017 · IWW-Abrufnummer 197540

    Bundesfinanzhof: Beschluss vom 19.02.2009 – II B 132/08

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Gründe:

    I.

    Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erbte 1999 u.a. ein 7 520 qm großes Grundstück in Sachsen, das auf seinem vorderen Teil mit einem vor 1900 errichteten, verfallenden und im Erwerbszeitpunkt nicht mehr benutzbaren Gasthof bebaut und auf dessen größerem hinteren Teil in einer Bodendelle Hausmüll abgelagert worden war. Für die Beseitigung des Hausmülls entstanden dem Kläger Aufwendungen von ... DM. Den erforderlichen Aufwand für den Abbruch des Gasthofs schätzt der Kläger auf ... DM.

    Das Lagefinanzamt stellte mit bestandskräftigem Bescheid vom 19. Juli 2007 den Grundstückswert zum Erwerbszeitpunkt auf 21 000 DM fest. Dabei war das Grundstück als unbebautes Grundstück und unter Ansatz eines Bodenrichtwerts von 30 DM/qm für den vorderen Teil und eines solchen von 0,16 DM/qm für den hinteren Teil bewertet worden.

    Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) setzte sodann mit Bescheid vom 28. April 2004 die Erbschaftsteuer auf ... EUR fest, ohne dabei --wie vom Kläger verlangt-- "latente Verbindlichkeiten" für einen Abbruch des Gasthofs und eine Beseitigung des Hausmülls zum Abzug zuzulassen.

    Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, das Vorhandensein eines nicht mehr benutzbaren Gebäudes sowie der Müllablagerung auf dem ererbten Grundstück begründe keine Nachlassverbindlichkeiten. Soweit beides den Grundstückswert gemindert habe, habe es dem Kläger freigestanden, gemäß § 145 Abs. 3 Satz 3 des Bewertungsgesetzes in der 1999 geltenden Fassung (BewG) einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen. Soweit der zu erwartende Aufwand für den Abbruch des Gebäudes und die Beseitigung des Mülls den dabei sich ergebenden Grundstückswert überstiegen und sich --da der Grundstückswert nicht negativ sein könne-- nicht voll hätte auswirken können, stelle er keine beim übrigen Vermögen abziehbare Last dar. Dem Kläger habe es freigestanden, sich des Grundstücks durch Dereliktion zu entledigen. An dieser Rechtslage ändere sich auch nichts, wenn --wie vom Kläger vorgetragen-- eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Beseitigung des Mülls bestanden oder die Erblasserin --wie ebenfalls vorgetragen-- bereits mündlich den Auftrag zur Müllbeseitigung erteilt hätte. Im Falle einer öffentlich-rechtlichen Beseitigungspflicht stünde dem Aufwand für deren Erfüllung die damit verbundene Wertsteigerung des Grundstücks gegenüber. Im Falle einer Auftragserteilung zur Müllbeseitigung noch durch die Erblasserin läge ein nicht zu berücksichtigendes schwebendes Geschäft vor, das im Erwerbszeitpunkt noch von keiner Seite erfüllt worden sei.

    Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung wegen der Fragen zu,

    ob abbruchreife Gebäude und Müllablagerungen bei der Feststellung des Grundstückswerts zu berücksichtigen seien oder selbständig abziehbare Lasten darstellten und

    ob ein Grundstückswert auch negativ sein könne sowie

    ob die Nichtberücksichtigung der Abbruchreife des Gebäudes und der Müllablagerungen mit dem Bereicherungsprinzip vereinbar sei.

    Außerdem rügt er eine Abweichung des FG von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. Oktober 2003 II R 27/02 (BFHE 204, 306, BStBl II 2004, 179). Indem das FG meine, die Abbruchreife des Gasthofs sowie die Müllablagerung hätten durch Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts im Rahmen der Feststellung des Grundstückswerts zur Geltung gebracht werden müssen, übersehe es, dass der BFH in dem genannten Urteil aus Gründen der Vergleichbarkeit beim Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nur solche Lasten als wertmindernd anerkannt habe, die auch bei der Regelbewertung nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG Berücksichtigung gefunden hätten.

    II.

    Die Beschwerde ist unbegründet.

    1. Soweit die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob abbruchreife Gebäude und Müllablagerungen bei der Feststellung des Grundstückswerts zu berücksichtigen sind oder bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) eine abziehbare Last darstellen, im Streitfall überhaupt klärungsfähig ist, ist sie jedenfalls nicht klärungsbedürftig.

    a) Im Streitfall liegt bereits eine bestandskräftige Feststellung des Grundstückswerts vor, die gemäß § 145 Abs. 3 BewG vorgenommen worden ist. Von der Möglichkeit, gemäß § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen, ist kein Gebrauch gemacht worden. Daher ist nicht mehr klärungsfähig, ob bei einem derartigen Nachweis --wäre er versucht worden-- die Abbruchreife des Gasthofs und die Müllablagerung sich hätte wertmindernd auswirken können. Die bestandskräftige Bewertung des Grundstücks gemäß § 145 Abs. 3 BewG als unbebautes Grundstück bedeutet allerdings, dass die Abbruchreife des Gasthofs bereits berücksichtigt ist. Lediglich die Müllablagerung blieb --abgesehen von der 20%igen Ermäßigung nach § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG-- unbeachtet.

    b) Bereits wegen der bestandskräftigen Feststellung des Grundstückswerts ist auch die Frage nicht (mehr) klärungsfähig, ob ggf. ein negativer Grundstückswert hätte festgestellt werden können.

    c) Die Frage, ob die Abbruchreife des Gasthofs sowie die Müllablagerung bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 ErbStG als Abzugsposten zu berücksichtigen sind, ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist ohne weiteres dahin zu beantworten, dass jedenfalls ohne Bestehen einer (öffentlich- oder privat-)rechtlichen Verpflichtung zum Abbruch des Gebäudes bzw. zur Beseitigung des Mülls schon zu Lebzeiten der Erblasserin ein Abzug in Höhe der dabei zu erwartenden Kosten ausscheidet. Beim Fehlen derartiger Verpflichtungen können keine Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vorliegen, und zwar ungeachtet dessen, ob und inwieweit diese zu erwartenden Kosten bereits den Grundstückswert beeinflusst haben und insoweit bereits deshalb den steuerpflichtigen Erwerb nicht ein zweites Mal mindern können. Darin liegt auch kein Verstoß gegen das Bereicherungsprinzip. Die Bereicherung ist stichtagsbezogen zu ermitteln; insofern schränkt das Stichtagsprinzip das Bereicherungsprinzip ein (Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, Stand Juli 2008, § 11 Rz 10).

    2. Die Divergenzrüge (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), das FG sei von dem BFH-Urteil in BFHE 204, 306, BStBl II 2004, 179 abgewichen, greift nicht durch, weil das FG von der Bestandskraft der Feststellung des Grundstückswerts ausgegangen ist und daher seine Ausführungen dazu, was bei dem unterlassenen Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zu berücksichtigen gewesen wäre, nicht tragend sein können.

    RechtsgebieteBewG, ErbStG