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  • 10.03.2006 · IWW-Abrufnummer 060761

    Oberlandesgericht Naumburg: Beschluss vom 19.12.2005 – 10 Wx 10/05

    Der Umstand allein, dass ein Testamentsvollstrecker die testamentarischen Erben über die Werthaltigkeit des Nachlasses getäuscht hat, kann einen wichtigen Grund für seine Entlassung als Testamentsvollstrecker begründen. Auf das Vorliegen irgendwelcher gesetzliche Pflichten zur richtigen Auskunft kommt es nicht an.


    OBERLANDESGERICHT NAUMBURG
    BESCHLUSS

    10 Wx 10/05 OLG Naumburg

    In der Nachlasssache

    betreffend den Nachlass der ...

    hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 19. Dezember 2005 unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Schubert, der Richterin am Oberlandesgericht Mertens und der Richterin am Amtsgericht Westerhoff

    beschlossen:

    Tenor:

    Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Landgerichts Dessau vom 31. August 2005 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Der Beteiligte zu 1) trägt die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 2) im Entlassungsverfahren vor dem Amtsgericht und im Beschwerdeverfahren, Geschäftszeichen 7 T 103/05, vor dem Landgericht.

    Der Beteiligte zu 1) trägt die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 2) im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde.

    Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 10.000,00 Euro festgesetzt.

    Gründe:

    I.

    Der Beteiligte zu 1) ist der Bruder, der Beteiligte zu 2) der Enkel der Erblasserin. Mit Beschluss vom 10. Februar 2005 entließ das Amtsgericht den Beteiligten zu 1) aus seinem Amt als Testamentsvollstrecker. In erster Linie begründete es dies damit, dass der Beteiligte zu 1) den Beteiligten zu 2) weder über eine erfolgte Grundstücksveräußerung, noch über den Verbleib des Erlöses in Kenntnis gesetzt habe. Mit einem weiteren Beschluss vom 10. Februar 2005 wies das Amtsgericht den Antrag des Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Erbscheins zurück und führte aus, in Ermangelung einer wirksamen Ausschlagungserklärung des Beteiligten zu 2) sei der Beteiligte zu 1) nicht Erbe nach seiner Schwester geworden, da der Beteiligte zu 1) Erbe erster Ordnung sei.

    Ferner kündigte das Amtsgericht an, dass es beabsichtige, dem Beteiligten zu 2) einen Erbschein zu erteilen, was unter dem 24. Juni 2005 auch geschah.

    Der Beteiligte zu 1) legte gegen den Beschluss vom 10. Februar 2005 Beschwerde ein und stellte auf Nachfrage mit Schreiben vom 23. August 2005 klar, dass er sich gegen seine Entlassung als Testamentsvollstrecker gewendet habe. Ferner hatte er bereits unter dem 29. Juni 2005 mitgeteilt, dass er die Beschwerde auf die Kosten beschränke, nachdem die im Erbvertrag angeordnete Testamentsvollstreckung für die Laufzeit des Vertrags mit Ablauf des 30. April 2005 beendet worden sei.

    Die 7. Zivilkammer des Landgerichts Dessau entschied mit Beschluss vom 31. August 2005, dass eine Erstattung der im Verfahren über die Entlassung des Beteiligten zu 1) aus dem Amt des Testamentsvollstreckers zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit entstandenen notwendigen Kosten in beiden Rechtszügen nicht stattfinde. Gerichtsgebühren würden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben.

    Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 2) mit seiner am 26. September 2005 bei dem Landgericht Dessau eingegangenen sofortigen Beschwerde und legt in erster Linie dar, zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen seine Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers Erfolg gehabt hätte.

    II.

    Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Gegen die isolierte Kostenentscheidung des Landgerichts findet, wenn, wie hier, gegen eine Hauptsacheentscheidung die weitere Beschwerde statthaft gewesen wäre, die sofortige weitere Beschwerde nach §§ 20 a Abs. 2, 29 Abs. 4 FGG statt (BGHZ 28, 117, 119; BayOblGZ 1978, 243, 245; 1990, 130; KG, NJW-RR 1987, 77). Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben, da der Beschwerdewert gegeben ist und das Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt worden ist.

    Sie hat in der Sache auch Erfolg, denn das Rechtsmittel führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Der auch im Beschwerdeverfahren nach § 20 a Abs. 2 FGG allein möglichen rechtlichen Nachprüfung gemäß §§ 27 FGG, 550 ZPO (BayOblGZ 1990, 130, 131) hält die angefochtene Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis nicht stand.

    Nach der Erledigung der Hauptsache hat das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss jedoch rechtsfehlerfrei angenommen, dass nur noch eine Kostenentscheidung betreffend die Kosten der ersten Instanz und des Beschwerdeverfahrens zu treffen war. Ferner hat es richtig festgestellt, dass diese im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit auf der Grundlage des § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG zu erfolgen hat (BGHZ 28, 117, 119) und nur über die außergerichtlichen Kosten zu entscheiden ist, da sich die Zahlungspflicht für die Gerichtskosten unmittelbar aus §§ 2, 131 KostO ergibt.

    Mit dem Landgericht ist im Ansatz davon auszugehen, dass im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit § 91 a ZPO keine entsprechende Anwendung findet, da es bei dem Grundsatz bleibt, dass jeder Verfahrensbeteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Eine Erstattung ist indes anzuordnen, wenn dies nach dem Ermessen des Gerichts aufgrund der besonderen Umstände der Billigkeit entspricht.

    Unter Berücksichtigung der von dem Landgericht festgestellten Gesamtumstände geht der beschließende Senat nach der gebotenen Gesamtabwägung aller maßgeblichen Umstände davon aus, dass der Beteiligte zu 1) die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 2) zu tragen hat.

    Entgegen dem angefochtenen Beschluss hätte nämlich eine Überprüfung der durch das Amtsgericht titulierten Entlassung des Beteiligten zu 1) aus dem Amt als Testamentsvollstrecker ergeben, dass diese rechtsfehlerfrei erfolgt ist und es unter Berücksichtigung des außergerichtlichen und gerichtlichen Verhaltens des Beteiligten zu 1) der Billigkeit entspricht, ihm eine Kostentragungspflicht aufzuerlegen.

    Das Landgericht hat zu Unrecht das Vorliegen eines wichtigen Grunds gemäß § 2227 Abs. 1 BGB verneint, der die Entlassung des Beteiligten zu 1) als Testamentsvollstrecker gerechtfertigt hat.

    Gemäß § 2227 Abs. 1 BGB kann der Testamentsvollstrecker auf Antrag eines Beteiligten entlassen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Das Gesetz nennt als Beispiele eine grobe Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers oder dessen Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung.

    Die Feststellung des Sachverhalts, die die Entlassung rechtfertigen soll, obliegt den Tatsacheninstanzen. Der beschließende Senat als Rechtsbeschwerdegericht muss von dem Sachverhalt ausgehen, den das Beschwerdegericht ermittelt hat (§§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG, 559 ZPO). Dessen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung kann nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Ob der festgestellte Sachverhalt die Merkmale des Rechtsbegriffs des wichtigen Grunds im Sinne des § 2227 Abs. 1 BGB erfüllt, ist dagegen eine vom Gericht der weiteren Beschwerde ohne Einschränkungen nachprüfbare Rechtsfrage (BayOblG, FamRZ 2001, 54).

    Bei der Prüfung der Entlassung des Testamentsvollstreckers wegen berechtigten Misstrauens ist ein strenger Maßstab anzulegen; die Beteiligten dürfen nicht in die Lage versetzt werden, einen ihnen möglicherweise lästigen Testamentsvollstrecker durch eigenes feindseliges Verhalten oder aus einem für sich genommen unbedeutenden Anlass aus dem Amt zu drängen (BayOBlG, FamRZ 1991, 615, 617; 1997, 1, 26 f.).

    Das von dem Beteiligten zu 1) im Rahmen des Nachlassverfahrens an den Tag gelegte Verhalten gab unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen nach der Auffassung des Senats Veranlassung, einen wichtigen Grund für seine Entlassung als Testamentsvollstrecker anzunehmen. Dabei kommt es auf die Frage, ob der Beteiligte zu 1) formal bereits vor der Erteilung eines Erbscheins zu Gunsten des Beteiligten zu 2) verpflichtet war, diesem bzw. dessen gesetzlichen Vertretern Auskunft über den Nachlass zu erteilen, nicht an.

    § 2227 BGB setzt nämlich - wie ausgeführt - als Entlassungsgrund einen wichtigen Grund voraus. Eine grobe und schuldhafte Pflichtverletzung kann zwar einen wichtigen Grund darstellen, muss indes nicht zwingend vorliegen. Ein wichtiger Grund liegt vielmehr auch dann vor, wenn der Testamentsvollstrecker, sei es durch bei ihm bestehende tatsächliche Verhältnisse, sei es durch persönliches Verhalten, begründeten Anlass zu der Annahme gibt, dass sein längeres Verbleiben im Amt der Ausführung des letzten Willens des Erblassers hinderlich oder den berechtigten Interessen der am Nachlass Beteiligten schädlich oder gefährlich sein würde. Die Entlassung des Testamentsvollstreckers ist immer schon dann zulässig, wenn Umstände vorliegen, die den Erblasser, wenn er noch lebte, mutmaßlich zum Widerruf der Ernennung des erwählten Testamentsvollstreckers veranlasst hätten und die diesen Widerruf als im Interesse der Erben oder sonst Beteiligten liegend erscheinen lassen (BayOblGZ 1953, 357, 365; 1988, 42; 1990, 177, 184; KG, OLGE 40, 137).

    Vorliegend ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beteiligte zu 1) in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker über einen Wertgegenstand des Nachlasses, nämlich den hälftigen Miteigentumsanteil an einem Grundstück, mit am 28. März 2002 notariell beurkundeten Vertrag verfügt hat und dabei einen auf den Miteigentumsanteil entfallenden Kaufpreis von rund 415.000,00 Euro erzielt hat.

    Das Ziel der Erblasserin, das sie mit dem Erbvertrag vom 3. Mai 1995 erreichen wollte, war es, dass die Grundstücke der Familie erhalten bleiben sollten und deshalb die Zustimmung aller Miteigentümer für Verfügungen erforderlich sein sollte. Auf der Grundlage der ebenfalls im Erbvertrag vereinbarten Testamentsvollstreckung beantragte der Beteiligte zu 1) im November 2001 die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Bereits mit am 22. November 2001 bzw. 27. November 2001 bei dem Amtsgericht Dessau eingegangenen Schreiben schlugen der am 22. Juli 1975 geborene Sohn der Erblasserin und die am 5. April 1978 geborene Tochter der Erblasserin das Erbe aus (Bd. I Bl. 1 f. u. 6 d. A.). Diese - in Ansehung des oben genannten Kaufpreises und der Grundbuchinformationen objektiv nicht nachvollziehbaren - Erbausschlagungen sind wesentlich auf ein Verhalten des Beteiligten zu 1) zurückzuführen, das dazu gedient hat, den Interessen und dem Willen der Erblasserin zuwider zu laufen, denn diese wollte ihren Miteigentumsanteil an Grundstücken ihren beiden Kindern erhalten.

    Ausweislich der vorgelegten Grundbuchauszüge war ausschließlich der Miteigentumsanteil des Beteiligten zu 1) zum 11. Oktober 2004 mit Forderungen in Höhe von 502.111,56 DM belastet, wohingegen der Miteigentumsanteil der Erblasserin im Wesentlichen unbelastet war. Insofern entsprach die Mitteilung des Beteiligten zu 1) an die Kinder der Erblasserin, der Nachlass sei überschuldet, nicht den Tatsachen.

    Ferner handelte der Beteiligte zu 1) den Interessen der Erblasserin zuwider, indem er auf das Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2) vom 19. Oktober 2004 nicht und auf das Schreiben vom 12. Januar 2005 nur mit dem inhaltlich in keiner Weise nachzuvollziehenden Schreiben vom 25. Januar 2005 (Bd. I Bl. 99 d. A.) reagiert hat. Bei der Bewertung dieses Verhaltens kommt es vorliegend in keiner Weise darauf an, ob der Beteiligte zu 1) nach gesetzlichen Bestimmungen zu einer Auskunft verpflichtet war. Der Beteiligte zu 1) hat im hiesigen Verfahren zu den Vorwürfen des Beteiligten zu 2), er habe seine Nichte und seinen Neffen durch Fehlinformationen zu der Werthaltigkeit des Nachlasses dazu veranlasst, die Erbschaft auszuschlagen, nicht Stellung genommen, so dass davon auszugehen ist, dass dies den Tatsachen entspricht. Schon allein deshalb kann angenommen worden, dass er das von der Erblasserin bei der Benennung als Testamentsvollstrecker in ihn gesetzte Vertrauen massiv enttäuscht hat. Dies wird auch durch die Äußerungen des Beteiligten zu 1) in der Beschwerdeschrift vom 24. Februar 2005 deutlich. Unter Ziffer 5 äußert er die Auffassung, dass ungeachtet einer Erbenstellung des Beteiligten zu 1) das Nachlassvermögen zwischenzeitlich in sein Eigentum übergegangen sei. Mit dieser Auffassung macht er deutlich, dass er seine Aufgabe als Testamentsvollstrecker in erster Linie in der Wahrnehmung seiner eigenen Interessen und nicht der der Erblasserin gesehen hat. Er hat gänzlich verkannt, dass er als Testamentsvollstrecker die Stellung eines Treuhänders inne hatte, der den Nachlass zu verwalten und sich nicht als dessen Eigentümer gerieren durfte. Auch im hiesigen Verfahren ist der Beteiligte zu 1) von seinen Fehlvorstellungen nicht abgerückt und hat in seiner Stellungnahmeschrift vom 18. November 2005 ausgeführt, dass er über sein Vermögen verfügt habe. Er hat verkannt, dass er zu keiner Zeit Erbe nach seiner Schwester geworden ist, sondern dass dies nur für den Beteiligten zu 2) der Fall ist. Für das hiesige Verfahren ist auch ohne Relevanz, dass der Beteiligte zu 1) offensichtlich juristischer Laie ist, da es zu seinen Aufgaben als Testamentsvollstrecker selbstredend gehört hätte, sich bei Unklarheiten in Ansehung des Schwebezustandes für die Frage der Erbenstellung nach der Erblasserin Rechtsrat einzuholen, wie er als Testamentsvollstrecker mit vereinnahmten, dem wirklichen Erben zustehenden Geldern zu verfahren hat.

    Nach alledem hätte das Landgericht die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen seine Entlassung als Testamentsvollstrecker durch das Amtsgericht zurückweisen müssen, wenn sich die Testamentsvollstreckung nicht ohnehin durch Zeitablauf erledigt hätte. Hinzu kommen vorliegend besondere Umstände, die es als billig erscheinen lassen, dem Beteiligten zu 1) die Kosten des Beteiligten zu 2) aufzuerlegen, denn seine beharrliche Weigerung, die auch noch in der letzten Stellungnahme vom 18. November 2005 zum Ausdruck gekommen ist, die Interessen des Erben der Erblasserin zu akzeptieren oder seinen Standpunkt auch nur kritisch zu überdenken und sich gegebenenfalls Rechtsrat einzuholen, haben letztlich das hiesige Verfahren notwendig gemacht.

    Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 131 Abs. 1 S. 2 KostO und 13 a Abs. 1 S. 1 FGG.

    Der Geschäftswert der sofortigen weiteren Beschwerde wird gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 S. 1 KostO auf bis zu 1.000,00 Euro festgesetzt, wobei sich an den voraussichtlichen außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 2) aus den beiden Vorinstanzen zu orientieren ist, bei denen von Gebühren des Verfahrensbevollmächtigen aus einem Gegenstandswert von bis zu 10.000,00 Euro auszugehen ist.

    RechtsgebieteFGG, ZPO, KostO, BGBVorschriftenFGG § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG § 20 a Abs. 2 FGG § 29 Abs. 4 FGG § 27 ZPO § 91 a ZPO § 550 KostO § 2 KostO § 131 BGB § 2227 BGB § 2227 Abs. 1