Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 09.04.2018 · IWW-Abrufnummer 200510

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 04.04.2017 – 2 K 1964/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Orientierungssatz:

    Sind die behördlich angeordneten Maßnahmen zur Sanierung einer Grabstätte als außergewöhnliche Belastung steuerlich ertragsfähig
    Tenor:

    Der Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 13.11.2014 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 25.09.2015 mit der Maßgabe geändert, dass außergewöhnliche Belastungen im Sinn von § 33 des Einkommensteuergesetzes i.H.v. x EUR steuermindernd berücksichtigt werden.

    Dem Beklagten wird aufgegeben, die Steuer neu zu berechnen.

    Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
    Tatbestand

    Die Klägerin wurde im Jahr 1944 unter ihrem Familiennamen A geboren. Die Familie A kommt aus dem Ort B und besitzt in diesem Ort eine 102 Jahre alte Familiengrabstätte. Die Klägerin ist als Erbin bzw. als Familienmitglied sowie nach der Begräbnis- und Friedhofsordnung der Gemeinde B für die Familiengrabstätte berechtigt und verpflichtet.

    Im Sommer 2013 wandte sich die Gemeinde B an die Klägerin und verlangte wegen der fehlenden Standsicherheit der Aufbauten auf dem Familiengrab mit Schreiben der Gemeindeverwaltung vom 19.6.2013 die fachgerechte Behebung der bestehenden Sicherheitsmängel. Die Klägerin kam dieser Aufforderung nach und beauftragte einen Steinbildhauer und Steinmetzmeister mit der Sanierung des Grabes. Die entsprechenden Arbeiten wurden im August des Jahres 2013 durchgeführt, wobei sich die Kosten der Grabsanierung auf x €. Da sich der Bruder der Klägerin zur Hälfte an den Kosten beteiligte, machte die Klägerin im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung den Betrag von y € als außergewöhnliche Aufwendung steuerlich gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes geltend. Der Beklagte ließ diese Aufwendungen bei der Einkommensteuerveranlagung für 2013 unberücksichtigt. Die Klägerin hat gegen den Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 13.11.2014 zunächst Einspruch eingelegt und nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben.

    Die Klägerin ist der Auffassung, dass die streitigen Aufwendungen außergewöhnliche Aufwendungen im Sinn von § 33 des Einkommensteuergesetzes darstellen würden. Soweit der Beklagte ausführe, dass Kosten für eine Grabpflege keine außergewöhnlichen Aufwendungen darstellen könnten, verkenne er, dass es sich bei dem vorliegenden Sachverhalt nicht um eine solche Grabpflege gehandelt habe, die regelmäßigerweise anfalle, sondern um Kosten einer Sanierung.

    Ausweislich der Aufforderung der Verbandsgemeinde B sei es nicht um typischerweise regelmäßig entstehende Grabpflegekosten gegangen, sondern es mussten Arbeiten an dem Grab vorgenommen werden, die keinesfalls jährlich, sondern allenfalls vielleicht alle etwa 50 Jahre vorzunehmen seien und insbesondere der Standsicherheit des Grabes dienen sollten. Derlei Grabstätten stünden auch nicht im Eigentum der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen. Im Umkehrschluss seien daher die Aufwendungen der Klägerin auch außergewöhnlich im Sinn von § 33 des Einkommensteuergesetzes.

    Außerdem seien die Aufwendungen der Klägerin auch zwangsläufig gewesen. Hierzu könne schon auf das Schreiben der Gemeindeverwaltung B vom 19.6.2013 nebst dem Verzeichnis der Verfügungsberechtigten verwiesen werden. Die Verpflichtung der Klägerin ergab sich danach aus der Begräbnis- und Friedhofsordnung sowie in ihrer Eigenschaft als Erbin.

    Zwangsläufig seien die streitgegenständlichen Kosten aber nicht nur, weil die Gemeinde die Sanierung der Grabstätte angeordnet habe, sondern insbesondere auch, weil die Klägerin der 100-jährigen Tradition ihres familiären Toten- und Ahnengedenkens aus sittlichen Gründen heraus verpflichtet gewesen sei. Dies gelte bereits in Hinsicht auf die christliche Glaubens- und Traditionspflege der Familie, spiegele sich aber auch in allgemeiner kultureller Pflege der Grabstätte im Sinn eines historischen Kulturdenkmals wieder.

    Die Klägerin habe daher den Aufwendungen auch nicht ausweichen können. Selbst wenn sie mit der familiären Pflicht bzw. Tradition gebrochen hätte, wäre sie verpflichtet gewesen, die Kosten für die Sanierung der Grabstätte zu tragen. Denn die Verpflichtung der Klägerin zur Grabsanierung gab sich auch direkt aus der Friedhofssatzung der Gemeinde B.

    Im Übrigen verweist die Klägerin darauf, dass die Friedhofssatzung generell nur eine Nutzungsdauer einer Grabstätte von 25 Jahren vorsehe, womit schon eine überhaupt hierüber hinausgehende Nutzungsdauer als außergewöhnlich angesehen werden müsse. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 28.10.2015 und vom 28.4.2016 Bezug genommen.

    Die Klägerin beantragt,

    den Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 13.11.2014 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 25.9.2015 mit der Maßgabe zu ändern, dass außergewöhnliche Aufwendungen für eine Grabsanierung i.H.v. y € als außergewöhnliche Belastung im Sinn von § 33 des Einkommensteuergesetzes steuermindernd berücksichtigt werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte verweist darauf, dass es sich im vorliegenden Fall um Kosten gehandelt habe, um die bestehenden Sicherheitsmängel an einer Grabstätte zu beheben. Solche Aufwendungen würden eine Vielzahl von Besitzern einer Grabstätte treffen, unabhängig davon, um welche Form einer Grabstätte es sich handele.

    Außerdem liege keine Außergewöhnlichkeit im Sinn von § 33 des Einkommensteuergesetzes dadurch vor, dass ein solches Grabmal wie vorliegend über alle 50 Jahre in dieser Weise saniert werden müsse. Gerade die Tatsache, dass bei einem solchen Grabmal alle 50 Jahre eine Sanierung dieser Weise notwendig werde, spreche gegen die Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen. Denn wenn bei einem solchen Grabmal davon ausgegangen werden müsse, dass es alle 50 Jahre einer solchen Sanierung bedürfe, sei die durchgeführte Sanierung, die im vorliegenden Fall erst nach 100 Jahren erfolgt sei, nicht außergewöhnlich, sondern sei sogar erst wesentlich später als im Normalfall notwendig erfolgt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 8.3.2016 Bezug genommen.

    Dem Gericht haben die einschlägigen Steuerakten des Beklagten vorgelegen.
    Gründe

    Die Klage ist zum Teil begründet.

    Der Einkommensteuerbescheid für 2013 ist insoweit rechtswidrig, als der Beklagte darin die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für die Instandsetzung des Familiengrabes dem Grunde nach nicht als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigt hat.

    Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes). Gemäß § 33 Abs. 2 S. 1 des Einkommensteuergesetzes erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 des Einkommensteuergesetzes ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 des Einkommensteuergesetzes ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (vergleiche Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, Bundessteuerblatt II 2015, 9).

    Die Voraussetzungen für die Annahme einer von der Klägerin getragenen außergewöhnlichen Belastung im Sinn von § 33 des Einkommensteuergesetzes sind vorliegend erfüllt. Im Streitfall gehörte die Sanierung der über 100 Jahre alten Familiengrabstätte in Form der Behebung der bestehenden Sicherheitsmängel nicht zu den laufenden Grabpflegekosten (so auch: Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 18.7.1979 V 220/78, EFG 1979, 600). Der von der Klägerin (zusammen mit ihrem Bruder) durchgeführten Maßnahme fehlte es auch nicht an der Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen, da die Errichtung und der Unterhalt derartiger repräsentativer Grabstätten wohl in vergangenen früheren Epochen als üblich anzusehen waren, nicht jedoch in der heutigen Zeit, in der die Mehrzahl der Bevölkerung darauf bedacht ist, den Aufwand für die Errichtung und den Unterhalt von Gräbern z.B. durch die Bestattung der Verstorbenen in schlichten Urnengräbern möglichst gering zu halten (anders: Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 18.7.1979 V 220/78, EFG 1979, 600).

    Hinzu kommt, dass heutzutage Grabstätten entsprechend den gemeindlichen Friedhofsordnungen bereits nach Ablauf einer Frist von 25 Jahren bzw. 30 Jahren eingeebnet und abgeräumt werden.

    Die von der Klägerin getragenen Aufwendungen für die Sanierung der Familiengrabstätte waren für sie auch zwangsläufig. Die Zwangsläufigkeit ergibt sich dabei aus dem Schreiben der Gemeindeverwaltung B vom 19.6.2013, in dem die Gemeinde die Sanierung der Grabstätte für die Klägerin verbindlich und verpflichtend angeordnet hatte sowie aus der einschlägigen Begräbnis- und Friedhofsordnung der Gemeinde. Dieser auferlegten Verpflichtung konnte sich die Klägerin allein schon aus rechtlichen Gründen nicht entziehen.

    Durch das zuvor genannte behördliche Schreiben vom 19.6.2013 wurde von außen derart auf die Entschließung der Klägerin eingewirkt, dass sie ihren rechtlichen und sittlichen Verpflichtungen nicht auszuweichen vermochte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23. Mai 2001 III R 33/99, BFH/NV 2001, 1391).

    Die Klägerin hat für den von ihr getragenen Aufwand für die Behebung der bestehenden Sicherheitsmängel an der Familiengrabstätte keinen entsprechenden Gegenwert oder berücksichtigungsfähigen Vorteil im Sinn der Gegenwertlehre erlangt (vgl. dazu Ludwig Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 35. Auflage, § 33, Textziffer 9 ff).

    Im Streitfall besteht die zumutbare Belastung der Klägerin i.H.v. x € gemäß § 33 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (so neuerdings zur Berechnung: Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19.1.2017 VI R 75/14, Juris Dokumentation); dieser Betrag ist von den von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen i.H.v. y € als berücksichtigungsfähige außergewöhnliche Belastung in Abzug zu bringen.

    Nach alledem war der Klage zum Teil ein Erfolg beschieden.

    Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben (§ 136 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung).

    VorschriftenEStG § 33

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents